Protocol of the Session on April 28, 2010

Daher war die Landesregierung verpflichtet, ein entsprechendes Gesetz auf Landesebene zu erarbeiten. Dieser Gesetzentwurf liegt Ihnen heute zur Zweiten Lesung vor.

In Abweichung zu dem durch die Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurf sehen die Beschlüsse des Sozialausschusses vor, dass die Bewertungssystematik und deren Bekanntgabe durch das Ministerium für Soziales und Gesundheit in Mecklenburg-Vorpommern im Benehmen mit der Vereinigung der Träger der Einrichtungen unter Beteiligung der örtlichen Träger der Sozialhilfe und der kommunalen Landesverbände festgelegt und zu veröffentlichen sind. Ferner sollen Bewohnerversammlungen auch dann zulässig sein, wenn in der betreffenden Einrichtung kein Beschwerdemanagement vorhanden ist.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten verweise ich auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Sozialausschusses sowie die dort auf Seite 41 bis 43 gemachten Bemerkungen. Der Sozialausschuss hat seine Beschlüsse auf der Grundlage öffentlicher Anhörungen zum Einrichtungenqualitätsgesetz gefasst. Er empfiehlt dem Landtag, den Gesetzentwurf der Landesregierung auf Drucksache 5/2843 in der aus der Beschlussempfehlung des Sozialausschusses ersichtlichen Fassung anzunehmen. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Danke schön, Herr Grabow.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Ministerin für Soziales und Gesundheit Frau Schwesig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Dass wir heute abschließend über die neuen Landesregelungen zum Heimrecht sprechen, ist das Ergebnis der Föderalismusreform I. Sie hat dazu geführt, dass die Zuständigkeit für die Gesetzgebung über das Heimrecht auf die Länder verlagert worden ist. Und dies betrifft nicht nur das Heimgesetz als solches, sondern auch die dazugehörigen Verordnungen für Bau, Personal und Mitwirkung. Diese Verordnungen regeln bundeseinheitliche Qualitätsstandards und schützen damit auch die Bewohnerinnen und Bewohner in den Einrichtungen. Die heimvertraglichen Vorschriften blieben in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes und wurden mit dem zum 1. Oktober 2009 in Kraft getretenen Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz neu geregelt.

Aufgabe der Landesregierung war es also, ein Landesgesetz für Mecklenburg-Vorpommern zu erarbeiten mit dem Ziel, die Ergebnisse der „Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen des Runden Tisches Pflege“ und die aktuellen betreuungs- und pflegewissenschaftlichen Erkenntnisse umzusetzen und die Ziffer 238 der Koalitionsvereinbarung mit Leben zu erfüllen.

Der heute zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf trägt nicht nur die Handschrift des Ministeriums, er wurde von Anfang an mit allen Verbänden, insbesondere der

Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, den privaten Einrichtungsträgern sowie den kommunalen Landesverbänden und Pflegekassen, erarbeitet und beraten. Das hat sich als äußerst positiv erwiesen. Und das war nach meiner Wahrnehmung auch die Resonanz der öffentlichen Anhörungen, die der Sozialausschuss dankenswerterweise durchgeführt hat.

Wir haben, und das glaube ich mit Fug und Recht sagen zu können, ein modernes Gesetz für pflege- und betreuungsbedürftige Menschen in Einrichtungen in unserem Land vorgelegt. Das kommt nicht nur darin zum Ausdruck, dass wir uns vom Begriff des Heimes gelöst haben, sondern auch in den Inhalten die Selbstbestimmung und Teilhabe als oberstes Ziel haben. Und diese Inhalte, Transparenz, Qualität, Selbstbestimmung und Teilhabe, waren mir von Anfang an wichtig als zuständige Ministerin.

Natürlich wurden nicht alle bisherigen Regelungen über Bord geworfen. Vorschriften, die sich in der Praxis bewährt haben, finden Sie auch in diesem Gesetz wieder. Lassen Sie mich als Beispiele Folgendes nennen: die Zusammenarbeit zwischen Heimaufsichtsbehörden, Medizinischem Dienst der Krankenversicherungen und anderen Prüfinstanzen oder die Verpflichtung für die Heimaufsichtsbehörden, vorrangig beratend tätig zu werden. Auch die Möglichkeit, Prüfungen anzukündigen, gehört dazu.

