Protocol of the Session on March 4, 2009

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Da ist wohl Herr Struck davor!)

Die Kommission schlägt jetzt vor, mehrheitlich, meine Damen und Herren, lieber Herr Methling, dass eine Schuldenbremse ins Grundgesetz eingeführt wird: für den Bund ab 2016 0,35, für die Länder ab 2020 null. Und weiter sind festgelegt worden sogenannte Konsolidierungshilfen für fünf Bundesländer, die erhalten insgesamt 900 Millionen bis 2020.

Ich will ganz klar sagen, die Landesregierung unterstützt das Ziel, ohne neue Schulden auszukommen. Schließlich können wir hier aus Mecklenburg-Vorpommern sagen, das ist für uns kein neuer Vorsatz, den wir da fassen, sondern das ist zehn Jahre praktizierte Politik. Also die Schuldenbremse im Grundgesetz ist prinzipiell richtig, allerdings ist verfassungsrechtlich zweifelhaft, wenn die Schuldengrenze auch für die Länder im Grundgesetz, also durch den Bund, vorgeschrieben wird.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Richtig.)

Jedenfalls halte ich das für politisch unklug, das im Bund für die Länder vorzuschreiben, denn wir alle wissen, wie schwer Haushaltskonsolidierung ist, das ist eine der schwierigsten politischen Aufgaben, die es überhaupt nur gibt.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sie sind doch Jurist. Das können Sie schärfer sagen.)

Und wenn man sich der stellt, dann natürlich dann, wenn das aufgrund einer Selbstverpflichtung passiert, und nicht, wenn irgendjemand anders das beschließt. Also ich denke, eine verfassungsrechtliche Verpflichtung für unser Land zu einer Schuldenbremse kann nur der Landtag beschließen, das kann uns der Bund nicht abnehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: So ist es.)

Meine Damen und Herren, darauf bezieht sich in erster Linie dieser Antrag. Ich möchte gerne die Gelegenheit ergreifen, über die Konsolidierungshilfen zu sprechen, denn das ist etwas, was ich für völlig inakzeptabel halte. Die Konsolidierungshilfen sind jetzt so ausgestaltet, dass Mecklenburg-Vorpommern dadurch zum Geberland wird. Das ist willkürlich, das ist ungerecht und das bestraft uns für unsere erfolgreichen Anstrengungen. Und das belohnt diejenigen, die in der Vergangenheit mit leichter Hand Schulden gemacht haben. Deshalb sage ich, ich kann diese beiden Punkte nicht mittragen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Es wäre schön, meine Damen und Herren, wenn ich für diese Haltung heute die Unterstützung der Mehrheit des Hauses mitnehmen könnte.

Meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag richtet sich vor allem gegen eine Festlegung der Schuldengrenze für die Länder im Grundgesetz. Da gibt es schwerwiegende Bedenken, alles klar, habe ich vorgetragen. Vor allen Dingen ist es ja so, das Budgetrecht, über das wir hier reden – das ist ja neben dem Recht, den Regierungschef zu wählen, eigentlich das wichtigste Recht des Parlamentes –,

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Das haben Sie doch auch übergangen, Herr Sellering. Da sind Sie in guter Gesellschaft.)

das würde vollständig ausgehebelt und, wie ich schon gesagt habe, das ist auf jeden Fall unklug.

Bei den Konsolidierungshilfen will ich ganz deutlich sagen, dass Mecklenburg-Vorpommern für einen kooperativen und solidarischen Föderalismus steht. Aber Solidarität heißt eben, dass die Starken für die Schwachen einstehen. Das ist Solidarität. Wenn man diesen Maßstab anlegt, dann kann man nur feststellen, das Ergebnis, das die Kommission gefunden hat, hat mit Solidarität nichts zu tun. Deshalb finde ich auch, dass der Vorwurf, wenn wir nicht zahlen wollen, das sei unsolidarisch, ins Leere geht. Ich will mal als Erstes sagen, es sind schon nicht die Schwachen, die Nehmerländer werden sollen. Wir waren uns immer einig, über einen ganz langen Zeitraum, dass es zwei Länder gibt, die schwach in diesem Sinne sind, zwei Länder: Bremen und Saarland. Es ist ein bisschen diskutiert worden über Berlin, aber das war es auch. Und jetzt plötzlich sind Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt in den Kreis der Nehmerländer aufgenommen worden. Sachliche Begründungen dafür gibt es so gut wie gar nicht, sondern es geht darum, eine Mehrheit am Ende im Bundesrat zu finden. Deshalb ist der Kreis der Nehmerländer vergrößert worden. Also das ist nicht sachlich erforderlich, das halte ich nicht für richtig.

