Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 120 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Volksinitiative „Für den Erhalt der Theater- und Orchesterstrukturen in Mecklenburg-Vorpommern“ zeigt das deutliche Interesse und Engagement unserer Bürgerinnen und Bürger an Kunst und Kultur in unserem Land. Fast 51.000 Unterschriften sprechen eine klare Sprache.
Die Koalitionspartner sind sich ihrer Verantwortung bewusst und sehen dies in ihrer Koalitionsvereinbarung als einen der wichtigen Handlungsschwerpunkte. Wir sind uns einig darüber, die vielfältige Kulturlandschaft in unserem Land im Kern zu bewahren. Kultur hat für unsere Gesellschaft eine hohe Bedeutung. Kultur ist Bildung. Eingebettet in die Kulturlandschaft sind neben der Literatur, dem Filmschaffen, den Museen, den soziokulturellen Einrichtungen, den Bibliotheken und der bildenden Kunst die Theater und Orchester als traditionelle Orte des kulturellen und sozialen Lebens.
Im Zusammenhang mit allen Forderungen und Wünschen dürfen die langfristigen finanziellen Rahmenbedingungen des Landes und der Kommunen nicht ausgeblendet werden.
Es bedarf aber auch einer sensiblen Abwägung zwischen strukturellen Einschnitten auf der einen Seite und dem Erhalt einer zukünftigen Qualität der Bühnen auf der anderen Seite.
Der Koalitionsvertrag sieht unter Ziffer 232 vor, dass das Theater- und Orchesterkonzept in einem engen Dialog mit allen Akteuren und Akteurinnen grundlegend zu überarbeiten ist.
Im Dezember 2011 und Januar 2012 wurden Gespräche mit Intendanten und Geschäftsführern, Künstlerinnen und
Künstlern, Betriebsräten und dem Deutschen Bühnenverein durch das Ministerium aufgenommen. Hierbei ist es wichtig, die aktuelle Lage der Theaterstandorte abzubilden und zukünftige Leitbilder durch konzeptionelle und inhaltliche Ideen zu generieren.
Durch die Landeswahlleiterin ist die Volksinitiative „Für den Erhalt der Theater- und Orchesterstrukturen in Mecklenburg-Vorpommern“ geprüft und zugelassen. Nach dem Volksabstimmungsgesetz müssen die Initiatoren im Ausschuss gehört werden und der Ausschuss muss dem Landtag eine Beschlussempfehlung vorlegen. Die Anhörung wurde vom Bildungsausschuss auf den 13. Mai festgelegt. Sollte der Antrag per heutigem Beschluss in die Ausschüsse überwiesen werden, erhalten die ausgewählten Anzuhörenden eine Einladung zur Anhörung zu oben genanntem Termin. Die Beschlussempfehlung könnte dann zur Junilandtagssitzung vorgelegt werden. Ich bitte Sie um Überweisung in den Bildungs- und Finanzausschuss.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum wiederholten Male beschäftigen wir uns jetzt schon innerhalb kürzester Zeit hier im Plenum mit der Zukunft der Theater und Orchester in Mecklenburg-Vorpommern und dieses Mal auf Initiative von Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes, die ihr verfassungsmäßiges Recht wahrnehmen, eine Volksinitiative zu starten.
Herr Donig hatte es gesagt, über 50.000 Bürgerinnen und Bürger haben sich dieser Volksinitiative angeschlossen.
Und auch ich, der ich vieles anders sehe als wahrscheinlich die meisten Unterzeichner, muss ganz klar sagen, mir ist es lieber, in einem Land zu leben, in dem es so viele Unterschriften für Theater und Orchester gibt angesichts der derzeitigen Debatte hier in Mecklenburg-Vorpommern, als in einem Land, in dem vielleicht ähnliche Reformbemühungen angestrebt werden, es aber nicht eine entsprechende Reaktion der Bürger gibt. Das wäre, glaube ich, auch wenn man eine andere Meinung hat, der viel, viel problematischere Zustand. Insofern sollten wir uns alle gegenseitig nicht absprechen, trotz der unterschiedlichen Meinungen ein hohes Interesse an Kultur in Mecklenburg-Vorpommern zu haben.
