Protocol of the Session on June 9, 2010

Das ist doch ein Witz!

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Das hat doch nichts damit zu tun, dass man uns ein besonderes Recht zugesteht. Nein, es ist falsch, man gesteht uns das Recht zu, das uns der Wähler in der Größe der Fraktion mitgegeben hat. Und deswegen haben wir nicht aufgrund der Regierungsmehrheit einen

Anspruch auf Durchführung einer Aktuellen Stunde, das haben wir vom Wähler bekommen. Das muss man hier mal deutlich sagen. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Danke schön, Herr Abgeordneter.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung.

Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/3484 zur federführenden Beratung an den Finanzausschuss sowie zur Mitberatung an den Europa- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Danke schön. Die Gegenprobe. – Danke schön. Stimmenthaltungen? –

(Peter Ritter, DIE LINKE: Bitte mal auszählen!)

Also es war jetzt tatsächlich in der Schnelle nicht so eindeutig festzustellen, wie das Abstimmungsergebnis war. Ich wiederhole damit die Abstimmung, damit wir hier tatsächlich die Zahlen feststellen können.

(Michael Roolf, FDP: Ist das ein Armutszeugnis!)

Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag, den bitte ich noch mal um das Handzeichen. – Danke schön. Gegenprobe. – Damit ist der Überweisungsvorschlag bei 18 Stimmen dafür und 23 Stimmen dagegen abgelehnt.

(Regine Lück, DIE LINKE: Da habt ihr aber Glück gehabt.)

Selbst wenn man die Dazugekommenen zählen würde, dann wäre das zwar knapp, aber eben deswegen korrekt abgelehnt.

Gemäß Paragraf 48 unserer Geschäftsordnung wird der Gesetzentwurf damit spätestens nach drei Monaten erneut zur Beratung in der Zweiten Lesung auf die Tagesordnung gesetzt.

Ich rufe damit auf den Tagesordnungspunkt 12: Beratung der Unterrichtung durch die Landesregierung – Bericht über die konkreten Ergebnisse und eingeleiteten Aktivitäten zur Fortführung der Initiative „Baukultur Mecklenburg-Vorpommern“, Drucksache 5/3087.

Unterrichtung durch die Landesregierung: Bericht über die konkreten Ergebnisse und eingeleiteten Aktivitäten zur Fortführung der Initiative „Baukultur Mecklenburg-Vorpommern“ – Drucksache 5/3087 –

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat ums Wort gebeten der Minister für Verkehr, Bau und Landesentwicklung Herr Schlotmann. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erst einmal einen Dank an die Opposition, denn die Rechte der Opposition werden immer hochgehalten, auch bei mir, für die Geduld bei diesem Thema Baukultur, dass wir erst heute dazu gekommen sind, dieses Thema in diesem Ernst hier auch zu behandeln.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Aber alle Beteiligten, die sich ernsthaft damit befasst haben, wissen, aus welchen Gründen das geschehen ist.

Meine Damen und Herren, die Mitglieder des Verkehrsausschusses …

(allgemeine Unruhe)

Geht das ein bisschen leiser hier vorne? Das wäre nett, danke.

Die Mitglieder des Verkehrsausschusses werden sich erinnern, meine Damen und Herren, bei der Vorstellung meiner Arbeitsschwerpunkte als neuer Minister habe ich damals das Thema schon als einen meiner Arbeitsschwerpunkte benannt. Bei meinen Auftritten vor der Architekten- und Ingenieurkammer bin ich mit diesem Thema und mit dem Engagement dort auch auf Zustimmung gestoßen. Ich danke auch ganz ausdrücklich den Koalitionsfraktionen, dass sie dieses Thema noch einmal aufgegriffen und es in das Landtagsplenum getragen haben. Das war im Januar vergangenen Jahres.

Auf der Grundlage der Debatte, die wir damals gemeinsam geführt haben, habe ich dann ein Werkstattgespräch durchgeführt mit Wissenschaftlern, mit Studenten, mit Praktikern, und zwar in Wismar an der Hochschule. Deshalb passt es auch besonders gut, dass wir heute erneut über dieses Thema hier im Landtag reden können, aber ich will auch gleich sagen, nicht um Bilanz zu ziehen, sondern allenfalls eine Zwischenbilanz bei dem Thema.

Ich habe aus den bisherigen Aktivitäten, die Sie auch aus der Unterrichtung entnehmen können, folgende fünf Leitideen entwickelt. Diese möchte ich in den kommenden Monaten mit Ihnen, aber auch mit den Wissenschaftlern, den Architekten, den Ingenieuren diskutieren.

Als ersten Leitgedanken möchte ich formulieren: Baukultur ist immer auch ein Spiegelbild der Gesellschaft.

(Udo Pastörs, NPD: Allerdings.)

Zum zweiten Mal, meine Damen und Herren, diskutieren wir in dieser Wahlperiode hier im Landtag über das Thema Baukultur. Man kann sich die Frage stellen: Was ist eigentlich Baukultur? Nur wenn wir uns das klarmachen, dann können wir auch wirklich politisches Handeln daraus ableiten. Meist finden wir nur abstrakte Definitionen, die in der Regel sehr schwer verständlich erscheinen. Darum möchte ich konkrete belastbare Punkte entwickeln, die erfüllt sein müssen, wenn man über Baukultur redet und diskutiert.

