Protocol of the Session on October 29, 2020

Für die Fraktion der AfD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Dr. Jess.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Landsleute und verehrte Gäste! Mit dem vorliegenden Antrag unterstellt die Fraktion DIE LINKE eine Diskriminierung bei Blutspendern und verlangt, diese zu beenden.

Worum geht es? Das Blutspendewesen in Deutschland ist im Transfusionsgesetz geregelt. Die praktische Ausgestaltung wurde dabei der Bundesärztekammer und dem Paul-Ehrlich-Institut übertragen. Beide Institutionen haben auf insgesamt circa 100 Seiten die Richtlinie Hämotherapie vorgelegt, mit vollständigem Namen „Richtlinie zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten“. Die letzte Anpassung geht auf Mai 2019 zurück. Formaljuristisch beschäftigen wir uns also mit einer Bundesangelegenheit.

Die Fraktion DIE LINKE springt mit ihrem heutigen Antrag thematisch auf zwei Anträge mit gleicher Zielstellung von FDP und GRÜNEN vom 27.05.2020 im Bundestag auf. Derzeit befinden sich diese Anträge in den Ausschüssen des Bundestages. Der Minister hat bereits darauf hingewiesen, dass demnächst entsprechende Ergebnisse zu erwarten sind. Insofern betreiben wir hier und heute formelles Schattenboxen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Aber kommen wir zum Inhalt des Antrages. Die Linksfraktion unterstellt der Richtlinie Hämotherapie eine Diskriminierung homosexueller Männer, die Blut spenden wollen, und verlangt die Beseitigung dieser Diskriminierung. Gleichzeitig meint sie, damit einer Unterversorgung mit Blutkonserven in Deutschland begegnen zu können. Die Kritik der Diskriminierung betrifft konkret den Punkt 2.2.4.3 der Richtlinie Hämotherapie, wo die Anforderungen an Spender, das heißt Ausschlusskriterien beziehungsweise Rückstellungskriterien geregelt sind. Dort werden Gründe für grundsätzlichen Ausschluss beziehungsweise zeitliche Rückstellung von einer Blutspende angegeben. Das sind, allgemein gesehen, erstens Gründe zum Schutz der spendenwilligen Personen, zum Beispiel Schwangere, Stillende, untergewichtige Personen oder Personen mit bestimmten eigenen Erkrankungen und so weiter. Und zweitens gibt es Gründe, die dem Schutz der Empfänger der Blutprodukte dienen.

Beim ersten Punkt gibt es wohl keine Differenzen zwischen den Fraktionen hier bei uns. Beim zweiten Punkt, dem Schutz der Empfänger von Produkten, gibt es sicher auch keine unterschiedlichen Auffassungen, was den Fakt an sich betrifft. Der Teufel steckt aber im Detail.

Die oben genannte Hämotherapie-Richtlinie sieht beim Schutz der Empfänger eine besondere Sorgfalt vor, weil es in der Vergangenheit in Deutschland ungute Erlebnisse und Erfahrungen gab. Das betraf zum Beispiel Hepatitisepidemien im Zusammenhang mit Rhesusantikörpergaben bei Schwangeren. Im Zusammenhang mit Punkt zwei werden durch die Richtlinie notwendigerweise Personen von einer Blutspende ausgeschlossen, die Infektionen aufweisen oder möglicherweise noch infektiös sind. Ich denke, hierzu gibt es eine hundertprozentige Zustimmung bei uns. Der Punkt zwei betrifft aber auch Personen, die lediglich ein erhöhtes Expositionsrisiko haben, das heißt, eine übertragbare Infektion zu erwerben.

Dies ist ein präventives Vorgehen, welches mit der unzulänglichen Ergebnissicherheit der infrage kommenden Labortests auf Krankheitserreger, aber auch mit den Kosten dieser Tests zusammenhängt. Der Minister hatte auch schon kurz darauf hingewiesen. Und bei einer Vielzahl von Fällen werden dort an vorderer Stelle Personen genannt, die zum Beispiel ein Sexualverhalten haben, welches im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung ein deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko schwerer Infektionskrankheiten zur Folge hat. Das betrifft Personen mit häufig wechselnden Sexualpartnern, zum Beispiel Prostituierte, Homosexuelle, transsexuelle Personen mit entsprechenden sogenannten risikoreichen Sexualpraktiken. Diese Personen sind in der Richtlinie als Personen mit einem bestimmten risikoreichen sexuellen Verhalten benannt.

