Protocol of the Session on April 6, 2017

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE erfreut uns mit einem Antrag, in dem sie ihre sozialpolitische Agenda herunterspult. Die Bundestagswahl naht.

Adressat dieses Antrages ist in erster Linie wahrscheinlich gar nicht meine Fraktion, Adressat ist eher der potenzielle Koalitionspartner, mit dem Sie zu neuem Glanz gelangen könnten. Es geht wohl um den bekannten Wettbewerb „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der sozial Gerechteste im Land?“

(Franz-Robert Liskow, CDU: Oha! – Peter Ritter, DIE LINKE: Na da fallen Sie schon mal raus.)

Und jeder weiß natürlich, dass es seit einigen Wochen einen Sozialdemokraten gibt, der gern über gefühlte Ungerechtigkeit spricht.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Fällt sozusagen aus dem Rahmen.)

Wie dem auch sei, ich kann verstehen, dass sich DIE LINKE angesichts der vielen warmen Luft, die der Mann produziert, ein wenig unter Zugzwang sieht. Auch wenn

es nur warme Luft ist, wird sie doch durch einen sehr kräftigen Fön geblasen.

(Thomas Krüger, SPD: Na, gucken wir mal, was der Fön am Ende bringt. – Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE)

Anders als Ungleichheit, meine sehr geehrten Damen und Herren, die belegt ist beziehungsweise deren Auswirkung gemessen werden kann, ist Gerechtigkeit etwas Subjektives. Das Letzte, was wir brauchen, ist ein Streit über Gerechtigkeit, sondern wir brauchen einen Austausch darüber, wie unsere Gesellschaft weiter zusammenwachsen kann. Ich sehe es voraus, eine Debatte um Gerechtigkeit wird die Polarisierung der Gesellschaft eher verschärfen als lindern.

Ich könnte es mir jetzt einfach machen und DIE LINKE und die SPD auffordern, das unter sich auszumachen und das Hohe Haus kurz über das Ergebnis zu unterrichten.

(Thomas Krüger, SPD: Mal sehen, ob wir das dann tun.)

Da Sie mich aber als fleißige Abgeordnete kennen,

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

habe ich mir den Antrag angeschaut und mir die Forderung Punkt für Punkt angesehen, durchgelesen.

(Jochen Schulte, SPD: Frau Friemann-Jennert, ist das jetzt die Aufforderung, hier gemeinsam abzustimmen mit den LINKEN? Wir können ja mal darüber nachdenken.)

Punkt für Punkt darauf antworten werde ich nicht, denn dafür ist das Ziel des Antrages dann doch zu durchsichtig.

(Zuruf von Simone Oldenburg, DIE LINKE)

Wenn man sich Ihre Wohltatenliste anschaut, dann könnte man zu drei Thesen kommen:

These 1 – in Deutschland grassiert die Arbeitslosigkeit.

These 2 – unser Bildungssystem ist sozial selektiv.

These 3 – in Deutschland geht es in hohem Maße ungerecht zu.

Meine Damen und Herren, die parlamentarische LINKE ist in einer Zeit entstanden, als Menschen unter unwürdigen Bedingungen in Fabriken schuften mussten. Und wenn sie nicht mehr arbeiten konnten, dann starben sie an Entkräftung und an Armut, und die Kinder dieser Fabrikarbeiter hatten praktisch keine Chance, dass es ihnen besser geht als ihren Eltern. Sie genossen selten Schulbildung und wurden in Manufakturen verschlissen.

(Jochen Schulte, SPD: Und dass es heute anders ist, das ist dank 150 Jahren SPD.)

Es gehört zur geschichtlichen Wahrheit, dass die parlamentarische LINKE diese Zustände seinerzeit nicht nur beklagt hat, sondern auch höchst erfolgreich war, diese Zustände einzudämmen. Den Kampf gegen den Man

chesterkapitalismus hat die parlamentarische LINKE zumindest in Deutschland schon lange gewonnen. Es gibt eine gut funktionierende Sozialversicherung, unser Bildungssystem ermöglicht prinzipiell jedem, der einigermaßen fleißig ist und der es will, den beruflichen Aufstieg.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Oh, oh, oh! Sie wollen sagen, nur weil man faul ist, kriegt man keinen Schulabschluss. Weil man faul ist, bekommt man keinen Berufsabschluss. Erst nachdenken, Frau Friemann-Jennert, erst nachdenken, was man sagt!)

