Protocol of the Session on December 18, 2009

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Jäger von der Fraktion der CDU.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen!

Herr Professor Methling, Sie haben mir die Frage mit auf den Weg gegeben: Gibt es eine Krise in der Koalition? Ich kann nur sagen, das, was hier die beiden Damen gesagt haben – und da nehme ich jetzt keine von beiden aus –, das kann ich nur unterschreiben, was Kinderrechte angeht. Da sind wir auch, glaube ich, viel weiter, als das manchmal so schien.

Frau Kollegin Borchardt, Sie haben mit Recht hingewiesen auf die Geschichte. Wir wären weiter, wenn wir auf Bundesebene uns hätten mit unserer Meinung durchsetzen können. In meiner Fraktion gab es zur damaligen Zeit – und der wird auch so aufrechterhalten – einen entsprechenden Beschluss, den Kollege Kuhn artikuliert hat. So haben wir uns auch verhalten hier im Landtag.

Allerdings sollte man sehr deutlich sagen, dass es schöner wäre, wenn wir solche Dinge, wo wir so einig sind, auch gemeinsam machen. Hier hätte ich mir sehr gewünscht, dass wir kurz unter den Obleuten – oder wer auch immer, mit wem wir miteinander reden wollen – mal geguckt hätten, ob wir hier was Gemeinsames hinkriegen, nachdem wir den Beschluss ja schon mal hatten. Ich sage das deswegen, und das mag jetzt sehr eigensüchtig klingen: Das, was die Sozialministerin eben gesagt hat, ist die Lage auf der Bundesebene. Es ist das, was ich vielleicht vor vielen Jahren auch mal geglaubt habe: Wenn man dies also ins Grundgesetz hineinschreibt, wenn man das formaljuristisch sieht, sagt man, eigentlich ist das ja mit der Würde des Menschen abgedeckt, denn Kinder sind auch drin.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Das ist aber nur die halbe Wahrheit, wenn man sich dann die Praxis anguckt.

Ich persönlich wünsche mir sehr, dass wir relativ schnell dazu kommen, dass wir im Lande noch mal unsere Meinung bekräftigen. Ich wünsche mir aber noch etwas, nämlich dass wir uns noch einmal Gedanken darüber machen, wie wir es denn haben wollen. Ein bloßes Staatsziel in das Grundgesetz hineinzuschreiben, ist plakativ und sehr schön, aber das wird uns nicht weiterbringen. Wir wissen, in der Wirklichkeit gibt es, von der Gesetzeslage völlig unabhängig, häufig auch Kinderfeindlichkeit. Wir wissen, dass es materiell, sozial, seelisch vielen Kindern in Deutschland und auch bei uns im Lande nicht gutgeht. Das erfahren wir täglich, und wer sich darum kümmern will, der kann das jederzeit tun. Ich kann dazu nur einladen.

Daran ist nicht allein die Rechtslage schuld, auch nicht eine fehlende Bestimmung im Grundgesetz. Es finden sich auch in der Rechtsprechung sehr wohlklingende Formulierungen, auch in Urteilsbegründungen, die wir zum Kindeswohl nachlesen dürfen. Oft klafft aber zwischen Recht und der Wirklichkeit – und das ist manchmal wahrscheinlich nicht zu vermeiden – eine große Lücke. Fachleute sagen, das ist ein Vollzugsdefizit. Das tröstet mich an dieser Stelle überhaupt nicht.

Meine Fraktion spricht sich deswegen dafür aus, der Vorstellung zu folgen, so, wie wir das schon mal getan haben, nämlich den Rechten von Kindern im Grundgesetz einen besonderen Stellenwert einzuräumen. Und das muss so sein, dass daraus die Ausstrahlung auf alle

anderen Rechtsgebiete, nämlich unterhalb – nach der Wertordnung unserer Gesetze –, nämlich unterhalb des Grundgesetzes auch garantiert ist.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Das schafft ein Staatsziel alleine nicht. Da müssen wir noch mal unsere gemeinsamen Bemühungen etwas anstrengen. Wir bieten das gerne an. Wir wollen, dass sich das Bewusstsein vom Vorrang der Kinderrechte, der Schwächsten in unserer Gesellschaft, in den Köpfen von Eltern, von uns selbst, den Politikern, von Pädagogen und denjenigen, die als Richter zum Beispiel abwägen müssen zwischen Interessen, auch wirklich so eingräbt, dass es immer aktuell im Bewusstsein ist.

