Protocol of the Session on October 25, 2012

Deutlichen Verbesserungsbedarf sehe ich noch in der Verzahnung zwischen ambulant und stationär. Derzeit bestehen Netzwerke vor allen Dingen zwischen den Krankenhäusern. Auch hier sind es vor allem drei Inseln der Telemedizin: die HELIOS Klinik in Schwerin mit ihrer elektronischen Fallakte, das Teleradiologie-Netzwerk der Fachhochschule Stralsund und die besonders hervorzuhebenden Aktivitäten der Universität Greifswald.

Im Rahmen der Euroregion POMERANIA wurde grenzüberschreitend, ich sagte es, mit Fördermitteln der Europäischen Union eine Telematikinfrastruktur geschaffen, die es nun gilt, mit dem mecklenburgischen Landesteil zu vernetzen. Allerdings ist das keine Aufgabe, die sich erst heute stellt. Vielmehr hat sich die Landesregierung schon im Dezember 2009, Herr Glawe, auf meine Kleine Anfrage, damals noch in Zuständigkeit des Sozialministeriums, dazu bekannt, eine Telematikinfrastruktur im ganzen Land zu schaffen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Was ist denn eigentlich in den letzten knapp drei Jahren pas

siert? Braucht die Landesregierung einen Beschluss des Landtages, um hier aktiv zu werden?

(Harry Glawe, CDU: Nein.)

Und an die Regierungskoalition habe ich die Frage: Was meinen Sie mit einem Konzept der Versorgungs- landschaften? Vielleicht kann Herr Waldmüller abschließend – oder Herr Barlen, ich weiß nicht, wer seitens der SPD reden wird – darauf noch mal Antwort geben.

Ich bin davon ausgegangen, dass die Konzeptionsphase,

(Harry Glawe, CDU: Das machen wir beide unter vier Augen aus.)

ich bin davon ausgegangen …

(Julian Barlen, SPD: Ich glaube, ich.)

Wie bitte?

(Julian Barlen, SPD: Sie sagten, Herr Waldmüller oder ich von der SPD-Fraktion, aber ich glaube, ich.)

Ach so, nein, dann war das ein Versprecher. Es ging mir darum, wer seitens der SPD spricht, aber das haben Sie schon selbst so eingeordnet.

Also worauf ich hinaus will, ist, ich möchte ganz gern wissen, warum Sie immer noch ein Konzept der Versorgungslandschaften entwickeln wollen. Der Redebeitrag von Minister Glawe hat eigentlich deutlich gemacht, dass man über diese Phase de facto schon hinaus ist. Wir sind also dank der Arbeit von Ärzten und Wissenschaftlern schon weit in der Realisierungsphase. Und was soll nun konzeptionell erarbeitet werden? Das hätte ich gern noch gewusst. Dies geht aus dem Antrag von CDU und SPD, zumindest was den Antragstext und die Begründung betrifft, nicht genügend hervor. Ich bitte hier also um Aufklärung in der Sache.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Das zumindest, was wir bis jetzt lesen konnten, war für uns noch nicht ausreichend und überzeugend genug. Insofern schlagen wir Ihnen vor, dass wir den Antrag und somit auch das Thema in den Sozialausschuss holen und uns damit noch einmal vertiefend befassen. Also schlagen wir hiermit formell die Überweisung in den Sozialausschuss vor. Wir sollten dort die Gelegenheit nutzen, um Ihren Antrag zu qualifizieren. Wir sollten dort auch die Gelegenheit nutzen, um mit den Fachleuten und den Praktikern ins Gespräch zu kommen.

Dies ist unseren Recherchen zufolge bisher noch nicht ausreichend passiert. Dabei wäre es sinnvoll gewesen, bei der Erarbeitung des Antrages auch mal die größeren Telemedizininitiativen im Rahmen der Euroregion POMERANIA mit einzubeziehen. Anrufe meinerseits haben zumindest bis dato nicht erkennen lassen, dass hier vorher schon in Bezug auf diesen Antrag gearbeitet wurde. Auch deswegen wollen wir den Antrag in den Ausschuss überweisen.

Meine Damen und Herren, unser Anspruch kann nur der flächendeckende und interoperable Einsatz von Telemedizin sein, nicht um das vorhandene medizinische Ange

bot auszudünnen, sondern um die medizinische Qualität zu sichern. Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD, in diese Richtung gehen wollen, dann haben Sie uns an Ihrer Seite. Für Placeboanträge stehen wir nicht zur Verfügung.

(Harry Glawe, CDU: Na, na, na! Placebo!)

