Protocol of the Session on October 21, 2008

Sie werden nach den dann einschlägigen Haftungsvorschriften angemessen entschädigt. In den allermeisten Fällen wird sich der unterschiedliche Haftungsmaßstab ohnehin nicht auswirken.

(Raimund Borrmann, NPD: Aber das Verfahren ändert sich.)

Erreicht würde aber ein übersichtliches und homogenes Haftungsrecht, was zügigere Verfahren und eine schnellere Entschädigung der Betroffenen erwarten lässt. Ich bitte daher um Ihre Zustimmung zum Gesetzentwurf.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Danke, Frau Kuder.

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende der SPD Herr Dr. Nieszery.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der Staat einen Fehler macht und damit einen Schaden verursacht, dann muss er auch haften. Wenn unsere Behörden einzelnen Bürgern einen Schaden zufügen, dann muss die Gesellschaft dafür geradestehen. Das ist so und das ist in der ganzen Bundesrepublik so. Dazu gibt es verschiedene Rechtsvorschriften, die detailliert auch zum Beispiel regeln, wann und wie einzelne Mitarbeiter der Behörden in Regress genommen werden können. An diesen seit Jahrzehnten in ganz Deutschland gültigen Grundsätzen werden wir auch nicht rütteln.

Neben den allgemeinen, bundesweit gültigen Regeln gibt es aber in unserem Bundesland noch das Staatshaftungsgesetz der DDR, das bis heute als Landesrecht fortgilt. Danach haftet der Staat in bestimmten Fällen auch ohne besonderes Verschulden. Außerdem sind Sonderregelungen für das Verfahren enthalten.

Meine Damen und Herren, wir leisten uns ein Sonderrecht, das nur für wenige Fälle gilt, aber von allen bezahlt werden muss. Dabei geht es übrigens nicht um den Gartenzaun, der von einem Behördenfahrzeug umgefahren wird, da wird der Staat sowieso erstatten, aber das fortgeltende Staatshaftungsgesetz der DDR führt zu einer verschuldensunabhängigen Haftung, auch für die rechtswidrige Verweigerung beispielsweise von Baugenehmigungen. Da kann sogar der entgangene Gewinn eingeklagt werden, wie der Kommunale Schadenausgleich bereits in einer Anhörung des Innenausschusses am 29. November 2000 ausführlich erläutert hat. Das Staatshaftungsgesetz schützt nicht den einfachen Bürger, es schützt Unternehmen, das sollte man sich klarmachen. Wir leisten uns damit höhere Haftungsrisiken für unser Land und für unsere Kommunen. Dabei können wir diese Risiken nicht aus eigenen Mitteln abdecken. Wir sind auf die Unterstützung anderer Bundesländer angewiesen und wir brauchen diese Unterstützung zum Beispiel dringend für wichtigere Aufgaben, wichtige soziale Aufgaben beispielsweise, nicht für einen isolierten Sonderweg bei der Staatshaftung.

Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf sieht deshalb eine ersatzlose Aufhebung des Staatshaftungsrechtes der DDR vor. Wir wollen uns von dieser Rechtsnorm trennen. Der vorliegende Gesetzentwurf entspricht damit auch einem Anliegen der kommunalen Landesverbände, die sich bereits in der erwähnten Anhörung des Innenausschusses für eine Aufhebung des Staatshaftungsgesetzes ausgesprochen haben. Der Landtag ist dem damals übrigens nur nicht gefolgt, weil zunächst eine in Aussicht gestellte bundesweite Harmonisierung des Staatshaftungsrechtes abgewartet werden sollte.

Um es noch einmal ganz klar zu sagen: Der Bürger wird mit der Aufhebung des Staatshaftungsgesetzes der DDR nicht schutzlos gestellt, da zum Beispiel der Amtshaftungsanspruch nach Paragraf 839 BGB weitergilt. Aber wir entlasten Land und Kommunen von unnötigen Haftungsrisiken. Die Fraktion der SPD unterstützt den Gesetzentwurf und beantragt die federführende Über

weisung in den Europa- und Rechtsausschuss sowie ergänzend die Überweisung in den Innen- und Finanzausschuss. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Federführende Überweisung ist auch nicht schlecht.)

Danke, Herr Dr. Nieszery.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Schwebs von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung möchte mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ein Gesetz aufheben, welches seinen Ursprung in der DDR hat, sozusagen ein Relikt aus DDR-Zeiten, nach dem es kommt, dass es in Mecklenburg-Vorpommern neben dem bundesweit geltenden Amtshaftungsanspruch auch eine verschuldensunabhängige Haftung der öffentlichen Hand gibt, noch gibt, und im Übrigen auch für Bürgerinnen und Bürger. Nach dem Willen der Landesregierung soll dies zukünftig nicht mehr so sein.

Meine Damen und Herren, nun ist es selbstverständlich legitim, Gesetze auf den Prüfstand zu stellen und sie bei Bedarf auch wieder aufzuheben. Gerade dies hat man ja nach der Wende getan. Aber im Einigungsvertrag kam man zu dem Ergebnis, dass das DDR-Staatshaftungsgesetz neben dem bundesdeutschen Amtshaftungsanspruch als Landesrecht fortgelten soll. Die Frage ist: Warum soll heute etwas anderes gelten? Und um die Antwort vorwegzunehmen, die vorgetragenen Gründe für eine Aufhebung des Gesetzes, Frau Justizministerin Kuder, haben uns nicht überzeugt, denn die Sach- und Rechtslage ist doch die gleiche geblieben. Neue, die Aufhebung rechtfertigende Gründe sind nicht ersichtlich.