Vor allem aber, meine Damen und Herren, und das geht uns ganz direkt an, sind es keinesfalls nur die Starken, die Hilfe leisten sollen. Auch wir sollen zum Geberland werden. Ich würde das akzeptieren und vielleicht sogar stolz darauf sein, wenn Mecklenburg-Vorpommern inzwischen mehr Wirtschafts- und Finanzkraft hätte als andere Länder, aber davon sind wir trotz aller Fortschritte noch weit entfernt. Wir sind leider nach wie vor eines der strukturschwächsten Länder, wirtschaftlich wie finanziell. Und deshalb ist klar, wenn man einzig, was richtig wäre, auf die wirtschaftliche und finanzielle Stärke der Länder abgestellt hätte, dann wäre niemand, niemand auf die Idee gekommen, Mecklenburg-Vorpommern zum Geberland zu machen. Aber ausschlaggebend für die Einteilung in Geber- und Nehmerländer war eben einzig und allein die Höhe der Schulden, die diese Länder in den letzten Jahren gemacht haben. Und das halte ich für sachwidrig und für ungerecht. Noch einmal: Dadurch werden diejenigen belohnt, die sich hoch verschuldet haben, und es werden die bestraft, die wie Mecklenburg-Vorpommern sehr solide gewirtschaftet haben.

Und, meine Damen und Herren, außerdem, wenn man genau hinschaut, bedeutet das jetzt beschlossene System der Konsolidierungshilfen auch in Zukunft für das Handeln der Länder, die jetzt betroffen sind, keinen wirklichen Anreiz zum Sparen und zum Konsolidieren. Auf neun Jahre wird festgeschrieben, welche Summe fließen soll. Es ist ja wohl kein Zufall, wie sich die Nehmerländer verhalten, seit sie wissen, dass sie Konsolidierungshilfen bekommen. Drei Beispiele. Eines der Nehmerländer sagt: Gut, dann können wir jetzt die Lehrergehälter um mehr als 40 Prozent erhöhen. Ein anderes Nehmerland sagt: Okay, dann können wir jetzt mit unserem Nachbarland zusammen die Landesbank mit 3 Milliarden stützen. Und das dritte Nehmerland sagt: Gut, dann können wir jetzt für 600 Millionen die Stadtwerke kaufen. Das, meine ich, das macht deutlich, wir sind mit diesen Konsolidierungshilfen auf dem falschen Weg.

Ich will ganz klar und unmissverständlich sagen, wenn ich Kritik an den Ergebnissen der Kommission übe, dann bedeutet das nicht, neuen Schulden das Wort zu reden, ganz im Gegenteil. Mecklenburg-Vorpommern ist schon

heute eines der wenigen Länder, die ohne Schulden auskommen. Das ist das Ergebnis jahrelanger schwerer Anstrengungen der rot-roten und auch der rot-schwarzen Regierung. Und ich will noch einmal wiederholen, was ich eben mehrfach gesagt habe: Auch in der jetzigen Wirtschaftskrise wird die Landesregierung alles tun, um diesen Konsolidierungskurs weiterzufahren, keine Neuverschuldung aufzunehmen. Und wir tun das aus Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen, weil wir wollen, dass auch diejenigen, die in 20 Jahren hier politische Verantwortung haben, noch Gestaltungsspielraum haben. Deswegen sage ich auch ganz klar, dass der schwere Konsolidierungskurs, den wir fahren, psychologisch einen schweren Rückschlag bekommt, wenn wir von der Föderalismuskommission jetzt sozusagen bescheinigt kriegen, das, was ihr erreicht habt, das führt eben dazu, dass ihr jetzt benachteiligt werdet.

