Protocol of the Session on January 27, 2010

Gehen Sie mal zu einem Handwerker, der auf seiner Rechnung 19 Prozent Umsatzsteuer draufschlagen muss, und fragen Sie den, ob der nicht auch nur 7 Prozent in Rechnung stellen würde.

(Michael Roolf, FDP: Sofort.)

Der wird Ihnen sofort sagen, dass das ein Privileg des Beherbergungsgewerbes ist.

(Hans Kreher, FDP: Herr Steinbrück hat doch nur der Regelung in Europa zugestimmt.)

Und im Bereich der Gastronomie, Herr Kreher, ist es natürlich schon die Frage, dass da einige sagen werden, wir möchten das auch gerne haben, weil wir das als Vorteil des Beherbergungsgewerbes sehen, den wir auch gerne haben möchten.

Deswegen ist das etwas …

(Hans Kreher, FDP: Er hat doch nur der europäischen Regelung zugestimmt.)

Nein, die europäische Regelung ist nur der Rahmen, Herr Roolf, in dem wir uns bewegen. Das gilt in diesem Fall auch für die FDP.

(Gino Leonhard, FDP: Kennen Sie eigentlich Ihre eigenen tourismuspolitischen Schwerpunkte? – Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Der andere Punkt, zu dem ich gerne noch etwas sagen möchte, ist der angebliche Widerspruch zwischen Koalitionsfraktionen,

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

auf der einen Seite die CDU, die nach der Vorstellung der FDP alleine für die unternehmerische Freiheit und Eigenverantwortung in der Koalition verantwortlich ist, und die böse SPD,

(Michael Roolf, FDP: Genau, genau.)

die dann immer dafür sorgt, dass den Unternehmern vorgeschrieben wird, wie das Geld ausgegeben wird.

(Michael Roolf, FDP: Ja, genau.)

Mal abgesehen davon, dass Ihr Weltbild vielleicht schon seit 30, 40 Jahren überholt ist, zumindest was die SPD angeht, die Punkte, die hier aufgeführt worden sind, Herr Kollege Roolf, die Positionen, die im Vorfeld dieser Entscheidung – und da gebe ich ja auch dem Kollegen Löttge recht, da glaube ich auch nicht, dass die Substantia-AG nun maßgeblich darauf Einfluss genommen hat – von der DEHOGA immer wieder angeführt worden sind, gerade für diese Mehrwertabsenkung, nämlich der Umstand, dass in dem Gewerbe selber nach Kenntnis der DEHOGA zu niedrige Löhne gezahlt worden sind, dass dort Geld gebraucht wird,

(Gino Leonhard, FDP: Richtig.)

um Investitionen zu tätigen und damit die Mitarbeiter fortgebildet werden.

(Gino Leonhard, FDP: Genau.)

Das Einzige, was wir gemeinsam als Koalitionsfraktionen sagen, ist, das diejenigen, die diese Senkung haben wollten, die lange dafür gekämpft haben, aufgefordert werden, das, was sie vorher angekündigt haben, auch umzusetzen.

(Vizepräsident Hans Kreher übernimmt den Vorsitz.)

Das ist doch völlig normal.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Jawoll. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Wir sind doch schließlich für die Steuermittel all derjenigen zuständig, die letztendlich in diesem Staat für die Aufwendungen auch aufkommen müssen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Wenn wir einer bestimmten Gruppe – und da bleibe ich bei dem Wort „Privileg“ –, wenn wir einer bestimmten Gruppe ein Privileg zubilligen,

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

und da hat Herr Minister Seidel durchaus recht, das ist in diesem Land Mecklenburg-Vorpommern eine sehr starke Gruppe, wirtschaftlich eine sehr starke Gruppe, da muss man natürlich auch volkswirtschaftlich von dieser Gruppe erwarten, dass das, was sie zur Begründung vorher angeführt haben, hinterher auch umgesetzt wird.

(Zurufe von Raimund Frank Borrmann, NPD, und Udo Pastörs, NPD)

Was ist die Konsequenz daraus? Wir müssen am Ende dieses oder nächsten Jahres, wann immer man mal die Auswirkungen dieser Mehrwertsteuersenkung evaluieren möchte, doch mal sehen und sich die Frage beantworten, ob sich das denn tatsächlich für dieses Land rentiert hat, und zwar nicht für die Unternehmen, sondern für das Land. Das ist nämlich eine volkswirtschaftliche Entscheidung gewesen, dass diese Mehrwertsteuer abgesenkt wird. Hat es tatsächlich höhere Löhne gegeben in den Betrieben, dass die Mitarbeiter besser beschäftigt werden, besser bezahlt werden?

(Udo Pastörs, NPD: Sehr richtig.)

Hat es mehr Wettbewerbsfähigkeit gegeben gegenüber anderen Beherbergungsunternehmen im Ausland? Hat es tatsächlich mehr Investitionen gegeben, damit – was Herr Minister Seidel zu Recht angesprochen hat – auch bei Drittunternehmen der Vorteil dieser Mehrwertsteuerabsenkung ankommt?

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Wenn man sehen sollte, dass das tatsächlich alles nicht erreicht worden ist, dann muss man auch politisch die Konsequenzen daraus ziehen und vielleicht einmal überlegen, ob dieser Schritt, wie das jetzt zum Beispiel gerade in Frankreich die Diskussion war, tatsächlich der richtige Schritt war. Da kann man doch nicht einfach sagen, ach, wir machen das mal so und dann lassen wir das laufen. Das mögen die wirtschaftspolitischen Vorstellungen der FDP sein, aber das ist natürlich etwas, was sich mit vernünftiger Politik und mit volkswirtschaftlichem Handeln kaum noch verbinden lässt.

