(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das gehört zum öffentlichen Interesse. – Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)
Dabei spielt nicht nur das Verhältnis von fossilen Brennstoffen bei der Energiegewinnung zur möglichen Nutzung regenerativer Energien vor dem Hintergrund der Sicherstellung einer bundesweiten Energieversorgung eine Rolle. Die Diskussion ist auch, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, vielmehr selbstverständlich mit der Frage verknüpft, welche wirtschaftliche Entwicklung eine spezifische Region dieses Landes nehmen soll und wie ein potenzielles Spannungsverhältnis zwischen industriell-gewerblicher Nutzung einerseits und touristischer Nutzung andererseits gelöst werden kann. Entsprechend gegensätzlich sind von dieser Gemengelage natürlich auch die durch die jeweiligen Befürworter beziehungsweise Gegner des beantragten Kraftwerksbaus vorgetragenen Positionen.
Während die Gegner des Kraftwerksbaus, allen voran die Vertreter der Volksinitiative „Kein Steinkohlekraftwerk Lubmin“, vorrangig auf mögliche gesundheitsschädliche Aspekte eines Steinkohlekraftwerkes abstellen, das Kraftwerk als unvereinbar mit dem Tourismuskonzept des Landes bewerten und dabei auf die befürchteten Emissionen des Kraftwerkes und dessen Auswirkungen
auf schützenswerte Naturräume in räumlicher Nähe zum Kraftwerk verweisen, nehmen die Befürworter des Investitionsvorhabens Bezug auf entsprechende Gutachten, die gerade solche Befürchtungen wie die vorgenannten entkräften. Gleichzeitig wird auf die durch das Vorhaben entstehenden Arbeitsplätze verwiesen. Das Steinkohlekraftwerk Lubmin und die Frage von dessen Errichtung ist damit letztendlich ein typisches Beispiel für das Spannungsverhältnis, in welchem sich heutzutage jegliche Großinvestition bewegt. Dies wird nicht nur am Beispiel Lubmin deutlich, Gleiches zeigt sich quasi vor unserer Haustür, nur auf der westlichen Seite, bei der Vertiefung der Elbe oder dem beantragten Kraftwerksbau in Hamburg-Moorburg.
Gerade der geplante Kraftwerksbau in Hamburg-Moorburg ist aber auch ein Beispiel dafür, wie man die politische Auseinandersetzung ungeachtet aller parteipolitischen Vorstellungen um ein solches Vorhaben nicht führen sollte, auch nicht in unserem Land und auch nicht um das geplante Kraftwerk in Lubmin. Während die Hamburger GAL-Landesvorsitzende Hajduk im Rahmen des dortigen Landtagswahlkampfes die Nichterrichtung des Steinkohlekraftwerks Moorburg zu einem ihrer vorrangigen politischen Ziele erklärte, sah sich die neu in ihr Amt gekommene Hamburger Senatorin Hajduk veranlasst, die Genehmigung zur Errichtung eben dieses Kraftwerksneubaus nunmehr zu erteilen. Und selbst bei den damit verknüpften Auflagen ist zumindest zweifelhaft, inwieweit diese Auflagen letztendlich Bestand haben werden. Ohne den Kolleginnen und Kollegen in Hamburg zu nahe treten zu wollen, aber das Beispiel Moorburg zeigt deutlich auf, dass im Rahmen eines rechtsstaatlichen Genehmigungsverfahrens parteipolitische Überlegungen nur eine nachgeordnete Rolle spielen.
Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, dass es zumindest in diesem Punkt Konsens in diesem Hause gibt, und ich hoffe, das stellt dann auch niemand ernsthaft infrage, das ist vom Grundsatz her richtig so. Das gilt in Hamburg und das gilt selbstverständlich auch in Mecklenburg-Vorpommern.
Voraussichtlich im November dieses Jahres wird die Landesregierung dem Landtag ihr Konzept „Energieland 2020“ vorstellen. Wir, meine Damen und Herren, werden im Zusammenhang mit diesem Konzept die weiteren Wirtschafts-, Umwelt- und strukturräumlichen Entwicklungen vor dem Hintergrund einer gesicherten und nachhaltigen Energiepolitik in unserem Land diskutieren und letztendlich auch beschließen müssen. Diese Diskussion wird selbstverständlich nicht losgelöst von dem Gesamtkontext geführt werden können. Politik muss die Rahmenbedingungen setzen, innerhalb derer sich anschließend alle Beteiligten sicher und verlässlich im Vertrauen auf bestehende Rechtsvorschriften dann bewegen können. Dieser Aufgabe, dieser Verantwortung darf sich Politik nicht entziehen. Sind die Rahmenbedingungen allerdings gesetzt, haben alle Beteiligten einen Anspruch darauf, dass der gesetzte Rahmen nicht im Einzelfall zulasten einer Seite innerhalb eines laufenden Verfahrens aus politischen Gründen geändert wird.
