Protocol of the Session on April 3, 2009

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Hartz IV ein Jahr alt war, fiel den Politikern ein schwerwiegender Fehler in diesem Machwerk auf: nicht etwa die viel zu niedrigen Regelsätze, besonders für Kinder und Jugendliche, das fand man in Ordnung, auch nicht die zahlreichen verfassungsrechtlich bedenklichen Freiheitsbeschränkungen, für unerträglich hielt die seit 2005 regierende Große Koalition aus CDU und SPD vielmehr, dass junge Erwachsene, die noch bei ihren Eltern lebten und mit diesen eine Bedarfsgemeinschaft bildeten, es tatsächlich wagten, sich eine eigene Wohnung zu suchen und hierfür die Kosten der Unterkunft zu beantragen und eine eigene Bedarfsgemeinschaft begründeten.

Das kostete Geld, zwar nur einen Bruchteil dessen, was man jetzt den Banken hinterherwirft, aber genug, um das Gesetz zu ändern und dem SGB II einen Paragrafen 22 (2a) hinzuzufügen, wonach Personen, die ihr 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nur dann noch für einen Umzug die Kosten für Unterkunft und Heizung erbracht bekommen, wenn sie vor dem Abschluss des Mietvertrages die entsprechende Zusicherung der Behörde erhalten haben.

Damit ist für die Betroffenen ein diskriminierendes Sonderrecht geschaffen worden, das – wie viele Sozialrechtler meinen – unter Gleichheitsgesichtspunkten höchst problematisch ist. Mit 25 Jahren ist man alt genug, um sieben Jahre lang als Soldat gedient zu haben, man kann schon Hauptfeldwebel sein oder Oberleutnant, man kann in Afghanistan Zugführer oder Kompaniechef sein, …

(Udo Pastörs, NPD: Oder Toter.)

Oder tot, schon lange, ja.

… aber wenn man einer Bedarfsgemeinschaft angehört, dann darf man noch nicht einmal das Elternhaus verlassen.

In der Gesetzesbegründung für den parallel geänderten Paragrafen 20 SGB II werden die bis 25 Jahre alten Adressaten der Regelung als „Jugendliche“ bezeichnet. Im Jugendstrafrecht gilt das komischerweise nicht. Da gilt man nur bis 18 als Jugendlicher und bis 21 als Heranwachsender. Dann greift mit aller Härte das Erwachsenenstrafrecht ein. Aber für die Sozialbehörden ist man weiterhin ein Jugendlicher. Um die Verwirrung komplett zu machen: Dafür ist man bis 25 Jahre berechtigt zum Bezug von Kindergeld. Dieser Staat hat nicht einmal eine einheitliche Vorstellung davon, was ein Kind ist, was ein Jugendlicher ist und was ein Erwachsener ist.

(Udo Pastörs, NPD: Das ist Auslegungssache.)

Wie bei SGB-II-Bestimmungen üblich, ist das Gesetz natürlich handwerklich schlecht gemacht und doppeldeutig. Beispielsweise ist im Text von „Umzug“ die Rede. Was ist damit gemeint? Nur der Auszug aus der elterlichen Wohnung oder auch ein erneuter Umzug von der einen Wohnung, in die man aus dem Elternhaus kommend zuerst gezogen ist, in eine andere?

Um das zu ergründen, haben sich Sozialrechtler in die Gesetzesmaterialien vertieft, auf der Suche nach der Ratio des Gesetzes, dem Willen des Gesetzgebers, was schon traurig genug ist und nicht unbedingt ein Zeichen für ein klar und deutlich formuliertes Gesetz. Die meisten kamen zu dem Ergebnis, dass nur der erste Auszug erfasst sein solle.

Die Bundesregierung ist aber anderer Meinung. Am 19. Juli 2007 antwortete sie auf eine Anfrage eines Bundestagsabgeordneten der LINKEN, dass jegliche Umzüge von Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, gemeint seien mit der Regelung. Es drohe Missbrauch, weil ein sogenannter 24-jähriger Jugendlicher ja auf den Gedanken kommen könnte, erst einmal bei den Eltern auszuziehen, nur kurzfristig eine Wohnung anzumieten, diese sofort zu kündigen und eine weitere Unterkunft zu beziehen, wofür dann keine Zusicherung mehr erforderlich sei. Erstaunlich, welche tiefgründigen Gedanken sich ein Staat über mögliche Missbrauchspläne von Erwerbslosen macht, der den Bankenspekulanten jahrelang blind vertraut hat.