Für mich steht die Fragestellung: Ist Baukultur in Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel das Gleiche wie Baukultur in Bayern, in Hessen oder in Sachsen?

(Udo Pastörs, NPD: Überhaupt nicht.)

Kann es überhaupt die eine Baukultur geben, meine Damen und Herren? Sind für Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel Reetdächer das, was für die Bayern die Zwiebelkirchtürme sind? Wie so oft ist da ein Blick zurück in die Geschichte erhellend. Baukultur war in den vergangenen Jahrhunderten immer ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Zustände und deren Veränderung.

Es sei mir an dieser Stelle erlaubt, um das deutlicher zu machen, was eigentlich dahintersteckt, meine Damen und Herren, ein ganz kleiner und kurzer Exkurs in die Geschichte Schwerins und damit in die Geschichte der Baukultur Schwerins: Viele, die sich mit der Stadtge

schichte Schwerins beschäftigt haben, wissen, dass es ein Standbild gibt, das jetzt am Schloss steht. Dieses Standbild stand früher vor dem Theater. Dieses Standbild am Alten Garten also hat den damaligen Reichsgauleiter der NSDAP Herrn Hildebrandt bei seinen Kundgebungen derart massiv gestört,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

weil er dann seine Minderwertigkeitskomplexe immer durchleiden musste, wenn er unter diesem Standbild des alten Großherzogs stand, dass die Nazis damals dieses Standbild haben entfernen lassen und an einen aus ihrer Sicht unauffälligen Punkt hier am Schloss haben hinstellen lassen. Ich kann Ihnen sagen, wir stehen zu der Baukultur dieses Landes. Dieses Standbild wird wieder an seinen alten Platz zurückkehren, dafür werden wir sorgen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Ja, das ist ein Ausdruck der Kultur dieser Fensterfront, die jetzt hier wieder ihre derben Späßchen abzieht.

Meine Damen und Herren, auch die heutige Baukultur ist eben ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Verhältnisse. Demokratie zeichnet sich aus durch Offenheit. Es gibt kein Diktat einer selbsternannten Klasse oder von Führern, es gibt mehr Strömungen von Mehr- und Minderheiten. Manche sagen auch kritisch, vieles sei unverbindlicher. Es gibt aber keinen Formenkanon, keine Meinungsdiktatur, wie es sie in früheren Generationen und Gesellschaftsformen gab. Grundsätzlich, muss ich sagen, gibt es keine Vorgaben, dass man in einer ganz bestimmten Art und Weise zu bauen und zu entwerfen hat. Bebauungspläne sind ebenfalls keineswegs einheitlich. Sie sind sogar teilweise in einer Stadt sehr unterschiedlich. Auch Denkmalpflege gehört dazu. Es wird also Denkmalpflege im Bereich der Baukultur betrieben, aber es wird zum Teil auch völlig Neues entwickelt und gebaut.

Der zweite Leitgedanke, den ich Ihnen einfach als Diskussionsangebot machen möchte, ist Energieeffizienz als Gradmesser für Baukultur und gutes Bauen. Eins der Themen, wenn nicht sogar das bestimmende Thema, bei jedem Bauen ist und muss es sein, das ist meine persönliche tiefe Überzeugung, die Energieeffizienz. Und die Energieeffizienz gehört deshalb für mich zum zentralen Thema Baukultur. Bauen, das ökologischen Gesichtspunkten und der Energieeffizienz nicht gerecht wird, ist nicht zukunftsfähig und wird sich nicht durchsetzen können

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sehr richtig.)

und darf sich nicht durchsetzen. Dies stellt aber dann natürlich auch besondere Herausforderungen an das Material, sprich die Baustoffe, an Dämmung, an Heizsysteme, aber auch an das Know how derjenigen, die damit befasst sind.

Im Kern ist auch das nichts Neues, denn es gab zu jeder Zeit regionale Baukulturen, die nicht mit politischen, sondern mit natürlichen Gründen zusammenhingen. Ein Bauernhaus in Berchtesgaden zum Beispiel sah und sieht heute anders aus als ein Haus auf Rügen oder ein Haus auf Sizilien. Das lag und liegt an klimatischen Gründen, aber auch an den zur Verfügung stehenden Baustoffen.

(Udo Pastörs, NPD: Alles Binsenweisheiten!)

Der dritte Leitgedanke: Baukultur und gutes Bauen muss generationsbewusst sein. Beim Staatshochbau, bei der Städtebau- und Wohnraumförderung muss dem demografischen Wandel Rechnung getragen werden. Wir reden immer wieder darüber, dass der Anteil der älteren Menschen ständig steigt. Ich kann daran eigentlich nichts Schlechtes sehen und empfinden, weil es immer das Ziel unserer Gesellschaft war, dass die Menschen in die Lage versetzt werden können, älter zu werden. Und heute haben wir dieses Ziel oder sind wir gut auf dem Weg und beklagen uns darüber. Es kann also nichts Negatives sein.

(Udo Pastörs, NPD: Es gibt keine Jugend, die die Alten pflegen können.)

Wissen Sie, Herr Pastörs von der NPD, wenn die Zuschauer hören würden, was für dummes Zeug Sie hier von sich geben, das ist wirklich unglaublich!

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP)

Meine Damen und Herren, jenseits der Binsenweisheiten dieser Fraktion auf der Fensterseite, Bauen muss eben auf die Lebens- und Freizeitbedürfnisse der Menschen eingehen und sich einstellen.