Und um dieses zu verdeutlichen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, haben die Koalitionsfraktionen von CDU und SPD, um auch sämtliche Unklarheiten zu beseitigen, am heutigen Tag noch mal einen Änderungsantrag eingebracht, damit der Vorwurf, wir würden mit der
Beschlussempfehlung dann tatsächlich für oder gegen die eine Seite bereits Stellung beziehen wollen, ausgeschlossen werden kann.
(Peter Ritter, DIE LINKE: Das war die Absicht, dieses zu tun. Ihr verständigt euch doch vorher, wie so eine Beschlussempfehlung aussieht.)
Herr Kollege Ritter, Sie mögen mir das jetzt glauben oder nicht, das ist mir dann auch relativ egal, aber es ist tatsächlich nicht so gewesen.
Dass nicht aus politischen Gründen in ein laufendes Verfahren eingegriffen wird, meine Damen und Herren, ist eines der Grundprinzipien, das einen demokratisch legitimierten Rechtsstaat von einem willkürlichen, auf Beliebigkeit gegründeten System unterscheidet.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Richtig. – Dr. Armin Jäger, CDU: Genau.)
Bei der Gesamtbewertung, der energiepolitischen, umweltpolitischen und wirtschaftspolitischen Gesamtbewertung, ist sicherlich auch die Frage einer industriepolitischen Relevanz einer weiteren Kohlenutzung vor dem Hintergrund des vereinbarten Kernenergieausstiegs zu sehen. Bis 2020 werden Kernkraftwerke mit rund 22.500 Megawatt Leistung vom Netz genommen, Kraftwerke, die derzeit Strom im Grundlastbereich produzieren. Der aus meiner Sicht sinnvolle Wegfall dieses bisher preisgünstigen Stromangebotes – die Folgekosten zahlt ja schließlich der Steuerzahler – aus diesen Kernkraftwerken ist insbesondere für energieintensive Industrien von Bedeutung. Je nach Kraftwerk und damit auch Kostenstruktur des Ersatzes dürften die Reinvestitionsentscheidungen energieintensiver Unternehmen unterschiedlich ausfallen, je nach Einfluss des Strompreises auf die Wettbewerbsfähigkeit der jeweiligen Produkte.
Sollten die wegfallenden Kraftwerkskapazitäten im Grundlastbereich zum Großteil durch kombinierte GasDampf-Turbinen-Kraftwerke oder durch Anlagen mit regenerativen Energien gedeckt werden, dürfte aufgrund der Bindung des Gaspreises an die Ölpreisentwicklung – trotz derzeit fallender Ölpreise – und die noch relativ teuren erneuerbaren Energien – trotz der sich stetig verbessernden Wettbewerbsfähigkeit – zunächst zumindest das Strompreisniveau steigen. Alternativ könnte eine Kompensation der Kapazitäten durch Kohlekraftwerke erfolgen. Aber auch hier muss man deutlich sagen, hier ist es auch zukünftig erforderlich, innovative und effiziente Konzepte zur Kohlenutzung zu kreieren und einzusetzen. Und ich denke, da gibt es dann auch keinen Dissens. Wenn andererseits der Fokus stärker als bisher auf den Ausbau regenerativer Energien gesetzt werden soll, müssen auch hierfür die Rahmenbedingungen in unserem Land geschaffen werden.
Aber am Beispiel der Nutzung der Windenergie zeigt sich, dass demjenigen, der im Rahmen der weiteren energie- und wirtschaftspolitischen Entwicklung beispielsweise regenerative Energie stärken will, bewusst sein muss, dass deren Entwicklung letztendlich nicht nur von den Einspeisungsgewinnen abhängig ist. Auch die Bereitschaft, die Errichtung der erforderlichen Anlagen dann vor der eigenen Haustür beziehungsweise vor der eigenen Küste zu akzeptieren, ist Grundvoraussetzung.
Und hier, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, zeigen sich dann durchaus Parallelen zur aktuellen Diskussion um den Kraftwerksbau in Lubmin.