(Udo Pastörs, NPD: Und den Asylbetrügern auch. – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Der Standpunkt der Bundesregierung wird von vielen Sozialrechtlern zurückgewiesen. Die sagen, die Antwort der Bundesregierung sei kein Teil der Gesetzgebungsgeschichte, also unbeachtlich, und außerdem dürfte es keine allgemeine Lebensführungskontrolle junger Menschen geben. Was gilt also? Das ist Glückssache. Es kommt darauf an, welcher Ansicht die örtliche Behörde oder das zuständige Sozialgericht gerade zuneigt. Sinn und Zweck des Gesetzes ist es selbstverständlich, den Anstieg der Anzahl von Bedarfsgemeinschaften zu begrenzen beziehungsweise – ganz simpel – Geld einzusparen, das für die Abwrackprämie gebraucht wird, die Hartz-IV-Bezieher nicht bekommen. Deshalb hat man es so kompliziert gemacht, dass man sich als Nicht jurist zwangsläufig in dieser Materie irgendwo verheddert. Eigentlich ist ein Jurastudium unverzichtbare Voraussetzung, um Hartz-IV-Bezieher werden zu können, besonders wenn man unter die 25er-Regel fällt.

Man benötigt also für einen Umzug die Zusicherung der Behörde für die Übernahme der Kosten der Unterkunft. Dabei muss man sich den Gesetzestext schon genau ansehen, um zu erkennen, dass man durchaus auch ohne die Behördenzusicherung ausziehen darf. Die muss vor dem Abschluss des Mietvertrages vorliegen, nicht vor dem Einzug in die neue Unterkunft. Das ist die erste Fußangel.

Weiter geht es mit Ausnahmen. Die Behörde muss die Zusicherung erteilen, wenn „schwerwiegende soziale Gründe“ vorliegen oder dies „zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist“ oder es „sonstige“ ebenso schwerwiegende Gründe gibt. Nur, bis die Arbeitsgemeinschaft das genau durchgeprüft hat, ist die günstige Wohnung, die man vielleicht im Auge hatte, schon zehnmal weg.

Ausnahmsweise kann auch das Erfordernis der Zusicherung wegfallen, wenn dies unzumutbar ist, bei einem angespannten Wohnungsmarkt etwa oder bei häuslicher Gewalt, aber dabei trägt der Betroffene das volle Risiko. Wenn eine 20-Jährige ohne vorherige Einholung der Zusicherung umzieht, weil sie von ihrem Vater jeden Tag verprügelt wird, kann sie nicht wissen, ob das in den Augen der Behörde genug häusliche Gewalt ist im Sinne des Gesetzes oder ob ihr die Behörde überhaupt glaubt. Wenn nicht, kann sie die Miete nicht zahlen und bekommt außerdem nur 80 Prozent des Regelsatzes. Die Sozialgerichte brauchen auch ewig. Das heißt, die 20-Jährige hat die Wahl zwischen Prügel und dem Risiko der Obdachlosigkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Und nach dem Fall Lea-Sophie in Schwerin wäre ich vorsichtig mit der Behauptung, so etwas könnte bei uns nicht passieren und die Behörden würden so was nicht zulassen.

Die Krönung des Ganzen ist schließlich die Missbrauchsklausel, die das Gesetz enthält. Junge Erwachsene, die keiner Bedarfsgemeinschaft angehören und noch keine Leistungen beziehen, müssen dennoch das Amt um Umzugserlaubnis bitten, wenn auch nur die Möglichkeit besteht, dass sie bedürftig werden könnten.

Eine Bäckereifachverkäuferin etwa oder eine Friseuse, ausgelernt, 20 Jahre alt, bei den Eltern lebend, will sich eine eigene Wohnung suchen. Sie ist erwachsen, sie hat eine Ausbildung absolviert, mehr kann ein Staat eigentlich nicht von jungen Menschen verlangen. Aber angesichts ihres niedrigen Verdienstes muss sie damit rechnen, dass sie aus eigener Kraft Miete und Lebensunterhalt nicht wird bezahlen können und vermutlich aufstockendes Arbeitslosengeld II benötigen wird, also bedürftig werden wird, vielleicht nur 100 Euro.

Das ist dem Staat Anlass genug, sie wie eine Unmündige zu behandeln. Sie braucht die Zusicherung und die kann ihr auch verwehrt werden. Die Behörde sagt: Von Ihrem Elternhaus kommen Sie doch gut zum Arbeitsplatz und wieder zurück. Sie brauchen gar keine eigene Wohnung, bleiben Sie zu Hause bis 25. Sie muss Busfahrpläne vorlegen, um das Gegenteil zu beweisen. Zieht sie ohne Zusicherung um, riskiert sie ihre Aufstockung, und dann kann sie ihre Miete nicht zahlen und sie braucht weiterhin die Hilfe ihrer Eltern.

So sieht also die Wirklichkeit aus, während die etablierten Parteien nichts Dringlicheres kennen, als an Verwaltungsmodellen und Kreisgrenzen herumzubasteln, die vor Ort, bei den Menschen, keinen interessieren. Dieses Gesetz muss weg, und zwar ersatzlos. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erste hat das Wort für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Dr. Linke. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

(Udo Pastörs, NPD: Jetzt kommt die NS-Keule.)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Es wird Sie wundern, dass ich zu einem Antrag spreche, der sich mit der Hartz-IV-Wirklichkeit befasst, und dennoch diesem Antrag meine Zustimmung versage. Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, weder meine Partei, meine Fraktion noch ich als Abgeordnete oder als ehemalige Sozialministerin des Landes haben ihre Positionen zu Hartz IV geändert. Wir teilen nach wie vor die Auffassung der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, die ja am Tage der Verabschiedung der HartzGesetze im Bundestag titelte: „Größter Sozialabbau seit 1949“.

