Protocol of the Session on June 9, 2010

Meine Damen und Herren, jenseits der Binsenweisheiten dieser Fraktion auf der Fensterseite, Bauen muss eben auf die Lebens- und Freizeitbedürfnisse der Menschen eingehen und sich einstellen.

(Udo Pastörs, NPD: Das ist keine Binsenweisheit.)

Vor 20 Jahren zum Beispiel spielte es eine untergeordnete Rolle, ob man mit einem Rollator in einen Aufzug kam. Ich kann mich zumindest nicht daran erinnern, dass das ein Diskussionsthema vor 20 Jahren oder vor 30 Jahren war. Vor 20 Jahren spielte es überhaupt noch keine Rolle, ob Aufzüge in ausreichender Zahl vorhanden waren. Auch das hat damals keine Rolle gespielt, ob Menschen mit Behinderungen zum Beispiel im Rahmen von Baukultur solche Bauten auch nutzen können, die vielleicht schön aussehen, aber völlig unpraktikabel sind.

(Hans Kreher, FDP: Das ist richtig.)

All das sind Bestandteile von Baukultur.

Der vierte Leitgedanke: Baukultur muss als Grundlage für gesundes Wohnen verstanden werden. Gesundes Wohnen ist wichtig für die Menschen und somit als Auftrag für uns zu verstehen. Hierzu gehört unter anderem die Verwendung natürlicher und gesunder Baustoffe. Auch die Erreichbarkeit durch den ÖPNV oder mit dem Rad wird zunehmend wichtiger. Dieser Punkt ist eng verzahnt mit dem Leitgedanken der Energieeffizienz und der Generationsgerechtigkeit. Und da haben wir noch einiges zu tun, insbesondere mit dem Verkehrsbereich zu diskutieren. Ich habe das auch beim letzten Mal gesagt, hier gibt es vielleicht noch Vorbehalte, aber ich glaube, man muss dieses Thema ganzheitlich angehen.

Als fünften und letzten Leitgedanken: Die Baukultur ist als Daueraufgabe zu verstehen. Und da hören Sie bitte genau hin, das betrifft auch ihre Wahlkreise und die ganzen Anfragen, die ich dann so täglich bekomme, da geht es um Förderpolitik.

Meine Damen und Herren, ich bin der Auffassung, dass meine Leitgedanken und diese Grundsätze, die darin enthalten sind, in die Förderpolitik meines Hauses einzubauen sind. Zum Teil wird es auch schon praktiziert.

(Udo Pastörs, NPD: Toll!)

Ich kann mir in Zeiten knapper werdender öffentlicher Mittel kaum vorstellen, dass zukünftig noch Städtebaumittel, Mittel der Wohnraumförderung oder für den Verkehrsbereich ausgereicht werden, die diesen von mir formulierten Ansprüchen nicht gerecht werden. Ich bin dazu bereit, weiter mit allen Beteiligten im Gespräch zu bleiben.

(Udo Pastörs, NPD: Toll!)

Dies habe ich schon im Werkstattgespräch zum Ausdruck gebracht und darauf können Sie sich verlassen. Ein intensiver Dialog ist erforderlich mit den Architekten, den Ingenieuren, den Behindertenverbänden, bereits früh mit den Studenten, das sind nämlich die Architekten und Ingenieure der Zukunft, aber auch mit unseren Landesgesellschaften wie der LGE. Wir werden weiter an dem Thema Baukultur dranbleiben, sozusagen am Ball bleiben. Ich habe auf dem Werkstattgespräch auch ganz deutlich gemacht, ich erwarte – und das biete ich auch den Architekten und Ingenieuren an –, dass wir die Baukultur, das Netzwerk Baukultur weiter ausbauen, also die Initiative Baukultur zu einem wirklich schlagkräftigen Netzwerk ausbauen,

(Udo Pastörs, NPD: Noch ein Netzwerk.)

denn da gibt es auch Beispiele in anderen Ländern.

