Protocol of the Session on October 25, 2012

Aufgabe dieses deutschlandweit übrigens einmaligen Beirates war es, die Voraussetzungen für sinnvolle Telematikanwendungen in der Medizin zu definieren. Dazu gehören also Nutzenbewertung der Projekte, medizinische Notwendigkeit, organisatorischer Aufwand, Kosten, Datensicherheit, Qualifikation des Personals und so weiter. Darüber hinaus war die Aufgabe dieses Telemedizinbeirates, die bestehenden Angebote im Land Mecklenburg-Vorpommern hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit zu erfassen und zu evaluieren, und es war Aufgabe des Telemedizinbeirates, Vernetzungspotenziale in Mecklenburg-Vorpommern zu identifizieren sowie gegebenenfalls erforderliche Eingriffe und Fördermaßnahmen seitens des Landes zu empfehlen. Und entscheidend kommt natürlich hinzu, dass erfolgreiche Konzepte und innovative Ideen im Bereich der Telemedizin nicht im Status von Projekten verharren dürfen, sondern sie müssen anschließend den Weg in die Regelversorgung finden. Auch hierfür war der Telemedizinbeirat aufgrund seiner Zusammensetzung unter anderem mit den Krankenkassen bestens geeignet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn es uns also bei vorliegendem Antrag heute darum geht, die Vielzahl der bestehenden und der sehr guten Telemedizinangebote zu einem für unser Bundesland nützlichen großen Ganzen zu bündeln, dann sollte unserer Meinung nach zuallererst das besagte Strategiepapier „Lasst Daten reisen, nicht Patienten“ aus dem letzten Jahr zur Hand genommen, erneut ausgewertet und dann weiterentwickelt werden. Das ist eine gute Grundlage dafür. Und darüber hinaus bietet es sich doch nahezu drastisch an, den erfolgreichen Beirat für Telemedizin wieder tagen zu lassen und die im Land vielfach vorhandene Expertise auch weiterhin zu nutzen.

Meines Wissens – aus den Gesprächen mit ehemaligen Mitgliedern des Telemedizinbeirates – hat dieser seit einem Jahr nicht getagt, weil er vom Wirtschaftsministerium nicht einberufen wurde, man möge mich hoffentlich korrigieren.

Und wir haben uns als SPD-Fraktion in diesem Sinne im Lichte dieser gesamten Fakten dazu entschieden, den vorliegenden Antrag zu unterstützen und selbstverständlich mit unserem Koalitionspartner einzubringen, weil wir erwarten, dass die langjährigen Anstrengungen und die vielen Investitionen für den Ausbau und die Nutzung telematischer Anwendungen im Gesundheitswesen konsequent fortgesetzt werden.

Das Wirtschaftsministerium hat – ich hoffe, ich konnte das mit meinen Ausführungen deutlich machen – bei der Telemedizin also im übertragenen Sinne einen bestens bestellten Acker übernommen. Herr Glawe, machen Sie was draus! Wir wünschen für die Telemedizin in Mecklenburg-Vorpommern eine reiche Ernte und helfen gern weiter mit. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Gajek von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Meine sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Jo,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Julian Barlen, SPD: Jo! – Jochen Schulte, SPD: Das war ein guter Anfang.)

wir haben gerade davor eine spannende Diskussion gehabt, ob es Anträge gibt, die man braucht, die man nicht braucht. Bei dem Antrag gerade, bei dem, was jetzt ausgeführt wurde, habe ich mir gesagt, eigentlich handelt es sich eher um eine Unterrichtung von dem, was die Landesregierung so tut, in einigen Sachen eher zögerlich. Nichtsdestotrotz finden wir natürlich als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auch die Telemedizin wichtig und ausbaufähig.

Und da das ja jetzt in dem Ministerium von Herrn Glawe ist, vielleicht noch mal ein paar Bitten und Empfehlungen, weil ich finde, es ist schon ein bisschen befremdlich, wenn der – in Anführungsstrichen – „wirtschaftliche Be

reich“ so sehr in den Vordergrund kommt. Ich weiß, dass Sie beides zusammen denken, aber ich meine, wir sollten immer wieder daran denken, dass wir hier Menschen im Land haben, die zum Teil älter sind, die zum Teil nicht auf Breitbandanschlüsse zurückgreifen können, die möglicherweise auch gar keinen Computer bedienen können.

Also wir haben hier ja herausgefunden, dass 28 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner in unserem Bundesland sogenannte Offliner sind. Das steht im Grundlagenpapier von der Enquetekommission und ich denke, das ist schon ein Bereich, den wir ernst nehmen müssen, wenn wir hier über Telemedizin reden und sagen, wir wollen doch reiche Menschen aus anderen Bundesländern haben. Ich denke, da sind wir uns auch alle einig, dass wir hier eine Verpflichtung haben, für unsere Bürgerinnen und Bürger im Land zu denken, die Rahmenbedingungen zu schaffen, und das, egal welchen Alters.

Von daher wäre dort meine Bitte, hier noch mal einen größeren Akzent zu setzen. Ich finde es eben doch witzig, diesen Satz: „Lasst Daten reisen, nicht Patienten“ – das kann ich nur unterstützen, auch Patientinnen natürlich –,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU)

aber wenn die Daten dann nicht ankommen, weil die Verbindung nicht da ist, weil es zu langsam ist, Herr Glawe, da werden Sie mir zustimmen, ist es problematisch.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Ich denke, das ist eine Frage, der wir uns stellen wollen.