Ich hoffe Ihrerseits auf Verständnis dafür, dass die Debatte, die wir am heutigen Tage führen, jedoch für mich nicht die relevante Debatte ist, auch wenn sie hier im Hohen Hause stattfindet, denn im Kern sind die Fakten, die wir bisher unter uns ausgetragen haben, bereits ausformuliert. Es gibt dort also nicht viele Unbekannte. Für
mich ist der spannende Tag im Rahmen der Befassung mit der Volksinitiative die Anhörung, die es im Bildungsausschuss geben wird.
Diese Anhörung ist bereits terminiert und Vertreter der Unterzeichner werden die Gelegenheit haben, dann den Abgeordneten konkret ihr Anliegen zu erläutern, das sich hinter dieser Volksinitiative verbirgt, und auch die damit verbundenen Vorschläge. Es werden sehr unterschiedliche Meinungen aufeinanderprallen. Ich habe mir die Liste der Anzuhörenden bereits angesehen – vom Landesrechnungshof bis zur Vertretung beispielsweise der Orchester. Dieser produktive Austausch der unterschiedlichen Meinungen wird spannend und ich erwarte ihn mit großem Interesse, auch wenn ich, wie Sie wissen, nicht die Gelegenheit haben werde, im Ausschuss dazu etwas zu sagen. Das sieht die Geschäftsordnung nicht vor.
Ich möchte es allerdings nicht versäumen, aus meiner Sicht am heutigen Tage ein paar Anmerkungen zu machen, vielleicht auch kritische Nachfragen zu stellen, auch wenn mein Beitrag heute eher kurz ausfällt, weil ich wie gesagt mir gerne die Anhörung anhören und abwarten möchte. Dann haben wir ja noch ein zweites Mal im Plenum die Gelegenheit, über diese Volksinitiative zu diskutieren.
Im Kern wird verlangt, ich zitiere, der „Erhalt der bestehenden Theater- und Orchesterstrukturen“. Zitatende. Darauf beschränkt sich die Forderung. Alles soll so bleiben, wie es ist. Alles kann nur bleiben, wie es ist, wenn alles gut ist, wie es ist. Die Frage ist, ob dies stimmt, und mich interessieren vor allem auch Fragen folgender Art:
Ist es denn gut, dass das eine Theater in der Lage ist, 25 Prozent seiner Einnahmen selbst zu erwirtschaften oder jedenfalls deutlich über 20 Prozent und andere Theater, die vergleichbar groß sind, nur weniger als 10 Prozent? Ist das gut und fachlich oder kulturpolitisch zu rechtfertigen?
Ist es gut oder vielmehr notwendig, dass teilweise zeitgleich oder nahezu zeitgleich in Mecklenburg-Vorpommern ein und dasselbe Theaterstück von verschiedenen Theatern neu inszeniert wird? Muss das sein? Ist das wirklich nötig oder könnte es nicht auch gelingen, in Mecklenburg-Vorpommern eine solche Zusammenarbeit zwischen den Theatern zu organisieren, dass ein Theater ein solches Stück inszeniert und an anderen Standorten eben aufführt? Muss dies wirklich sein, dass teilweise wirklich dieselben Theaterstücke an verschiedenen Standorten neu inszeniert werden?
Wie gestaltet sich eigentlich in Zukunft die Tarifstruktur in den Theatern? Muss es oder kann es sein, dass ein Orchestermusiker weitaus mehr verdient als ein Tänzer? Muss und kann es sein, dass ein Orchestermusiker, wenn ich mich recht entsinne, im Rahmen seiner Dienstpflicht nicht weiter fährt als 32 Kilometer, um Aushilfen zu organisieren? Sind dies alles Vorgaben, die aufrechterhalten bleiben müssen und wirklich etwas mit der Qualität von Kunst und Kultur zu tun haben? Und könnten wir in einer solchen Strukturdebatte nicht auch einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass die Beschäftigten eines Theaters im Theater selbst etwas anders behandelt werden, dass es durchaus auch für die Gruppen, die bisher nicht so gut dastehen, Verbesserungen gibt und andere vielleicht auf das eine oder andere verzichten müssen in Zukunft im Interesse einer funktionierenden Theater- und Orchesterlandschaft?
