Protocol of the Session on March 11, 2010

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Das ist das Einzige, wie man damit fertigwerden kann. Man kann demonstrieren, bis einem die Füße wehtun, es interessiert die gar nicht. Aber die Achillesferse Ihres Systems sind Ihre begrenzten Ressourcen. Sie sind nicht mehr in der Lage, die Flut der Klagen zu bewältigen,

(Udo Pastörs, NPD: Richtig.)

und auch nicht die Flut der Widersprüche und der Überprüfungsanträge im Zusammenhang mit dem Urteil. Mein persönliches Hobby ist es, möglichst vielen Leuten beizubringen, wie einfach es im Prinzip ist, so eine sozial gesetzliche Klage zu machen beim Sozialgericht, wie billig es ist, nämlich völlig kostenlos, wie gering das Risiko ist. Das Schlimmste, was ich riskiere, ist, dass das Sozialgericht mir sagt, das ist totaler Mist, die Klage. Wenn Sie die nicht zurücknehmen, zahlen Sie an Kopierkosten 5 Euro oder so. Mehr kann mir da nicht passieren. Und wenn man das den Leuten mal richtig beigebracht hat

(Udo Pastörs, NPD: Richtig. Das tun wir.)

und die Anzahl der Klagen und der Widersprüche verdoppeln und verdreifachen kann, dann sind sie fertig,

(Stefan Köster, NPD: Die sind jetzt schon fertig.)

dann müssen sie den Betrieb einstellen und dann müssen Sie Hartz IV aufgeben, und daran arbeiten wir jeden Tag mehr. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 5/3288. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um sein Handzeichen. – Danke. Die Gegenprobe. – Danke schön. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 5/3288 bei Zustimmung durch die Fraktion der NPD, ansonsten Ablehnung durch die Fraktion der SPD, der CDU, DIE LINKE und der FDP abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 27: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Kopfpauschale stoppen – für ein solidarisches Gesundheitswesen, Drucksache 5/3280.

Antrag der Fraktion DIE LINKE: Kopfpauschale stoppen – für ein solidarisches Gesundheitswesen – Drucksache 5/3280 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Dr. Linke. Bitte schön, Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Kopfpauschale, Gesundheitsreform, Zusatzbeitrag, Sonder

beitrag, Zuzahlungen, Wettbewerb, Lohnnebenkosten, Arbeitgeberanteil, Praxisgebühr, Festzuschuss, Wahltarif,

(Zurufe von Harry Glawe, CDU, und Vincent Kokert, CDU)

das sind alles Begriffe, die wir täglich in der Zeitung lesen, die Veränderungen eines Systems im Laufe der vergangenen zehn Jahre beschreiben, das im vorvergangenen Jahrhundert für lohnabhängig Beschäftigte begründet wurde.

In Deutschland hat sich mit der Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung, kurz GKV genannt, über Jahrzehnte im internationalen Vergleich ein leistungsfähiges Gesundheitswesen etabliert. Aufgabe des Staates war es in den vergangenen Jahrzehnten, hierfür Rahmenbedingungen zu setzen. Zu diesen Rahmenbedingungen gehörte, dass alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unterhalb eines bestimmten Einkommens, die sogenannte Pflichtversicherungsgrenze, sowie deren Angehörige gesetzlich krankenversichert waren und in Abhängigkeit von der Beitragsbemessungsgrenze Beiträge zahlten, die in gleicher Höhe auch von den Arbeitgebern entrichtet wurden.

Seit den 80er-Jahren ist das lohnzentrierte System der gesetzlichen Krankenkassen zunehmend gefährdet. Wesentliche Ursachen hierfür sind auch heute schon genannt: das Ausscheren gut verdienender Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die privaten Krankenkassen, die stark zunehmende Massenarbeitslosigkeit ebenso wie der parallel zur Einführung von Hartz IV rapide wachsende Niedriglohnsektor. Mit 20 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist der Anteil der geringfügig entlohnten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mittlerweile deutlich höher als in fast allen anderen Industrieländern.

