Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Eine begehrte Baugenehmigung wird nicht erteilt, ein Landespflegegeld wird schleppend bearbeitet, für eine Zufahrt zu einem privaten Grundstück wird eine Sondergebühr erhoben und in den Regionalen Planungsverbänden liegen neue Anträge zur Ausweisung von Windeignungsgebieten vor. Das sind nur vier Beispiele der Sorgen und Nöte von Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes, die der Petitionsausschuss entgegengenommen hat. Ich freue mich, dass ich Ihnen heute den Tätigkeitsbericht 2014 in aller Kürze vorstellen kann, nachdem der Petitionsausschuss diesen Bericht beraten hat.
Im Jahre 2014 erreichten den Landtag 420 Petitionen. Das sind 380 Petitionen weniger als im Vorjahr. Bevor nun wilde Spekulationen beginnen, darf ich vielleicht kurz auf diese Zahl eingehen. Zunächst einmal, wer sich mit Statistiken beschäftigt hat, seriös zumindest, weiß, dass man von Zahlen eines Jahres zum anderen nichts Gesellschaftspolitisches ableiten kann und keine Schlussfolgerungen ziehen sollte, sondern Zeiträume von zehn und mehr Jahren miteinander vergleichen müsste. Zum Zweiten gab es im letzten Jahr keine Massenpetitionen, und zum Dritten darf ich hier erwähnen, dass es einen Petenten gab oder gibt, über viele Jahre bereits, der den Petitionsausschuss mit etwa 200 bis 400 Petitionen im Jahr bedenkt. Es ist oftmals auch an den Mails zu erkennen, wenn der Petent nachts wahrscheinlich Nachrichten sieht und über dies oder jenes aufgebracht ist, oder über Dinge, die er so erlebt, dann schreibt er eben Petitionen: 20/30 in der Nacht.
Insofern haben wir als Petitionsausschuss in diesem Jahr darüber beraten und haben gesagt, wir möchten das Verfahren mit diesem Petenten umstellen, und zwar werden wir diese Petitionen nach gewissen Zeiträumen oder vom Umfang her bündeln, wenn etwa 20, 30 oder 50 eingegangen sind. Dann haben wir im Jahr nicht 300 oder 500 Petitionen, sondern wir haben eben 15 bis 20. Das heißt nicht, dass eine Petition gänzlich nicht bear- beitet wird. Wir haben uns in den anderen Bundes- ländern und im Deutschen Bundestag erkundigt, und genau dieser Petent, der an der Landesgrenze Brandenburg/Mecklenburg-Vorpommern wohnt, schreibt auch da so viele Petitionen. Ich denke, dass diese Begradigung oder wie wir es bezeichnen wollen, auch einen Riesenverwaltungsaufwand klein hält. Sie müssen sich mal vorstellen, elf Ausschussmitglieder erhalten jeweils 400 Akten allein von diesem Petenten. Ich denke, dass wir damit auch diesen Petitionen Genüge tun.
Also, wie gesagt, wir haben im letzten Jahr 420 Petitionen entgegengenommen, davon waren 28 Sammel- petitionen. Sammelpetitionen kommen immer dann zustande, wenn es Gesetzesveränderungen gibt, Korrekturen oder andere Maßnahmen, und viele Bürgerinnen und Bürger befürchten, in ihrem Interesse eingeschränkt zu werden.
So haben sich zum Beispiel 1.024 Bürgerinnen und Bürger darüber beschwert, dass durch den Betreiberwechsel der Strecke Ost–West die Züge wie auch die Bahnsteige nicht mehr barrierefrei zu erreichen sind. Das ist sicherlich schon ein Ärgernis. Wir haben diese Petition insofern zunächst abschließen können, weil das Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung mitgeteilt hat, dass bis zum September dieses Jahres auf dieser Teilstrecke alle Züge barrierefrei eingesetzt werden.
Eine weitere Sammelpetition ist zu verzeichnen, da haben sich 661 Petenten in 31 Sammelpetitionen zusammengefunden, die dagegen demonstrieren und es auch zurückweisen, dass neue Eignungsgebiete für Windkraftanlagen erarbeitet werden, oder fordern, die Abstandsregelung auf 2.000 Meter zu vergrößern.
Dann haben wir eine Unterschriftensammlung einer Bürgerinitiative, das sind – da muss ich erst mal gucken – 1.031, die den deutschen Schlager im NDR 1 Radio Mecklenburg-Vorpommern gerne hören möchten. Darüber haben wir gerade in der letzten Woche eine Ausschussberatung öffentlich durchgeführt. Das war also keine Ausschusssitzung im Sinne des Petitionsrechts schlechthin, denn der Artikel 5 unseres Grundgesetzes sagt eindeutig, dass Rundfunk nicht nur staatsfern ist, sondern auch unabhängig.
Jedenfalls haben wir da miteinander gesprochen. Im freimütigen Gespräch konnten wir uns sicherlich nicht einigen, dass zukünftig auch der deutsche Schlager gespielt wird. Das müssen wir so hinnehmen. Wir haben uns dazu abschließend auch keine Meinung gebildet und wir werden als Landtag und als Ausschuss keine Empfehlung erteilen. Das würde auch dem Grundrecht widersprechen. Ich denke aber, dass Menschen, die eine Forderung haben, zumindest angehört werden können, und das haben wir getan.