Das sind Fragen, nur drei Beispiele, die man beantworten muss aus meiner Sicht, weil eben nicht alles gut ist, wie es ist, weil auch nicht alles so bleiben wird, wie es ist, und weil aus meiner Sicht die bloße Forderung nach dem Erhalt der bestehenden Theater- und Orchesterstrukturen deshalb noch nicht ausreichend ist. Ich gehe aber davon aus, dass sich die Unterzeichner und Unterstützer dieser Volksinitiative deutlich mehr Gedanken gemacht haben, als es jetzt in der Volksinitiative im Text zum Ausdruck kommt. Und deswegen sehe ich mit großem Interesse und großer Spannung den Ausführungen in der Anhörung entgegen und umso mehr der Beschlussempfehlung des Ausschusses für das Hohe Haus. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin sprachlos, Herr Minister Brodkorb. Sie wollen jetzt Ihre Aufgaben als Fachminister den Initiatoren der Volksinitiative zuschieben. Sie stellen hier Fragen, die Sie als Fachminister, die Ihr Ministerium als Dienstaufsicht und als Fachministerium eigentlich hätte mitbeantworten müssen, in der Vergangenheit und auch jetzt und heute. Ich bin schon erschüttert, wie formal die SPD und auch Sie als zuständiger Minister dieser Regierung an die Behandlung der Volksinitiative hier in diesem Hohen Haus herangehen.
Ich bin vor Ostern auf einer Veranstaltung hier in Schwerin von einer Dame gefragt worden, wie viel Wert sind diese 50.000, über 50.000 Unterschriften. Ich habe dann der Fragestellerin geantwortet, nach der Landesverfassung entscheidet dieses Hohe Haus über den Wert dieser Unterschriften.
Es brennt in Mecklenburg-Vorpommern – lichterloh. Die einen wollen heute löschen, das sind die Initiatoren und Initiatorinnen der Volksinitiative, das ist auch meine Fraktion und sind sicherlich auch die GRÜNEN. Es gibt eine andere Fraktion, die möchte noch bis zur Sommerpause löschen, und es gibt die Regierung und die SPD-Fraktion, die übermorgen, irgendwann im Herbst, diese Fragen anpacken wollen, sprich, zum Löscheimer greifen wollen.
Wir wissen aber, dass hier in Schwerin nicht nur eine Gefahr der Insolvenz da ist, sondern sie ist inzwischen Realität. Wir wissen, dass in Rostock erhebliche Probleme in der Finanzierung bestehen. Wir wissen, dass eigentlich in ganz Mecklenburg-Vorpommern die Frage der Zukunft der Theater und Orchester hoch und runter, emotional mit Wut, Protest und Unverständnis diskutiert wird. Und wenn innerhalb kürzester Zeit über 50.000 Menschen eine Volksinitiative unterschreiben – und wir haben alle Erfahrungen mit Volksinitiativen –, dann drückt das doch etwas aus, dass sich das Land solidarisiert mit den Theatern und den Orchestern und von der Regierung erwartet, dass sie ihre Hausaufgaben macht. Und das ist der substanzielle Unterschied im Herangehen an diese Frage.
Die Situation ist also höchstdramatisch. Die Mittelzuweisungen, das wissen wir alle, sind seit 1994 bei 35,8 Milli
onen stehen geblieben und Sie, Herr Brodkorb, erklären in der Öffentlichkeit, dass Sie Ihre Aufgaben lösen wollen, ohne mehr Geld einzusetzen. Ich habe ein anderes Fachverständnis von einem Fachminister. Wo ist Ihre Leidenschaft, die Sie ja haben, die ich ja kenne, aber wo ist Ihre Leidenschaft für diese Theater und diese Orchester? Sie stellen den Theaterleuten Fragen und zwingen sie damit in die Knie. Und das kann meines Erachtens nicht Sinn und Zweck einer verantwortungsvollen Kulturpolitik in Mecklenburg-Vorpommern sein.
Das, was Sie hier deutlich machen, beinhaltet doch, dass es zukünftig keine tariflichen Anpassungen geben kann, wenn es denn entsprechende Kostensteigerungen oder Tarifverhandlungen gibt. Das heißt, dass die finanziellen Mehrbelastungen bei den Theatern, Orchestern beziehungsweise bei den sie tragenden Kommunen bleiben. Wie sollen denn diese diese Aufgabe stemmen, wenn sie alleingelassen werden?