Deswegen sollten wir in diese Richtung im Ausschuss miteinander reden. Ich sage mal eins: Ich denke hier an das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme, das Bestandteil unseres Zivilrechts ist. Wir haben das im Nachbarrecht – Sie haben es noch mal angesprochen – heute schon mal gehört. Gerade bei der nachbarlichen Rücksichtnahme bei Grundstücksnutzungen kommt es viel zu oft noch vor, dass das verständliche Ruhebedürfnis der älteren Generation stärker ist, Vorrang erhält vor dem natürlichen Bedürfnis von Kindern, im Freien zu spielen und – das sage ich dazu – auch mal Lärm zu machen. Das gehört mit zur kindlichen Entwicklung. Darüber wollen wir im Ausschuss miteinander reden.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das kommt aber öfter vor. – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Ich bitte Sie, dem Überweisungsantrag zuzustimmen. Ich verspreche, dass wir das sehr konstruktiv miteinander hinkriegen werden, und freue mich auf diese Diskussion. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Herr Dr. Jäger.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Reese von der Fraktion der FDP.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Die Fraktion DIE LINKE hat nunmehr zum zweiten Mal einen Antrag mit dem Ziel in das Plenum eingebracht, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Der Landtag hat meines Erachtens zu dieser Problematik bereits ausgiebig Stellung genommen. Überdies hat unser Bundesland bereits in seiner Landesverfassung, wie andere Bundesländer auch, die Rechte von Kindern besonders gewürdigt.

Sie fordern jetzt den Landtag erneut auf, in dieser Sache aktiv zu werden.

(Zurufe von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE, und Irene Müller, DIE LINKE)

Meine Fraktion sieht diese Initiative erneut sehr kritisch,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sie sind doch eine Bürgerrechtspartei, Sie können ja auch eine Kinderrechtspartei sein.)

auch weil dieses Hohe Haus in vielfacher und ausreichender Weise deutlich bekundet hat,

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

dass gerade Kinder des Schutzes und der Förderung ihrer Entwicklung bedürfen.

Ihre Fraktion wie auch wir haben mehrfach entsprechende Initiativen eingebracht, um die Rechte von Kindern zu stärken. Gerade auch vor dem Hintergrund der jüngsten Fälle von Misshandlung und Vernachlässigung hat sich zudem deutlich gezeigt, dass Papier allein kein Leben schützen kann.

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Das schlimme Schicksal von Kindern überforderter Eltern mussten wir leider auch in unserem Land allzu oft miterleben, auch bei Familien, die in enger Betreuung durch das Jugendamt lebten. Es wird keinem einzigen misshandelten und vernachlässigten Kind helfen, wenn wir als Alibi für familiäre oder gesellschaftliche Missstände

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Kinderrechte im Grundgesetz verankern und uns dann zurücklehnen.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Allein schöne Worte reichen eben nicht. Es darf uns nicht darum gehen, neue Regelungen zu erlassen,

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

vielmehr müssen die bestehenden Gesetze konsequent angewendet und die bestehenden Möglichkeiten der Hilfe für Kinder ausgeschöpft werden.

Lassen Sie uns noch einmal den Blick ins Grundgesetz wagen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Und: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit... Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“ Von diesen Aussagen sind selbstverständlich die Kinder

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das wissen wir.)

ebenso wie Jugendliche,

(Zuruf von Ute Schildt, SPD)

Erwachsene und Senioren erfasst.

(Heinz Müller, SPD: Oh, Frau Reese! – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Und wieder ein Blick ins Grundgesetz, in Artikel 6: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“

(Toralf Schnur, FDP: Recht hat sie. – Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

Verfassungsrechtlich, aber auch im Hinblick auf die elterliche und staatliche Fürsorge ist es mit diesem Grundgesetzartikel gesagt. Handeln wir doch danach!

Sicherlich gibt es rechtliche Schwachstellen im Bereich des Jugendschutzes, wir haben darüber oft diskutiert. Aber spezielle Kinderrechte im Grundgesetz werden Fälle wie den von Lea-Sophie genauso wenig verhindern, wie es unsere kinderfreundliche Landesverfassung getan hat. Lassen Sie uns doch viel niedrigschwelliger anfangen, um Kindern zu helfen!

(Irene Müller, DIE LINKE: Vielleicht sollte man umfassender anfangen.)

Stärken wir die Eltern und Kinder, indem wir ihnen Bildung und soziale wie gesellschaftliche Teilhabe durch Arbeit und eine gute Betreuung in Krippe, Kita und Schule ermöglichen! Helfen wir Eltern und Kindern durch kompetente Beratungsangebote,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)