Ja, aber wir haben doch nicht gewusst, dass jemand dort ein Steinkohlekraftwerk bauen könnte. Ja, wenn wir das nur hätten ahnen können, dann hätten wir natürlich bereits damals alles anders gemacht.
Aber, meine Damen und Herren, natürlich konnte man 2005 nicht wissen, dass im Jahr 2007 ein dänischer Investor für diesen Standort eine Genehmigung zum Bau eines Steinkohlekraftwerkes beantragen würde.
Aber was man wissen konnte, wie sich dann auch unabhängig von dem konkreten Investor herausgestellt hat, ist, dass es nicht grundsätzlich auszuschließen war.
(Dr. Armin Jäger, CDU: So ist das. – Helmut Holter, DIE LINKE: Das habe ich doch gerade eben erzählt.)
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn man zum Beispiel bedenkt, dass der durch die damalige Bundesregierung – 2001, sehr geehrter Herr Kollege Methling –
eingesetzte Rat für nachhaltige Entwicklung, Sie sprachen das eben selber an, Nachhaltigkeit in der Politik, der 2001 eingesetzte Rat für nachhaltige Entwicklung sich bereits in seiner im Oktober 2003 veröffentlichen Stellungnahme „Perspektiven der Kohle in einer nachhaltigen Energiewirtschaft – Leitlinien einer modernen Kohlepolitik und Innovationsförderung“ ausführlich mit der mittel- und langfristigen Energienutzung und -versorgung, mit der Frage der anstehenden Erneuerung des Kraftwerksparks sowie den klima- und umweltpolitischen, den energie- und wirtschaftspolitischen Auswirkungen auseinandersetzt, dann hätte man vielleicht schon mal den einen oder anderen Gedanken im Zusammenhang mit Lubmin auch in diese Richtung verschwenden dürfen.
Und was man zumindest auch 2005 definitiv sagen konnte, und ich erlaube mir an dieser Stelle die entsprechende Aussage des Vertreters der Volksinitiative Herrn Söffker in der öffentlichen Anhörung im Wirtschaftsausschuss zu zitieren: „Was man sicherlich sagen
muss: Es gab dort das Kraftwerk, es gibt dadurch einen Netzeinspeisepunkt und dieser Netzeinspeisepunkt macht Lubmin attraktiv für Anlagen.“ Zitatende.
Und, meine Damen und Herren, der Standort, sehr geehrter Herr Kollege Holter, ist eben offenkundig auch attraktiv für die Errichtung eines Steinkohlekraftwerkes.
(Dr. Armin Jäger, CDU: Jetzt ja. – Peter Ritter, DIE LINKE: Dazu muss man doch ’ne Meinung haben, oder?)
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn man vor dem Hintergrund der auch 2005 schon geführten Klimaschutzdiskussion
an dem Standort nun ausdrücklich politisch kein Steinkohlekraftwerk hätte haben wollen, dann hätte man dieses sinnvollerweise ausdrücklich im Landesraumentwicklungsprogramm ausschließen müssen.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und FDP – Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig, völlig richtig.)
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, mit Kernkraftwerken hat man dieses aus meiner Sicht zu Recht ja auch getan.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich habe Verständnis für das Unbehagen und die Bedenken der vielen Tausend Unterzeichner der Volksinitiative im Hinblick auf den Bau des Steinkohlekraftwerkes in Lubmin. Eine Anlage dieser Größenordnung ist zwangsläufig mit Bedenken verbunden und Vorbehalten ausgesetzt. Aber, meine Damen und Herren, wenn wir uns ehrlich mit den Argumenten der Menschen vor Ort auseinandersetzen wollen, dann müssen wir bereit sein, ihnen zu sagen, dass dieses Vorhaben zumindest nicht außerhalb der landesraumentwicklungspolitischen und damit auch der wirtschaftspolitischen Vorstellungen dieses Landes insbesondere für den Standort Lubmin steht. Die Frage zu beurteilen, ob es außerhalb der verfahrenstechnischen Genehmigungsfähigkeit liegt, ist jedoch allein Aufgabe der zuständigen Genehmigungsbehörden und im Zweifelsfall der Verwaltungsgerichte.
Aus diesem Grund – im Übrigen auch der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen, ich habe es schon angeführt,
es kann natürlich nicht sein, dass man, und das mögen Sie mir auch persönlich dann vorhalten, dass ich diesen Lapsus habe durchgehen lassen, auch als Ausschussvorsitzender gegenüber meinen beiden Koalitionsfraktionen und den Mitgliedern im Ausschuss, dieses gilt dann natürlich tatsächlich für beide Seiten –, eine Vorfestlegung kann es weder in die eine noch in die andere Richtung geben.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist korrekt. – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sie sind doch viel zu klug.)
Nichteinmischung in verwaltungsrechtliche Genehmigungsverfahren muss selbstverständlich in beide Richtungen seine Gültigkeit haben.
Meine Damen und Herren, die Menschen in diesem Land haben Anspruch darauf, dass man mit ihnen offen und ehrlich umgeht.
(Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Die werden das alle verstehen, die 35.000 Unterzeichner, was Sie hier alles erzählen.)
Frau Kollegin Schulz, ich halte die Menschen, die das unterschrieben haben, vielleicht für etwas intelligenter, als Sie jetzt unterstellen.
Wenn man dieser Aussage folgen will, dann muss man auch klar und deutlich sagen, dass das weitere Verfahren um die Genehmigung des beantragten Kraftwerksbaus eben der politischen Einflussnahme entzogen ist. Jetzt weiß ich natürlich – Herr Kollege Methling hat es vorhin im Grunde schon wieder angedeutet und er hat es auch im Ausschuss gesagt –, dass der eine oder andere an dieser Stelle einwenden wird, im Rahmen der Abwägung durch die Genehmigungsbehörde muss das sogenannte öffentliche Interesse berücksichtigt werden.
Das ist ja auch unbestritten. Und die Landesregierung – Sie haben es nicht ganz so deutlich gesagt – könnte als Fachaufsicht der zuständigen Genehmigungsbehörde verdeutlichen, dass sich das öffentliche Interesse möglicherweise nicht auf eine Genehmigung der beantragten Anlage richtet.
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Er hatte ja gefragt, aber in eine andere Richtung. – Dr. Armin Jäger, CDU: Was?)
Erstens. Die Ausformulierung dessen, was als öffentliches Interesse bei der Entwicklung des Standorts Lubmin zu werten ist, hat das Land im Rahmen des Landesraumentwicklungsprogramms definiert,
und zwar öffentlich und unzweifelhaft, auch wenn man mit dem Ergebnis im Nachhinein vielleicht nicht mehr zufrieden ist.
Zweitens. Wer politische Einflussnahme der Landesregierung auf verwaltungstechnische Genehmigungsverfahren einfordert, der sollte sich im Klaren darüber sein, dass er eine Büchse der Pandora öffnet, die er nicht wieder
geschlossen bekommt. Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, Investoren aus Mecklenburg-Vorpommern und von außerhalb unseres Landes – letztendlich jeder, der ein Vorhaben plant und hierfür eine öffentliche Genehmigung braucht –, jeder von ihnen muss auch in Zukunft wissen können, dass Genehmigungen in diesem Land auf der Grundlage von Recht und Gesetz, und nur auf dieser Grundlage und nicht nach wechselnden politischen Mehrheiten, erteilt werden.