(Udo Pastörs, NPD: Da habt ihr dran mitgearbeitet, Frau Dr. Linke.)

Ich kann auch Heribert Prantl aus der „Süddeutschen Zeitung“ gedanklich folgen, wenn er schreibt: Die Agenda 2010 – und deren wesentliches Element sind ja die Hartz-Gesetze – „lastet seitdem auf dem deutschen Sozialstaat … wie eine Grabplatte. Die bekannten Gegner des Sozialstaates stehen am Grab voller Genugtuung, spritzen Weihwasser und heucheln Lobesworte, die so klingen wie der alte Satz, wonach es süß sei, für das Vaterland zu sterben“.

(Michael Andrejewski, NPD: Wo ist denn da der Zusammenhang?)

Insofern trägt meine Fraktion den Paradigmenwechsel in der Sozialpolitik nicht mit, der mit der Agenda 2010 und den Hartz-Gesetzen Einzug gehalten hat.

So unterschiedlich aber die Positionen der demokratischen Parteien bezüglich der Hartz-Gesetze sind, so einig sind wir bei der Ablehnung des vorliegenden Antrages. Ja, Ablehnung der Hartz-Gesetze oder Zustimmung zur Agenda 2010 bedeutet nicht Ablehnung oder Annahme des vorliegenden Antrages. Warum? Weil es dem vorliegenden Antrag,

(Udo Pastörs, NPD: An Ernsthaftigkeit mangelt.)

nein, ich muss korrekt formulieren, weil es den Antragstellern an ehrlichem sozialem Engagement für die Jugendlichen der Bundesrepublik fehlt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Am 1. April 2009 konnten wir in der Tageszeitung lesen: „erstes heisenhof-baby erwartet“, „Bauch unterm Hakenkreuz“. Im Zusammenhang mit dem Verbot der Heimattreuen Deutschen Jugend in dieser Woche fanden die zuständigen Beamten eine Ultraschallaufnahme mit der Aufschrift: „Arierbaby, gemacht im Heisenhof, 20. Juli 2008. Es lebe der deutsche Samen!“

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Weiter heißt es in der Tageszeitung, es gebe in der Naziszene eine „Zwei-Wege-Strategie“. Einerseits versuche die Szene, „den Nachwuchs ideologisch heranzuziehen – wie in den Sommerlagern der HDJ“ –

(Udo Pastörs, NPD: Ja, die „Bild-Zeitung“ war dabei.)

und über ideologische Indoktrination habe ich gestern gesprochen. In der Tageszeitung heißt es weiter: „Noch erfolgversprechender erscheine den Kadern die ‚genetische Aufrüstung‘: ‚Die haben da einen regelrechten Katalog ausgearbeitet, der das Ariersein definiert.‘“ Der Chefermittler erklärte in dem Zusammenhang, dass bei einer Durchsuchung des Heisenhofs auch die sogenannte „Beischlafkammer“ mit Reichskriegsflagge an der Decke vorgefunden wurde und DNA-Spuren der hier agierenden Arier identifiziert werden konnten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Antragsteller sollten gerade im Zusammenhang mit den Umtrieben der hier geschilderten Heimattreuen Deutschen Jugend und ihrem diesbezüglichen Engagement nicht den Eindruck erwecken wollen, an der Lösung sozialer Probleme in der Bundesrepublik interessiert zu sein.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Udo Pastörs, NPD: Sie stellen hier ganz kriminelle Zusam- menhänge her, die gar nicht stimmen.)

Auch oder gerade die Deutschen unter uns haben aus der Geschichte gelernt. Wir wollen einfach nicht, dass irgendwann einmal wieder Menschen dieser Erde und damit auch in Deutschland auf ihre Rasse oder ihre Blutreinheit zurückgeführt werden.

Meine verehrten Damen und Herren Abgeordnete, wir wissen um Alt Rehse und wir haben verinnerlicht: Das Geheimnis unserer Erlösung ist die Erinnerung.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Danke, Frau Abgeordnete.

Es hat jetzt noch einmal das Wort für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Andrejewski. Bitte, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jetzt müssen also schon Arierbabys herhalten als letzte Kampftruppe der LINKEN gegen Hartz-IV-Anträge der NPD.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Sie müssen ja äußerst verzweifelt sein. Außerdem scheinen Sie sich geistig eher in irgendwelchen fiktiven Filmen aufzuhalten, wo irgendwelche Superschurken auf einsamen Inseln Superbabys züchten. Aber dass da irgendwas dran ist, das möchte ich doch sehr bezweifeln, das entspricht wirklich Ihren wilden Verfolgungswahnfantasien. Das wird sich genauso als Quark und Mumpitz herausstellen wie die Lebkuchenmesser sache und Herr Mannichl und so weiter oder Sebnitz. Das kennen wir ja alles.