Protocol of the Session on May 14, 2009

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, dieser Eindruck ist falsch. So lautet in vollkommener Übereinstimmung das Urteil der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter. Allein in Paragraf 1 des Gesetzentwurfes wird die herrschende Rechtslage zwar reflektiert, bezogen auf die vorhandenen Gesetze zum Kinderschutz ist diese dort reflektierte Sichtweise allerdings sehr eingeengt. Mit anderen Worten: Das Gesetz bleibt hinter der herrschenden Rechtslage und der Lebenswirklichkeit im Bereich eines wirksamen Kinderschutzes zurück und sollte deshalb in dieser Form im Bundesrat keine Zustimmung erfahren.

Meine Fraktion sieht sich in dieser ablehnenden Haltung in einer breiten Front mit den Wohlfahrtsverbänden wie AWO, Diakonie, aber auch mit den Kinderschutzzentren und dem Deutschen Kinderschutzbund. Ich darf aus einer Stellungnahme des Deutschen Kinderschutzbundes zitieren: „Das neue Gesetz führt … aus unserer Sicht kaum zu einer Verbesserung der Ressourcen der Jugendhilfe, der Finanzierung, Qualifizierung und vor allem der Prävention … Es ist deshalb bedauerlich, dass ein Gesetz zum Kinderschutz sich fast ausschließlich mit Maßnahmen zur Intervention und nicht mit den Maßnahmen zur Prävention befasst … Das neue Gesetz lenkt von der Debatte über wirksame Prävention im Kinderschutz ab.“

Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft der Kinderschutzzentren zeigt sich besorgt über den Gesetzentwurf der Bundesregierung. Hier heißt es: „Die Regelung der Einbeziehung weiterer Personengruppen in den ,Schutzauftrag‘ ist aus unserer Sicht in mehrfacher Hinsicht misslungen.“ Im Folgenden kritisieren die Kinderschutzzentren unter anderem die Überschneidung des Gesetzentwurfs mit vorhandenen gesetzlichen Regelungen, was zur Verunsicherung und Desorientierung der Fachkräfte beitragen wird. Die Art, wie nach dem Gesetz die Schulen in den Kinderschutz einbezogen werden sollen, wird ebenfalls kritisch und als rechtlich fragwürdig angesehen. Die Kinderschutzzentren halten die Anforderungen, die an die jeweiligen Berufsgruppen gestellt werden, teils für widersprüchlich und insgesamt für praxisfremd. Die Inaugenscheinnahme des Kindes wird von den Praktikern als generelle Maßnahme abgelehnt, weil sie sich nicht am konkreten Erfordernis eines wirksamen Schutzes orientiert, also im Einzelfall ein geeignetes Mittel sein kann, aber generell nicht sein muss.

Mit der Einführung des Nichtwirkens der Personensorgeberechtigten bei der Gefährdungseinschätzung wird ebenfalls nicht Klarheit geschaffen, sondern Unsicherheit. Dem ist aus Sicht meiner Fraktion nur wenig hinzuzufügen. Den Jugendämtern wird ohne Bereitstellung zusätzlicher Mittel ein Mehr an Aufgaben übertragen, obgleich diese seit Jahren finanziellen und personellen Kürzungen ausgesetzt sind, was sich in Zeiten sinkender Steuereinnahmen nicht ändern wird. Auf Landesebene wäre eine solche Herangehensweise dank des Konnexitätsprinzips undenkbar, würde natürlich zu Recht kritisiert und wahrscheinlich vor dem Landesverfassungsgericht enden und verworfen werden.

Meine verehrten Damen und Herren Abgeordnete, mit dem Gesetzentwurf ignoriert die Bundesregierung aus CDU und SPD und insbesondere das CDU-geführte Bundesfamilienministerium die tatsächliche Situation und den entsprechenden Handlungsbedarf. Sie agiert scheinbar aktionistisch und verantwortungslos. Das Gesetz geht am Leben vorbei, es bleibt hinter der bestehenden Rechtslage, aber auch hinter den Lebenserfordernissen zurück. Es stellt keinen Beitrag zur Weiterentwicklung eines präventiven Kinderschutzes dar und sollte deshalb im Bundesrat in dieser Form keine Zustimmung finden. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Frau Dr. Linke.