(Irene Müller, DIE LINKE: Tja, die Barrierefreiheit.)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich schließen mit einem Zitat des Präsidenten der Landesarchitektenkammer Mecklenburg-Vorpommern, Herr Brennecke, das ist von ihm so bei der Vorstellung des Programms zum Tag der Architektur formuliert worden: „Das Land“ – also Mecklenburg-Vorpommern – „braucht auch einen gebauten Charakter.“ Ich glaube, besser kann man das nicht ausdrücken. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Lück. Bitte, Frau Abgeordnete.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat bereits fristgerecht im Dezember 2009 zur Baukultur unterrichtet. Seit März 2010 hat man das Resultat sogar in einer ansprechenden Broschüre gelesen. Soweit mir bekannt ist, ist Mecklenburg-Vorpommern das erste Land mit einem Bericht zur Baukultur. Damit, meinen wir, sind wir auf dem richtigen Weg.

Erinnern wir uns: Mecklenburg-Vorpommern rief 2003 als erstes Bundesland die Initiative zur Baukultur ins Leben. Der Bericht enthält eine Vielzahl von beeindruckenden Beispielen für gelungene Architektur, für kleine, große, moderne, historische, neue und bestehende Bauten aus dem Hoch-, Tief- und auch aus dem Ingenieurbau. Auf die Vorbildwirkung bei Baumaßnahmen des Landes, die enorme Rolle der Förderinstrumente und die Anerkennung der Leistungen durch verschiedene Baupreise wird im Bericht eingegangen.

Das ist alles richtig und wichtig. Aber die Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Reicht das aus? Dieser Bericht spiegelt ausschließlich die Sicht der Landesregierung wider. Anmerkungen, welche Maßnahmen besonders

gut ankamen oder welche eben nicht funktionierten, um Baukultur in der Öffentlichkeit publik zu machen und zu befördern, fehlen. Und mir fehlt die Vision, wie es denn mit der Baukultur in Zukunft weitergehen soll. Gewünscht hätte ich mir auch, dass die Fachleute aus den Kammern zu Wort gekommen wären.

Wir stehen vor großen Herausforderungen, die sich aus der demografischen Entwicklung und den Erfordernissen zum Klimaschutz und auch zur Baukultur ergeben. Folgende Fragen müssen ganz oben auf unserer Agenda stehen:

Wie bringen wir Denkmalschutz und Energieeffizienz unter einem Hut?

Wie können wir den Einsatz von Fotovoltaik- und Solaranlagen mit Gestaltungs- und Erhaltungszielen für Dachlandschaften in Übereinstimmung bringen?

Was können wir tun, um den Einsatz nachwachsender Rohstoffe und umweltfreundlicher Materialien bei Baumaßnahmen zu befördern?

Wie sichern wir, dass alle Menschen bauliche Anlagen jeglicher Art selbstständig und uneingeschränkt nutzen können, Stichwort Barrierefreiheit?

Wie gestalten wir eine gebaute Umwelt für eine Gesellschaft, in der Teilhabe und Inklusion selbstverständlich sind?

Kolleginnen und Kollegen, 21 Thesen dienen dem Beschluss des Landtages vom 26. Juni 2003 zur Förderung der Baukultur als Grundlage. Wäre es nicht an der Zeit, diese Thesen in einer öffentlichen Debatte gemeinsam mit der Architekten- und Ingenieurkammer, mit Ausbildungsstätten, Verbänden und Vereinen und vor allem auch mit interessierten Bürgern auf ihre Aktualität zu überprüfen? In den Thesen finden wir inhaltliche Aussagen zum Schutz der Umwelt, zur Einhaltung ökologischer Parameter, zur nachhaltigen und bestandsorientierten Siedlungs- und Regionalentwicklung und auch zu sozialen Aspekten. Dennoch halte ich die Zeit für gekommen, die Thesen auch auf ihren Fortschreibungsbedarf hin zu überprüfen. Der Minister hat heute schon über seine fünf neuen Leitideen informiert.

Ich erinnere noch einmal an das Ziel der Initiative Baukultur. Ich zitiere: „Ziel soll es sein, das öffentliche Bewusstsein für die gebaute Umwelt zu stärken. Gutes Bauen muss zu einem wichtigen gesellschaftlichen Anliegen werden.“ Zitatende.

Wir haben viele und einzigartige Zeugnisse der Baukultur im Land, aber wir brauchen gutes Bauen auch im Kleinen. Baukultur muss für jeden Bauherrn, für jedes auch noch so kleine Bauvorhaben und für jeden Geldbeutel, auch das ist wichtig, machbar sein. Wir brauchen Baukultur nicht nur um ihrer selbst willen, sondern weil sie Identität fördert, den Wiedererkennungswert steigert und innovativ ist. Menschen, die sich hier wohlfühlen, bleiben hier und kommen wieder.

