Protocol of the Session on September 27, 2012

An der Hochschule für Musik und Theater Rostock wird sogar der größte Teil der Lehrveranstaltungen durch Lehrbeauftragte erbracht. Das ist ein wichtiger Punkt. Die HMT Rostock, auf die wir alle so stolz sind, könnte ohne Lehrbeauftragte sozusagen dichtmachen.

Trotz dieser Bedeutung, die Lehrbeauftragte in unserem Land haben, ist ihre finanzielle und rechtliche Situation gelinde gesagt ein Skandal. Sie werden in unserem Land systematisch benachteiligt. So zählt das Landeshochschulgesetz die Lehrbeauftragten zwar zum wissenschaftlichen Personal einer Hochschule, ein Lehrauftrag gilt aber nicht als Dienstverhältnis. Lehrbeauftragte erwerben keine Ansprüche aus der Sozialversicherung, sie haben auch keinen Rechtsanspruch auf Krankengeld oder Urlaub.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Weil sie in der Regel hauptberuflich anderswo tätig sind.)

Sie können zu Prüfungen verpflichtet werden, ohne dass sie dafür bezahlt werden. Sie erhalten in der Regel keine Erstattung von Lehrmittelkosten und sie sind ausdrücklich vom Personalvertretungsgesetz ausgeschlossen, das heißt, sie haben keine angemessene Interessenvertretung. Dies ist eine völlig unangemessene Benachteiligung gegenüber ihren angestellten wissenschaftlichen Mitarbeiterkollegen, mit denen sie Tag für Tag sozusagen Schulter an Schulter lehren.

Eine zumindest finanzielle Kompensation für diese systematische Benachteiligung erhalten die Lehrbeauftragten nicht, ganz im Gegenteil. Zwar gibt es eine Richtlinie für die Vergütung von Lehraufträgen, doch hier werden nicht etwa Mindestsätze, sondern Maximalbeträge definiert. Ich wiederhole das noch mal: Nicht Mindestsätze werden in der Richtlinie definiert, sondern Maximalbeträge. Diese Richtlinie schützt also nicht die Lehrbeauftragten vor Unterbezahlung, sondern sie schützt allein die Hochschulen und damit das Land vor möglicherweise angemessenen Honorarforderungen von unseren Lehrbeauftragten.

Nun könnte man vielleicht einwenden, in dieser Vergütungsrichtlinie sind doch mehrere Honorarstufen vorgesehen. Ja, das stimmt. Aber unsere Kleine Anfrage mit der Drucksachennummer 6/1015 hat offengelegt, dass die übergroße Mehrheit der Lehrbeauftragten an Universitäten in die niedrigste Honorarstufe eingruppiert werden. Ein Großteil erhält also Honorare zwischen 0 und 23 Euro pro Stunde. Den dritten und höchsten Honorarsatz bekamen an der Universität Greifswald im letzten Semester hingegen genau zwei Lehrbeauftragte, das sind weniger als zwei Prozent, meine Damen und Herren. Die Mehrheit der Lehrbeauftragten erhält also einen Honorarsatz zwischen 21 und 23 Euro pro Lehrstunde. Deutlich mehr als der Mindestlohn, werden nun vielleicht

einige sagen. Doch mit diesem Honorarsatz ist auch die gesamte Vor- und Nachbereitungszeit der Lehrveranstaltung abgegolten.

Die Betreuung einer Lehrveranstaltung – und hier erzähle ich sicherlich nichts Neues – ist aber mit erheblichem Zeitaufwand verbunden. Wir sind darum der Auffassung, dass für jede Stunde in der Lehre mindestens je eine Stunde Vor- und Nachbereitung mit dazu- gerechnet und vergütet werden muss. Für jede Lehrstunde fielen demnach insgesamt drei Stunden Arbeit an. Das ist absolut realistisch und bewegt sich sozusagen am unteren realen Zeitbedarf, denn meist liegt dieser höher.