Und, meine Damen und Herren, das erhöhte Risiko dieser Personen, an schweren Infektionskrankheiten, wie zum Beispiel HIV, zu erkranken, ist statistisch belegt. Ein Onlineartikel des „Ärzteblatts“ von 2017 führt an, dass 2.100 Männer, die Sex mit Männern hatten, sich im Jahr 2016 mit dem HIV infiziert haben. Dem stehen etwa 1.000 Heterosexuelle gegenüber. Auch wenn die Bezugsgrößen fehlen, wird deutlich, dass das Risiko ungleich zulasten der homosexuellen Männer verteilt ist. Insofern erscheint die Empfehlung der Richtlinie durchaus plausibel.

DIE LINKE meint, man könne diese Personen nicht grundsätzlich ausschließen, sondern solle die individuelle Lebensführung für die Entscheidung heranziehen. Grundsätzlich könnte man ja meinen, warum nicht. Natürlich gibt es auch homosexuelle Personen, die kein erhöhtes Expositionsrisiko für schwere Infektionskrankheiten aufweisen aufgrund ihrer Lebensführung. Da stellt sich dann allerdings die Frage von Aufwand und Nutzen bei der Blutgewinnung. Wenn individueller Prüfaufwand und Nutzen im rechten Verhältnis stehen, einverstanden, aber die Bewertung, ob und wann diese Abwägung zugunsten einer individuellen Betrachtung ausfällt, würde ich nicht so gern der Politik, sondern lieber den Fachleuten überlassen, den Wissenschaftlern und Ärzten.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Zudem kann ich grundsätzlich auch keine wirkliche Diskriminierung dieser Personen erkennen. Soviel ich weiß, gibt es auch keine Klage dazu. Es ist eine konstruierte Diskriminierung durch DIE LINKE.

(Beifall Dr. Ralph Weber, AfD)

Unser gesellschaftliches Leben erfordert nämlich immer wieder, zum Vorteil der Leistungsempfänger bei der

Auswahl von Leistungserbringern die Eignung und die individuellen Gegebenheiten zu beachten. Man fragt sich auch, warum sollte es ein Recht geben, Blut zu spenden, wenn dieses Blut, weil es potenziell ungeeignet ist, nicht gebraucht wird? Das wäre doch völlig abstrus. Es geht in erster Linie darum, eine bestmögliche Risikovermeidung bei der Bluttransfusion zu gewährleisten. Nicht das angebliche Recht des Blutspenders steht im Fokus, sondern das Recht des Patienten, ein sicheres Blutprodukt zu empfangen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Lassen Sie mich noch einige Bemerkungen zur Unterversorgung mit Blutprodukten machen. In der Begründung des Antrags wird ausgeführt, dass nur zwei bis drei Prozent der Bevölkerung Blut spenden. Da frage ich Herrn Koplin: Haben Sie einmal kalkuliert, auf welche Werte Sie kommen würden, wenn wir Ihrem Antrag folgen würden? Ich kann es Ihnen sagen, auf zwei bis drei Prozent der Bevölkerung. Das heißt, wir würden keinen nennenswerten Anstieg bekommen. Durch die Einbindung eines Teils der Homosexuellen, die ein risikofreies Sexualleben praktizieren, in die Blutspende wird dieses Problem garantiert nicht gelöst werden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Das eigentliche Problem ist nämlich nicht die Diskriminierung von Minderheiten, sondern die Diskrepanz zwischen Spendenbereitschaft der Bevölkerung und dem Bedarf an Blutprodukten. Warum diese Spendenbereitschaft der Bevölkerung nicht ausreicht, darüber sollten wir nachdenken. Da wäre über die Aufwandsentschädigung, die Transparenz des Handels mit Blutprodukten und über Gewinnmargen zu reden.