Gute Baukultur ist ein bedeutender sogenannter weicher Wirtschaftsfaktor. Meine Fraktion und ich betrachten es deshalb so, dass dieser Bericht eine Erstauflage ist, dem weitere Auflagen auch folgen müssen. Darin stimme ich dem Minister auch zu. Regelmäßige Unterrichtungen sollten wir zum Anlass nehmen, um das Thema Baukultur auch regelmäßig im Landtag aufzurufen und damit öffentlichkeitswirksam zu machen. Das Prinzip „Tue Gutes und rede darüber“ ist hier durchaus angebracht.

Kolleginnen und Kollegen, weil die Ergebnisse des Werkstattgespräches zur Baukultur am 18. März 2010 in die Debatte einfließen sollten, verschoben wir die Aufsetzung auf die Tagesordnung. Der Minister hatte schon gesagt, es ist dann noch mal verschoben worden, weil er selbst nicht anwesend war.

Verständlich ist die Enttäuschung von Minister Schlotmann, dass kein Landtagsabgeordneter am Werkstattgespräch teilnahm. Auch ich hatte andere Termine wahrzunehmen, aber unsere Fraktion war zumindest auf Mitarbeiterebene vertreten. Daher bin ich gut informiert und möchte noch etwas zu dieser Veranstaltung sagen. Die Vielzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zeigte natürlich das Interesse an diesem Thema. Die rege Kommunikation lässt erwarten, dass weitere Veranstaltungen zur Baukultur auch folgen.

Den Vorschlag des Ministers im Rahmen des Werkstattgesprächs, die Initiative Baukultur zu einem Netzwerk, beispielsweise in Form eines Vereins, weiterzuentwickeln, unterstützt meine Fraktion. Allerdings darf es nicht dazu führen, dass sich die Politik dann damit raushält.

Ein Hilferuf aus der Veranstaltung bewegte mich aber besonders. Der Gastgeber Professor Giebeler, Dekan der Fakultät Gestaltung der Hochschule Wismar, informierte, dass von den 30 bis 40 Absolventen pro Jahr die meisten abwandern, weil hier aufgrund der wirtschaftlichen Situation den Planungsbüros Stellen für Absolventen fehlen.

(Udo Pastörs, NPD: Macht doch nichts, bauen wir Altenheime.)

Das ist unhaltbar und fatal für die Zukunft des Landes, denn Wismar bildet als einzige Hochschule im Land Architekten aus. Als eine Gegenmaßnahme wurde angeregt, ab einer bestimmten Größenordnung Architektenwettbewerbe zwingend vorzuschreiben. Das sei gut für die Auftragslage und gut für die Bauqualität, hieß es. Das Land setzt auf Wettbewerbe und hat einen entsprechenden Erlass eingeführt.

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

Aber kommunale und private Auftraggeber müssen überzeugt werden, dass es nicht um Geldverschwendung, sondern um Zugewinn geht, weil man sich für die beste Lösung entscheiden kann. Für diese Aufklärungsarbeit hätte die Broschüre gut genutzt werden können. Generell finde ich, der Staat muss auch seinen Beitrag leisten, junge Absolventen im Land zu halten. Minister Schlotmann hatte den gutgemeinten Vorschlag, sich beim Betrieb für Bau und Liegenschaften zu bewerben, aber das dürfte unserer Meinung nach das Problem nicht lösen für die Absolventen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Auf kommunaler Ebene sieht es aber mau aus. Fachkräfte in den Bau- und Denkmalbehörden wurden massiv abgebaut und ein Großteil der noch vorhandenen Fachleute geht in den kommenden Jahren auch in den Ruhestand. Wir sagen also: Professioneller Sach- und Fachverstand ist auch in Zukunft notwendig.

(Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

Auch aus der Montagsveranstaltung „20 Jahre Landesbauordnung“ nahm ich mit, dass kompetente Fachkräfte in den Baubehörden sozusagen ein Muss sein müssen. Ich möchte noch mal die gesetzlichen …

Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Schluss. Die Redezeit ist abgelaufen.

… Standards von fachlichen Eignungen von Personal einführen.

(Egbert Liskow, CDU: Einfordern!)

Aus dem Grunde bedürfen wir meiner Meinung nach einer weiteren Arbeit, einer weiteren guten Zusammenarbeit. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Frau Abgeordnete.