Und selbst den Ärmsten, Frau Oldenburg, in Deutschland geht es materiell besser als einem Fabrikarbeiter in Deutschland der 50er-Jahre. Wenn Ihnen diese Feststellung bekannt vorkommt, dann irren Sie sich nicht. Das hat dem Sinn nach ein deutscher Bundeskanzler gesagt und der war nicht bei der CDU.

(Egbert Liskow, CDU: Was sagt er denn?)

Es läuft beileibe nicht alles gut in Deutschland und das behaupte ich auch gar nicht.

(Egbert Liskow, CDU: Bei den LINKEN auch nicht.)

Aber das Bild, das DIE LINKE von Deutschland zeichnet und für das sich auch der eine oder andere Sozialdemokrat erwärmen kann, ist einfach meilenweit von der Realität entfernt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Sebastian Ehlers, CDU: Sehr richtig.)

Und warum ist das so? Sie stehen vor einem gewissen Problem und dem begegnen Sie wenig kreativ. Um sich inhaltlich und politisch nicht weiterentwickeln zu müssen, tun Sie permanent so, als würde es in Deutschland zugehen wie in Manchester im vorhergehenden Jahrhundert.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Meine Damen und Herren, ich bin sehr dafür, dass wir darüber diskutieren, wie wir die Schulabbrecherquote senken,

(Jochen Schulte, SPD: Aber, Frau Friemann-Jennert, CDU-Landesparteitag ist erst am kommenden Wochenende, ne?! – Zurufe von Franz-Robert Liskow, CDU, und Marc Reinhardt, CDU)

wie wir es schaffen, Migranten, die sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten, an unser Wertesystem heranzuführen. Ich bin sehr dafür, darüber zu reden, wie wir es schaffen, dem ländlichen Raum eine sinnvolle Perspektive zu geben, wie wir es schaffen, Menschen, die seit Generationen von Sozialhilfe leben, davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen, und wie wir es schaffen, die sittliche Verrohung in unserer Gesellschaft einzudämmen. Das sind alles Fragen, die die Probleme streifen, vor denen wir stehen. Ich würde mich gern mit Ihnen darüber unterhalten, aber ich bitte Sie um Verständnis, als ehrenamtlicher Wahlkampfhelfer für die Fraktion DIE LINKE stehe ich, stehen wir nicht zur Verfügung.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Marc Reinhardt, CDU: Auf keinen Fall. – Thomas Krüger, SPD: Das haben wir gerade gemerkt. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Für uns als CDU steht die Frage im Vordergrund, wie durch bessere Chancengleichheit und Teilhabe der Wohlstand für alle verbessert werden kann, und nicht etwa die Spaltung der Gesellschaft: Alt gegen Jung, Steuersenkung oder -erhöhung, Arm gegen Reich, Arbeitnehmer gegen Arbeitgeber. Wir wollen, dass Produktivität, Wachstum, Gesundheit und Innovation im Vordergrund stehen, wie es für einen starken und leistungsfähigen Sozialstaat notwendig ist. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Vielen Dank, Frau Friemann-Jennert.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Torsten Koplin für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich fand, wir hatten bis hierher eine sehr spannende Debatte.

(Marc Reinhardt, CDU: Und jetzt hört es auf, oder was?)

Es ist bezeichnend, mit welchen Argumenten hier vorgetreten wird und welche Vergleiche gezogen werden. Herr Glawe, bis hundert Jahre zurück, das wäre das Jahr 1917.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Wegen der sozialistischen Oktoberrevolution damals.)

Also Sie bringen abstruse Vergleiche, die nun wirklich hinken.

Was ich sehr spannend fand, war der Einstieg von Herrn Arppe – eine philosophische, aber gesellschaftspolitische Betrachtung und Einordnung,

(Minister Harry Glawe: Wahrheit tut weh, ne, Herr Koplin?!)

wie die Debatte zur sozialen Gerechtigkeit eigentlich zu werten ist und wo denn die Wurzeln sind. Hier sind einige genannt worden. Wir haben andere, wir orientieren uns unter anderem an Kant, an John Rawls und kommen zu einem ganz anderen Schluss als Sie.

(Sebastian Ehlers, CDU: Marx, Engels.)