Protocol of the Session on May 18, 2017

Es ist wichtig, daran zu erinnern, dass mutige Frauen und Männer all dies hart erkämpft haben, und es ist wichtig zu zeigen, dass diese Rechte und Freiheiten auch heute – und ich möchte sagen, gerade heute – keine Selbstverständlichkeit sind und ihr Bestand vom Engagement der Bürgerinnen und Bürger abhängt. Das Bekenntnis zu Demokratie und Pluralismus kann gefordert, muss aber vor allem gefördert werden. Gerade deshalb sollte es unser aller Anliegen sein, nachfolgenden Generationen zu vermitteln, was die friedliche Revolution war und was die Menschen damals bewegte. Das konkrete Ereignis mit seinen zahlreichen Facetten ist eine Chance für Nachgeborene, Freiheitswillen zu erfahren. Und gerade deshalb begrüße ich den von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Antrag ausdrücklich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir verfügen über einige Orte im Land – wir hörten es bereits –, an denen eine Auseinandersetzung mit der Geschichte der DDR möglich ist. Beispielsweise erzählt das Grenzhus Schlagsdorf die Geschichte der innerdeutschen Grenze und ich bin sehr froh, dass mit Mitteln aus dem Mauerfonds und des Landes in den kommenden Jahren das Grenzhus ein modernes zeithistorisches Museum zum Leben an der Grenze wird. Mein herzlicher Dank geht an alle, die dies möglich gemacht haben.

Die Gedenkstätte in der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit in Rostock und das Dokumentationszentrum in Schwerin sind ebenfalls sehr gut frequentierte Lernorte zur DDR-Geschichte. Zur friedlichen Revolution im Norden gibt es Bücher – ein wichtiges habe ich genannt –, es gibt Wanderausstellungen und vor allem an den runden Jahrestagen eine Vielzahl von Veranstaltungen. Insbesondere die im Antrag benannten Einrichtungen, die Landesbeauftragte und die Landeszentrale, haben sich hier in den vergangenen Jahren herausragend engagiert und an dieser Stelle möchte ich ein ganz herzliches Dankeschön an die beiden richten. Zu beachten sind aber noch zwei Dinge:

Erstens. Die inhaltlichen Schwerpunktsetzungen in der Gedenkstättenlandschaft bleiben bestehen. Dies sei insbesondere all jenen gesagt, die meinen, es solle jetzt endlich Schluss sein mit der Aufarbeitung und Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus und den Holocaust als Zivilisationsbruch. Nein, die Erinnerung daran bleibt ein zentraler Bestandteil unserer politischen Kultur.

Zweitens. Die Einbeziehung der oben genannten Orte in die Erarbeitung eines Konzeptes für den Gedächtnisort zur friedlichen Revolution ist mir wichtig. Die Träger und Betreiber der genannten Gedenkstätten sollen diesen neuen Gedächtnisort nicht als Konkurrenz, sondern als wichtige Ergänzung und Bereicherung des Angebots in der Erinnerungslandschaft betrachten.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Ich gehe davon aus, dass die Landeszentrale und die Landesbeauftragte bei der Erarbeitung des Konzeptes auch diejenigen einbeziehen, die sich seit Jahren um die Vermittlung von Geschichte an historischen Orten verdient machen. Deshalb werde ich die Landeszentrale auch bitten, dieses neue Angebot im Landesgedenkstättenkonzept zu berücksichtigen.

(Beifall Peter Ritter, DIE LINKE)

Lassen Sie uns diesen Gesamtrahmen der Gedenkstättenarbeit des Landes dann gemeinsam mit dem vorzulegenden Konzept für die Erinnerung an die friedliche Revolution diskutieren. Ich freue mich auf die Diskussion und danke für diesen Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Vincent Kokert, CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der AfD Herr Dr. Manthei.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die AfD-Fraktion wird dem Antrag zustimmen. Die friedliche Revolution von 1989 ist ein einzigartiges historisches Ereignis, an dem auch ich damals als 17-Jähriger teilnehmen durfte. Große Teile der DDR-Bevölkerung setzten sich für Freiheit und Demokratie ein, stürzten gewaltfrei das SEDRegime und erreichten die Wiedervereinigung Deutschlands.