Was ist jetzt neu? Mit der Festlegung von Abgrenzungskriterien für neue Wohnformen vollzieht das Gesetz einen klaren Paradigmenwechsel zum bisher geltenden Bundesrecht

(Udo Pastörs, NPD: Oh!)

und folgt dem Grundsatz: „So viel Schutz wie möglich, so viel Schutz wie nötig“. Qualitätssicherung und Transparenz haben oberste Priorität und sollen den Verbraucherschutz stärken. Die Verpflichtung, künftig Prüfergebnisse öffentlich bekannt zu machen, wird dazu entscheidend beitragen. Wie die Bewertungssystematik und deren Bekanntgabe erfolgt, werden wir gemeinsam mit den Vereinigungen der Träger der Einrichtungen unter Beteiligung des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe und der kommunalen Landesverbände erarbeiten. Auch die Neugestaltung der Mitwirkungsmöglichkeiten der Bewohnerinnen und Bewohner sowie die stärkere Einbeziehung des Ehrenamtes zählen dazu. Dort, wo es möglich und fachlich vertretbar war, wurde vereinfacht, um so Bürokratie abzubauen und Verwaltungskosten zu senken, wie zum Beispiel die Verringerung der Anzeigepflichten.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Veränderungen sieht das Gesetz auch für die Tages- und Nachtpflegeeinrichtungen vor. Sie sollen – und das ist das Ergebnis der Verbandsanhörung – nicht mehr vollständig in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen. Vorgesehen sind lediglich eine Anzeigepflicht und ein Noteingriffsrecht. Das bedeutet, dass die zuständigen Behörden diese Angebote nicht regelmäßig prüfen, sondern nur dann, wenn Tatsachen bekannt sind, die zu einer Gefährdung der Besucher dieser Einrichtung führen könnten. Besonders hervorzuheben ist aus meiner Sicht die Tatsache, dass wir die Fachkraftquote für Pflege und Betreuung ausdrücklich festgeschrieben haben.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, als einziges Land haben wir mit dem Entwurf des Einrichtun

genqualitätsgesetzes auch bereits die dazugehörigen Verordnungen für Bau, Personal und Mitwirkung erarbeitet. Sie erfüllen das Gesetz mit Leben und sind entscheidende Arbeitsgrundlage, nicht nur für die Ordnungsbehörden, sondern auch für alle Einrichtungsträger, und definieren letztendlich Qualitätsanforderungen in den verschiedenen Bereichen. Diese werden zur gleichen Zeit wie das Gesetz in Kraft treten und sie berücksichtigen die Ergänzungen, Korrekturen und Hinweise im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens. So werden wir unsere „Einrichtungspersonalverordnungen Hauswirtschaftskräfte“ mit entsprechender Weiterqualifizierung und nachgewiesenen praktischen Erfahrungen in der Pflege als Fachkräfte in der Betreuung in Pflegeeinrichtungen anerkennen.

Auch in der Einrichtungenmindestbauverordnung wer den durch die teilweise Aufnahme der Einrichtungen der Tages- und Nachtpflege in den Anwendungsbereich des Gesetzes konkrete bauliche Anforderungen für diese Angebote definiert. Das war in der Vergangenheit nicht so und hat dadurch oft zu Problemen vor Ort geführt, die mit den neuen Regelungen künftig vermieden werden sollen.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich bedanke mich ausdrücklich für die konstruktive Diskussion im Sozialausschuss und ich bin mir sicher, dass der vorliegende Gesetzentwurf für alle Beteiligten eine sehr gute Basis für eine gute Qualität in unseren Pflege- und Betreuungseinrichtungen und die Stärkung der Selbstbestimmung und Teilhabe darstellt, daher auch der Name „Einrichtungenqualitätsgesetz“. Und es freut mich ganz besonders, dass ich unseren Koalitionspartner so überzeugen konnte, dass es ein tolles Gesetz ist, sodass Sie nicht nur Sprüche in einen Flyer geschrieben haben, sondern für dieses Gesetz schon einen Flyer gemacht haben. Das freut mich, dass ich Sie so überzeugen konnte, sehr geehrte Damen und Herren der CDU.

(Harry Glawe, CDU: So sind wir eben.)

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke schön, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Müller von der Fraktion DIE LINKE.

Werte Damen und Herren! Werte Frau Präsidentin! Ich spreche heute hier zur Drucksache 5/2843, also zu unserem neuen Gesetz, was Qualität fördern soll für Bewohnerinnen und Bewohner in Einrichtungen und auch darüber hinaus.

Ich fange an mit einem Satz, den Jacques Chirac von sich gab in seiner ersten Präsidentschaft. Und zwar sprach er davon,

(Udo Pastörs, NPD: Der arme Jacques!)

dass die Politik ist wie ein Theater. Die Opposition ist dazu da, „die Regierung abzuschminken, während die Vorstellung noch läuft.“ Das finden Sie im „Focus“ Nummer 16 aus dem Jahre 2001 auf der Seite 230.

(Udo Pastörs, NPD: Nun wissen wir Bescheid.)

