Protocol of the Session on November 18, 2009

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, dieser Grundsatz ist das Leitbild eines jeden Jugend

amtes, ist gesetzlich verbrieftes Recht und dient der Verbesserung der Lebenssituation betroffener Kinder in ihren Herkunftsfamilien.

Sie fordern weiterhin, Zitat: „mehr geeignete Pflegeeltern zu gewinnen und bereits aktive Pflegeeltern durch Pflegeelternschulen weiterzubilden, … eine Qualifizierungsoffensive“ zu starten, „die unter Beteiligung und Trägerschaft des Landesjugendamtes, der Jugendämter sowie durch Freie Träger der Kinder- und Jugendhilfe zu organisieren ist.“ Zitatende. Das hat ja hier auch schon eine Rolle gespielt.

In Punkt 2 fordern Sie sodann, „landesweit... einheitliche Standards einzuführen, die in Koordination und Verantwortung des Landesjugendamtes entwickelt, umgesetzt und kontrolliert werden“.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten der FDP, diese Standards gibt es. Ich verweise auf die Veröffentlichung des Landesjugendamtes zum Thema Vollzeitpflege nach Paragraf 33 Kinder- und Jugendhilfegesetz in Mecklenburg-Vorpommern. Ebenso erinnere ich an die Debatten im Vorfeld beziehungsweise nach Verabschiedung des Paragrafen 8a des SGB VIII.

Gemäß diesen vorhandenen Standards verbietet sich geradezu die Forderung Nummer 3 Ihres Antrages, „Kinder unter 8 Jahren (nach Möglichkeit) in familiennahen Einrichtungen speziell bei Pflegeeltern unterzubringen“.

Gerade das von Ihnen geforderte allgemeingültige Herangehen bei Entscheidungen der Kinder- und Jugendhilfe widerspricht den anerkannten Vorstellungen des Kinderschutzes. Vielmehr ist im Ergebnis der gesetzlich geregelten Hilfeplangespräche für jedes Kind eine diesem Kinde gerecht werdende Entscheidung, also immer eine Einzelfallentscheidung zu treffen.

(Irene Müller, DIE LINKE: Richtig.)

Damit sind wir beim Punkt 4 Ihres Antrages. Selbstverständlich gilt auch für Kinder mit einem Handicap, dass sie im Bedarfsfall zur Verbesserung ihrer Lebenssituation einer Einzelfallentscheidung bedürfen. An dieser Rechtslage soll nach Auffassung meiner Fraktion auch bei keinem Kind, ob mit oder ohne Handicap, gerüttelt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Sie halten völlig zu Recht unter Punkt 5 fest, Familienrichter müssen für die spezifischen Problemlagen und Bedürfnisse von misshandelten beziehungsweise vernachlässigten Kindern geschult und sensibilisiert werden. Ich sagte, zu Recht, denn auch das ist geltende Rechtslage.

Sollten Sie, verehrte FDP-Abgeordnete, im konkreten Leben Handlungsbedarf sehen, müssen Sie diesen auch als konkreten Fall behandeln und sollten auf Allgemeinplätze, wie nun auch im Punkt 6 niedergelegt, verzichten. Selbstverständlich bedarf ein Kind einer eigenständigen, qualifizierten Interessenvertretung bei Interessenkollision zwischen Eltern und Kind, welches durch Verfahrensbeistände bei gerichtlichen wie kinder- und jugendbehördlichen Verfahren zu gewährleisten ist.

Ja, verehrte Damen und Herren Abgeordnete – Frau Reese und Abgeordnete der FDP, ich muss ein bisschen korrigieren –, genau das regeln für den privatrechtlichen Bereich das BGB mit den Instrumenten des einschlägi

gen Familienrechts beziehungsweise im öffentlich-rechtlichen Bereich das Kinder- und Jugendhilferecht umfassend.