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Um das Wort hat zunächst gebeten die Sozialministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Frau Schwesig. Frau Schwesig, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!

Sehr geehrte Frau Dr. Linke, Sie haben eben die Bedeutung des Kinderschutzes vorgetragen. Ich denke, in dieser Sache sind wir uns einig. Wir haben auch schon vielfältig in Debatten darüber diskutiert, wo wir stehen und was es noch zu verbessern gilt. Sie selbst haben eben vorgetragen, was auch die Landesregierung mitt

lerweile unternommen hat, um hier zu Verbesserungen zu kommen. Ich denke, dass der Bundesgesetzgeber sich Gedanken macht. Es war auch die Entschließung der Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin auf dem Gipfel, dass man hier gesetzestechnisch noch einmal zur Verbesserung und Klarstellung kommt. Es ist richtig, dass es grundsätzlich ein Kinderschutzgesetz mit Verbesserungen geben soll. Das unterstützen auch die Kinderschutzverbände.

Ich teile gleichwohl insbesondere die Kritik der Kinderschutzverbände, die Sie hier auch vorgetragen haben, dass das Gesetz noch nicht ganz rund ist und man gelegentlich vermisst, dass man sich doch genug Zeit genommen hat, insbesondere mit denen, die an der Praxis vor Ort um Kinderschutz ringen, hier praktikable Vorschläge zu machen, um das diplomatisch zu formulieren. Gleichwohl, finde ich, sind ausgerechnet Sie nicht mit den Kinderschutzverbänden und auch nicht mit der Einstellung der Landesregierung zu diesem Gesetz wirklich auf einer Augenhöhe, denn Sie sagen, dass Sie dieses Gesetz grundsätzlich ablehnen wollen. Das sagen eben gerade die Kinderschutzverbände und auch die Landesregierung nicht. Wir wollen uns konstruktiv in diesen Gesetzgebungsprozess zum Wohle und zum Schutz unserer Kinder einbringen.

Ich möchte Ihnen ein paar Informationen zum Stand des Verfahrens geben: Gegenwärtig befindet sich der Gesetzentwurf der Bundesregierung im parlamentarischen Verfahren im Bundestag. Er wurde dort in die Ausschüsse verwiesen. Der Bundesrat hat bereits eine Stellungnahme verfasst, deren Argumente die Bundesregierung teilweise übernommen hat. Insoweit ist es dem Bundesrat eben auch unter Mitwirkung der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern schon jetzt gelungen, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zu verbessern. So hat die Bundesregierung der Präzisierung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen zugestimmt. Dabei geht es vor allem um die Beratung und Weitergabe von Informationen durch Geheimnisträger für den Fall, dass eine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Hier sind vor allem Ärzte und Rechtsanwälte angesprochen.

Der Bundesrat hat den Gesetzentwurf jedoch zu keinem Zeitpunkt blockiert, etwa um die kommunale Selbstverwaltung in der Jugendhilfe grundsätzlich infrage zu stellen. Dies entspräche auch nicht den Ergebnissen der Föderalismusreform noch den fachlichen Erfordernissen. Der Bund kann laut Grundgesetz nur einheitliche Regelungen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe treffen, wenn diese zur Wahrung der Rechtssicherheit unabdingbar erforderlich sind. Dabei hat er stets den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung zu beachten. Bekanntlich sind Finanz- und Personalhoheit Bestandteil dieses Kernbereichs. Bisher markierte das Sozialgesetzbuch VIII die inhaltlichen Ziele in der Kinder- und Jugendhilfe, hält sich jedoch mit konkreten Handlungsanforderungen zurück.

Das SGB VIII folgt damit dem Grundsatz, dass das konkrete Vorgehen vor Ort zu entwickeln ist. Mit dem Entwurf zum Kinderschutzgesetz wird dieser Weg erstmalig verlassen. Gleichwohl bleiben nach wie vor die Träger der Jugendhilfe gefordert, in diesem Bereich zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen. Hierbei wird das Land sie unterstützen. Ich habe gestern schon in der Debatte vielfältig ausgeführt, mit welchen Maßnahmen wir das machen: Familienhebammen, Kinderschutzhotline, Vorsorgeuntersuchungen et cetera.