Diese Berechnung ist also nicht einfach aus der Luft gegriffen und sie ist schon gar nicht übertrieben. Die Lehrverpflichtungsordnung des Landes MecklenburgVorpommern sieht, um da mal einen Vergleich zu bekommen, für festangestellte wissenschaftliche Mitarbeiter eine Lehrverpflichtung von gerade mal acht Semesterwochenstunden vor. Für wissenschaftliche Mitarbeiter, die befristete Verträge haben, also eine volle Stelle, sogar nur vier Semesterwochenstunden. Das liegt daran, dass diese auf sogenannten Qualifikationsstellen sitzen und sich weiter qualifizieren sollen. Aber Sie sehen eben, dass das Land neben dem nötigen Freiraum für die Forschung auch den hohen Zeitaufwand für die Lehre berücksichtigt. Und es gibt keinen Grund, meine Damen und Herren, warum dies nicht auch für die Lehrbeauftragten gelten sollte.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man den Zeitaufwand also einigermaßen realistisch ansetzt, dann ergibt sich ein tatsächlicher durchschnittlicher Stundenlohn für die meisten Lehrbeauftragten zwischen 7,00 und 7,70 Euro.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Aber nur, wenn man so ein mathematisch cooler Rechner ist, wie Sie das machen.)

Und darum sagen wir, die absolute Untergrenze muss der Mindestlohn von 8,50 Euro sein. Das führt in unserer Rechnung mal drei zu einem Mindestvergütungssatz von 25,50 Euro pro Lehrstunde. Wenigstens darauf sollten die Lehrbeauftragten dieses Landes einen Rechtsanspruch bekommen.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Ich will es gleich deutlich sagen: Meiner Meinung nach muss in den meisten Fällen die Vergütung für die lehrenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler noch weit über diesem Mindestsatz liegen. Mit dem Mindestlohn fordert der vorliegende Antrag aber auch automatisch eine Neuregelung der Honorarsätze und Honorarstufen. Das bietet uns die Chance, ein faires und angemessenes Vergütungssystem für die Lehrbeauftragten zu entwickeln. Hier vertraue ich voll und ganz auf eine gemeinsame Lösung der Landesregierung mit den Hochschulen und den geeigneten Interessenvertretern. Deswegen ist der Antrag der GRÜNEN hier offen gestaltet und lässt entsprechenden Verhandlungsspielraum zwischen Hochschulen und Ministerium.

Dazu muss natürlich auch die Bezahlung von Prüfungsleistungen in Zukunft gehören, die ist nämlich bisher unentgeltlich. Es kann doch nicht sein, dass Lehrbeauftragte ohne Bezahlung zu einer beliebigen Anzahl von Prüfungen verpflichtet werden können. Ich kann aus eigener Erfahrung sprechen, in meiner Lehrbeauftragtentätigkeit wusste ich am Anfang des Semesters nicht, ob 10 Hausarbeiten oder 100 Hausarbeiten am Ende des Semesters auf mich zukamen. Und ich weiß nicht, ob Sie wissen, wie lange man an 100 Hausarbeiten sitzt, die jeweils 20 Seiten stark sind.

Für Lehrerinnen und Lehrer, die an Staatsexamensprüfungen mitwirken, gibt es doch auch Vergütungsregeln. Selbstverständlich muss also auch Lehrbeauftragten ein solcher Anspruch zustehen. Und das muss auch – und das ergänze ich hier – für die Lehrmittel gelten. Es kann nicht im Interesse der Studierenden sein, wenn Lehrbeauftragte auf notwendige Materialien verzichten müssen, weil sie diese im Zweifelsfall privat bezahlen müssten. Natürlich muss das im angemessenen Rahmen bleiben. Ich sage mal so, ein nagelneues lüfterloses Lesegerät für alle Lehrbeauftragten wäre zum Beispiel etwas übertrieben. Hier geht es mir und den GRÜNEN vor allem um profane Dinge wie Kopien, Fachliteratur, Anschauungsmaterial oder Ähnliches.

Wenn wir uns also auf diese drei Punkte einigen könnten, Mindesthonorar, Prüfungsvergütung und Lehrmittelerstattung, dann hätten wir schon viel zur Verbesserung der Situation der Lehrbeauftragten im Land und auch zur Qualitätsverbesserung in der Lehre beigetragen.

Auf die Problematik der unbezahlten Lehraufträge und warum wir diese mit unserem Antrag nicht gänzlich verbieten wollen, gehe ich nachher in meinem zweiten Redebeitrag während der Aussprache ein. Mir fehlt hier jetzt leider einfach die Redezeit.

Ich will hier aber noch auf den letzten Punkt dieses Antrages eingehen, der von besonderer Bedeutung ist und uns sehr wichtig. Lehrbeauftragte verfügen über keine Interessenvertretung an den Hochschulen, nicht nur über keine eigene, sondern über gar keine Interessenvertretung. Das Gleiche gilt für wissenschaftliche Hilfskräfte. Dabei klingt im Übrigen Hilfskraft immer so ein wenig lapidar, als würden sie echten Wissenschaftlern bei der Arbeit helfen. Ganz im Gegenteil, auch wissenschaftliche Hilfskräfte sind vollwertige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Das mal nur so am Rande. Doch die Personalräte sind für diese Personengruppen eigentlich nicht zuständig und werden von diesen auch nicht gewählt. Sie können an den Wahlen zu den Personalräten nicht teilnehmen, die Lehrbeauftragten. Warum eigentlich? Ich frage Sie: Warum?