Meine Dame beziehungsweise Herren Abgeordnete der FDP, Gesetze, Regeln sind nicht alles im Leben, aber sie sind eine wichtige Voraussetzung der bürgerlichen Gesellschaft, um das Zusammenleben der Menschen möglichst konfliktfrei zu gestalten. Sprechen wir über Kinder und Jugendliche, ihre Zukunft in MecklenburgVorpommern, dann mangelt es wahrlich nicht an Gesetzen und normativen Rahmenbedingungen. Nein, es mangelt vielmehr an der finanziellen Basis, damit die Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe umfassend wirksam werden können. Das beginnt bei der gut bezahlten Arbeit für die Eltern, dem dauerhaft finanzierten Jugendklub vor Ort, den dauerhaft tätigen Jugend- und Schulsozialarbeitern, dem öffentlich geförderten Schülertransport für ältere Schüler und so weiter und so fort.

Deshalb, verehrte Kollegen der FDP, engagieren Sie sich auf diesem Gebiet und machen Sie sich allerorten für ein sozial gerechtes Steuersystem stark, damit die Aufgaben, die Sie thematisieren, auch im Land und in den Kommunen unseres Landes dauerhaft finanziert werden können. – Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Danke, Herr Koplin.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Tegtmeier von der Fraktion der SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Vielleicht wird Sie das ein bisschen trösten, Herr Grabow, aber ich habe auch teilweise schlechte Erfahrungen gemacht mit unserem Pflegewesen und insbesondere, was Pflegeeltern und die Gängelung von Pflegeeltern angeht. Dies nur mal vorangestellt.

Als ich diesen Antrag das erste Mal gesehen habe, habe ich gedacht: Ja, da gibt es tatsächlich Dinge, die unangenehm aufgefallen sind, mir auch. Die FDP, in Person von Herrn Grabow, bezieht sich auf diese Strukturanalyse, die ja auch Fälle aufzeigt, die, wie ich glaube, wirklich aus dem Leben gegriffen sind und die aufzeigen, dass es Verbesserungsbedarfe gibt. Und da unterscheide ich mich von Herrn Rühs doch ein wenig. Ich denke mal, wir haben zwar viele gute Mittel in der Hand, aber es gibt nichts, was man nicht noch besser machen könnte. Unsere Ministerin hat uns ja auch gesagt, was gemacht wurde, woran zurzeit gearbeitet wird, wie zum Beispiel diese Standards, die ja immer wieder angesprochen werden, aber auch, dass sie sich auf Bundesebene noch mal in ganz speziellen Bereichen einsetzen wird.

Das Thema zeitweilige Herausnahme aus Familien ist hier in dieser Strukturanalyse auch ein häufig erwähntes Thema gewesen. Ich sehe es teilweise wirklich als kritisch an, wenn misshandelte Kinder zeitweise aus Familien herausgenommen werden, zwei Jahre oder was weiß ich, wie lange, woanders untergebracht werden, dann wieder zurückgehen in die Familien und dann eventuell wieder das Gleiche passiert, bis sie dauerhaft herausgenommen werden. Ich weiß nicht, ob solche Spielräume wirklich sinnvoll sind.

Aber, Herr Grabow, Ihrem Antrag kann ich natürlich trotz alledem nicht zustimmen. Ich habe nämlich die Strukturanalyse, auf die Sie sich beziehen, wirklich sehr gründlich gelesen und in dieser Strukturanalyse sind natürlich auch einige Aussagen drin, die sich teilweise auf Punkte Ihres, Sie haben vorhin gesagt, Forderungskataloges beziehen. Aber das hier sind eigentlich eventuelle Maßnahmen, könnten Maßnahmen sein, haben Sie hier geschrieben, und wir wissen, es sind Maßnahmen, weil viele davon ja bereits umgesetzt werden und es sie schon gibt.