(Udo Pastörs, NPD: Konsolidierung! Was heißt Konsolidierung? Wir sind pleite!)

Das halte ich für psychologisch falsch und miserabel. Also: Es geht um unsere Verantwortung gegenüber kommenden Generationen. Ich bitte Sie, lassen Sie uns diese Verantwortung gemeinsam wahrnehmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Herr Ministerpräsident.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Schwebs von der Fraktion DIE LINKE.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Auf zum nächsten Bankraub!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann Ihnen versichern, DIE LINKE im Bundestag und in den Landtagen teilt die Sorge um die Verschuldung der öffentlichen Haushalte, das ist gar keine Frage. Auch wir wollen stabile Haushalte, damit Politik handlungsfähig bleibt. Dass wir zu diesem theoretischen Anspruch stehen, haben wir in Mecklenburg-Vorpommern, aber auch in Berlin mit der gelungenen Konsolidierung der Landeshaushalte unter Beweis gestellt.

Aber, meine Damen und Herren, ich finde es schon bezeichnend: Während es bei …

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Ja, Herr Glawe, gucken Sie mal hin, wie der Haushalt aussieht!

Während es bei kreditfinanzierten staatlichen Beihilfen und Garantien für Banken offenbar keine Grenzen nach oben gibt, sollen die Möglichkeiten der öffentlichen Hand in unverantwortlicher Weise durch eine Schuldenbremse beschränkt werden. Die Länder und Kommunen wären mit der Einführung einer Schuldenbremse kaum in der Lage, Impulse für Wachstum und Beschäftigung über Kredite zu finanzieren, denn sie müssen anstelle der privaten Bankwirtschaft den Gürtel enger schnallen. Das ist kontraproduktiv, sprechen doch selbst seriöse Schätzungen bereits heute von einem kommunalen Infrastrukturbedarf bis 2020 von 700 Milliarden Euro mit den Schwerpunkten bei Schulen, bei öffentlichen Gebäuden, bei Krankenhäusern, Sportstätten und im öffentlichen Personennahverkehr. Aber offenbar, meine Damen und Herren, sind Milliardenschulden überhaupt kein Problem, wenn es darum geht, die Interessen der privaten Finanzwirtschaft zu schützen. Wenn es

hingegen um Investitionen in das Sozial- und Bildungssystem geht, in Lebensqualität vor Ort und Chancengleichheit auch in der Fläche, dann wird vor Schulden gewarnt.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Ja.)

Aber, meine Damen und Herren, niemand kann zum jetzigen Zeitpunkt präzise beurteilen, welche Auswirkungen die Wirtschafts- und Finanzkrise in den nächsten Monaten und Jahren für die öffentlichen Haushalte bis 2020 haben wird.

(Udo Pastörs, NPD: So ist es.)

Aber sie wird – und davon sind nicht nur wir überzeugt – die negativen Auswirkungen einer Schuldenbremse noch verstärken. Eine Schuldenbremse zum jetzigen Zeitpunkt und mit dem jetzigen Zeithorizont zu fixieren, ist aus unserer Sicht keine Antwort in der Sache, denn ihre Einführung birgt eher das Risiko, die haushaltspolitische Lage der Länder und Kommunen, insbesondere der Haushaltsnotlageländer, weiter zu verschärfen. Und, meine Damen und Herren, wenn die Schuldenbremse auf die Länder übertragen wird, ist dies auch ein erheblicher Eingriff in deren Haushaltsautonomie. Ausbaden müssen dies wiederum zum Schluss die Städte und Gemeinden, denn eine Schuldenbremse schwächt ihre Rolle als Investor und zwingt sie im Weiteren zum Abbau staatlicher Leistungen und auch des öffentlichen Dienstes.

Meine Damen und Herren, wir teilen ganz klar die verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die geplanten Schuldenregelungen auf die Länder übertragen werden. Wir und andere haben bereits mehrfach vor einem solch verhängnisvollen Weg gewarnt. Bund und Länder sind laut Grundgesetz in ihrer Haushaltswirtschaft selbstständig und voneinander unabhängig. Insofern sind wir uneingeschränkt dafür, dass die Budgethoheit der Landesparlamente zu verteidigen ist. Wir meinen sogar, wenn der Bund das Budgetrecht der Länder im Grundgesetz regelt, dann kann man die Länder auch gleich abschaffen.