Der Direktor einer Spendeneinrichtung sagte mir einmal in einem Gespräch über die Situation des Blutspendewesens in Mecklenburg-Vorpommern: „Ich möchte davor warnen, die Blutspendeproblematik zu einem politischen Streitthema zu machen. Lassen Sie das Thema bei den Fachleuten und Ärzten!“ Ich denke, dem ist nichts hinzuzufügen, und ich möchte dem ausdrücklich beipflichten.

(Eva-Maria Kröger, DIE LINKE: Das gilt ja wohl für jedes Thema, nehme ich an.)

Kurz und gut, Ihr Antrag geht an den eigentlichen Problemen vorbei und bedient ein ideologisches Scheinproblem.

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Deswegen würden wir zwar der Überweisung in die Ausschüsse zustimmen, den Antrag selbst lehnen wir jedoch in der vorliegenden Form ab. Es kann höchstens dazu dienen, einen Hinweis zu geben, dass es hier, dass man aufmerksam wird auf das Problem und dass die Fachleute es neu überdenken. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall vonseiten der Fraktion der AfD)

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort der Abgeordnete Barlen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst mal

herzlichen Dank für den Antrag von der Fraktion DIE LINKE! Es ist gut, dass wir Gelegenheit haben, über dieses Thema hier im Landtag zu sprechen. Wir sind uns sicherlich einig, jede sichere Blutspende ist ein wichtiger Beitrag zur Versorgung der Patientinnen und Patienten mit dem dringend benötigten Blut, mit einzelnen aufbereiteten Blutbestandteilen, und wirklich jede und jeder von uns weiß, dass dieses Blut knapp ist, dass es mehr Blutspenden braucht. Und alleine schon deshalb ist es überfällig, dass natürlich auch alle unnötigen Regelungen abgeschafft werden, die dazu führen, dass weniger Blut gespendet wird.

(Beifall Torsten Koplin, DIE LINKE)

Für alle Spenderinnen und Spender gilt der gleiche Standard an Sicherheit, und für alle Spenderinnen und Spender muss aber auch der gleiche Standard hinsichtlich des Risikos gelten. Das führt mich zu einem zweiten tatsächlich nicht weniger wichtigen Grund zur Abschaffung dieser Regelung, nämlich einer Regelung, die eine zwölfmonatige Enthaltsamkeit für spendenbereite Homosexuelle vorsieht, und das ist schlicht diskriminierend, weil es sich nicht auf ihr Risikoverhalten bezieht, sondern auf ihre sexuelle Neigung.

(Beifall Eva-Maria Kröger, DIE LINKE)

Und das ist nicht stringent in der Sache, und das ist deshalb auch nicht zu begründen.

(Beifall Thomas Krüger, SPD, und Torsten Koplin, DIE LINKE)

(Eva-Maria Kröger, DIE LINKE: Sehr richtig! Sehr richtig!)

Meine Damen und Herren, es ist korrekt, dass sich in dieser Angelegenheit schon in den vergangenen Jahren einiges getan hat. Es ist aber nicht der Stand, den wir uns wünschen. Das reicht nicht, der Kern dieser Diskriminierung ist nämlich nicht behoben. Bis zum Jahr 2017 waren bestimmte Personengruppen, die mit einem erhöhten Übertragungsrisiko schwerer Infektionskrankheiten in Verbindung gebracht wurden, gänzlich vom Blutspenden ausgeschlossen, wir haben es gehört. Hintergrund war der HIV-Skandal in den 1980er-Jahren. Der Ausschluss wurde dann 2017 gemildert und dieser Zustand gilt bis heute. Der eigentliche Grund für diese Änderung im Jahr 2017 war aber auch ein äußerer, das muss man auch dazusagen, nämlich ein 2015 gefälltes Urteil des Europäischen Gerichtshofes, das den kollektiven Ausschluss schon damals – das ist ja auch schon fünf Jahre her – als diskriminierend und somit als nicht vereinbar mit der Europäischen Charta der Grundrechte eingestuft hat.

