Protocol of the Session on January 28, 2009

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen DIE LINKE und FDP – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Es mag, Frau Lochner-Borst, und das ehrt Sie sehr, es mag auch ein Stück Kraft sein von uns, da will ich mal sagen, wir haben eine andere Position gehabt, im Verlauf eines Verfahrens sind wir zu neuen Erkenntnissen

gekommen. Ja, wir stehen hier. Wir haben eine neue Erkenntnis und deshalb haben wir auch eine neue Auffassung dazu. Das finde ich in Ordnung und das finde ich völlig legitim.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Das, was Sie uns aber heute vorlegen in der Beschlussempfehlung, ist eine Doppelung der Problemstellung. Wenn wir in Ihren Antrag hineinschauen, dann sollen wir, die Abgeordneten, hier wirklich heute feststellen – ich zitiere aus der Beschlussempfehlung –, „der Landtag ist aber der Auffassung, dass die nötige Sicherung von Grundrechten für Kinder nicht hinreichend gewährleistet ist“. Ich bin nicht bereit, hier in der Bundesrepublik Deutschland, in diesem Rechtsstaat, zu sagen, dass die Rechte für Kinder nicht grundlegend gewährleistet sind. Das lehne ich zutiefst ab.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Ich meine, wir leben in der Bundesrepublik Deutschland in einem Rechtsstaat, der das Höchstmaß, das Höchstmaß des Möglichen eines Schutzes der Kinder, eines Schutzes der Grundrechte der Kinder vorweist, und wenn wir uns hier als Landtag heute wirklich hinstellen und sagen, wir entscheiden, dass das in MecklenburgVorpommern aus unserer Auffassung heraus nicht hinreichend gesichert ist, dann, denke ich, geben wir ein sehr, sehr gefährliches Signal nach draußen.

Frau Sozialministerin, Sie haben es sehr charmant rübergebracht, natürlich gehört den Kindern unser erstes Augenmerk, natürlich sind die Kinder unsere Zukunft. Das ist richtig. Aber Frau Lochner-Borst hat ganz beiläufig das Wort „Symbol“ gebracht. Betreiben wir nicht mit einer Aufnahme dieser Kinderrechte ins Grundgesetz wirklich nur reine Symbolpolitik? Welchen Zugewinn in der Bundesrepublik Deutschland haben Kinder in ihrer Lebensqualität,

(Irene Müller, DIE LINKE: Das hat Ihnen Frau Schwesig gesagt.)

in dem, wie wir uns für sie sorgen sollen, wenn wir das ins Grundgesetz hineinschreiben? Bekommen sie wirklich das, was Sie sich davon erwarten? Ich denke, wir als Liberale denken, das ist reine Symbolpolitik, da will man sich selber beruhigen, und das ist nicht das, was wir hier als Parlament machen sollen.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Wir haben in unserem Land sehr tragische Fälle, sehr tragische Fälle in den letzten Jahren gehabt. Ich erinnere an einen Fall, Lea-Sophie, hier in Mecklenburg-Vorpommern, hier in Schwerin. Wäre dieser Fall anders gelaufen, wenn wir Kinderrechte im Grundgesetz gehabt hätten? – Ich glaube, nicht.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Aber Herr Roolf, darum geht es doch gar nicht.)

Wir Liberalen glauben nicht, dass es entscheidend ist, das ins Grundgesetz hineinzuschreiben. Viel entscheidender ist, dass wir es leben, dass die Kinder unsere Fürsorge brauchen

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

und dass die Fürsorge für die Kinder das höchste Primat unserer Arbeit sein soll. Dieser Art von Symbolpolitik, so, wie sie jetzt hier angestrebt wird, dieser Art einer Feststellung, dass die Kinderrechte nicht grundsätzlich gewährleistet sind, dieser Art der Politik können wir

uns nicht anschließen. Aus dem Grund lehnen wir Ihren Antrag an dieser Stelle ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Danke, Herr Roolf.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Tegtmeier von der Fraktion der SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Herr Roolf, die Fragen, die Sie eben aufgeworfen haben, wurden in der Anhörung eigentlich von allen möglichen Seiten beleuchtet. Dazu gab es sehr viele Ausführungen von den Angehörten. Ich glaube, da haben Sie an einigen Stellen einfach nicht richtig zugehört.