Aber da kann man zum Beispiel auch nachlesen: „Eine qualitativ abschließende Bewertung kann an dieser Stelle nicht erfolgen.“ Oder in anderem Zusammenhang, und zwar wenn Sie hier von der Gewinnung von Pflegeeltern sprechen – dazu gibt es ja auch eine Passage in der Strukturanalyse –, heißt es: „Im Jahr 2008 wurde in Rostock ein freier Träger mit der Gewinnung und Betreuung von Pflegefamilien beauftragt. Der Erfolg dieser Maßnahme sollte in den Folgejahren überprüft werden. Von daher bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten.“

Wenn man dann auch noch das letztendliche Fazit dieser Strukturanalyse sieht, dann erklärt sich mir Ihr Antrag hier eigentlich gar nicht mehr, weil das letzte Fazit dieses Berichtes nämlich aussagt, dass der vorliegende Zwischenbericht erste Hinweise und Denkanstöße an alle Beteiligten geben soll. Und ferner sagt er aus, dass dem Wunsch der kommunalen Spitzenverbände und des Ministeriums für Soziales und Gesundheit MecklenburgVorpommern zu einem Gespräch über diesen Zwischenbericht gerne nachgekommen wird, was die gegenseitige Kooperationsbereitschaft, wie ich finde, schon sehr schön aussagt. Und solche Gespräche, wenn sie denn angeboten sind aufgrund einer Strukturanalyse, die sich auf wenige Einzelfälle bezieht, finde ich, das ist schon der richtige Weg.

Dann möchte ich doch noch einmal kurz zu Ihren angesprochenen Punkten hier kommen. Herr Koplin hat eben ja praktisch zu jedem einzelnen Punkt schon Stellung genommen und mein größtes Fragezeichen hatte ich eigentlich bei dem Punkt 5, der ja auch schon ausgeführt wurde, weil ich ganz genau Sie persönlich schon in so einer Schulungsveranstaltung von der parlamentarischen Gleichstellungsbeauftragten getroffen habe, die sich auch an Richter und natürlich auch an andere richtete. Deswegen fand ich das doch schon sehr verwunderlich und wir können diesem Antrag nun leider nicht zustimmen. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Regine Lück, DIE LINKE: Das war ja spärlich.)

Danke, Frau Tegtmeier.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Köster von der Fraktion der NPD.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag will die FDPFraktion die Landesregierung auffordern, sich auf Landes- und Bundesebene dafür einzusetzen, dass für vernachlässigte Kinder und Jugendliche schnell ein auf Beständigkeit basierendes und kindgerechtes Lebens- und Familienumfeld geschaffen wird. Klingt gut. Ist der Antrag aber auch wirklich gut?

Zur Grundlage nahm die FDP die Ergebnisse des Zwischenberichtes der Projektgruppe „Strukturanalyse Fremdunterbringung“ zur Situation von Pflegekin

dern im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Der Bericht offenbart uns einige erstaunliche Erkenntnisse, die sonst von den Gutmenschen hier im Hause bestritten werden. Und er belegt zugleich die enorme Wichtigkeit der Anträge der NPD-Fraktion, zum Beispiel hinsichtlich der beantragten Unterrichtung des Landtages über die Arbeitsweise in den Jugendämtern bei Verdacht auf Kindesmissbrauch beziehungsweise -misshandlung.

Insofern stelle ich hier einige Aussagen des Zwischenberichtes vor, weil die wirkliche Situation in unserem Land so gut beschrieben wird. Aber hören Sie selbst!

Zitat: „Eine der am besten abgesicherten Theorien in der Sozialpädagogik ist die Deprivationstheorie. Sie besagt, dass ein Kind, wenn es der familiären insbesondere der mütterlichen Zuwendung und Pflege beraubt wird, in seiner körperlichen und seelischen Entwicklung schwer geschädigt wird.“ Und weiter: „Die gleichen Wirkungen treten ein, wenn das Kind zwar in der Familie aufwächst, diese aber nicht fähig oder bereit ist, dem Kind die notwendige emotionale Zuwendung zu gewähren.“ Das können Sie auf Seite 4 nachlesen.