Was ist also an diesem Gesetz abzuschminken? Was ist in diesem Gesetz Maskerade? Was finden wir in diesem

Gesetz zum Beispiel an Förderung von Qualität, was uns ja der Titel verspricht? Man liest aufmerksam und aufmerksamst und findet im Endeffekt nichts, nichts, was nicht über die bestehenden Gesetze von Land und Bund hinausgeht.

Die Zielbestimmung des Gesetzes, also das, was für Qualität in der Pflege sichtbar ist, ist nur sehr vage definiert. Der Paragraf 3, der sich um diese ganzen Qualitätsangelegenheiten kümmert, ist nur sehr vage beschrieben. Es wird davon gesprochen, dass angemessene Lebensgestaltung gefordert wird. Es wird davon gesprochen, dass angemessene Pflege gefordert wird und angemessenes Wohnen zu gewährleisten ist. Auf die Nachfrage unserer Fraktion, wie denn „angemessen“ definiert ist und was darunter verstanden werden darf, hat es im Sozialausschuss keine Antwort gegeben – keine Antwort! Die Art und Weise, wie Qualität bestimmt wird, bleibt also bei der Heimleitung, bei dem Träger der Einrichtung liegen.

(Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)

Das ist sehr bedauerlich, weil bestimmte Dinge, die nicht definiert sind, die nicht angesprochen sind, immer Probleme bringen bei den Pflegesatzverhandlungen.

Von der interkulturellen Pflege und Betreuung finden wir im ganzen Gesetz nichts. Gerade darauf haben uns Menschen, die sachverständig kompetent waren, bei der Anhörung aber hingewiesen. Im Gesetz werden die Heimleitung und die Träger darauf hingewiesen beziehungsweise sie werden angehalten, interkulturelle Pflege und Betreuung wenn möglich zu berücksichtigen. Dabei geht es um Kulturangebote, dabei geht es um Sprache, dabei geht es darum, Religion, religiöse Ausrichtung zu akzeptieren. Wenn das aber alles nicht möglich ist, gibt es auch durch dieses Gesetz keine Möglichkeit, das einzufordern. Pflegewissenschaften legen unstrittig dar, dass aber gerade die kulturelle Betreuung und alles andere, was ich aufgezählt habe, sehr wichtig ist. Schade, dass es nicht im Gesetz drin war, zumal uns ein modernes Gesetz avisiert war.

(Harry Glawe, CDU: Das ist modern.)

Keine Kultur zu machen, ja, das ist modern. Genau, Herr Glawe. Da haben Sie es.

(Harry Glawe, CDU: Ja, ja, Sie immer mit Ihrer Nische da.)

Also geht von diesem Gesetz kein Zug für moderne Qualität in Richtung unseres Landes aus. Qualität ist immer Erlebnisqualität. Erlebnisqualität ist sichtbar an der Zufriedenheit unserer Bewohnerinnen und Bewohner in Einrichtungen. Das sollten wir uns hinter die Ohren schreiben und darauf abstimmen, dass wir natürlich messbare Kriterien brauchen. Wir haben im Ausschuss danach gefragt, nach messbaren Kriterien von Qualität. Keine Antwort!

(Harry Glawe, CDU: Wir haben die Pflegewissenschaften erwähnt. Das steht alles nachzulesen da drin.)

Aber nicht im Gesetz!

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Und was im Gesetz nicht steht, können Sie in Pflegesatzverhandlungen auch nicht einfordern. Das wissen Sie doch ganz genau. Gemessen an diesen Ansprü

chen, die uns also dargestellt worden sind, finden wir das im Gesetz nicht. Wir finden Defizite und auch dicke Schminke hat nicht verbergen können, was das für Defizite sind.

Weiter im Gesetz: Abschminken muss sich auch alles, was gesprochen wurde zu der Problematik „Bürokratieabbau“. Wenn wir uns die Anzeigepflichten angucken, gibt es drei Dinge weniger, die angezeigt werden müssen.

Es ist durchaus nachvollziehbar, dass die Heimordnung nicht angezeigt werden muss, aber ansonsten haben wir das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und das tut weh, denn wenn eine Heimaufsicht ordentlich kontrollieren soll, auf welche Art und Weise das Heim agiert, arbeitet, Qualität sichert – wie soll sie das machen? Wie soll sie eine Fachkräftequote kontrollieren, wenn sie gar nicht weiß, wie viel Personal angestellt ist – das wird ja nicht angezeigt –, wenn sie überhaupt nicht weiß, wie das Konzept der Einrichtung ist und wenn sie auch nicht weiß, wie die Leistungsbeschreibung ist? Ein Blick in die Glaskugel hilft dabei, glaube ich, auch nicht.

Außerdem gibt es Bundesregelungen. Selbst diese wurden nicht ordentlich verarbeitet und bearbeitet.

(Jörg Heydorn, SPD: Welche sind das denn? Welche sind das denn?)