Auch auf dem Gebiet des heutigen Landes MecklenburgVorpommern gab es einen flächendeckenden Aufbruch, einen großen Einsatz für weitreichende gesellschaftliche Veränderungen. Ich erinnere mich an Demonstrationen in

meiner Heimatstadt Anklam, an denen ich teilgenommen hatte, und ich erinnere mich auch daran, wie unsere damalige Klassenleiterin in der Schule – eine überzeugte Kommunistin – unsere Klasse ansprach und davor warnte, zu demonstrieren.

Wir haben uns eingesetzt für Meinungsfreiheit, Reisefreiheit, Demokratie und freie Wahlen. Am 17. Oktober 1989 richteten Mitglieder des Neuen Forums in Güstrow einen Aufruf an die Landsleute in den südlichen DDR-Bezirken, die schon für ihre Montagsdemonstrationen bekannt waren. Ich zitiere: „Ihr sollt wissen, dass der Norden nicht schläft, sondern hellwach und ebenso engagiert teilnimmt am laufenden Geschehen.“ Zitatende. Heute ist diese Botschaft auch hierzulande wieder zu verbreiten, die Mecklenburger und Vorpommern trugen maßgeblich zur Wende bei. Das Vorhaben, eine Einrichtung zu schaffen, die die friedliche Revolution mit regionalem Bezug zu Mecklenburg-Vorpommern darstellt, unterstützt die AfDFraktion.

Die sogenannte Wende kam aber nicht aus heiterem Himmel über uns. Wir DDR-Bürger überwanden damit 40 Jahre Repressionen durch einen Unrechtsstaat.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Ich schließe mich da teilweise meinen Vorrednern an, dass auch dieser Fakt immer wieder betont werden muss, um nicht die Vergangenheit falsch darzustellen. Die DDR war ein Unrechtsstaat. Ich erinnere mich an meine eigene Familie, meine Eltern. Mein Vater, ein Tierarzt, hatte eine dicke Stasiakte. Sozusagen in jedem Stall, in dem er tätig war, war ein Stasispitzel auf ihn angesetzt.

Das Konzept für einen Gedächtnisort darf diesen Fakt nicht ausblenden, sondern muss die Ereignisse von 1989 in ihren historischen Kontext einbetten, das heißt, die Vorgeschichte nachzeichnen und ebenso die Prozesse der Demokratisierung in der Zeit nach dem Mauerfall behandeln. Dieser Ansatz wird besonders den Menschen, die die DDR kaum oder gar nicht erlebt haben, Zugang zu den Ereignissen von 1989 und 1990 ermöglichen. Studien zeigen immer wieder das erheblich lückenhafte Wissen der Schüler über die DDR-Diktatur. Der Forschungsverbund SED-Staat an der Freien Universität Berlin veröffentlichte 2012 eine Studie, die belegte, dass jeder dritte teilnehmende Schüler glaubte, die Regierung der DDR sei durch demokratische Wahlen legitimiert gewesen. Die Folge ist nicht selten die Verklärung der DDR-Vergangenheit, die sogenannte Ostalgie. Wichtig für ein besseres Geschichtsverständnis ist es, Zusammenhänge zu vermitteln.

Besonders effektiv können historische Vorgänge außerdem verinnerlicht werden, wenn ein regionaler oder lokaler Bezug hergestellt wird, wie die anberaumte Einrichtung es vorsieht. Was wir brauchen, ist also ein Dokumentations- und Informationszentrum, das landesweit wirkt. Nicht ein singulärer Ort sollte herausgehoben werden, sondern die gesellschaftliche Leistung einer gewaltfreien Revolution im ganzen Land muss im Mittelpunkt stehen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Dieser Ansatz bietet einen positiven Anknüpfungspunkt in der Geschichte, der das Potenzial hat, das kollektive

Gedächtnis zu prägen. Auf diese Weise kann die Einrichtung sogar zu einem Gedächtnisort werden. Ein Gedächtnisort kann nämlich nicht von heute auf morgen geschaffen, quasi erbaut werden, er entsteht vielmehr über einen längeren Prozess der Identifikation der Menschen mit seinen Inhalten. Da der Ort an sich nicht die wichtigste Rolle spielen sollte, ist dennoch ein zentraler Standort anzustreben. Der Fokus ist aber auf die inhaltliche Arbeit zu richten. Ein Dokumentations- und Informationszentrum, wie wir es für erstrebenswert halten, forscht über die Eröffnung hinaus, arbeitet die Geschichte auf und macht sie der Öffentlichkeit zugänglich. Längerfristig kann beispielsweise mit Wanderausstellungen ein größeres Publikum erreicht werden.

Was die inhaltliche Gestaltung angeht, sieht der Antrag eine Zusammenarbeit von Landesregierung, Landeszentrale für politische Bildung und der Landesbeauftragten für Mecklenburg-Vorpommern für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR vor. Die beiden letztgenannten Einrichtungen haben im Bereich der Aufarbeitung der DDR-Geschichte bereits einiges geleistet. Auf diese Arbeit kann zurückgegriffen werden. Bereits existierende Forschungsergebnisse zur friedlichen Revolution sollten nun einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden. Einerseits sollen also vorhandene Erkenntnisse gebündelt werden, weshalb auf eine schnelle Erarbeitung der Ausstellungskonzeption gehofft werden kann, andererseits soll mit der Eröffnung nicht Schluss sein, sondern das Zentrum soll kontinuierlich weiterarbeiten.

Was den Zeitrahmen angeht, sollte der im Antrag genannte 31. Mai 2018, bis zu dem Standortvorschläge unterbreitet werden können, nur als letztmöglicher Zeitpunkt in Betracht kommen. Die Landesregierung sollte bemüht sein, einen Vorschlag zu einem erheblich früheren Zeitpunkt zu unterbreiten. Im darauffolgenden Jahr soll die Ausstellung bereits umgesetzt sein. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD und Vincent Kokert, CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Wippermann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wir sind Zeitzeugen eines Abschnittes in der deutschen Geschichte, der einmalig ist auf der Welt. Wir, damit meine ich die Menschen, die heute Mitte 40, Anfang 50 oder älter sind. Das sind also diejenigen, die schon oder noch bewusst die DDR, den Kalten Krieg, das geteilte Deutschland und ein geteiltes Europa erlebt haben. Das sind die Männer und Frauen, die aktiv oder passiv, jubelnd oder mit Ängsten die friedliche Revolution, die Überwindung der politischen Teilung Deutschlands als einen Lebensabschnitt in sich tragen. Für Kinder, die heute geboren werden, wird die politische Wende 1989 zeitlich so weit weg sein wie für meine Generation das Ende des Zweiten Weltkrieges.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, schauen Sie sich doch mal bitte um! Auch in diesem Saal befinden sich Damen und Herren, die zur Zeit der politischen Wende noch in Kindersachen steckten oder die noch gar nicht geboren waren. So schnell vergeht die Zeit, so schnell kann auch vergessen werden. Daher ist es wichtig, dass wir die friedliche Revolution in Mecklenburg

Vorpommern nun endlich aufgreifen und dem Thema ein Denkmal beziehungsweise einen Ort der Erinnerung widmen wollen. Ich finde, dass die Ostdeutschen und damit auch wir in Mecklenburg-Vorpommern zu Recht stolz auf ihre, auf unsere friedliche Revolution sein können, denn auch in unserem Land gab es Menschen – und hier möchte ich besonders an die Sozialdemokraten der ersten Stunde erinnern –, die sich mutig und engagiert für demokratische Wahlen, Meinungsfreiheit, Reisefreiheit und ein selbstbestimmtes Leben eingesetzt haben. Das sind die Grundwerte, die für uns heute selbstverständlich sind.