Die Lohnquote in Deutschland sank von 76,9 Prozent im Jahr 1982 auf 66,8 Prozent im Jahr 2005, betrug im Jahr 2007 lediglich 64,6 Prozent und erreichte damit den geringsten Stand seit 1966. Darüber hinaus liegen in den neuen Bundesländern die Arbeitseinkommen circa 25 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt. Steigende Beitragssätze der gesetzlichen Krankenversicherungen von 10,5 Prozent im Jahr 1975 auf über 15 Prozent im Jahr 2009 sind schlicht ein Ausdruck der Tatsache, dass weniger Beitragszahler für immer mehr Versicherte zu zahlen haben.

Dieser Effekt wurde in der Vergangenheit medienwirksam als Beweis einer Kostenexplosion interpretiert, obgleich sich der Anteil der Gesundheitskosten am BIP in den vergangenen 35 Jahren kaum verändert hat und zwischen sechs und sieben Prozent liegt, aber zum Anlass einer heuchlerischen Lohnnebenkostendebatte wurde, welche die Kulisse für staatliche Eingriffe bildete, die in spürbare Privatisierungen von Leistungen des Gesundheitswesens mündeten.

Einschneidend waren diesbezüglich die zu Beginn dieses Jahrzehntes vorbereiteten und seit 2004 und 2007 umgesetzten Gesundheitsreformen, wobei der Ausstieg aus der ursprünglich solidarisch-paritätischen Finanzierung der GKV in vielen Einzelschritten erfolgte. Beispielhaft seien erwähnt die Zuzahlungen bei Medikamenten, Heilbehandlungen, der Sonderbeitrag für Zahnersatz und Krankengeld in Höhe von 0,9 Prozent, den ja allein die Versicherten zahlen, oder auch die Praxisgebühr beziehungsweise die alleinige Beteiligung der Betreffen

den bei Brillen, Bagatellmedikamenten und Ähnlichem. Durch diese Maßnahmen zahlen die Versicherten mittlerweile mehr als 65 Prozent und die Arbeitgeber weniger als 35 Prozent der Gesundheitskosten.

Am 01.01.2009 wurde der Gesundheitsfonds als zentrale Geldsammelstelle eingeführt. Den Kassen wurde übergreifend ein einheitlicher Beitragssatz verordnet, was für circa 80 Prozent der Versicherten zu einer Beitragssatzerhöhung führte. Der Fonds speist sich gegenwärtig aus Beiträgen der Arbeitgeber in Höhe von 7 Prozent sowie der Versicherten in Höhe von 7 Prozent plus Zusatzbeitrag von 0,9 Prozent vom Bruttolohn bei einer Beitragsbemessungsgrenze von 3.750 Euro sowie aus Steuergeldern. Dem Fonds sind im vergangenen Jahr aus Beiträgen und Steuern etwa 167 Milliarden Euro zugeflossen.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Gegenwärtig erleben wir nun, dass Kassen mit den zugewiesenen Geldern des Fonds nicht in der Lage sind, die anfallenden Kosten zu decken. Sie bitten die Versicherten erneut zur Kasse, erheben eine Zusatzprämie von mindestens 8 Euro monatlich ohne Einkommensprüfung beziehungsweise maximal einem Prozent vom Bruttolohn. Viele Versicherte verweigern sich der Zahlung, einige wechseln die Kasse. Wer will schon höhere Prämien zahlen? Sofern die Gesamtsumme des Fonds nun trotz all dieser Aktivitäten für die Deckung der Leistungen nicht ausreicht, soll ab einer Unterdeckung von fünf Prozent der Staat mit einer von ihm verordneten Erhöhung des Beitrages in das System eingreifen und den Fonds wieder auffüllen helfen.

Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, die feste Front der Arbeitgeber im Bunde von CDU und FDP verweigert sich natürlich einer Beitragserhöhung, die ja auch den Anteil der Arbeitgeber betreffen würde. Wie soll dieser Konflikt nun gelöst werden? Im Zuge der vergangenen Jahre wurde die Wunderwaffe „Kopfpauschale“ geboren und im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP, bezeichnet als eine einkommensunabhängige Versicherungspauschale, verankert. Beim heutigen Finanzierungssystem der Krankenversicherung zahlen gesetzlich krankenversicherte Frauen und Männer mit einem Bruttolohn bis zu 3.750 Euro, also in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze, 7,9 Prozent ihres Bruttoeinkommens. Bei einem Gehalt von 10.000 Euro sind es aber nur noch 2,9 Prozent.

