Protocol of the Session on July 16, 2009

(Norbert Baunach, SPD: Na, na, na, na! – Helmut Holter, DIE LINKE: Pfui!)

Schon im Mai dieses Jahres meldeten die Arbeitsämter rund 130.000 Frauen und Männer erwerbslos,

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

und diese Zahlen sind natürlich keine objektiven Zahlen, sondern Teil Ihres Lügengebäudes, an dem Sie, Herr Sellering, und vor allem auch Herr Seidel als Wirtschaftsminister seit der Regierungsübernahme im September 2006 kräftig mitgebastelt haben. Sie wollen die Leute für dumm verkaufen, haben das Land in der Fläche wirtschaftlich ausbluten lassen und wollen den Menschen die Reduzierung von zwölf Kreisgebieten auf sechs Gebietskörperschaften als Erfolg regelrecht unterjubeln, Herr Caffier. Wenn Sie …

Herr Abgeordneter Pastörs, für die Beleidigung des Abgeordneten Ringstorff erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE – Angelika Peters, SPD: Jawohl.)

und weise Sie darauf hin, dass das der zweite in der Sitzung ist und dass bei einem dritten Ordnungsruf Ihnen das Wort entzogen wird.

Wenn Sie von der Regierung das Wort „Reform“ in den Mund nehmen, was ja Erneuerung bedeutet, schrillen beim Normalbürger längst die Alarmglocken. Mich wundert nicht, mit welcher Kaltschnäuzigkeit der Innenminister Caffier sich hier vor das Parlament stellt und einer Kreisgebietsreform das Wort redet, die er noch vor wenigen Jahren selbst in Bausch und Bogen verteufelte, Herr Caffier. Überhaupt habe ich bei Herrn Caffier das Gefühl, dass er über ein gut geschmiertes Kugellager zwischen Kopf und Rumpf verfügt, welches ihn in die Lage versetzt, seinen Wendehals in atemberaubender Geschwindigkeit dem anzupassen, was ihm persönlich opportun erscheint.

(Angelika Peters, SPD: Das war der dritte, das war der dritte!)

Sie, meine Herrschaften in der Regierung, sind dafür verantwortlich, dass in Mecklenburg-Vorpommern ganze Landstriche vergreisen, was Sie hier mit Ihrem Munde beschönigend als „demografischen Wandel“ bezeichnen. Und Sie wissen auch genau, dass Ihr flapsiger Werbespruch „MV tut gut.“ allenfalls für die oberen Zehntausend im Lande Gültigkeit besitzt, Sie, meine Damen und Herren Abgeordneten, inklusive – das war’s dann aber auch schon.

Durch das geplante Kreisstrukturgesetz wird nicht ein neuer Arbeitsplatz geschaffen, im Gegenteil. Da Sie im Ländervergleich im öffentlichen Dienst einen Wasserkopf an Personal aufgebaut haben, sind Sie gezwungen, Arbeitsplätze zu streichen. Sie haben im zukünftigen Haushalt überhaupt keinen gestalterischen Spielraum mehr. 2020 – Stichwort „Föderalismusreform II“ – ist Feierabend. Die Finanzministerin steht mit dem Rücken zur Wand. Nach wie vor blüht der Fördergeldschwindel und Mecklenburg-Vorpommern ist Rekordhalter in der Rangliste der Alkoholtoten bundesweit. Was den Analphabetismus angeht, meine lieben Bildungspoliti

ker, Herr Tesch, hier Ihr Ergebnis: Mecklenburg-Vorpommern ist bundesweit unangefochtener Spitzenreiter beim Analphabetismus.

(Marc Reinhardt, CDU: Sind Sie mit der falschen Rede nach vorne gegangen?)

Zukunftsfähige Strukturen schaffen – dass ich nicht lache!

Herr Ministerpräsident Sellering, mit Ihrem aufgesetzten ständigen Grienen können Sie weder die Arbeiter noch die Bauern und erst recht nicht die mittelständische Wirtschaft weiter hinters Licht führen. Was diese von Ihnen zu erwarten haben, zeigt sich aktuell in der Schmierenkomödie Wadan-Werft, wo der Russe Burlakow die ganze Landesregierung vor der ganzen Welt geradezu lächerlich gemacht hat. Die Kreisgebietsreform ist Ihr letztes Halali, um auch noch den Rest von Erspartem oder von Einsparungsmöglichkeiten zum Nachteil der Bevölkerung in der Fläche herauszupressen. Sie interessiert der Artikel 72 Absatz 2 des Grundgesetzes offensichtlich einen Dreck, in dem es dem Sinne nach heißt, dass im gesamten Bundesgebiet gleiche Lebensverhältnisse herzustellen sind. Das beste Beispiel hierfür lieferte der Herr Ministerpräsident Sellering jüngst persönlich, als er sagte, Zitat: „19 Jahre nach der Wiedervereinigung kann es nicht sein, dass wir immer noch zwei unterschiedliche Rentenvölker in Ost und West haben.“

(Vizepräsident Hans Kreher übernimmt den Vorsitz.)

