Protocol of the Session on November 18, 2009

Die Pläne zur Einführung der Umsatzsteuer für kommunale Unternehmen stellen das Prinzip der flächendeckenden Daseinsvorsorge infrage. Bereiche der Entsorgungswirtschaft,

(Egbert Liskow, CDU: Ab welchem Vertrag haben Sie denn gelesen?)

also Trinkwasser, Abwasser und Abfall, Nahverkehr und viele andere, sind öffentliche Aufgaben.

(Egbert Liskow, CDU: Ich denke, Sie haben gelesen?!)

Und weil sie in grundlegender Weise dem Gemeinwohl dienen und auch dort geleistet werden, wo es sich nicht rechnet, sind die kommunalen Betriebe von der Mehrwertsteuer befreit – bei der Müllabfuhr und beim Abwasser vollständig, beim Trinkwasser wird nur die halbe Steuer fällig.

Eine solche Steuerbefreiung gibt es also nicht ohne Grund, meine Damen und Herren.

(Egbert Liskow, CDU: Das bleibt auch so.)

Die privaten Entsorger halten dieses Steuerprivileg schon lange für wettbewerbsverzerrend, fordern seine Abschaffung und klagten deshalb schon mehrfach bei der EU-Kommission. Und bis zuletzt hatte sich die rotschwarze Koalition in ihrer Forderung nach einheitlichen Mehrwertsteuersätzen verweigert. Es spricht für die politische Beliebigkeit der CDU,

(Harry Glawe, CDU: Was?)

dass sie jetzt in einer neuen Koalition auf die Forderungen der FDP eingeht

(Egbert Liskow, CDU: Lesen Sie doch erst mal den Vertrag, Frau Schwebs!)

und als schwarz-gelbe Koalition den privaten Entsorgern zur Seite springt.

Meine Damen und Herren, wir lehnen die Pläne von CDU/ CSU und FDP in Berlin entschieden ab und stehen damit

nicht allein. Der Deutsche Städtetag, Mietervereine und die Verbraucherverbände haben auf die Auswirkungen verwiesen und sich deutlich dagegen positioniert. Auch der Innenminister von Sachsen-Anhalt beispielsweise hat Widerstand angekündigt. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie das konkret aussieht.

Und auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, ich erinnere Sie daran, gerade Herr Schulte, Sie haben sich in einer Pressemitteilung vom 22.10. empörend und ablehnend zu den Plänen von Schwarz-Gelb geäußert,

(Heinz Müller, SPD: Sehr gut. – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Mit voller Überzeugung.)

haben diese als sozial unausgewogen bezeichnet und die großzügigen Steuergeschenke, die sich aus dem Koalitionsvertrag ergeben, kritisiert. Wir sind gespannt, wie sich die SPD heute dazu positioniert.

(Vincent Kokert, CDU: Sie werden die Koalition nicht auseinandertreiben, Frau Schwebs, keine Sorge.)

Meine Damen und Herren, Sie werden jetzt in der Debatte darauf verweisen, dass es sich keinesfalls um schon konkrete und belastbare Pläne für eine Steuerrechtsänderung handelt. Die Koalition wolle die steuerliche Gleichstellung doch nur prüfen. Aber wie wir hier alle wissen,

(Marc Reinhardt, CDU: Ist alles nur Betrug.)

Prüfaufträge sind in der Regel Vorhaben, die wohl gegenseitig nicht mehrheitsfähig sind,

(Harry Glawe, CDU: Bis Sie so alles geprüft haben, Frau Schwebs!)

aber nichtsdestotrotz mit aller Ernsthaftigkeit verfolgt werden sollen. Eben darum soll ja auch ihre Umsetzbarkeit geprüft werden. Also ist die Streichung der Umsatzsteuerbefreiung für kommunale Unternehmen längst nicht vom Tisch. Und solange diese Idee nicht begraben ist, haben wir allen Grund, mit einem Antrag deutlich Position zu beziehen.

(Harry Glawe, CDU: Ich bring Ihnen auch einen Spaten.)

Und angesichts des vorgelegten Tempos der schwarzgelben Koalition in Sachen Steuern erscheint mir diese Positionierung heute dringlicher denn je.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Frau Schwebs.

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Heinz Müller von der Fraktion der SPD.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als dieser Antrag der Fraktion DIE LINKE uns zum ersten Mal erreicht hat – es war in der letzten Sitzung dieses Landtages –, da hatten wir in Berlin eine Situation, dass die Koalitionspartner dort einen Koalitionsvertrag noch nicht abgeschlossen hatten, sondern über einen solchen Koalitionsvertrag gesprochen und verhandelt haben.

(Michael Roolf, FDP: Ja.)

Allerdings geriet in die Öffentlichkeit die Aussage, dass hier eine solche Gleichstellung von kommunalen und privaten Anbietern im Bereich der Daseinsvorsorge, eine steuerliche Gleichstellung angestrebt sei.

(Zuruf von Ralf Grabow, FDP)

Dieses hat – darauf hat Kollegin Schwebs schon richtig verwiesen – zu einer Fülle von Protesten insbesondere der kommunalen Spitzenverbände geführt.

Nun, meine Damen und Herren, heute

(Michael Roolf, FDP: Sieht es anders aus.)

sind wir in einer etwas anderen Situation.

(Michael Roolf, FDP: Sehr richtig.)

Wir sind in der Situation, dass ein Koalitionsvertrag zwischen der CDU, der CSU und der FDP auf der Bundesebene unterschrieben ist, und wir müssen nicht mehr mit der Stange im Nebel stochern und überlegen, was sein könnte und was sein möchte, sondern wir können uns einen solchen Koalitionsvertrag im Text anschauen.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Frau Schwebs hat von den Gefahren gesprochen.)

Ich habe mir die zwei Seiten ausgedruckt und will Ihnen gerne einmal die …

(Michael Roolf, FDP: 124 Seiten. – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das lohnt sich nicht. Das sind nur Absichtsbekundungen.)

Ja, die 124 wollte ich aber nicht mit hier raufbringen, Herr Roolf. Das muss nicht sein.

Ich möchte nur diese Passage, um die es geht, hier vorlesen. Vielleicht wird daraus einiges deutlich. Mit Genehmigung des Präsidenten darf ich zitieren: „Wir streben Wettbewerbsgleichheit kommunaler und privater Anbieter insbesondere bei der Umsatzsteuer an, “

(Michael Roolf, FDP: Genau.)

„um Arbeitsplätze zu sichern und Investitionen zu ermöglichen.“

(Michael Roolf, FDP: Ja.)

„Aufgaben der Daseinsvorsorge sollen nicht über die bestehenden Regelungen hinaus steuerlich belastet werden.“ Zitatende.

(Michael Roolf, FDP: Sehr richtig. – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Was heißt denn das jetzt? – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns bitte diesen Text einmal genau untersuchen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das machen wir jetzt. – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist symptomatisch für den gesamten Koalitionsvertrag.)