Dieses Prinzip wollen die Verfechter der Kopfpauschale kultivieren und im Sinne des Abbaus von Solidarität perfektionieren.

(Vincent Kokert, CDU: Da müssen Sie aber selbst drüber lachen, ne?!)

Jeder soll unabhängig von seinem Einkommen einen einheitlichen pauschalen Betrag in die Krankenkasse zahlen,

(Harry Glawe, CDU: Sie haben das System schon. Da wollte ich nur drauf hinweisen.)

wobei dieser im Bereich von 130 bis 150 Euro je Monat und Versichertem liegen soll. Der Arbeitgeberbeitrag soll bei den gegenwärtig sieben Prozent des Bruttoeinkommens der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eingefroren werden. Geringverdienende Frauen und Männer, das sind ja auch die Einwohnerinnen und Einwohner des Landes Mecklenburg-Vorpommern, würden damit gravierend belastet und Menschen mit einem sehr hohen Einkommen überdimensioniert entlastet.

Zu befürchten ist, dass der Staat im Zuge der Einführung einer Kopfpauschale weiterhin auf bekannte und aus seiner Sicht seit 20 Jahren erprobte Methoden zurückgreift, und zwar auf die Ausgrenzung von Leistungen und die Privatisierung des Risikos Krankheit. Das medizinisch Erforderliche wird auf das medizinisch Notwendige reduziert. Was medizinisch notwendig ist, entscheiden dann nicht Ärzte, sondern Parlamentarier und Beratergremien meist jüngeren Alters und meist privat versichert.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Diesen endgültig geplanten flächendeckenden Ausstieg aus dem solidarisch-paritätischen System der Finanzierung lehnen die Versicherten parteiübergreifend ab. Circa 80 Prozent der Bevölkerung wollen an dem solidarischparitätischen System der Finanzierung des Gesundheitswesens festhalten. Es gibt Initiativen der Gewerkschaft ver.di, des DGB, es gibt Initiativen von Parteien – meine eigene Partei sei genannt, auch die SPD, die ja drei Tage nach Eingang unseres Antrages eine Unterschriftenaktion begonnen hat –, es gibt Initiativen bei der CSU, anderen Vereinen, Verbänden und Organisationen, sich diesem Systemwechsel zu verweigern.

Als Gesetzesänderung wird diese Frage im Bundestag beziehungsweise Bundesrat entschieden. MecklenburgVorpommern ist gut beraten, sich diesem Paradigmenwechsel zu verweigern und sich zu einem solidarischparitätisch finanzierten Gesundheitswesen zu bekennen.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Deshalb unser Appell als Fraktion: Stimmen Sie unserem Antrag zu, damit die Landesregierung weiß, dass sie sich im Bundesrat auf ein breites Bündnis ihrer Parlamentarier stützen kann! – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Frau Dr. Linke.

Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart worden. Da ist sozusagen das gelbe Material nicht ganz korrekt, da müsste Block IV ausgewiesen sein. 90 Minuten sind vereinbart worden. Gibt es dazu Bemerkungen? – Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat das Wort für die Fraktion der SPD der Fraktionsvorsitzende Dr. Nieszery.

(Vincent Kokert, CDU: So, jetzt muss ich zuhören.)

Bitte schön, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Frau Linke, vielen Dank für das erneute Grundsatzreferat zu einem sozialpolitischen Thema.

(Dr. Marianne Linke, DIE LINKE: Ja, danke.)

Ich will mir jetzt einmal Mühe geben und das ein bisschen politisch bewerten. Die solidarische Krankenversicherung soll durch eine Kopfpauschale ersetzt werden, so will es jedenfalls die schwarz-gelbe Bundesregierung. Der Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler

(Sebastian Ratjen, FDP: Doktor!)

hat damit sogar sein politisches Schicksal verknüpft.