(Michael Roolf, FDP: Ach so!)

Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich von dieser Stelle aus beantragt, den Antrag der Fraktion DIE LINKE in die Ausschüsse zu überweisen. Das habe ich gern getan, weil – wie Sie wahrscheinlich alle wissen – der Inhalt des Antrags lange schon Position der SPD ist. Darauf komme ich an anderer Stelle noch zurück.

Nun, nach Abschluss des Beratungsverfahrens – das sich auch, wie Frau Borchardt sehr ausführlich dargelegt hat, unnütz in die Länge zog, weil die Koalitionsfraktionen im mitberatenden Sozialausschuss mehrfach eine Verlängerung zur Abgabe ihrer Stellungnahme beantragt haben und letztendlich doch

(Irene Müller, DIE LINKE: Nichts getan haben.)

keine Stellungnahme abgegeben haben –, hat der Europa- und Rechtsausschuss, wie ich finde, hier eine sehr weise Beschlussempfehlung gegeben.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ja, ja.)

Sehr geehrte Damen und Herren, das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wird im Mai dieses Jahres 60 Jahre alt und die Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonventionen durch die Generalversammlung der Vereinten Nation jährt sich im November zum 20. Mal. Der Deutsche Bundestag hat sich bereits Anfang der 90er-Jahre mit dem Thema „Kinderrechte in das Grundgesetz“ befasst. Es gab eine Verfassungskommission aus Bundestag und Bundesrat, die sich auf Grundlage eines Antrags der SPD-Fraktion damit auseinandergesetzt hat. Aufgrund des Widerstands der Fraktion von CDU und CSU und dem damit verbundenen Nichterreichen einer Zweidrittelmehrheit ist es jedoch damals gescheitert. Begründet wurde es unter anderem auch damit, dass das Bundesverfassungsgericht 1968 entschieden hatte, dass auch Kinder Träger von Grundrechten seien und damit eigene Menschenwürde sowie das Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung hätten. Im April 2008, darauf wurde auch schon hingewiesen und hierauf bezogen sich auch mehrere Gutachter in der Anhörung hier im Haus, hat das Bundesverfassungsgericht zudem dargelegt, dass Kinder auch eigene Rechte gegenüber dem Staat und den Eltern haben. Kinder hätten insbesondere einen Anspruch darauf, dass Eltern Sorge für sie tragen und dieser Pflicht nachkommen. Dieses Recht stehe in einem engen Zusammenhang mit dem Grundrecht der Kinder auf Schutz ihrer Persönlichkeit. Etliche Länderverfassungen haben mittlerweile die Kinderrechte aufgenommen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Eben.)

In Mecklenburg-Vorpommern wurden in der vergangenen Legislaturperiode die Forderung der UN-Kinderrechtskonventionen in den Kinder- und Jugendbericht des Landes einbezogen und der Schutz der Kinder und Jugendlichen in der Verfassung unseres Landes verankert. Außerdem wurden die Rechte von Kindern und Jugendlichen und ihre Teilhabe an der Gesellschaft als Staatszielbestimmung ausgestaltet.

Sehr geehrte Damen und Herren, Elternrecht ist ein hohes Gut. Es findet aber dort und muss dort seine Grenzen finden, wo das Kinderrecht verletzt wird, denn Sie wissen alle, wie die Lebenswirklichkeit viel zu vieler Kinder aussieht: Sie werden misshandelt, sie werden missbraucht, sie werden vernachlässigt, sie verhungern, sie werden getötet – und das von Menschen, denen sie ihr uneingeschränktes Vertrauen entgegenbringen: ihren Eltern.

Kindergrundrechte aber nur unter dem Aspekt der Gefahrenabwehr oder des Kinderschutzes zu diskutieren, wäre zu einseitig. Dem Recht des Kindes auf Entwicklung und Entfaltung seiner Persönlichkeit entspricht nicht nur die Pflicht der Eltern, dies zu gewährleisten, sondern da, wo diese Elternpflicht nicht erfüllt werden kann, hat die staatliche Gemeinschaft diese Kinderrechte zu fördern und Sorge für kindergerechte Lebensbedingungen zu tragen.

Wie Sie alle wissen, sehr geehrte Damen und Herren, hat der Vertreter der NPD im Ausschuss gegen die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz gestimmt

(Michael Andrejewski, NPD: Das ist Wortzauber. – Stefan Köster, NPD: Das ist doch wieder Blabla von Ihnen.)

und auch gegen diesen Entschließungsantrag.