Insgesamt nutzten im vergangenen Jahr 3.397 Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, sich einzeln oder auch in der Gemeinschaft an den Landtag zu wenden, um von ihrem Recht, Petitionen einzubringen, Gebrauch zu machen. Das zeigt eigentlich eindrucksvoll, wie gewichtig doch dieses Grundrecht ist.
Wir haben dem Landtag im letzten Jahr drei Beschlussempfehlungen und Berichte zugeleitet und 350 Petitionsverfahren wurden mit Ihrer Zustimmung abgeschlossen.
Es gibt natürlich auch Petitionen, die geeignet sind, fehlerhaftes Verwaltungshandeln zu korrigieren. Hier sei folgendes Beispiel erwähnt: Es gibt ein Straßenbauamt, das hat einem Petenten auferlegt, weil er auf sein Grundstück fahren muss, eine Sondergebühr zu bezahlen. Das heißt also, der wohnt außerhalb eines Ortes an einer Landstraße und muss von dieser Landstraße auf sein Grundstück fahren. Dafür sollte er eine Sondergebühr bezahlen.
Das Ministerium hat uns mitgeteilt, das ist sogar rechtens und der Bescheid ist auch rechtens, weil die Straßen
sondernutzungsgebührenverordnung das so vorsieht. Der Petent hat insofern Glück, dass die Verordnung gerade in Überarbeitung war und durch unser gemeinsames Einwirken darauf dann in der Endfassung so ausgelegt wurde, dass weder der Petent noch andere zukünftige Nutzer eine Nutzungsgebühr zahlen müssen. Also Petitionen können durchaus dazu beitragen, Anregungen für Gesetzesänderungen und Korrekturen zu geben. Dafür gibt es eine ganze Reihe Beispiele. Sie finden das alles in dem Jahresbericht wieder.
Ich denke, meine Damen und Herren, diese geschilderten Fälle sollen als Beispiele zumindest für heute genug sein, um zu sagen, ja, das Petitionsrecht ist ein Grundrecht der Bürger, womit sie Politik mitgestalten können. In unserer parlamentarischen Demokratie haben wir ja nicht so viele Möglichkeiten, wo der Bürger direkt Politik beeinflussen kann. Das ist so eins und deshalb sollten wir genau dieses Grundrecht unterstützen. Ich bin auch sehr dankbar dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger sich an uns wenden.
Ich danke abschließend für die Tätigkeit der Verwaltung unter Leitung von Frau Berckemeyer, ich danke auch den Mitarbeitern der Fraktionen und natürlich allen Abgeordneten des Ausschusses, die in dem letzten Jahr fleißig im Interesse der Bürger gearbeitet haben. – Vielen Dank.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Debatte möchte ich zum Anlass nehmen, das Für und Wider eines Themas mit Ihnen zu diskutieren, das in einigen Landesparlamenten bereits Einzug gefunden hat und auch bei uns als Denkanstoß für die zukünftige Debatte verstanden werden sollte.
Die elektronische Kommunikation hält in allen Bereichen des gesellschaftlichen und politischen Lebens Einzug. Die elektronisch eingereichte Petition stellt daher in Zeiten der zunehmenden Digitalisierung ein nicht zu vernachlässigendes Mittel der politischen Teilhabe dar. Auch der Petitionsausschuss unseres Landes muss sich der Debatte stellen, wie im Zuge der Digitalisierung mit den an das Parlament gerichteten Anliegen der Bürger und Bürgerinnen umgegangen wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zunächst muss man die Begrifflichkeit unterscheiden. Die Einreichung einer Petition auf dem elektronischen Wege ist bereits jetzt eine Möglichkeit, die unsere Landesverfassung zulässt und von der die Bürgerinnen und Bürger in Mecklenburg-Vorpommern zunehmend Gebrauch machen. Die Grundlage hierfür findet sich in den Verfahrensgrundsätzen der Geschäftsordnung des Landtages. So heißt es, das Petitionen zwar schriftlich eingereicht werden und den Antragsteller erkennen lassen müssen, aber, ich darf mit Genehmigung der Präsidentin zitieren: „Die Schriftform kann durch die elektronische Form er
setzt werden. Bei elektronisch übermittelten Petitionen ist die Schriftform gewahrt, wenn der Urheber sowie dessen vollständige Postanschrift ersichtlich sind und das im Internet zur Verfügung gestellte Formular verwendet und vollständig ausgefüllt wird.“ Zitatende.
Die Onlinepetition hat sich als Instrument der Bürgerbeteiligung in Mecklenburg-Vorpommern bewährt. Allein im letzten Jahr wurden 92 der 420 Eingaben über den Weg des Onlineformulars eingereicht. Das macht einen prozentualen Anteil von 22 Prozent aller Anliegen aus und die Tendenz, meine Damen und Herren, ist steigend.