(Egbert Liskow, CDU: Weil sie selbstständig sind.)

Gerade die Lehrbeauftragten, die sozusagen kein festes Kollegium bilden, benötigen eine wirksame Vertretung ihrer Rechte und Interessen. Und eben weil sie diese Vertretung nicht haben, wen wundert es, dass sie sich auch in einer so prekären finanziellen Situation befinden.

Andere Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen und Berlin haben längst erkannt, dass Lehrbeauftragte und wissenschaftliche Hilfskräfte ein Recht auf wirksame Interessenvertretungen mit entsprechenden Mitwirkungsmöglichkei

ten brauchen. Darum haben wir GRÜNEN hier nur Minimalforderungen wie eine Mindestvergütung gefordert. Alle übrigen Verhandlungen müssen gemeinsam mit einer zukünftigen Vertretung der Lehrbeauftragten geführt werden. Genau das fordert der vorliegende Antrag.

Herr Saalfeld, kommen Sie zum Ende.

Vielen Dank.

Ich freue mich auf die Debatte und ich habe ja noch einen zweiten Redebeitrag. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat Frau Dr. Seemann von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Mit dem vorliegenden Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, wollen Sie mal wieder einen Handlungsbedarf suggerieren, den es nach Meinung der SPD-Fraktion so schlicht nicht gibt.

Man sollte meinen, dass es mit den Anträgen der GRÜNEN nach einem Jahr besser wird. Es mangelt ja auch schließlich nicht an Kritik der GRÜNEN gegenüber den Koalitionsfraktionen und der Landesregierung. Aber ich glaube, wenn Sie von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unser Land so regieren würden, wie Sie Anträge, vor allen Dingen zum Hochschulbereich, schreiben, dann „Prost Mahlzeit!“ und „Gute Nacht!“ für dieses Land.

(Beifall vonseiten

der Fraktionen der SPD und CDU –

Sprechen Sie doch bitte zur Sache! –

Sache ist aber schwer zu sprechen. –

Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU)

Geht gleich los, ich begründe das, keine Angst. Getroffene Hunde bellen.

Sie beklagen, dass es keine einheitlichen Mindestvergütungssätze bei der Vergabe von Lehraufträgen gibt. Ich sage Ihnen, das ist kein Verlust, sondern ein Freiheitsgewinn für die Hochschulen des Landes, denn nicht jede Lehrveranstaltung braucht die gleiche Vorbereitung und schon gar nicht eine pauschale Vor- und Nachbereitungszeit von zwei Stunden. Fakt ist doch, dass wir eine Lehrauftragsrichtlinie haben, die flexibel ausgestattet ist und somit den Hochschulen einen sehr großen Entscheidungsraum gibt. Diesen hätten Sie nach dem GRÜNENAntrag künftig schlicht nicht mehr.

(Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Hochschulen können nach der aktuellen Lehrauftragsrichtlinie den Sprachunterricht zum Beispiel anders

bewerten als die Lehrveranstaltung meinetwegen in Physik. Dies, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist doch gelebte Hochschulautonomie, die Sinn macht.

Ihr Antrag ist nichts anderes als mal wieder der Versuch, die Hochschulautonomie einzuschränken,

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ha, ha, ha!)

und diesem Angriff auf die Hochschulautonomie werden wir ganz sicher nicht zustimmen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren von den GRÜNEN, wenn es bei einem Antrag nur um das rein Mathematische gehen würde, dann würde ich Ihnen noch bescheinigen, dass Sie rechnen können, wenigstens das. Sie können mindestens multiplizieren. Einem Antrag, in dem der Landtag lediglich feststellen müsste, dass 3 mal 8,50 Euro gleich 25,50 Euro sind, dem könnte man ja fast zustimmen, denn das ist schlicht und ergreifend einfach so.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.)

Aber bei Anträgen geht es nicht nur um die richtige Multiplikation von Zahlen, sondern es geht um den Gesamtinhalt. Und da knüpft dieser Antrag von der Qualität her wieder an die vorherigen GRÜNEN-Anträge im Bereich der Hochschulen an, von denen wir ja schon einige in diesem Jahr gelesen und gehört haben.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Von Ihnen sieht man gar nichts.)