Weiterhin: „Dass das Aufwachsen in einem stabilen und kontinuierlichen familiären Setting“ – man kann es ja nicht auf Deutsch ausdrücken, das heißt auf Deutsch Umfeld – „für Kinder und Jugendliche von besonderem Wert ist und dass die Kontinuität der Beziehung mit und zu Eltern … am besten Wachstum und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen fördert“, können Sie auf Seite 5 und 6 nachlesen.

Und eine weitere Feststellung sollte die hoch geschätzten Abgeordneten hier im Hause zum Nachdenken anregen: „Wer als Kind das Pech hat, von seinen Eltern getrennt und fremd untergebracht werden zu müssen, wird alleine aufgrund seiner geografischen Herkunft in Wismar mit einer mehr als 5 mal so hohen Wahrscheinlichkeit in einem Heim untergebracht als im Bundesdurchschnitt und hat dort anscheinend kaum eine Chance auf eine Pflegefamilie.“ Sehen Sie auf Seite 16.

Zusammengefasst hält der Bericht unter anderem fest: „Mehrfach haben Jugendämter ihr Wächteramt nicht ausgeübt, weil die Überzeugung vertreten wurde, nur auf Antrag der leiblichen Eltern bzw. Sorgeberechtigten hin reagieren und handeln zu müssen, nicht selten zum Nachteil von Kindern. Wir mussten zur Kenntnis nehmen, dass Gerichtsbeschlüsse willkürlich missachtet und nicht eingehalten wurden bis dahin, dass Sachbearbeiter sich strafrechtlich relevant im Dienst verhalten haben.“ Nachzulesen auf Seite 21.

Und weiter: „Gegenüber Pflegeeltern wurden teilweise ,rechtswidrige Dienstanweisungen‘ ausgesprochen – ein unglaubliches Phänomen, das in abgemilderter Form in allgemeiner Unverbindlichkeit (auch in der Hilfeplanung) vermehrt wiederzufinden ist und sich nicht selten derart zeigt, dass getroffene Vereinbarungen von Jugendämtern nicht eingehalten werden.“ Ebenfalls auf Seite 21 nachzulesen.

Weiterhin: „Ein weit verbreiteter Irrglaube – der sich übrigens auch bundesweit immer wieder findet – ist die Tatsache, dass es immer noch Sozialarbeiter gibt die glauben, Jugendämter hätten keine Wächterfunktionen“, Seite 21.

Und zum Abschluss: „Dass Gesetze und Urteile auch von Behördenmitarbeitern eingehalten werden müssen, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die nicht immer gegeben ist.“

So weit das vernichtende Urteil der Projektgruppe zur Situation der Fremdunterbringung von Kindern im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, gleichzeitig ein vernichtendes Urteil der Politik der rot-roten und rotschwarzen Landesregierung.

Aber zurück zum Antrag: In der Begründung des Antrages besticht die Rotzigkeit der FDP,

(allgemeine Unruhe)

sich dieser Thematik zu bemächtigen und sich zum Robin Hood der Pflegekinder aufzuspielen,

(Ralf Grabow, FDP: Robin Hood!)

aber in der Vergangenheit aus Staatsräson ähnlich gelagerte Anträge der NPD ablehnen zu müssen. Der vorliegende FDP-Antrag ist, wie gewohnt, unverbindlich und allgemein gehalten. Wir werden ihm deshalb die Zustimmung versagen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Michael Roolf, FDP: Schade. – Ralf Grabow, FDP: Das hat doch geklappt. Mehr wollte ich gar nicht. Da kann ich auch drauf verzichten.)

Danke, Herr Köster.

Das Wort hat jetzt noch einmal der Abgeordnete Herr Grabow von der Fraktion der FDP.

Herr Präsident!