Und drei Monate später hauchte der Durchtriebene verschwitzt ins Telefon, Zitat: „Natürlich müssen wir zu einer Anpassung kommen und für mich wäre ein klares Datum: 30 Jahre nach der Einheit.“ Das sind noch zehn Jahre hin, Herr Ministerpräsident, und es gehört nicht viel Fantasie dazu, anzuzweifeln, dass es diese BRD in dieser Form 2020 überhaupt noch gibt. Wer so abgebrüht das Volk regelrecht verarscht,

(Vincent Kokert, CDU: Ordnungsruf, Ordnungsruf!)

dem ist auch zuzutrauen, dass er genau das umsetzt …

Herr Abgeordneter Pastörs, ich weise Sie noch mal darauf hin, dass solche unparlamentarischen Ausdrücke, wie sie eben gebraucht wurden, hier nicht angebracht sind.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Kümmern Sie sich mal um den Minister, der kennt auch solche Ausdrücke!)

Wer so abgebrüht das Volk regelrecht …, dem ist auch zuzutrauen, dass er genau das umsetzt, was die Technokraten als rettenden Anker den noch Herrschenden anzubieten haben.

So empfiehlt ein Gutachten des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, dass in sogenannte demografische „Schwundregionen“ nicht mehr investiert werden solle, da diese der öffentlichen Hand immer mehr kosten, als sie einbringen – eine widerliche Feststellung, wie ich meine, reduziert sie doch unsere Bürger auf die Größe einer reinen Kosten-Nutzen-Rechnung.

Weiter kommt die Studie zum Ergebnis, dass es zweckdienlich sei, die Versorgung in den Schwundregionen, so nennen die das, auf ein absolutes Minimum herunterzufahren, um – Zitat – „eine passive, abwartende Anspruchshaltung unter der Bevölkerung abzubauen“.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wollen Sie mal zur Sache sprechen?)

Das ist zur Sache, Herr Dr. Jäger. Hören Sie gut zu!

Im Klartext, damit Sie das auch verstehen:

(Dr. Armin Jäger, CDU: Gerade Sie!)

Die Menschen sollen resignieren und auf ein ihnen verbrieftes Grundrecht verzichten. Vogel, friss und schweig stille, fällt mir da nur ein. Und jetzt kommt es noch krimineller. Durch das Aushungern bestimmter Regionen würde Lebensraum für sogenannte, Zitat, „Raumpioniere“ entstehen. Darunter versteht man laut Studie Experimentatoren aus dem künstlerischen und sozialen Bereich.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Im Klartext, hören Sie zu, Herr Dr. Jäger, für Sie noch mal im Klartext: Wasser und Strom liefern wir euch noch und dann schauen wir mal, welche alternativen Lebenswelten dort entstehen werden. Was für ein Wahnsinn, kann ich da nur sagen! Vielleicht steht ja schon der verbrecherische Versuch einiger Politiker in diesem Lande, in den entleerten Räumen Polen anzusiedeln, im Zusammenhang mit den Empfehlungen dieser Studie.

(Vincent Kokert, CDU: Das ist sein Niveau, ja.)

Herr Caffier, die Kreisgebietsreform ist kein Spiel und erst recht kein Fußballspiel, wie Sie uns eben hier weismachen wollten. Es ist ein gesetzlich verordneter Aderlass auf Kosten der Städte und Gemeinden.

Meine Damen und Herren, deutsche Jugend will deutsche Zukunft in Deutschland.

(Regine Lück, DIE LINKE: Oh Gott, oh Gott, das ist ja schrecklich.)

Und da Mecklenburg-Vorpommern unzweifelhaft ein Teil unseres deutschen Vaterlandes ist, darf die Zukunft auch unseres Bundeslandes auf keinen Fall den vaterlandslosen Gesellen – besonders der SPD und der LINKEN – überlassen werden.

(Wolfgang Griese, DIE LINKE: Kommen Sie zum Thema! – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Worüber sprechen Sie überhaupt?)

Herr Pastörs!

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Herr Pastörs, Sie haben eben die Abgeordneten der SPD hier als vaterlandslose Gesellen …

Das ist ein Zitat.

Sie haben es nicht …

Das war ein Zitat aus der Weimarer Republik, Herr Präsident.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Er widerspricht schon wieder.)

Herr Pastörs, ich rede jetzt. Sie haben es nicht als Zitat bezeichnet. Ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf. Und da es der dritte Ordnungsruf ist, entziehe ich Ihnen das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der CDU und FDP – Gino Leonhard, FDP: Adieu!)

Wenn Sie das Demokratie nennen, dann gute Nacht.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Das ist keine Demokratie, das ist Präsidialwillkür.)

Herr Borrmann, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf, da Sie meine Amtsführung kritisiert haben.

Meine Damen und Herren, das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Müller von der Fraktion der SPD.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor wenigen Tagen hat der Städte- und Gemeindetag unseres Landes seinen Mitgliedsgemeinden und -ämtern Zahlen zugeleitet, wie sich die Finanzmittel, die nach dem Finanzausgleichsgesetz zu verteilen sind, entwickeln werden. Es waren ganz konkret Zahlen für das Jahr 2010, basierend auf dem Gesetzentwurf und basierend auf den Zahlen der Steuerschätzung, die uns seit Mai vorliegt. Nach diesen Zahlen, die der Städte- und Gemeindetag errechnet hat, werden der kommunalen Ebene im Jahre 2010 gegenüber 2008 rund 190 Millionen Euro weniger zur Verfügung stehen.