Ich betrachte diesen Antrag nicht als Placeboantrag, ich betrachte ihn aber als qualifizierungs…

(Harry Glawe, CDU: Wir machen hier keine wissenschaftlichen Experimente mit Medikamenten als Placebo.)

…würdig. – Danke, das hätte ich sonst nicht zu Ende gebracht, den Satz.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Also ich denke, wir sollten uns vertiefend im Sozialausschuss mit der Thematik befassen und dann weiter an dem Thema arbeiten. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Herr Barlen von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Ja, Kollege Waldmüller, Sie konnten es ja kaum erwarten und haben bereits im Vorfeld der heutigen Beratungen per Pressemitteilung angekündigt,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Genau.)

dass mit weiteren Kraftanstrengungen der Landespolitik zur besseren Nutzung der Telemedizin zu rechnen ist.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Mann, ist der schnell!)

Das höre ich ausgesprochen gern. Besonders als Gesundheitspolitiker freue ich mich sehr darüber, dass wir für die flächendeckende medizinische Versorgung der Bevölkerung jetzt auch die tatkräftige Unterstützung der Wirtschaftspolitik hier in Mecklenburg-Vorpommern haben.

Also Spaß beiseite, in der Tat ist es mehr als begrüßenswert, es ist sogar zwingend erforderlich, dass die zahlreichen und vor allen Dingen schon heute vorhandenen Möglichkeiten und Angebote der Telemedizin hier in Mecklenburg-Vorpommern weiterhin zum Wohle unserer Bevölkerung genutzt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Motto des im Mai letzten Jahres, also im Mai 2011 vorgelegten Strategieberichtes des Telemedizinbeirates bringt es auf den Punkt. Minister Glawe hat es zitiert, diesen Titel des Strategieberichtes: „Lasst Daten reisen, nicht Patienten“. Und dieses Motto ist, wie ich finde, ein sehr treffendes Motiv für unser Bundesland, in dem in den kommenden Jahren die Ärztedichte tendenziell weiter sinken wird und

in dem der Bedarf an medizinischer Versorgung und Diagnostik im Gegensatz dazu steigen wird.

Die Nutzung telematischer Anwendungen, Herr Koplin ist darauf eingegangen, ersetzt natürlich in keiner Art und Weise hoch qualifiziertes medizinisches Personal, sondern, und auch das sagt das Strategiepapier des Telemedizinbeirates sehr treffend, Telemedizin sorgt dafür, dass, Zitat, „personelle und materielle Ressourcen noch besser ausgelastet werden können“, Zitatende. Telemedizin ist also nicht ein Allheilmittel, sondern eher Informations- und kommunikationstechnologisches Schmierfett,

(Harry Glawe, CDU: Na ja, ein bisschen mehr ist es schon.)

das hilft, spezialisierte Expertisen standortunabhängig zugänglich zu machen für ein möglichst leistungsfähiges Gesundheitswesen.

Ganz klar, und da stimme ich den Herren Waldmüller und Glawe auch zu, ergibt sich daraus ein hoffentlich großer Zusatznutzen in Form von Wertschöpfung und zusätzlicher Beschäftigung im Bereich der Gesundheitswirtschaft, weil, das liegt mir natürlich auch auf dem Herzen, die zitierten 100.000 Beschäftigten sind insgesamt im Gesundheitswesen anzutreffen. Diesen Weg, diese Nutzung der Telemedizin weiter zu fördern, halten wir als SPD-Fraktion von Anfang an und dementsprechend auch nach wie vor für den richtigen Weg.

Ein kurzer Blick in die Vergangenheit

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Zu Agnes?)

auch hier in der parlamentarischen Beratung macht dies deutlich. Zunächst einmal, bereits seit 2001 fördert die Europäische Union den Aufbau der Telemedizin in der Euroregion POMERANIA. Das ist angesprochen worden. 2003 wurde hier im Landtag anschließend auf Antrag von SPD und damals PDS der Titel „Telematik im Gesundheitswesen“ in den Landeshaushalt aufgenommen. 2003 war das.

Für das Jahr 2004 ist die von uns als SPD gemeinsam mit dem Koalitionspartner eingebrachte Initiative zur Erarbeitung eines Masterplans zur zukünftigen Sicherung der flächendeckenden ärztlichen Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern zu benennen. Darin forderten wir 2004 im Punkt 9 den Aufbau eines umfassenden telemedizinischen Netzes für Mecklenburg-Vorpommern. Der Masterplan wurde dann 2005 vorgestellt und enthielt bereits zu dem Zeitpunkt wesentliche Punkte zur Weiterentwicklung der Telemedizin.