Auch ich bin der Meinung, dass es weitere Verbesserungen am Gesetzentwurf geben muss. Es reicht nicht aus, nur plakativ einen Gesetzentwurf zur guten Darstellung auf den Weg zu bringen. Die Vorschriften müssen präzisiert werden. Außerdem sollten wir vermeiden, dass es zu Unklarheiten kommt, welche Behörde für was zuständig ist. Auch sollten wir den Eindruck vermeiden, dass wir alle Probleme im Kinderschutz lösen, indem wir ein paar neue Rechtsnormen schaffen. Vielmehr wird es darauf ankommen, in enger Kooperation mit den Kommunen die Fachkräfte und Eltern vor Ort zu qualifizieren und zu stärken. Sie müssen in der Lage sein, das bestehende Recht umzusetzen. Diese Auffassung teilen alle Kinderschutzverbände. Und Sie dürfen sich sicher sein, diese Landesregierung wird sich auch künftig konstruktiv an den Diskussionen, nicht ablehnend, um den besten Schutz des Kindeswohls beteiligen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Schlupp von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sind stets alle auf das Neue erschüttert von Fällen extremer Kindeswohlgefährdung, die uns immer wieder in dramatischer Weise vor Augen geführt haben, dass wir unsere Anstrengungen für Kinder in Not weiter verstärken müssen. Die Analyse solcher Fälle zeigt uns Schutzlücken auf, die es zu vermeiden gilt, denn diese Lücken haben Kinder das Leben gekostet. Gefährdete Kinder drohen vor allem dann durch das Netz zu fallen, wenn verschiedene Systeme oder Organisationen zusammenarbeiten und ihren Schutz sicherstellen müssen. Das nehmen wir auch auf der Ebene der politisch Verantwortlichen sehr ernst.

Der Schutz von Kindern und Jugendlichen ist eine Aufgabe, die Bund und Länder in gemeinsamer Verantwortung wahrnehmen. Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Länder haben deshalb auf ihrer Konferenz am 12. Juni 2008 gemeinsam ein Programm zur Verbesserung des Kinderschutzes in Deutschland erarbeitet. Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Kinderschutzes liefert der Bund nun einen zentralen Baustein, um die Beschlüsse der Kanzlerin und der Länderchefs in die Praxis zu überführen. Das Kinderschutzgesetz soll als Bundesrecht die gemeinsamen Beschlüsse umsetzen, wonach erstens gesetzliche Regelungen dafür Sorge tragen müssen, dass der Datenschutz den Kinderschutz nicht behindert, und zweitens jedes gefährdete Kind persönlich durch eine Fachkraft in Augenschein genommen werden muss.

Einen zentralen Schwerpunkt des Gesetzentwurfes bildet deshalb die ausdrückliche Befugnisnorm für Geheimnisträger zur Weitergabe von Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung. Insbesondere für Ärzte und Beratungsfachkräfte entsteht dadurch Sicherheit, wie sie damit umgehen, wenn sie bei einem Kind Hinweise auf Misshandlung oder Vernachlässigung feststellen. Sicherheit im Umgang mit relevanten Wahrnehmungen ist für einen zuverlässigen Kinderschutz unabdingbar. Im Gesetzentwurf ist daher vorgesehen, Gefährdungshinweise für eine Beratung der Eltern zu nutzen und ihnen Unterstützung anzubieten. Ärzte wie auch andere

Berufsgeheimnisträger können dabei externe Fachberatung in Anspruch nehmen. Erst wenn solche Bemühungen bei den Eltern erfolglos bleiben, ohne dass die Befürchtung einer Gefährdung ausgeräumt ist, dürfen die erforderlichen Daten an das Jugendamt weitergegeben werden. Gleiches gilt im Übrigen, wenn die Einbeziehung der Eltern dem Schutz des Kindes widerspricht.

