Protocol of the Session on October 29, 2020

(Am Rednerpult leuchtet die rote Lampe.)

Schon Feierabend, wa?!

(Heiterkeit und Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Julian Barlen, SPD, und Andreas Butzki, SPD: Schade! Schade!)

Schade, ich habe noch zwei, drei Seiten hier. Na ja!

(Heiterkeit und Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Minister Harry Glawe: Ist ein Jahr Arbeit abgearbeitet?)

Aber, Frau Dr. Schwenke, vielleicht konnte ich Ihnen doch mal sagen, dass …

(Der Abgeordnete Jürgen Strohschein wendet sich an das Präsidium. – Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

So. – Danke!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD – Minister Harry Glawe: Also, das war eine staatstragende Rede.)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der AfD auf Drucksache 7/5444. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. – Danke schön! Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? –

Frau Kröger, Stimmenthaltung?

(Eva-Maria Kröger, DIE LINKE: Nein, nein!)

Okay.

Damit ist der Antrag der Fraktion der AfD auf Drucksache 7/5444 bei Zustimmung durch die Fraktion der AfD und dem fraktionslosen Abgeordneten und ansonsten Ablehnung abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 29: Beratung des Antrags der Fraktion DIE LINKE – Diskriminierung bei Blutspenden beenden, auf Drucksache 7/5456.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Diskriminierung bei Blutspenden beenden – Drucksache 7/5456 –

Das Wort zur Begründung des Antrages hat für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Koplin.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Abgeordnete Herr Strohschein hat uns gerade wissen lassen, dass Sie an dem Thema, das jetzt zuvor eine Rolle spielte, schon lange gearbeitet haben und die Rede ein Jahr zuvor geschrieben haben.

(Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU)

Die Rede, die ich jetzt hier – drei Jahre, ne? –, die Rede, die ich jetzt hier in den Händen halte, die hätte schon vor einem Jahr geschrieben werden sollen,

(Minister Harry Glawe: Ja. Gut, Torsten.)

wenn es um den Sachverhalt geht,

(Andreas Butzki, SPD: Kannst dir auch ein Jahr Zeit lassen.)

denn wir sind von Mitgliedern der Community und von Abgeordneten aus CDU, SPD und GRÜNEN verschiedener Landtage, wie zum Beispiel Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, wie im Saarland, darauf aufmerksam gemacht worden, dass es Momente der Diskriminierung in Fragen der Blutspende gibt.

Und der Hintergrund ist der, dass, wenn es um Diskriminierung geht, ja der Blick zuallererst ins Grundgesetz gelangen muss. Das Grundgesetz, das wissen wir, Artikel 3 Absatz 3 besagt, es gibt ein Diskriminierungsverbot und daraus abgeleitet das seit August 2006 geltende Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Das schreibt vor, dass niemand hierzulande seiner Herkunft, seiner Hautfarbe, seines Geschlechts, seiner Religion wegen, seiner Weltanschauung wegen, einer Behinderung etwa, des Alters oder – und darum geht es an dieser Stelle – der sexuellen Identität benachteiligt werden darf.

(Thomas de Jesus Fernandes, AfD: Und seiner politischen Meinung! Das vergesst ihr immer.)

Ich hab das eben gesagt, Herr de Jesus Fernandes, der Weltanschauung. Ja, und die politische Auffassung ist darin eingeschlossen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Kann er nicht wissen.)

Wir sind wiederum gehalten, darauf zu achten, dass Verfassungstext Verfassungswirklichkeit wird oder ist, besser noch, und dass Gesetze, die auch wir selbst erlassen beziehungsweise die auf Bundesebene Wirkung entfalten für die gesamte Bundesrepublik, dass die auch umgesetzt werden. Und schaut man sich die geltende Richtlinie zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten an, wird deutlich, dass homo- und bisexuelle Männer nicht Blut spenden dürfen, es sei denn, sie können nachweisen, wie denn auch immer das geschehen kann, dass sie ein Jahr zuvor keinen Sex hatten, im Verlauf eines Jahres zuvor keinen Sex hatten.