Einen zweiten Aspekt möchte ich noch mal in die Debatte werfen. Wir kennen alle Agnes. Wer die Filme von damals kennt, als wir Kinder waren, gab es die Schwester Agnes, die mit ihrer Schwalbe durch die Dörfer gefahren ist, die aber zum Beispiel …

(Torsten Renz, CDU: Die meisten sind noch zu jung, die kennen das nicht mehr. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Na, ist ja egal, aber sie ist gefahren und sie war physisch anwesend. Und ich denke...

(Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU)

Wie? Sie war da auf dem Moped und nicht digital, wie Herr Barlen, also wie wir ja immer jetzt heutzutage alle in unsere iPads oder Computer gucken. Und ich sehe da immer noch eine Gefahr und deswegen bin ich auch froh, dass Herr Barlen als gesundheitspolitischer Sprecher hier ein Statement abgegeben hat und eine Rede, weil das darf nicht vergessen werden: So gut Telemedizin ist, so gut diese Angebote sind, wir dürfen nicht dahin gehen, es nur wirtschaftlich zu sehen, denn die Ökonomisierung im Sozialen treibt uns voran. Und ich habe nach wie vor immer wieder die Probleme, wenn ich dieses Wort „Gesundheitswirtschaft“ höre. Das hat einen Beigeschmack, der mittlerweile in eine wirkliche Schieflage des Gesundheitswesens führt.

(Harry Glawe, CDU: Da müssen Sie umdenken, Frau Kollegin, da müssen Sie umdenken.)

Nein, will ich nicht.

Und ich finde, es muss auch Sozialpolitikerinnen und Sozialpolitiker geben, die sagen, die Gesundheit steht an erster Stelle, und dann müssen die anderen Rahmenbedingungen stimmen, aber nicht alles ist zu ökonomisieren, Herr Glawe. Es ist doch in manchen Bereichen echt unerträglich.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Und ich möchte noch mal auf meine Schwester Agnes zurückkommen. Schwester Agnes ist – und nicht nur im Film, das wissen wir,

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

die ist auch durch den Bezirk Schwerin oder Neubrandenburg, Rostock gefahren – zu den Menschen nach Hause gegangen.

(Manfred Dachner, SPD: Mit der Schwalbe, haben Sie vergessen.)

Und so gut das Projekt ist, ich möchte nur in einem Bereich noch mal darauf hinweisen: ältere Menschen, die einfach anders groß geworden sind, ich denke auch an Migrantinnen und Migranten, ich denke an Menschen mit Behinderungen, mit Mehrfacherkrankungen – Herr Glawe, Sie setzen dort etwas voraus, was möglicherweise nicht vorhanden ist.

(Harry Glawe, CDU: Was?)

Von daher, denke ich, so wichtig die Telemedizin ist und die Vernetzung, das ist ja das A und O, muss es auch sein, Menschen da heranzuführen an dieses Medium. Ich denke, da stehen wir gerade in Mecklenburg-Vorpom- mern mit der demografischen Entwicklung noch vor großen Herausforderungen,

(Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU)

und ich würde Sie bitten, als Wirtschaftsminister auch darauf hinzuwirken, dass Menschen dieses Medium bedienen können, sowohl, dass sie es erhalten,

(Harry Glawe, CDU: Ja.)

damit auch die Daten dann reisen, nicht die Patienten, aber dass sie letztendlich auch die Tastatur noch bedienen können. Sie wissen alle, es gibt sogar Handys mittlerweile seniorfreundlich. Also da einfach mitzudenken, dass jedes Denken immer von dem Aspekt getragen ist, ist es behindertengerecht, barrierefrei. Das muss bei Telemedizin durchweg gegeben sein. Und da, denke ich, sind noch ein paar Bausteine. Ansonsten wird die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Antrag zustimmen.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Harry Glawe, CDU: Ich staune ja und bin begeistert.)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Herr Köster von der NPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! CDU und SPD möchten mit diesem Antrag

die sogenannte Telemedizin beziehungsweise deren Vernetzung vorantreiben. Hintergrund des Antrages ist die voranschreitende Überalterung beziehungsweise Vergreisung unserer Heimat, deren Ursache natürlich nicht die glücklicherweise steigende Lebenserwartung ist, sondern durch einen Mangel an Kindern und Jugendlichen geprägt wird,

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Wie in ganz Europa.)

nicht zu vergessen natürlich der Infrastrukturabbau vor allem im ländlichen Raum. Dort, wo Fachkräfte fehlen, soll Technik Abhilfe schaffen. Die Telemedizin ist insofern ein Eingeständnis des eigenen politischen Totalversagens,

(Unruhe vonseiten der Fraktion der CDU – Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ach nö!)

wobei es auch Bereiche gibt, die den Patienten Arztbesuche und damit verbundene weite Fahrten ersparen. In Brandenburg zum Beispiel werden EKG-Daten per Mobilfunk an das Klinikum übertragen. Hier scheint die Telemedizin nützlich zu sein.

Telemedizin darf aber nicht dazu führen, Versäumnissen nicht wirkungsvoll begegnen zu wollen oder gar die eigene Verantwortung vertuschen zu wollen. Der Ausdünnung der medizinischen Versorgung im Land werden Sie mit der Telemedizin nicht begegnen können. Vielmehr sollen wohl eher die Bürger im Land beruhigt werden.

Aus den genannten Gründen werden wir den Antrag nicht unterstützen, weil wir kein Gesamtkonzept erkennen können, in welches die Telemedizin eingebunden ist und das zu einer Sicherung der flächendeckenden medizinischen Versorgung hier im Land führen soll. Zudem wurde durch Ihre Redebeiträge wieder einmal sehr deutlich, dass nicht der Mensch im Mittelpunkt Ihrer Politik steht, sondern einzig und allein wirtschaftliche Interessen.

(Julian Barlen, SPD: Sie haben also nichts verstanden.)

Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)