Werden Informationen auf dieser Grundlage weitergegeben, müssen Berufsgeheimnisträger künftig nicht mehr befürchten, wegen eines Bruchs der Schweigepflicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden. Insofern sorgt dieses Gesetz für Klarheit. Wir weisen damit den Weg, wie Kinderschutz gelingen kann, ohne die Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patienten zu zerstören. Stattdessen nutzen wir diese Vertrauensbeziehung für den gezielten Schutz von Kindern.

Der Gesetzentwurf regelt auch die Weitergabe von Gefährdungshinweisen durch Angehörige solcher Berufsgruppen, die Kinder und Jugendliche ausbilden, erziehen und betreuen. Kinder und Jugendliche sind nämlich darauf angewiesen, dass die Personen Verantwortung übernehmen, die sie jeden Tag sehen und erleben, die Veränderungen im Verhalten wahrnehmen und ihre Entwicklung aufmerksam verfolgen. Diese Personen haben als erste und manchmal als Einzige außerhalb der Familie die Möglichkeit, gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung von Kindern wahrzunehmen. Für sie besteht bislang eine große Unsicherheit, wie sie mit solchen Hinweisen umgehen sollen und dürfen. Deswegen geben wir mit diesem Gesetzentwurf Antworten. Auch diese Personen werden dazu aufgerufen, mit den Eltern eines gefährdeten Kindes in Kontakt zu treten. Zur Klärung der Kindeswohlgefährdung können sie externe Fachberatung in Anspruch nehmen. Wird über diese Zugänge der Schutz eines Kindes nicht sichergestellt, so dürfen die erforderlichen Hinweise dem Jugendamt übermittelt werden.

Mit diesen gesetzlichen Regelungen zur Zusammenarbeit im Kinderschutz werden wir künftig die Sensibilität der betroffenen Berufsgruppen für Hinweise auf eine Kindeswohlgefährdung schärfen und ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Jugendamt stärken. Auch das führt zur Rechtssicherheit. Die notwendige Rechtssicherheit kann nur über eine bundeseinheitliche Rechtslage geschaffen werden. Ob und wie ein Kind am besten geschützt wird, kann und darf nicht davon abhängen, ob es an der Nordsee oder in den Alpen oder auch in Mecklenburg-Vorpommern aufwächst, sondern das muss in Deutschland einheitlich geregelt werden.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Wie so viele andere Sachen auch.)

Einigkeit zwischen Bund und Ländern besteht auch über die Notwendigkeit, die Pflichten des Jugendamtes bei der Wahrnehmung des Schutzauftrages konkreter zu fassen. Tragische Fälle offenbaren immer wieder Lücken und Defizite bei der Einschätzung der Gefährdung des Kindeswohls. Dieses gilt insbesondere für kleine Kinder, bei denen eine Gefährdung in kürzester Zeit zu einer Frage von Leben und Tod werden kann. Nehmen die Fachkräfte des Jugendamtes das Kind nicht selbst in Augenschein, lassen sie sich vertrösten und vertrauen den unzuverlässigen Eindrücken Dritter, kann es ganz schnell zur Katastrophe kommen. Das ist leider keine Theorie, sondern eine schreckliche Erfahrung, etwas, was wir immer wieder erleben. Deswegen muss der Hausbesuch als Regelfall gesetzlich festgeschrie

ben werden. Das Schutzbedürfnis gerade der Kleinsten gebietet es in den allermeisten Fällen, das gefährdete Kind und dessen persönliches Umfeld in Augenschein zu nehmen.

Der Gesetzentwurf berücksichtigt selbstverständlich auch die Ausnahmefälle, in denen ein Hausbesuch den wirksamen Schutz des Kindes infrage stellen würde. Insofern laufen diesbezügliche kritische Kommentare ins Leere. Ein Hausbesuch muss nicht unter allen Umständen durchgeführt werden. Gerade wenn die Gefahr besteht, dass dadurch die Dinge eskalieren, kann auf den Hausbesuch verzichtet werden. Es wird jedoch festgelegt, dass sich die Fachkräfte in der Regel einen unmittelbaren Eindruck von Kind und Eltern verschaffen müssen. Wir müssen hier Mut zu einem aktiven und offensiven Kinderschutz haben. Hierfür ist auch der persönliche Kontakt mit betroffenen Familien notwendig.