Eine weitere Möglichkeit der politischen Teilhabe stellt die öffentliche Onlinepetition dar. Diese Form der politischen Teilhabe wird neben dem Bundestag zurzeit von vier weiteren Landesparlamenten angeboten. Das Besondere dabei ist, dass die Petitionen nicht nur online eingereicht werden können, sie können auch veröffentlicht, von anderen Bürgern mitdiskutiert oder gar mitgezeichnet werden. Die Bürgerinnen und Bürger können dabei ihre Anliegen auf einer Diskussionsplattform austauschen. Eine solche Form der Handhabung sieht unsere Landesverfassung für Petitionen bisher nicht vor, denn, meine Damen und Herren, es gibt berechtigte Bedenken, die gegen eine derartige Behandlung von Petitionen sprechen. Solche Herangehensweisen bergen nämlich auch die Gefahr, dass die Bürger bewusst in eine Richtung gelenkt werden und ein objektives, kritisches Auseinandersetzen mit dem Für und Wider nicht mehr stattfindet. „Couchaktionismus“, „Klicktivismus“ oder „hingeworfene Blitzgedanken“ sind die Begriffe, die dieses Phänomen greifbar machen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, welche Dimension eine Petition oder eine Onlinepetition erreichen kann, die den Zweck einer ernsthaften Auseinandersetzung verfehlt, zeigt sich auf der Seite von privaten Petitionsinternetseiten, auf denen teilweise regelrechte Hetzjagten gestartet wurden. Beispielsweise lässt sich eine Petition nennen, die eine regelrechte Kampagne gegen den damaligen Moderator der ZDF-Sendung „Wetten dass..?“, Markus Lanz, auslöste. Dass populistische Parolen derlei Aufmerksamkeit generieren können, stimmt uns als Volksvertreter, die sich dem Thema stellen, natürlich nachdenklich.
(Udo Pastörs, NPD: Volkszertreter! Hören Sie zu: Volkszertreter! – Julian Barlen, SPD: Da haben Sie aber lange überlegt, was?)
Zwar ist die öffentliche Onlinepetition eine Möglichkeit, eine große politische Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger zu erreichen, die über die klassische Form der politischen Beteiligung, wie zum Beispiel Wahlen, nicht erreicht werden können, denn diese Formen der Beteiligung können im Umkehrschluss das politische Interesse derjenigen steigern, die sich der politischen Teilhabe verschlossen haben. Dem, meine Damen und Herren, steht aber entgegen, dass Studien belegen, dass viele soziale Gruppen in Onlinepetitionen unterrepräsentiert sind und soziale Unterschiede dadurch eher verschärft werden. Öffentliche Onlinepetitionen machen oft auf solche Anliegen aufmerksam, die nur das Anliegen einiger weniger darstellen, die sich aber durch ihren Onlineaktivismus Gehör verschaffen können.
Auf privaten Plattformen eingereichte Onlinepetitionen werden häufig von Männern im mittleren Alter mit überdurchschnittlich hoher Bildung eingereicht. Frauen, Seni
(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Platt auf der Couch sitzen und einfach ein Kreuz machen, so stellen Sie sich das vor.)
nutzen diese Form der politischen Teilhabe wesentlich seltener oder verfügen nicht über den entsprechenden Zugang.
Werden diese Anliegen veröffentlicht und finden die Petenten ausreichend Unterstützung, kann dies die Relevanz für die Allgemeinheit verfälscht darstellen. Andererseits führt uns ein aktuelles Beispiel vor Augen, dass auf privaten Internetseiten durchgeführte Petitionen durchaus politisches Gewicht annehmen und auf einen Missstand aufmerksam machen können. So überreichte eine Elterninitiative Anfang des Monats dem Petitionsausschuss eine Petition, die zunächst auf einer privat betriebenen Petitionsplattform online gestellt wurde und dort fast 3.000 Unterstützer fand. Hintergrund dieser Petition ist die seit dem 1. Januar 2015 geltende Regelung des Kindertagesförderungsgesetzes,
(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Wir reden aber über den Bericht 2014. – Zuruf von Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
die die Träger der Kitas zu einer gesunden und vollwertigen Verpflegung während der gesamten Betreuungszeit der Kinder verpflichtet. Mit dieser Petition fordern die Petenten stärkere Mitspracherechte der Eltern bei der Vollverpflegung und bei der Essensabrechnung nach dem tatsächlichen Verbrauch. Dieses Beispiel zeigt, meine Damen und Herren, dass Petitionen Seismografen für die politische und gesellschaftliche Entwicklung sein und auch als ein deutliches Zeichen an die Politik verstanden werden können.
Sehr geehrte Damen und Herren, angesichts der zuvor dargestellten Überlegungen ist die Politik in der Pflicht, die Argumente, die für oder gegen eine elektronisch übermittelte, veröffentlichte Petition sprechen, klar abzuwägen. In Anbetracht der aktuellen Entwicklung muss völlig zu Recht eine intensive Debatte über dieses Thema geführt werden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu Beginn meiner Rede möchte ich ganz kurz auf den Redebeitrag von Herrn Lindner ein- gehen.