Dass nicht alle Menschen Blut spenden können, liegt auf der Hand. Das hat was damit zu tun, dass es Menschen gibt, die aufgrund von chronischen Erkrankungen, von akuten Infektionserkrankungen oder missbräuchlichem Drogenkonsum nicht dafür geeignet sind, dass sie Blut weitergeben, weil die Empfängerinnen und Empfänger von Blutspenden natürlich auf die Sicherheiten, das steht ganz oben an, vertrauen müssen.

Wie kommt es nun dazu, dass es ein solches Diskriminierungsmoment in der besagten Richtlinie gibt? Der Hintergrund ist der, dass Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre mit dem Erkennen und Auffinden des HI-Virus man zu der Auffassung gelangte, dass Homo- und Bisexuelle aufgrund der Gefährdungen und der Risiken, die mit diesem Virus verbunden sind, nicht geeignet sind für eine Blutspende, und man schloss sie zunächst gänzlich von der Blutspende aus. Das wurde dann revidiert. Es gab im Jahr 2015 ein Gerichtsurteil des Europäischen Gerichtshofes. Das besagte, dass ein Ausschluss für diese Personengruppe gänzlich nicht statthaft ist, und damit war auch klar, dass die Rechtsprechung und die Rechtsetzung

zunächst in Deutschland sich bewegen muss. Das ist 2017 geschehen.

Die Bundesärztekammer, die diese Richtlinie faktisch verfügt, hat sie dahin gehend modifiziert, dass gesagt wurde, ja, eine Blutspende ist möglich, wenn es diese Frist gibt. Es wurde jedoch das Moment der Diskriminierung nicht völlig ausgelöscht, weil nach wie vor gesagt wird, also sexuelle Identität allein wird schon belegt mit einer solchen Frist. Wir sagen, das ist unangemessen. Das ist auch in der Sache nicht gerechtfertigt, weil der Europäische Gerichtshof 2015 zugleich befand, dass es, wenn es um Fristen geht oder wenn es um Einschränkungen bei der Blutspende geht, diese gemessen werden müssen an den Möglichkeiten und den technischen Gegebenheiten, die jeweils vorliegen, um etwaige Ausschlussgründe, die im Risikoverhalten liegen könnten, näher zu bestimmen. Bei HIV ist es mittlerweile eine Frist von sechs Wochen. Insofern sind die zwölf Monate, die seit nunmehr etwa drei Jahren in dieser Richtlinie stehen und eine Diskriminierung für die bi- und homosexuellen Männer darstellen, dass diese nicht mehr in der Sache gerechtfertigt ist.

Wir appellieren an Sie, genauso, wie es Abgeordnete in den besagten Landtagen schon getan haben, dass wir sagen, es muss eine Veränderung an dieser Stelle geben, und adressieren diesen Veränderungswillen an die Bundesebene und verlangen eine Neuordnung und neue Richtlinie an dieser Stelle. Wir hoffen sehr darauf, dass Sie sagen, ja, das ist also völlig einsichtig, dass man sich da bewegen muss, zumal für uns das eingangs schon erwähnte Gebot des Grundgesetzes und daraus abgeleitet, wie gesagt, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gilt, wie für alle anderen auch. Insofern ist es in der Sache geboten, diesem Antrag zu entsprechen, und auch rechtlich geboten. Wir hoffen auf Ihre Zustimmung. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 55 Minuten vorzusehen. Ich sehe dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen, und ich eröffne die Aussprache.

Für die Landesregierung hat ums Wort gebeten der Minister für Wirtschaft, Arbeit und gesunde, Gesundheit. Entschuldigung! Bitte schön, Herr Glawe!

(Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Diskriminierung bei der Blutspende beenden“ ist ein Thema, das schon sehr lange läuft. Von daher hat Herr Koplin richtig vorgetragen, dass es bei der EU eben auch Entscheidungen gegeben hat und im Grundgesetz die Dinge zu beachten sind. Aber ich will darauf hinweisen, dass es eben nicht nur die Sexualität in diesen Fragen zu beachten gilt. Es geht ja auch um die Frage – haben Sie angesprochen – von Tests im HIV-Bereich, bei Hepatitis C oder Syphilis. Das sind auch Erkrankungen, glaube ich, die man übertragen kann, indem man durch Blut, wenn man das nicht testet, durchaus auch dem Empfänger sozusagen körperlichen Schaden zufügen kann. Von daher ist es eben richtig, dass auch da aus humanistischen Gründen darauf geachtet wird, dass diese Dinge eben auch untersucht

werden können, und deswegen wird ja die Diskussion so geführt.

Der Ausschluss von HIV und Aids ist seit den 70er- und 80er-Jahren ein entscheidendes Thema. Da hat man sich immer auf die Aussage verlassen: ein Jahr Rückstellung, bevor eine Blutspende gegeben werden kann. Und der jeweilige Mensch, der spenden will und spenden darf, der muss ein Jahr lang dann auch sozusagen erklären und nachweisen, dass er eben keinen Geschlechtsverkehr in dem Sinne gehabt hat, um Infektionen auszuschließen.

Es gibt noch weitere Gründe. Da geht es in besonderer Weise um die Frage, dass man, wenn man eine Endoskopie hinter sich hatte, also im Analbereich et cetera, dann gibt es auch Sperrfristen, weil auch dort Infektionen durchaus möglich sind. Die Sperrfristen sind eben auch mindestens vier Monate, also eine Rückstellung von der Blutspende.

Andererseits will ich heute noch mal sagen, in Deutschland brauchen wir täglich 15.000 Blutspenden, um insgesamt die Bedarfe bei Operationen oder anderen Dingen auf den Weg zu bringen. Da geht es eben auch um Antikörpergabe et cetera. Alles das braucht man – dazu braucht man Blutspenden, um am Ende auch vielen Personen helfen zu können. Gerade Personen, die auch ein geschwächtes Immunsystem haben et cetera, profitieren davon.

Ich will all den Mitarbeitern Dank sagen, die dafür sorgen. In besonderer Weise macht das das DRK, das Rote Kreuz in Deutschland und den Ländern, die da sehr intensiv unterwegs sind. Wir haben 3.800 Mitarbeiter im Hauptamt und 200.000 Ehrenamtler. Ohne diese 200.000 Ehrenamtler würde man diese Aufgaben gar nicht erfüllen können. Deswegen ist es heute aber auch wichtig, daran zu erinnern, wie die Dinge sich darstellen.

Am Ende – ich will hier gar nicht mehr so viel darüber reden, Herr Koplin –, Sie wissen, dass die Entscheidungen in den nächsten Wochen, zumindest bei der Bundesärztekammer und bei den jeweiligen weiteren Institutionen, anstehen. Richtig ist, dass wir da im November oder Dezember zu einer Entscheidung kommen, die dann die Reduzierung von derzeit zwölf Monaten Rückstellung auf acht, auf vier Monate erreichen kann. Das wird die entscheidende Frage sein, wie sich dann die Bundesärztekammer dazu verhält, denn wir brauchen in dieser Frage eben auch die Entscheidung der Fachleute, um am Ende über das Risikoverhalten zu entscheiden.

Und wichtig ist, dass wir in dieser Frage eben auch politisch dann eine Entscheidung treffen werden, sofern das Paul-Ehrlich-Institut und das Robert Koch-Institut zusammen mit dem Bundesgesundheitsministerium und den Vertretern der Ärztekammer zu einer abgewogenen Entscheidung gekommen sind und damit dann auch der Politik die Evaluierung möglich machen. Entscheidend wird es sein, dass die wissenschaftliche Datenlage vom Herbst 2020 und die Studienergebnisse des Robert Koch-Instituts zur Spender Compliance und anderen Dingen herangezogen werden und alle dann im Arbeitskreis „Blut“ und im ständigen Arbeitskreis „Richtlinie Hämotherapie“ die entscheidenden Impulse setzen und den Bundesoberbehörden und dem Bundesgesundheitsministerium dann eine Entscheidungsmöglichkeit liefern.

Soweit kann ich nur sagen: Der Antrag ist so richtig, aber da hoffe ich, dass wir in den nächsten Wochen eine Entscheidung kriegen, und danach wird der Gesetzgeber auch tätig werden. Die jeweiligen Fachgremien müssen jetzt liefern, und dann, denke ich, können wir darüber weiterreden. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister!

Für die Fraktion der AfD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Dr. Jess.