Das Gleiche gilt im Prinzip für das Phänomen des Jugendamthoppings durch Umzüge. Ziehen Eltern um, dürfen Informationen über die Gefährdung ihres Kindes nicht auf der Strecke bleiben. Das gilt unabhängig davon, ob der Verlust der Information von Eltern beabsichtigt wird oder nur unerwünschte Folge eines Umzugs ist. Deshalb wird verbindlich geregelt, dass beim Wohnortwechsel einer Familie die erforderlichen Daten dem neuen Jugendamt übermittelt werden müssen. Dieses wird künftig in einem gemeinsamen Gespräch der Fachkräfte unter Beteiligung der Eltern und ihres Kindes erfolgen. Häufig stellt sich erst im Gespräch heraus, welche Schwierigkeiten in einem Fall vorhanden sind und welche Konsequenzen gezogen werden müssen. Solche Informationen entziehen sich oft einer schriftlichen Dokumentation. Wenn diese Information verloren gehen, beeinträchtigt das den Kinderschutz. Mit der ausdrücklichen Regelung zur Fallübergabe werden wir unser gemeinsames Anliegen einer nachhaltigen Qualifizierung der Fallübergabe in Kinderschutzfällen erreichen.

Als verbesserungswürdig sehen wir schließlich auch den präventiven Schutz von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe an. Auch in solchen Institutionen kommt es vor, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrem unmittelbaren Kontakt zu Kindern und Jugendlichen fehl verhalten. Häufig wird aufgrund falsch verstandener Kollegialität von kritischen Fragen und offener Diskussion abgesehen. Wird dieses Thema jedoch tabuisiert, sind betroffene Kinder und Jugendliche zusätzlich gefährdet. Um diesen präventiven Schutz zu stärken, wird mit der Änderung des Bundeszentralregistergesetzes ein mit Blick auf den Kinder- und Jugendschutz erweitertes Führungszeugnis für kinder- und jugendnah Beschäftigte eingeführt. Künftig kann auch von strafrechtlichen Verurteilungen mit besonderem Bezug zur Gefährdung junger Menschen Kenntnis genommen werden, die bislang nicht in Führungszeugnissen enthalten waren. Das Kinder- und Jugendhilferecht verweist auf die Möglichkeiten des Bundeszentralregisters, dass das erweiterte Führungszeugnis vorgelegt werden muss, wenn es um eine Beschäftigung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe geht. Ich finde, auch das gehört zur Prävention.

Bund und Länder sind sich einig, wir wollen neue Maßstäbe für einen wirksamen Kinderschutz in Deutschland setzen. Mit dem Kinderschutzgesetz haben wir uns auf den Weg gemacht. Das Kinderschutzgesetz stellt einen wichtigen Schritt zur Verbesserung des Kinderschutzes dar. Wir fordern Verantwortlichkeit nicht nur

ein, sondern wir geben auch Wege vor, wie diese Verantwortung wahrgenommen werden kann. Wir präzisieren Vorschriften und den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag. Ich möchte Sie deshalb ganz herzlich bitten, diese Fortschritte zu unterstützen und sich aktiv in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen. Gleichzeitig möchte ich jedoch ausdrücklich darauf hinweisen, dass es sich hierbei um ein laufendes Bundesgesetzgebungsverfahren handelt. Das Ergebnis der Beratungen im Deutschen Bundestag und insbesondere in den zuständigen Fachausschüssen sollte somit nicht mit einer voreiligen Totalkritik und einer vollständigen Ablehnung des Gesetzentwurfes vorweggenommen werden.

Jetzt schon im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern scharf zu schießen, verbietet sich schon allein deshalb, da wir gar nicht Herr des Gesetzgebungsverfahrens sind. Es handelt sich herbei vielmehr um Bundesgesetzgebung, die im Deutschen Bundesrat beraten und endabgestimmt wird. Der Landtag von MecklenburgVorpommern ist an der Bundesgesetzgebung gar nicht beteiligt und der Bundesrat wird erst gefragt und votiert, nachdem das Ergebnis der Beratung im Deutschen Bundestag vorliegt. Wir sollten daher die Debatte im Deutschen Bundestag abwarten und die Diskussion nicht in Schwerin, sondern vielmehr in Berlin im zuständigen Bundesparlament führen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Danke, Frau Schlupp.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schnur von der Fraktion der FDP.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich darf die Rede für Herrn Grabow übernehmen.

