Sehr geehrter Innenminister, es liegt im wahrsten Sinne des Wortes jetzt in Ihrer Hand, diese weiterhin schützend über diese Behörde und ihr Tun oder Unterlassen zu halten oder aber – aus Sicht meiner Fraktion richtigerweise – die Reißleine zu ziehen. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Islamistischer Terror – Wen schützt der Verfassungsschutz?“ – ja, na den islamistischen Terror jedenfalls nicht, das war den Worten des Innenministers und übrigens auch dem Verfassungsschutzbericht, der seit geraumer Zeit vorliegt, ziemlich klar zu entnehmen. Herr Ritter hat noch mal ganz neue Schwerpunkte in Bezug auf den Verfassungsschutz unseres Landes hier gelegt. Die AfD hat sich hauptsächlich auf das Attentat am Berliner Breitscheidplatz bezogen.
Die Frage, wen der Verfassungsschutz schützen soll, ist natürlich klar zu beantworten: „Der Verfassungsschutz dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und der Länder.“ Also er hat de facto zur Aufgabe, den Staat vor allen staatszersetzenden Elementen zu schützen.
das Landesverfassungsschutzgesetz ist hier im Hohen Haus sehr gut bekannt. Die AfD will jedoch die Frage, ob der Verfassungsschutz womöglich Informationen zur Aufklärung des Anschlags auf den Breitscheidplatz nicht weitergeleitet hat, für ihre Zwecke instrumentalisieren.
Ich will mich gar nicht weiter bei den möglichen Unterlassungen in Bezug auf den Attentäter Anis Amri aufhalten,
nur so weit, dass hier ja auch von einem V-Mann unseres Verfassungsschutzes die Rede ist, der 2017 Informationen unabhängig vom Verfassungsschutz geliefert haben soll. Auf dieser Grundlage wurde in Berlin-Neukölln eine Familie überwacht, und zwar ungefähr bis neun Tage vor dem Anschlag. Man fand keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass hiervon eine tatsächliche Gefahr ausging, und hat die Überwachung eingestellt.
Aber die gegenwärtige Diskussion oder diese Diskussion gibt der AfD natürlich die Möglichkeit, einmal mehr zwei ihrer Feindbilder in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken: den Islamismus und den Verfassungsschutz.
Dass die AfD-Fraktion der Frage „Wen schützt der Verfassungsschutz?“ das Stichwort „islamistischer Terroris
mus“ voranstellt, suggeriert natürlich auch, dass der Verfassungsschutz nicht nur vor islamistischem Terrorismus schützt, oder nicht nur nicht davor schützt, sondern den möglicherweise sogar befördert durch sein Verhalten. Ginge es der AfD aber tatsächlich um die Sicherheitslage und etwaige Versäumnisse, wäre zunächst eine Sachverhaltsdarstellung durch das Innenministerium mit anschließender Diskussion im Innenausschuss der richtige Weg.
das ist natürlich nicht so medienwirksam, als wenn man es hier im Landtag jetzt noch mal breitwalzt.
Islamisten, das ist leider so, wollen eine Gesellschaftsordnung errichten, in der islamische Rechtsnormen durchgesetzt werden und die Anwendung der Scharia durchgesetzt wird.
Damit würde in der Tat die freiheitlich-demokratische Grundordnung außer Kraft gesetzt. Es gibt im Bereich des Islamismus terroristische Gruppierungen, deren Ziel die Propagierung, Androhung und der Einsatz von Gewalt ist. Vor diesem Hintergrund beobachtet der Verfassungsschutz religiös motivierte extremistische Bestrebungen, die sich insbesondere gegen die freiheitlichdemokratische Grundordnung richten. Und hier sind die Salafisten hervorzuheben, die eine Ideologie und besonders radikale Bewegung innerhalb des islamistischen Extremismus darstellen.
Übrigens verurteilen wir nicht nur extremistische Auswüchse des Islam, auch andere Religionen bringen extremistische Auswüchse hervor, die vielleicht nicht so offensichtlich sind, aber allemal dazu geeignet, unsere Grundwerte und unsere Grundrechte anzugreifen. Wir lehnen alle Formen des religiösen Extremismus ab.
Die tatsächlich registrierten Straftaten, die in MecklenburgVorpommern dem islamistischen Extremismus zuzuord
nen sind, sind zum Glück überschaubar und im einstelligen Bereich. Zum islamistischen Terrorismus heißt es im Verfassungsschutzbericht von 2019: „Der islamistische Terrorismus stellt weiterhin eine sehr große Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik dar. Allerdings gab es auch“ – und das ist, worauf es wirklich ankommt – „2019 keinen islamistischen Anschlag mit Todesfolge in Deutschland.“ Diese Aussage verdeutlicht zum einen, dass der Verfassungsschutz sich der Gefährlichkeit des islamistischen Extremismus wohl bewusst ist und Personen, die ihm zugeordnet werden können, im Auge behalten wird, und andererseits stellt er klar, dass die Anzahl gelungener islamistisch-terroristischer Straftaten in Deutschland vergleichsweise sehr gering ist. Und meine Fraktion ist der Meinung, das soll auch unbedingt so bleiben.