Gegenwärtig werden bestimmte Personengruppen von der Blutspende ausgeschlossen, von denen angenommen wird, dass sie ein hohes Übertragungsrisiko schwerer Infektionskrankheiten in sich tragen würden. Dazu gehören unter anderem Männer, die Sexualverkehr mit Männern haben, und demnach dürfen homosexuelle Männer erst dann Blut spenden, wenn sie zwölf Monate enthaltsam waren. Diese Regelung, muss man tatsächlich sagen, ist lebensfremd und setzt in der wirklichen ernsthaften Umsetzung das komplette Verbot für Schwu

le und auch bisexuelle Männer einfach fort. Und das ist eine Diskriminierung, und deshalb wird dieser faktische Ausschluss von Blutspendern auch schon seit vielen, vielen Jahren so kontrovers diskutiert.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, heute gibt es wesentlich bessere Testverfahren für das gespendete Blut, bessere Testverfahren, die Blutspenden sicherer machen, die das Risiko minimieren, das eben nicht nur von einer Bevölkerungsgruppe, sondern das von allen Bevölkerungsgruppen ausgeht, die sich in ihrem Sexualleben unvernünftig oder riskant verhalten.

Und zudem müssen wir auch mal den Blick über die deutschen Grenzen hinaus werfen. Da sind viele Staaten schon viel weiter. In Australien, Großbritannien,

(Eva-Maria Kröger, DIE LINKE: Richtig!)

in Schweden ist die Karenzzeit aufgehoben, in Österreich, Spanien, selbst in Polen wird das Blut bi- und homosexueller Männer gar nicht mehr von dem Blut anderer unterschieden. Hier wird sinnvollerweise auf das vernünftige Verhalten aller Spenderinnen und Spender abgestellt, was ja nicht heißt, dass nicht Menschen, die sich riskant verhalten, Menschen, die sich unvernünftig verhalten, trotzdem nicht zur Blutspende zugelassen werden.

Meine Damen und Herren, mit der gesamten Frage – Minister Glawe ist darauf eingegangen – beschäftigt sich offensichtlich neben allem anderen auch unser Bundesgesundheitsminister, Jens Spahn, nach eigenem Bekunden „nicht“ – Zitat – „als schwuler Mann, sondern als Minister“. Zitatende. Das lassen wir so stehen, warum er das jetzt so betont hat. Er führe Gespräche auf der Suche nach der Lösung eines Problems. Das heißt, nicht nur bei unserem Gesundheitsminister, sondern auch beim Bundesgesundheitsminister ist präsent, dass es sich um ein Problem handelt. Festgelegt werden die Ausschlussregelungen für das Blutspenden letztlich ja von der Bundesärztekammer. Aber auch Minister Spahn ist offensichtlich im Gespräch mit der Bundesärztekammer da dran.

Im Gespräch ist aber im Augenblick, nur die Karenzzeit zunächst von zwölf auf vier Monate zu senken. Das, muss man sich natürlich vor Augen halten, ändert nichts an der beschriebenen grundlegenden Problematik, außer, dass aus zwölf Monaten vier Monate werden, was möglicherweise eine ja irgendwie vorstellbarere Zeit für Karenz oder Enthaltsamkeit ist. An der Grundproblematik ändert es nichts. Und deshalb möchte ich auch für unsere Fraktion betonen, dass es unseres Erachtens eine vernünftige, klare Regelung für alle Menschen mit sexuellem Risikoverhalten geben muss, und diese Menschen mit sexuellem Risikoverhalten sind eben oftmals, oftmals eben nicht verheiratete, verpartnerte oder generell monogam lebende Menschen, egal welchen Geschlechts oder welcher Sexualität.

Genau zu diesem Thema gibt es offensichtlich weiteren Abstimmungsbedarf im Bund, auch hier im Land. Das hätten wir eigentlich ziemlich gut auch mal in einem zuständigen Ausschuss diskutieren können,

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Man muss doch einfach mal eine Position haben. Sie haben doch eine!)

aber, meine Damen und Herren, Sie haben es gehört, wir haben uns darauf nicht einigen können. Es wird auch keine Überweisung mitgetragen. Ich persönlich finde das an dieser Stelle jetzt wirklich schade.

Im Saarland übrigens, habe ich rausgefunden, Herr Glawe, hat die CDU zusammen mit der SPD einen Antrag genau zu diesem Thema eingebracht und beschlossen.

(Heiterkeit und Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU)