Das Quorum beim Volksentscheid ist das Mittel der regierenden Parteien, ein Volksgesetzgebungsverfahren endgültig zu ersticken, wenn es nicht schon vorher durch die viel zu hohe Hürde beim Volksbegehren erstickt wurde. Denn was haben SPD und CDU im Vorfeld des Volksentscheids zur Gerichtsstrukturreform getan? Gar nichts! Die Befürworter des Volksentscheids haben Werbung für den Volksentscheid gemacht, ich selbst bin durch Vorpommern gefahren, habe Plakate für den Volksentscheid aufgehängt und Flyer verteilt.
Doch die Regierungsparteien haben gar nichts gemacht, sie hatten das auch gar nicht nötig, gegen den Volksentscheid mobil zu machen und ihre Gerichtsstrukturreform zu verteidigen. Sie konnten ganz entspannt auf das Quorum und auf eine geringe Abstimmungsbeteiligung vertrauen. Sie hatten gar kein Interesse daran, dass das Volk mobilisiert wird, zur Abstimmung zu gehen.
wie es der Gesetzentwurf vorsieht, denn dann sind auch die Regierungsparteien gezwungen, aktiv zu werden. Dann hätten Sie, um bei dem Beispiel zu bleiben, Ihre Gerichtsstrukturreform verteidigen müssen, was bekanntlich nicht möglich ist.
Sehr geehrte Damen und Herren! „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen“, also auch mittels unmittelbarer Demokratie, „ausgeübt.“ So will es unsere Landesverfassung. Ich bitte Sie daher, der Überweisung unseres Gesetzentwurfes in den Rechtsausschuss zuzustimmen. Helfen Sie dabei mit, die Buchstaben unserer Verfassung mit Leben zu erfüllen! – Vielen Dank.
Im Ältestenrat wurde vereinbart, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der AfD möchte Artikel 60 der Landesverfassung ändern und Folgeänderungen im Volksabstimmungsgesetz vornehmen. Zukünftig sollen ein Begehren statt bisher 100.000 nur noch mindestens 40.000 Wahlberechtigte unterstützen müssen, das heißt, das Unterstützungsquorum soll ganz erheblich abgesenkt werden. Außerdem soll ein Gesetzentwurf zukünftig durch Volksentscheid angenommen sein, wenn die Mehrheit der Abstimmenden zugestimmt hat. Das bisher vorgesehene Zustimmungsquorum von mindestens einem Viertel der Wahlberechtigten soll also gänzlich entfallen.
Dazu ist zunächst Folgendes zu sagen: Bereits im Jahr 2006 wurde das Quorum für ein Volksbegehren von 140.000 Unterschriften auf 120.000 abgesenkt. Vor allem
aber sind die hier angesprochenen Vorschriften erst kürzlich erneut geändert worden, das ist noch nicht mal ein Jahr her. Mit dem Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern und weiterer Rechtsvorschriften vom 14. Juli 2016 ist das Unterstützungsquorum nämlich von 120.000 auf 100.000 abgesenkt worden. Das entspricht einem Anteil von circa 7,5 Prozent der Wahlberechtigten, bezogen auf die Landtagswahl 2016. Außerdem wurde das Zustimmungsquorum von einem Drittel auf ein Viertel der Wahlberechtigten verringert.
In diesem Gesetzgebungsverfahren sind zahlreiche Sachverständige angehört worden. Auf der Grundlage genau dieser Stellungnahmen hat anschließend dieses Hohe Haus eine sorgfältig abgewogene Entscheidung zur Frage der Quoren getroffen. Dem ist nichts hinzuzufügen. Eine weitere Absenkung der Voraussetzungen für ein erfolgreiches Volksbegehren ist aus meiner Sicht abzulehnen.
In verfassungsrechtlicher Hinsicht lässt der Gesetzentwurf der Fraktion der AfD außer Acht, dass die Zulassungsvoraussetzungen für die Volksgesetzgebung nicht übermäßig herabgesetzt werden dürfen. Wenn es in der Begründung des Gesetzentwurfes heißt, die Bürger müssten im Rahmen der Volksgesetzgebung Hürden überwinden, die für die Abgeordneten des Landtages, die Parlamentsgesetze erlassen, nicht gelten, so ist das, wenn man denn den Vergleich überhaupt zulassen will, zwar zutreffend, hat allerdings auch einen guten Grund. Unsere Landesverfassung gibt in Artikel 3 und in Artikel 20 als Staatsform die repräsentative Demokratie vor. Daraus folgt ein Vorrang parlamentarischer Gesetzgebung.
Der Landtag, also die gewählte Vertretung des Volkes, ist Stätte der politischen Willensbildung, wie Artikel 20 ausdrücklich feststellt. Elemente der unmittelbaren Demokratie kommen dabei natürlich ergänzend hinzu. Diese Vorgaben unserer Landesverfassung dürfen nicht durch zu niedrige Hürden unterlaufen werden. Bei der Festlegung der Quoren muss ein Ausgleich im Spannungsfeld, nämlich zwischen den vorhandenen Partikularinteressen von Initiatoren von Volksbegehren und der Allgemeinverbindlichkeit von Gesetzen, gefunden werden. Es soll verhindert werden, dass eine absolut kleine Gruppe ein Volksgesetz allein deshalb zustande bringt, weil ein Desinteresse der großen Mehrheit vorhanden ist. Das Demokratieprinzip erfordert ein Zusammenwirken der verschiedenen Elemente, nämlich hinreichendes Unterstützungsquorum beim Volksbegehren, Mehrheitserfordernis beim Volksentscheid und Zustimmungsquorum beim Volksentscheid, die die Gewähr dafür geben, dass mit der Volksgesetzgebung das verfolgte Anliegen auch eine Verallgemeinerung möglich macht.
Die verfassungsrechtliche Rechtsprechung hat unterschiedliche Regelungen bereits untersucht und entschieden. Instruktiv ist in diesem Zusammenhang ein Urteil des Staatsgerichtshofs der Freien Hansestadt Bremen aus dem Jahr 2000. Dort wurde ein Gesetzgebungsentwurf für unvereinbar mit dem Demokratieprinzip erklärt, der vorsah, das Unterstützungsquorum – und jetzt passen Sie bitte auf! – für ein Volksbegehren auf fünf Prozent der bei der letzten Bürgerschaftswahl abgegebenen gültigen Stimmen, das entsprach etwa drei Prozent der Stimmberechtigten, zu senken und auf ein Zustimmungsquorum beim Volksentscheid gänzlich zu verzichten.
Und genau dieses beinhaltet auch der Gesetzentwurf der Fraktion der AfD. Künftig sollen nur noch 40.000 Unterstüt
zer für ein Volksbegehren erforderlich sein. Das entspricht knapp fünf Prozent der Wähler der Landtagswahl 2016 und nur drei Prozent der Wahlberechtigten. Auf ein Zustimmungsquorum soll komplett verzichtet werden. Damit dürfte das Vorhaben schon verfassungsrechtlich unzulässig sein.
Aber auch verfassungspolitisch spricht nichts für eine weitere Absenkung der Quoren. Mecklenburg-Vorpommern befindet sich im Vergleich zu den anderen Bundesländern beim Unterstützungsquorum durchaus im Mittelfeld. Es gibt einige Länder, die höhere Unterstützungsquoren haben und ebenfalls nicht auf ein Zustimmungsquorum verzichten. Ein Zustimmungsquorum von 25 Prozent der Wahlberechtigten ist in der Mehrzahl der Bundesländer vorgesehen. Es gibt durchaus Länder, die auf ein Zustimmungsquorum verzichten. Die haben aber viel höhere Hürden beim Unterstützungsquorum.
Der Gesetzentwurf argumentiert nun damit, dass seit Inkrafttreten der Landesverfassung erst ein einziges erfolgreiches Volksbegehren und damit ein einziger, letztlich erfolgloser Volksentscheid zustande gekommen sei. Das, meine Damen und Herren, heißt nun aber gerade nicht, dass wir die Voraussetzungen ständig und so lange senken, bis ein Volksentscheid überhaupt erfolgreich sein kann. Folgt man einer solchen Logik, wären wir in einer Abwärtsspirale, die verfassungsrechtlich – das habe ich gerade erklärt – unzulässig und verfassungspolitisch aus meiner Sicht nicht sinnvoll wäre.
So komme ich insgesamt zu dem Schluss, meine Damen und Herren, aus meiner Sicht bedarf es keiner Überweisung dieses Gesetzentwurfes in den Rechtsausschuss. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Gäste! In der vergangenen Legislaturperiode hat sich der Landtag intensiv mit dem Thema der direktdemokratischen Beteiligung, Volksbegehren und Volksentscheid befasst und im Ergebnis die Instrumente der Bürgerbeteiligung gestärkt. Vor nicht einmal einem Jahr im Juni 2016 hat der Landtag aufgrund einer interfraktionellen Gesetzesinitiative die Verfassung geändert. Um direktdemokratische Teilhabemöglichkeiten zu stärken, wurden entsprechend Quoren reduziert. So wurde die erforderliche Anzahl der Unterstützer eines Volksbegehrens von 120.000 auf 100.000 Wahlbeteiligte abgesenkt.
Darüber hinaus wurde das Zustimmungsquorum bei einem Volksentscheid von einem Drittel auf ein Viertel abgesenkt. Dies entspricht im Übrigen der Regelung für Bürgerentscheide auf kommunaler Ebene, für die die Kommunalverfassung ein Zustimmungsquorum von 25 Prozent der Stimmberechtigten verlangt.
Meine Damen und Herren, in der Vergangenheit wurden Verfassungsänderungen intensiv zwischen den verschiede
nen Fraktionen im Vorfeld diskutiert, fraktionsübergreifend eingebracht und beschlossen. Eine Änderung der Landesverfassung beschließt man nicht mal eben so aus der Hüfte.
Der vorliegende Gesetzentwurf, das Unterschriftenquorum bei Volksbegehren auf 40.000 zu senken und das Zustimmungsquorum bei Volksentscheiden komplett abzuschaffen, ist in mehrfacher Hinsicht unseriös.
Meine Damen und Herren Abgeordnete, allein die Tatsache, dass ein Volksbegehren beziehungsweise ein Volksentscheid scheitert oder gar nicht erst zustande kommt, lässt für sich genommen nicht auf zu hohe gesetzliche Hürden schließen. Entscheidend ist vielmehr die jeweils in Rede stehende Thematik.
Die erforderliche Anzahl zur Unterstützung eines Volksbegehrens von 100.000 Wahlberechtigten entspricht somit 7,5 Prozent. Dieses Quorum ist nun wahrlich nicht zu hoch. Wenn ein Sachverhalt als wichtige Angelegenheit angesehen wurde, dürfte ein diesbezügliches Volksbegehren beziehungsweise ein Volksentscheid auch zu einer entsprechend hohen Beteiligung führen.
Meine Damen und Herren, was das Zustimmungsquorum bei Volksentscheiden betrifft, so hat ein solches gerade …
So hat ein solches gerade auch unter demokratischen Gesichtspunkten einen Zweck. Es soll verhindern, dass eine aktive Minderheit ohne Weiteres die Mehrheit der Bürger dominiert. Ein Volksentscheid soll nicht zur Durchsetzung von Anliegen von Minderheiten führen. Er soll vermeiden, dass eine kleine Gruppe von Aktivisten ein Gesetz alleine infolge der Nichtbeteiligung der großen Mehrheit zustande bringt. Ein Zustimmungsquorum hat auch zur Folge, dass die Gegner des Gesetzentwurfes nicht abstimmen müssen, sondern ihn durch Nichtbeteiligung zu Fall bringen können.
Meine Damen und Herren Abgeordnete, nach dem Willen der AfD-Fraktion soll das Unterstützerquorum bei Volksbegehren auf 40.000 gesenkt werden. Dies entspricht lediglich rund drei Prozent der Wahlberechtigten bei der letzten Landtagswahl. Bei einem Unterstützerquorum von nur drei Prozent hätte Mecklenburg-Vorpommern nicht nur das niedrigste Quorum aller Bundesländer, auch rechtlich käme eine derartige Absenkung an ihre zulässigen Grenzen.
Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung sieht Quoren von fünf Prozent und weniger mit Blick auf das Demokratieprinzip als kritisch an. So hat etwa der Bayerische Verfassungsgerichtshof entschieden, der Sinn der Hürde bei Volksbegehren sei es, den demokratischen Grundsatz zu verwirklichen, dass ein politischer Gestaltungswille, der keinen größeren Rückhalt im Volke hat, von der Gesetzgebung ausgeschlossen ist. Dieses Prinzip wäre – so das Gericht – vor dem Hintergrund, dass bei einem anschließenden Volksentscheid kein Quorum besteht, durch eine Senkung des Unterstützungserfordernisses auf fünf Prozent verletzt. Die der Entscheidung zugrunde liegende 10-Prozent-Hürde mache die Volksgesetzgebung nicht etwa unmöglich, sondern verleihe ihr erst die unabdingbare demokratische Legitimation, so der Bayerische Verfassungsgerichtshof.
Meine Damen und Herren, auch unter Verfahrensgesichtspunkten startet die AfD-Fraktion mit dem vorliegenden Gesetzentwurf einen mehr als fragwürdigen Versuch. Die Änderung einer Verfassung benötigt eine Zweidrittelmehrheit. Eine Verfassung hat einen besonders hohen Rang. Eine Verfassung sollte daher nur nach reiflicher Überlegung und auf einer breiten Legitimationsbasis geändert werden.
Um eine Verfassungsänderung auf den Weg zu bringen, müssen die politischen Kräfte im Vorfeld miteinander reden. Man muss um Kompromisse ringen. Dieses ist hier nicht geschehen. Wenn es der AfD-Fraktion wirklich um mehr Bürgerbeteiligung und mehr direkte Demokratie gehen würde, hätte sie den Gesetzentwurf nicht im Schnellschussverfahren in den Landtag eingebracht. Wenn es ihr mit der Verfassungsänderung ernst gewesen wäre, dann hätte sie vorher das Gespräch mit den anderen Fraktionen gesucht. Daran hat die AfD-Fraktion aber offensichtlich überhaupt kein Interesse.
Meine Damen und Herren Abgeordnete, es drängt sich der Eindruck auf, es gehe der AfD-Fraktion nicht wirklich um mehr Mitbestimmung für die Bürgerinnen und Bürger,
es geht ihr vielmehr darum, sich als Interessenverwalter des „Volkswillens“ zu profilieren und Verdrossenheit gegenüber denjenigen zu schüren, die politische Verantwortung tragen.