Dass die AfD den Verfassungsschutz diskreditieren und in ein schlechtes Licht rücken will, ist aber klar, denn der Verfassungsschutz befasst sich nicht nur mit religiös motivierten extremistischen Bestrebungen, sondern natürlich auch mit dem Rechtsextremismus. Und hier kommt die AfD natürlich besonders ins Spiel. Die AfD selbst ist zwar kein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes, man könnte sich allerdings schon fragen, wie lange das noch der Fall ist. 2018 hatte der Verfassungsschutz unter Federführung des Bundesamtes für Verfassungsschutz eine Prüfung zu der Frage eingeleitet, ob vielleicht tatsächlich Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung in der AfD oder ihren Teilorganisationen erkennbar sind. In das Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz sind dabei auch Sachverhalte und Zitate von Teilstrukturen und Personen der AfD aus MecklenburgVorpommern eingeflossen.
Ergebnis der Prüfung war, dass der AfD-interne Personenzusammenschluss – der Minister hat es schon erwähnt – „Der Flügel“ sowie die offizielle Jugendorganisation „Junge Alternative für Deutschland“ zu rechtsextremistischen Verdachtsfällen erklärt wurden.
Im März 2020 erklärte das Bundesamt für Verfassungsschutz, den „Flügel“ nicht mehr lediglich als Verdachtsfall, sondern als erwiesen rechtsextremistische Bestrebung zu führen. Der als rechtsextremistisch eingestufte „Flügel“ hat sich dann offiziell aufgelöst, doch gewinnt er innerhalb der AfD laut Bundesamt an Einfluss, denn die Mitglieder des „Flügels“ sind ja nicht einfach weg, sie mischen munter weiter in der AfD mit.
stufte der Thüringer Verfassungsschutz den dortigen AfD-Landesverband zum Verdachtsfall für extremistische Bestrebungen hoch. Im Juni 2020 stufte der Verfassungsschutz Brandenburg den örtlichen Landesverband als Verdachtsfall für eine rechtsextremistische Bestrebung ein. Die Behörde begründete diesen Schritt mit dem Landesverband zurechenbaren extremistischen Positionen von Mitgliedern, dem starken Einfluss der
Parteiströmung „Der Flügel“ und Verbindungen zu rechtsextremistischen Bestrebungen und Verdachtsfällen wie der Identitären Bewegung.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, wie die AfD von ihrer politischen Konkurrenz gesehen wird. Da haben wir von der NPD, von dem NPD-Landesverband Erstaunliches lesen können, auch im Verfassungsschutzbericht 2019 auf Seite 31 dokumentiert. Da möchte ich jetzt gar nicht näher drauf eingehen, weil die Zeit leider sehr knapp ist.
Es ist also insgesamt gesehen nicht verwunderlich, dass die AfD ein gestörtes Verhältnis zum Verfassungsschutz hat und warum sie immer nervöser reagiert. Vielleicht erinnern sich noch einige hier im Haus an diese Textpassage, ich zitiere: „Das Landesamt für Verfassungsschutz hat sich längst zu einem staatlichen Spitzeldienst entwickelt, der im Auftrag der herrschenden Systemparteien die politische Opposition überwacht und öffentlich denunziert. Die Dokumentation in den entsprechenden Berichten bewirkt eine systematische Ausgrenzung politischer Opponenten im Land“ und so weiter und so fort. Das Zitat stammt aus einer Begründung, aus der Begründung eines Antrags zur Auflösung des Verfassungsschutzes, hier im Landtag von der NPD-Fraktion gestellt.
Aber so weit muss man ja nicht zurückgehen, denn im Januar dieses Jahres wurde von dem ehemaligen AfDMitglied, dem fraktionslosen Abgeordneten, der Antrag „Landespolizei stärken – Verfassungsschutz abschaffen“ in den Landtag eingebracht. Der Antrag hat natürlich mehrheitlich Ablehnung gefunden, aber die AfD hat eine Zustimmung und Enthaltungen, also die AfD hat ihn nicht durchweg abgelehnt.
Es versteht sich von selbst, dass der Verfassungsschutz als Nachrichtendienst weder seine Arbeitsmethoden noch alle gewonnenen Erkenntnisse offenlegen kann. Dies würde den beobachteten Personen beziehungsweise Objekten und Personen ermöglichen, ihre Beobachtungen zu erschweren oder gar zu verhindern. Da kann man als Verfassungsschutzgegner natürlich eine mangelnde Transparenz beklagen. Aber auch, wenn wir anerkennen, dass eine völlige Transparenz des Verfassungsschutzes nicht möglich ist, vertreten wir die Auffassung, dass etwaige Missverständnisse und mögliches Fehlverhalten innerhalb des Verfassungsschutzes unbedingt aufgeklärt werden müssen.
Sie haben die verschiedenen Ausschüsse schon angesprochen, auch hier im Landtag ist ja im NSUUntersuchungsausschutz einiges zutage getreten und im Innenausschuss wird das weiterverfolgt. Meiner Überzeugung nach geht es der AfD jedoch nicht um die Sachaufklärung. Hauptanliegen ist es, den Verfassungsschutz, der der AfD aus den vorgenannten Gründen ein Dorn im Auge ist, zu diskreditieren, und auch diese Aktuelle Stunde zeigt, besonders Verfassungsfeinde haben Interesse an einem schwachen Verfassungsschutz. – Vielen Dank!