Ich habe im März hier zitiert aus der SVZ, aus der „Schweriner Volkszeitung“, dass Sie erklärt haben, erst soll Schwerin und das Schweriner Theater die Aufgaben erfüllen, dann sind Sie bereit, mit den Theatern und Orchestern zu diskutieren und über die Zukunft zu sprechen.
Ja, Sie schicken Fragebögen herum. Das hat aber nicht nur bei den Theaterschaffenden Fragen aufgeworfen, wieso denn jetzt nach 20 Jahren Theater und Orchester in Mecklenburg-Vorpommern abgefragt wird, was in den Theatern und Orchestern los ist. Na wo leben wir denn eigentlich?! Wissen Sie in Ihrem Ministerium nicht, was an den Theatern und Orchestern in Mecklenburg-Vorpommern los ist?!
Und ich frage mich, wie die Politik dieser Landesregierung aussehen soll gegenüber den Kommunen, den Theatern und Orchestern, die alle die Hände heben und sagen, wir sind nicht mehr in der Lage, diese Aufgaben zu stemmen. Und das kann doch wohl nicht sein, dass diese alleingelassen werden beziehungsweise so unter Druck gesetzt werden, dass ihnen der Schwarze Peter zugeschoben wird und sie dann auch noch in der Öffentlichkeit die Dummen sind, die dann schwierige Entscheidungen treffen müssen.
Wir alle, meine Damen und Herren, haben hier mehr oder weniger 20 Jahre, über 20 Jahre in MecklenburgVorpommern an der politischen Entwicklung mitgearbeitet. Es ist radikal Kulturabbau betrieben worden. Alle wissen, dass an den Theatern Personal abgebaut wurde, dass Häuser geschlossen wurden, dass einzelne Sparten geschlossen wurden und dass ganze Orchester abgeschafft wurden. Die Schmerzgrenze, und das drückt ja diese Volksinitiative aus, die Schmerzgrenze ist längst erreicht und zum Teil schon längst überschritten.
Und wenn Herr Donig und auch Sie, Herr Minister Brodkorb, von der Qualität sprechen, frage ich mich, wie will ich eigentlich Vielfalt und Qualität, künstlerische Qualität in Mecklenburg-Vorpommern sichern, wenn nicht klar ist, wie Ihr Konzept ist. Und ich bin der Überzeugung, meine Fraktion ist der Überzeugung, wenn es hier nicht zu gravierenden Entscheidungen kommt, dann wird es einen nicht wiedergutzumachenden Schaden für ganz Mecklenburg-Vorpommern geben – für die Menschen, die hier
leben, aber auch für unsere Gäste, die gerne hier herkommen und unsere theatralen und orchestralen Angebote erleben wollen, und nicht zuletzt für die Theater selbst und auch die Orchester.
Solche Einschnitte – ich weiß nicht, mit welcher Verantwortung Sie dieses Land hier führen wollen –, solche Einschnitte können wir einfach nicht zulassen, sie sind nicht zu akzeptieren und meine Fraktion lässt einen Kulturabbau, will einen Kulturabbau in Mecklenburg-Vorpommern nicht zulassen.
Was brauchen die Theater und Orchester heute, morgen und auch übermorgen? Sie brauchen – das wissen Sie aus den Gesprächen, ob nun offiziell oder inoffiziell, doch auch alle, meine Damen und Herren –, sie brauchen eine zuverlässige Perspektive. Sie brauchen eine Perspektive, damit sie auch künstlerische Freiheit ausleben können, und sie brauchen die Vorschläge der Landesregierung, wie denn zukünftig Theater- und Orchesterpolitik aussehen soll und wie die Standorte mit ihrer Qualität gesichert werden können.
Ja, ich sage Ihnen, wir sind dafür, und deswegen haben wir die Volksinitiative ja auch unterstützt, wir sind dafür, alle Arbeitsplätze und alle Sparten zu erhalten, um die kulturelle Vielfalt und die künstlerische Qualität der Theater und Orchester in Mecklenburg-Vorpommern zu sichern. Es ist für mich nicht nur ein kulturpolitischer Auftrag – und es ist mein Verständnis der Landesverfassung –, sondern es ist auch ein zutiefst humanistischer und ein bildungspolitischer Auftrag, den wir uns gegenüber haben, gegenüber der gegenwärtigen Gesellschaft, aber auch der zukünftigen Gesellschaft hier in Mecklenburg-Vorpommern.