Sehr geehrte Damen und Herren, dieses Land hat im Zusammenhang mit dem Landesraumentwicklungsprogramm des Landes, Zitat: „eine querschnittsorientierte und fachübergreifende raumbezogene Rahmenplanung für die nachhaltige und zukunftsfähige Entwicklung des Landes im Interesse seiner Menschen“ definiert. Zwölf Leitlinien sollen die Schwerpunkte einer nachhaltigen Landesentwicklung aufzeigen. „Das Programm zielt“, so der damals zuständige Minister Herr Kollege Holter in dem Vorwort zum Landesraumentwicklungsprogramm, „auf einen harmonischen Dreiklang von Wirtschaft und Beschäftigung, von Natur- und Umweltschutz und von einer Entwicklung, die auf gleichwertige Lebensverhältnisse setzt.“
(Peter Ritter, DIE LINKE: Aus dem Dreiklang ist ein Missklang geworden, Herr Kollege. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)
Dort heißt es weiter: „Dabei wird aufgrund der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Ausgangsbedingungen der Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen Priorität eingeräumt. Die“ damalige „Neuaufstellung wurde insbesondere aufgrund veränderter Rahmenbedingungen seit In-Kraft-Treten des Ersten Landesraumordnungsprogramms 1993 erforderlich.“ Das steht alles so in dem dortigen Vorwort, und das ist ja auch keine Frage des Dissenses, wir müssen uns an anderen Stellen streiten. „Erstmals wurde“ – mit dem derzeit gültigen Raumentwicklungsprogramm – „eine Umweltprüfung für das gesamte Programm durchgeführt.“
„Diese und weitere Herausforderungen aufgreifend, zeigt das Programm Wege auf, um die Risiken für die Entwicklung des Landes zu minimieren, insbesondere jedoch, um die Chancen und Potenziale zu nutzen.“
Und, meine Damen und Herren: „Die im Programm formulierten Erfordernisse der Raumordnung und Landesentwicklung sind insbesondere für Planungsträger verbindlich, darüber hinaus richten sie sich als Leitbild, das es durch konkrete Maßnahmen und Vorhaben umzusetzen gilt, an alle öffentlichen und privaten Einrichtungen, an
private Initiativen, an das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern.“ Bei der Erstellung und Entwicklung des derzeitigen Landesraumentwicklungsprogramms wurde „in einem noch breiteren Beteiligungsverfahren“ – wir waren damals zusammen in der Regierung, deswegen kann man ja auch gegenseitig das durchaus mal anerkennen – „als bisher üblich... neben öffentlichen Stellen und Trägern öffentlicher Belange auch jeder Frau und jedem Mann Gelegenheit gegeben,“
„sich in die Erstellung des Programms einzubringen.“ So – Herr Kollege Holter, wird es vielleicht noch wissen – zutreffend das von ihm formulierte Vorwort.
Und weiter heißt es dort: „Die aus den Stellungnahmen und Diskussionsrunden gewonnenen Erkenntnisse haben nach Abwägung Eingang in das Programm gefunden. Hiermit einher geht eine Erhöhung der Transparenz und damit letztlich auch der Akzeptanz des Programms, um auf diesem Weg die aufgezeigten Handlungsoptionen bis ins Jahr 2020 Wirklichkeit werden zu lassen.“
Und, sehr geehrter Herr Kollege Methling, nach meinem Kenntnisstand, sonst müssen Sie mich verbessern, waren bei der Entwicklung des Landesraumentwicklungsprogramms nicht nur das Ministerium des Herrn Kollegen Holter, sondern alle Ministerien dieses Landes einbezogen.
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ich sag noch was dazu. – Zurufe von Dr. Armin Jäger, CDU, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)
Sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen, selbstverständlich ist es unsere gemeinsame politische Aufgabe, dieses Landesraumentwicklungsprogramm den Entwicklungen anzupassen und dabei neue Erkenntnisse auch aus der jetzigen Diskussion einfließen zu lassen. Aber erlauben Sie mir, noch einmal den Kollegen Holter zu zitieren. Er hat damals ausgeführt, und die Aussage ist aus meiner Sicht zumindest auch weiterhin zutreffend:
„Die im Programm formulierten Erfordernisse der Raumordnung und Landesentwicklung sind insbesondere für Planungsträger verbindlich, darüber hinaus richten sie sich als Leitbild, das es durch konkrete Maßnahmen und Vorhaben umzusetzen gilt, an alle öffentlichen und privaten Einrichtungen...“
Um es noch einmal zu wiederholen für denjenigen, der vielleicht nicht mitgehört hat: Es ist verbindlich, es gilt, das Leitbild umzusetzen.
Meine Damen und Herren, nun lassen Sie mich einen Blick auf die Ausführungen des Landesraumentwicklungsprogramms zum Standort Lubmin werfen. Unter Ziffer 4.3.1 „Landesweit bedeutsame gewerbliche und industrielle Großstandorte“ heißt es dort:
„(1) Innerhalb der festgelegten landesweit bedeutsamen gewerblichen und industriellen Großstandorte hat die gewerbliche Nutzung Vorrang vor anderen Nutzungsansprüchen. Die Standorte sind von konkurrierenden Nutzungen freizuhalten. Eine zielgerichtete Flächenvorsorge seitens der Gemeinde ist erforderlich.“
Und unter Absatz 2 „Landesweit bedeutsame gewerbliche und industrielle Großstandorte“ erfolgt dann die ausdrückliche Nennung des Industriegebietes Lubminer Heide.
Und weiter heißt es in eben diesem Landesraumentwicklungsprogramm unter Ziffer 6.4 Absatz 3, Zitat: „Greifswald / Lubmin ist als nicht auf Kernspaltung beruhender Energieerzeugungsstandort zu sichern und auszubauen.“