Dann natürlich die viel zitierte Schwester AGnES,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Genau.)

die ja auch in die Regelversorgung aufgenommen wurde. Darüber hinaus möchte ich die Gründung des Initiativkreises Telemedizin im Jahr 2006, unter anderem durch den damaligen gesundheitspolitischen Sprecher unserer Fraktion Dr. Nieszery, ansprechen. Unter der Überschrift „Telemedizin – Innovation für das Gesundheitsland M-V“ haben wir damals mit dafür gesorgt, dass im Laufe der Jahre insgesamt rund 1,5 Millionen Euro

aus dem Zukunftsfonds für Telemedizin eingesetzt werden konnten. Und diese 1,5 Millionen Euro aus dem Zukunftsfonds waren zusätzlich zu der Förderung in den Einzelplänen 10 beziehungsweise nunmehr 6 von in der Summe rund einer weiteren Million Euro in den Jahren 2004, 2005, 2006, 2007 und dann wieder ab 2011 bis zum aktuellen Doppelhaushalt.

Im Rahmen dieser von uns politisch gewollten Förderkulisse hat sich telemedizinisch in Mecklenburg-Vor- pommern in der Tat sehr Beachtenswertes, auch deutschlandweit sehr Beachtetes entwickelt. Beispielsweise wurde angesprochen das Teleradiologie-Netzwerk M-V, der Integrierte Funktionsbereich Telemedizin des Institutes für Community Medicine in Greifswald, die elektronische Fallakte bei HELIOS, das Modellprojekt in der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde zur Entwicklung und Bereitstellung eines Befundplatzes an der Universität Greifswald und eines telemedizinischen Arbeitsplatzes im Krankenhaus Wolgast. Auch zu nennen sind das Projekt EPIVISTA in Schwerin, es dient der Entwicklung einer Therapiemanagement- und Kommunikationsplattform zur Betreuung epilepsiekranker Patienten oder die bundesweit erste vollständig digitale Brustkrebsvorsorge. Viele, viele innovative und vor allen Dingen sehr wegweisende Beispiele im Bereich der Telematik im Gesundheitswesen sind hier anzuführen.

Die Anwendungsmöglichkeiten und die Angebote haben sich also derart vielfältig entwickelt in MecklenburgVorpommern, dass im Jahr 2007 durch das Ministerium für Soziales und Gesundheit, unseren Gesundheitsminister Erwin Sellering, eine so vernünftige wie zielführende Entscheidung getroffen wurde, nämlich die Gründung des von mir eingangs genannten Telemedizinbeirates, damals unter anderem mit der Kassenärztlichen Vereinigung, der Ärztekammer, der Krankenhausgesellschaft, der AOK, der Fachhochschule Stralsund, der Universität Greifswald und weiteren Akteuren, mit Akteuren also, die bis heute bundesweit einen Namen haben, wenn es darum geht, telemedizinische Anwendungen nutzbar zu machen. Beispielsweise ist Professor Staemmler von der Fachhochschule Stralsund am heutigen Donnerstag Gast auf dem Nationalen Fachkongress Telemedizin, der gerade in Berlin stattfindet, und hat vor etwa einer Stunde einen Vortrag zu den telemedizinischen Aspekten RessourcenSharing und Kommunikationsstandards gehalten.

Aufgabe dieses deutschlandweit übrigens einmaligen Beirates war es, die Voraussetzungen für sinnvolle Telematikanwendungen in der Medizin zu definieren. Dazu gehören also Nutzenbewertung der Projekte, medizinische Notwendigkeit, organisatorischer Aufwand, Kosten, Datensicherheit, Qualifikation des Personals und so weiter. Darüber hinaus war die Aufgabe dieses Telemedizinbeirates, die bestehenden Angebote im Land Mecklenburg-Vorpommern hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit zu erfassen und zu evaluieren, und es war Aufgabe des Telemedizinbeirates, Vernetzungspotenziale in Mecklenburg-Vorpommern zu identifizieren sowie gegebenenfalls erforderliche Eingriffe und Fördermaßnahmen seitens des Landes zu empfehlen. Und entscheidend kommt natürlich hinzu, dass erfolgreiche Konzepte und innovative Ideen im Bereich der Telemedizin nicht im Status von Projekten verharren dürfen, sondern sie müssen anschließend den Weg in die Regelversorgung finden. Auch hierfür war der Telemedizinbeirat aufgrund seiner Zusammensetzung unter anderem mit den Krankenkassen bestens geeignet.