(Michael Andrejewski, NPD: Abrakadabra!)

Wenn man zur Kenntnis nimmt, dass sie sich heute noch als Familienpartei aufgespielt haben, kann einem das zu denken geben.

(Michael Andrejewski, NPD: Eine Partei der Taten und nicht der Quatscherei!)

Während der Anhörung am 28. März letzten Jahres in diesem Hause trafen wir, wie wahrscheinlich nicht anders zu erwarten, auf unterschiedliche Auffassungen der Juristen. Die Vertreter der Deutschen Kinderhilfe fanden den verfassungsmäßigen Rang der Kinder durch das Grundgesetz überraschenderweise ausreichend. Dennoch überzeugte letztendlich die Argumentation für die Aufnahme eigener Kinderrechte in das Grundgesetz.

Zwischen dem Einreichen des Antrags durch die Fraktion DIE LINKE und dem Abschluss unserer Beratungen wurde die Bundesratsinitiative – das haben wir vorhin auch schon mehrmals gehört – auf der Bundesebene im September abgelehnt. Daher ist es für uns der bessere Weg, für die neue Legislaturperiode nach der Bundestagswahl Vorsorge zu treffen, dieses Thema erneut auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestages zu bringen.

Überraschend für mich war hier, dass sich unser Koalitionspartner, der dies über lange Zeit wahrlich nicht erwarten ließ, praktisch an die Spitze der Bewegung aufschwang und die Ihnen nun vorliegende Entschließung sozusagen federführend auf den Weg gebracht hat. Ich freue mich sehr über die Ausführungen von Frau Lochner-Borst an der Stelle, die das noch einmal gut dar

gelegt hat, dass man durchaus Erkenntnisgewinne und Meinungsänderungen nach Diskussionsprozessen erreichen kann. Es freut mich natürlich auch insbesondere, da nur das die Grundlage für eine Bundesratsinitiative sein kann, die von unserer Landesregierung angestoßen werden soll.

Die Position der SPD war hier immer eindeutig eine Befürwortung dafür, Kinderrechte in das Grundgesetz aufzunehmen. Dazu, wie dies rein technisch umgesetzt werden kann, wurden von einigen Angehörten dezidiert Vorschläge vorgetragen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir werden der Beschlussempfehlung des Europa- und Rechtsausschusses folgen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Frau Tegtmeier.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Tino Müller von der Fraktion der NPD.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon in der Debatte vor ziemlich genau einem Jahr habe ich erläutert, warum wir diesem Antrag nicht zustimmen können. Daran hat sich auch bis heute nichts geändert.

Sie, meine Damen und Herren, haben allerdings ein Paradebeispiel abgegeben, wie dieser Laden läuft. Sie haben die Überweisung des Antrags in die Ausschüsse beschlossen. Nur die Abgeordneten der FDP stimmten damals, zusammen mit meiner Fraktion, gegen diese Überweisung. Der Antrag wurde mittlerweile sechsmal im federführenden Europa- und Rechtsausschuss beraten. Außerdem gab es öffentliche Anhörungen. Der zur Mitberatung beauftragte Sozialausschuss hatte das Thema viermal auf der Tagesordnung, ohne dass dabei etwas herauskam. Allerdings war der Sozialausschuss nach erstmaliger Aufforderung im letzten Sommer und trotz mehrfacher Fristverlängerung nicht in der Lage, eine entsprechende Stellungnahme abzugeben – so viel zu Ihrer Ausschussarbeit, die Sie immer so besonders loben. Sie blähen sich auf, beschäftigen sich mit sich selbst und herauskommen tut letztendlich nichts, genau wie bei diesem Antrag.

In den Ausschusssitzungen wurden die Argumente aus der Landtagsdebatte fortlaufend wiederholt und auch die öffentlichen Anhörungen brachten keine neuen Argumente zutage. Dementsprechend fällt auch die Beschlussempfehlung aus. Der Antrag soll abgelehnt werden. Gleichzeitig aber soll das Anliegen an sich gutgeheißen und mit einer Entschließung gekrönt werden. Das ist auch nicht neu und wurde vor einem Jahr an dieser Stelle schon mehrmals gesagt.