In dieser Selbstverständlichkeit liegt jedoch auch die Gefahr, die jede Normalität in sich birgt, sie wird nicht mehr ausreichend wertgeschätzt. Dann könnten unsere hart erkämpften Grundwerte leichtsinnig aufs Spiel gesetzt werden für populistische, rassistische, rückwärtsgewandte Ideologien. Das, meine Damen und Herren, darf nicht passieren.

Darum ist es umso wichtiger, dieser Episode in der deutschen Geschichte einen würdigen Ort der Erinnerung in unserem Bundesland zu geben. Dieser Ort kann virtuell sein oder real oder auch beides. Es könnte sich ebenso um verschiedene Orte handeln. Daher fassen die Fraktionen der SPD und CDU den Auftrag an die Landesregierung in unserem Antrag noch nicht konkret und abschließend. Wir lassen genügend Gestaltungsraum für Ideen, die wir gemeinsam mit der Landeszentrale für politische Bildung entwickeln und umsetzen wollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, jeder, der vor mehr als 27 Jahren den Tag des 9. November 1989 miterlebt hat, weiß heute noch sehr genau, wo er war und was er getan hat, als die Öffnung der Mauer als Meldung in den Medien verbreitet wurde. So unterschiedlich und individuell diese Momente gewesen sein mögen, haben sie doch eines gemeinsam: Wir erlebten diese aufregende Zeit zusammen. Die vielen persönlichen Geschichten und individuellen Schicksale rund um den Fall der Mauer dürfen nicht verloren gehen.

Persönlich würde ich mir wünschen, dass nicht nur das historische Ereignis im Mittelpunkt steht. Die Fakten sind gut dokumentiert und allseits bekannt. Vielmehr stelle ich mir ein lebendiges Denkmal vor, eines, an dem die Menschen aktiv mitwirken können, eines, das vor allem die menschliche Seite zeigt im Kampf um Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit.

Frau Wippermann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Arppe?

Frau Kollegin, bei Ihren Worten drängt sich mir ein Verdacht auf, daher meine Frage: Wollen Sie mit diesem Denkmal, das ja hier gewünscht wird,

(Zuruf von Ministerin Birgit Hesse)

die Leistung der Bürgerrechtler und der Menschen in der damaligen DDR im Herbst 1989 würdigen oder wollen Sie vielleicht diese Sache doch nur missbrauchen als Vehikel für Ihren politischen Kampf in diesen Tagen?

(Zuruf von Minister Harry Glawe)

Das drängt sich mir auf, wenn Sie hier schon wieder von Rassismus und Rechtsextremismus reden, dass das eigentlich nur ein Vehikel für Sie ist.

(Thomas Krüger, SPD: Natürlich muss von der Seite die Frage kommen. – Zuruf von Minister Harry Glawe)

Herr Arppe, es ist mit Sicherheit kein Vehikel. Es geht hier um die Menschen, die Menschen, die in unserem Land die Demokratie und die Meinungsfreiheit vorangetrieben haben in dem Jahr 1989. Damit müssen Sie leben und wenn Sie aus meinen Worten hier irgendetwas herauslesen wollen,

(Zuruf von Rainer Albrecht, SPD)

was vielleicht Ihrer Ideologie entspricht, dann ist das Ihr Problem.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Meine Damen und Herren, ich möchte ein Denkmal, vielleicht eines, an dem wir Menschen aus Mecklenburg und Vorpommern das damals gemeinsam gelebte und gefühlte Wir wiederfinden oder auch neu entdecken können. Daher bitte ich Sie im Namen meiner Fraktion, dem vorliegenden Antrag zuzustimmen.

Zum Änderungsantrag der LINKEN: Wir haben uns eben noch mal ausführlich in der SPD-Fraktion unterhalten, wir würden diesem Antrag gern zustimmen. Die Ministerin hat es auch bereits durchklingen lassen, dass ein Gedenkstättenkonzept erarbeitet wird, aber Sie wissen, der Koalitionsvertrag lässt es leider nicht zu.

(Zurufe vonseiten der Fraktion DIE LINKE: Oh!)

Wenn die CDU anderer Meinung ist, können wir dem leider nicht zustimmen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)