Einen Satz noch zu denjenigen, die hier angekündigt haben, wir wüssten nicht, wie die Unternehmen das Geld verwenden würden, weil es natürlich auch sein könnte, dass tatsächlich gar keine Mehreinnahmen entstehen. Es gibt hier gerade vom 20.01.2010, das war auf der Internetseite „Die Zeit“ zu lesen, einen Artikel, da steht dann in der Überschrift „Gäste profitieren nicht von der Mehrwertsteuersenkung“. Das ist doch jetzt erst einmal völlig wertneutral. Es geht nämlich einfach nur darum, dass in der Untersuchung festgestellt worden ist, dass die Hotelpreise im Regelfall nicht gesenkt worden sind, sondern die Unternehmer tatsächlich hier das Geld erst einmal für Einnahmen nehmen, um es dann in welcher Form auch immer zu verwenden. Dann bleibt natürlich die Frage, wie sie es verwenden. Damit komme ich zurück auf unseren Antrag.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Wir halten es tatsächlich für sinnvoll, dass die Punkte, die hier aufgeführt worden sind, auch in unserem Land Umsetzung finden.

An dieser Stelle erlauben Sie mir noch einen Rückblick auf die Debatte zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz mit der Umsatzsteuersenkung, die wir das letzte Mal geführt haben.

Herr Kollege Roolf, Sie wollten mir damals nicht glauben, wenn ich das jetzt richtig in Erinnerung habe, dass ein niedriger Satz für Hotels durchaus nicht nur positive wirtschaftliche Konsequenzen hat. Ich will das jetzt nicht zitieren, aber ich empfehle Ihnen einmal einen Artikel aus „Die Welt“ vom 18.01.2010. Darin steht: „Wirtschaft fordert Reform der Übernachtungssteuer … Niedrige

rer Satz für Hotels geht auch zulasten der Arbeitnehmer – Verbände schreiben Brief an Finanzministerium“. Jetzt muss man erst einmal nachdenken, welche Verbände schreiben ans Finanzministerium. Das sind acht Wirtschaftsverbände, die dem BDI angehören, die sich nämlich darüber beklagen, dass diese Regelungen durchaus Nachteile für sie haben.

Und da komme ich jetzt zu unserem Antrag wieder zurück. Wenn man hier liest, dass vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Umsatzsteuerbewertung zwischen Übernachtung und gastronomischen Leistungen im Beherbergungsgewerbe Korrekturen gefordert werden, und ich meine das jetzt völlig wertfrei, diese Korrekturen können durchaus sinnvoll sein, dann muss man erst recht überprüfen, wie sich diese Forderung, die jetzt erst Ende des letzten Jahres erhoben und umgesetzt worden ist, tatsächlich auswirkt. Nur wenn man sieht, dass vom Grundsatz her die Mehrwertsteuersenkung positive Effekte für die Volkswirtschaft hat, dann kann man auch sagen, wir können tatsächlich in den Bereichen, wo noch Korrekturbedarf ist, zum Beispiel die Aufnahme der gastronomischen Leistungen, ich denke an Frühstück, was den Bürokratieaufwand wirklich erheblich minimieren würde, nachsteuern. Wenn man aber erkennt, das bringt nichts, außer vielleicht für den einen oder anderen ein neues Auto, aber das ist ja nicht Sinn und Zweck dieses Gesetzes gewesen, dann sollte man sich überlegen, ob man tatsächlich andere Konsequenzen daraus zieht.

Deswegen ist so ein Antrag – und Herr Kollege Holter, da bin ich nicht Ihrer Meinung – nicht nur für das gute Gewissen gut, sondern er ist tatsächlich eine Aufforderung an die Unternehmerinnen und Unternehmer im Beherbergungsgewerbe dieses Landes, das, was sie selber angekündigt haben, auch in der Folgezeit umzusetzen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 5/3171. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Die Gegenprobe. – Danke. Enthaltung? – Danke. Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 5/3171 bei Zustimmung der Fraktionen der SPD und CDU, Ablehnung der Fraktionen der FDP und NPD sowie Enthaltung der Fraktion DIE LINKE angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Medizinische Versorgungszentren (MVZ) erhalten und ausbauen – für ein flächendeckendes solidarisches Gesundheitswesen, Drucksache 5/3179.

Antrag der Fraktion DIE LINKE: Medizinische Versorgungszentren (MVZ) erhalten und ausbauen – für ein flächendeckendes solidarisches Gesundheitswesen – Drucksache 5/3179 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Dr. Linke von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Medizinische Versorgungszentren, oder auch kurz MVZ genannt, können nach dem Paragrafen 95 des SGB V seit 2004 zugelassen werden.

MVZ sind Einrichtungen einer fachübergreifenden ärztlich geleiteten Zusammenarbeit unterschiedlicher medizinischer Fachgebiete, in denen Ärztinnen und Ärzte als Angestellte oder als Vertragsärzte tätig sein können. Sie stellen in der Bundesrepublik eine relativ junge Form gesetzlich möglicher Einrichtungen im Gesundheitswesen dar, die allerdings eine lange Tradition haben. Erinnert sei an die Gesundheitszentren in Riedstadt, Gropiusstadt oder auch an die Polikliniken, die sich zu DDR-Zeiten herausgebildet hatten, jedoch der Konkurrenz der Niederlassung, also der Freiberuflichkeit, nicht standhalten konnten.