Die Budgethoheit der Länder, meine Damen und Herren, geht im Übrigen bereits jetzt mit ausreichenden Verschuldungsregelungen einher. Ich erinnere besonders an die verfassungsrechtliche Obergrenze in Gestalt der Investitionssumme sowie an die Ausnahmeregelung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes. Für die vor uns liegende Zeit ist das, so meinen wir, ein hinreichend definierter Raum. Die geplante Schuldenregelung, die in die Haushaltsautonomie der Länder massiv eingreift, bedarf ganz sicher einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Das ist ja auch Anliegen Ihres Antrages, meine Damen und Herren aus den Koalitionsfraktionen. Fraglich ist aber bereits, ob eine generelle Begrenzung der Kreditaufnahme bei Bund und Ländern überhaupt unter den Begriff des Haushaltsrechtes fällt. Und außerdem, meine Damen und Herren, sind die einzelnen Bestandteile dieser verbindlichen Schuldenregelung so detailliert ausgestaltet, dass sie nicht mehr als bloße Grundsätze im Sinne von Artikel 109 Absatz 3 Grundgesetz verstanden werden können, und zwar unabhängig von der Frage, welche dieser Elemente in das Grundgesetz aufgenommen werden sollen und was einem Ausführungsgesetz vorzubehalten ist.

Trotz aller Bedenken, quasi gegen die Expertise von Sachverständigenrat und Verfassungsjuristen, hat die Mehrheit der Kommission ihr Schuldenbremsenmodell durchgesetzt. Das ist aus unserer Sicht schon bemer

kenswert, zeigt es doch die Arroganz der Macht, die sich weder durch Tatsachen wie die Finanz- und Wirtschaftskrise noch durch wissenschaftlichen Sachverstand in ihrem neoliberalen Kurs aufhalten lässt. Dazu passt dann auch, dass die Mehrheit der Föderalismuskommission zu keinem Zeitpunkt auch nur einen einzigen Vorschlag der Vertreter der Landtage als auch der Vertreter der kommunalen Spitzenverbände aufgegriffen hat, wie zum Beispiel die Überlegung zum Umgang mit den Altschulden der finanzschwachen Länder und Kommunen. Die Länderparlamente, die mit dem Lübecker Konvent bekundet haben, an der Föderalismusreform mitzuwirken, haben so bisher nichts anderes bekommen als eine kalte Ohrfeige.

Insofern, meine Damen und Herren aus den Koalitionsfraktionen, ist es wirklich fraglich, welche Wirkung Ihr Antrag letztlich entfalten wird. Abgesehen von der Übereinstimmung bezüglich der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Schuldenbremse und des Einforderns der Mitwirkung der Länderparlamente lehnen wir Ihren Antrag vor allem deshalb ab, weil jede Verschärfung der schon geltenden Schuldenregelung keine Antwort auf die eigentlichen Probleme der Zeit ist. – Danke schön.

Danke, Frau Schwebs.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Löttge von der Fraktion der CDU.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir haben heute gemeinsam mit dem Koalitionspartner, der SPD, einen Dringlichkeitsantrag vorgelegt zum Thema „Budgethoheit des Landtages verteidigen“, um ihn heute in diesem Hohen Hause zu debattieren und auch die unterschiedlichen rechtlichen Bewertungen hierbei noch mal deutlich zu machen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist inhaltlich ein ganz starker Antrag.)

Das freut mich, Herr Ritter, dass Sie das so sehen. Das sehen wir genauso.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das war Ironie, falls Sie es nicht gemerkt haben.)

Ich dachte immer, so etwas machen Sie gar nicht.

Es bleibt aber trotzdem eines zu sagen, und nun muss ich doch mal die Kollegen aus der SPD ansprechen,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Aha!)

wir sind also schon etwas überrascht, liebe Kollegen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ich weiß ja nicht, was die Kanzlerin am Aschermittwoch so alles erzählt hat.)