Die FDP begrüßt es, das will ich hier auch ausdrücklich sagen, dass die Bundesregierung dem Thema Kinderschutz besondere Aufmerksamkeit schenkt. Trotzdem sind in dem vorgelegten Gesetzentwurf noch viele Fragen offen. Der FDP gehen zum Beispiel die Vorschläge zur Prävention noch nicht weit genug. Es ist wichtig, dass das Gesetz nicht erst wirkt, wenn es schon lichterloh brennt, wenn es quasi schon zu spät ist. Wir sind der Meinung, ich denke einmal, da sind wir uns auch mit der Ministerin und den Koalitionsfraktionen einig, dass die Prävention letztlich die Maxime allen Handelns sein muss. Viele Kernbereiche des Entwurfs des Kinderschutzgesetzes betreffen die Jugendämter. Frau Schlupp ist im Wesentlichen auch schon darauf eingegangen. Es ist dabei davon auszugehen, dass die finanzielle und personelle Ausstattung der Jugendämter durch die Länder entschieden wird und eben nicht durch den Bund. Dreh- und Angelpunkt für einen besseren Kinder- und Jugendschutz ist dabei die bessere personelle und finanzielle Ausstattung der Jugendämter.

Frau Schlupp hat es auch schon gesagt, einheitliche Qualitätsstandards für die Kinder und Jugendlichen festzulegen, das wäre im Grunde genommen mehr als wünschenswert. Es darf eben keinen Unterschied machen, wo ein Kind aufwächst. Das ist aber derzeit leider immer noch nicht so erfüllt. Es müssen Standards eingeführt und die Qualität muss in regelmäßigen Abständen evaluiert werden, um dieses Problem zu lösen. Es wäre wichtig, die Forschung zu den Indikatoren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine Kindeswohlgefährdung verweisen, auszubauen. Dieses zeigt, und da sind wir mit den Koalitionären an der Stelle einig,

dass die Kollegen im Bundestag insgesamt noch sehr viel Arbeit vor sich haben. Deswegen freue ich mich über die geplante Expertenanhörung am 25. Mai dieses Jahres. Erst dann können einzelne Fragen sachlich und wahrscheinlich auch umfassend – darauf hat die Ministerin hingewiesen, dass es durch den Bundesrat bereits eine Stellungnahme gibt – erörtert werden.

(Präsidentin Sylvia Bretschneider übernimmt den Vorsitz.)

Auf das Ergebnis der Anhörung sind wir natürlich auch gespannt. Sie wissen, dass mein Kollege Grabow an der Stelle sehr aktiv ist. Aus diesem Grund wäre es jetzt völlig verfrüht, in ein laufendes Gesetzgebungsverfahren einzugreifen und ein Gesetz fundamental abzulehnen, welches sich im Grunde genommen noch in der Beratung befindet.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Es steht doch aber deutlich drin. Aber es ist zu schwer mit dem Lesen. – Zuruf von Andreas Bluhm, DIE LINKE)

Dass wir Ihren Antrag ablehnen aus den Gründen, weil wir erst einmal abwarten wollen, was überhaupt herauskommt, ist natürlich selbstverständlich. Sie werden auch verstehen, dass es natürlich für uns sehr wichtig ist, dass man nicht einfach immer früh losschießt, um vielleicht jetzt noch vor dem Wahlkampf oder vor der Kommunalwahl noch drei, vier Punkte zu machen. Das macht wenig Sinn. Da ist die FDP völlig …

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Wir stehen mit Inhalten ganz weit vorne.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Eigentlich müsste er jetzt umfallen. Eigentlich müsstest du jetzt umfallen und zappeln. Echt!)

Deshalb bitte ich darum, dass dieser Antrag der LINKEN abgelehnt wird.