Richtig ist, dass die Regelungen nach dem Staatshaftungsgesetz viel weiter reichen als die des bundesweit geltenden Amtshaftungsanspruches. Bestreiten lässt sich somit nicht, dass das Haftungsrisiko für die öffentliche Hand in den Ländern, in denen das alte DDRStaatshaftungsgesetz noch gilt, grundsätzlich höher sein kann, Herr Nieszery. Kann! Richtig ist auch, dass wir uns, wenn wir so wollen, im Gegensatz zu den alten Bundesländern und zu einigen neuen Bundesländern, die das DDR-Staatshaftungsgesetz bereits aufgehoben haben, eine verschuldensunabhängige Haftung und damit etwas mehr leisten. Diese Tatsache ist jedoch das einzige Argument, welches man für eine Aufhebung ins Feld führen kann.

(Zuruf von Andreas Bluhm, DIE LINKE)

Ich denke, für eine Aufhebung eines solchen Gesetzes, das sich fast ein halbes Jahrhundert bewährt hat, ist das zu wenig.

Vielmehr, meine Damen und Herren, sprechen die besseren Argumente für den Erhalt des Gesetzes. Bereits in den 80er-Jahren gab es auf der Bundesebene den Versuch, ein Staatshaftungsgesetz zu verabschieden. Dieses Gesetz wurde damals aus Gründen der fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes wieder kassiert. Mit der Verfassungsreform von 1994 ist jedoch die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes geschaffen worden. Daher erlaubt das Grundgesetz heute ein Bundesstaatshaftungsgesetz.

Meine Damen und Herren, ich denke, es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass ein Bundesgesetz im Hinblick auf eine Rechtsvereinheitlichung erstrebenswert ist.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Da stimme ich zu.)

Die letzte Bundesregierung empfand das auch so. Ich möchte in diesem Zusammenhang die Antwort auf eine Kleine Anfrage zitieren, da heißt es nämlich: „Nach Auffassung der Bundesregierung sollte die Ausgestaltung der Staatshaftung als unmittelbare und primäre Verantwortlichkeit für rechtswidriges staatliches Handeln ein zentrales Reformziel sein.“ Und da frage ich natürlich: Wie steht das Justizministerium heute eigentlich zu einer solchen bundeseinheitlichen Lösung?

Wir, meine Damen und Herren, haben in diesem Falle eher den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Und ganz nebenbei: Warum soll nicht die eine oder andere bewährte Regelung der DDR auch in westdeutsche Gesetze Eingang finden? Kann es nicht auch einmal zu einer Anpassung von westdeutschen Haftungsstandards an ostdeutsche kommen? Und müssen wir grundsätzlich immer von einer Anpassung nach unten ausgehen? Können und sollten nicht auch höhere Standards erhalten bleiben?

Meine Damen und Herren, es gibt auch noch einen weiteren Vorteil des Staatshaftungsgesetzes gegenüber dem Amtshaftungsanspruch. Hier ist nämlich ein förmliches Beschwerdeverfahren verankert. Erst wenn der Beschwerde nicht stattgegeben wird, kann geklagt werden. Bei einem Amtshaftungsanspruch hingegen muss jedoch gleich geklagt werden, und das auch noch vor dem Landgericht, was dann natürlich sofort Geld kostet.

Meine Damen und Herren, ich möchte einen letzten Punkt ansprechen, der ausdrücklich nicht für die Abschaffung der Staatshaftung spricht. Es sind die Kosten oder besser gesagt die erhofften Kosteneinsparungen. Die Landesregierung stellt alle Leistungsgesetze auf den Prüfstand und will kürzen. Ministerin Kuder hat das hier bestätigt, das Stichwort heißt Haushaltskonsolidierung. Unterstellen wir jetzt einmal den Konsens, dass auch die Aufhebung des Staatshaftungsgesetzes zur Haushaltskonsolidierung dienen soll, dann frage ich Sie, Frau Justizministerin Kuder, und vielleicht auch die Finanzministerin Frau Polzin: Über welche Einsparungen reden wir denn überhaupt? Wie viele Haftungsfälle hat es denn bei der Anwendung des DDR-Staatshaftungsgesetzes überhaupt gegeben? Und vor allem, in wie vielen Fällen hätte das Land auch ohne das Staatshaftungsgesetz zahlen müssen? Auf diese wichtigen Fragen fand ich im Gesetzentwurf bisher keine Antworten. Im Übrigen dürften die Einsparungen marginal sein. Im Haushalt, Herr Dr. Nieszery, sind für die Fälle 200.000 Euro veranschlagt, wahrlich keine Unmenge.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: So ist es.)

Die tatsächlich eintretenden Einsparungen dürften allerdings nur einen Bruchteil dessen ausmachen.

Meine Damen und Herren, ich möchte es noch einmal zusammenfassen, warum uns die Gründe für die Aufhebung des Staatshaftungsgesetzes nicht überzeugt haben:

Erstens. Der Verweis auf das theoretisch höhere Haftungsrisiko allein reicht nicht aus.

Zweitens. Ob und in welcher Höhe Einsparungen zu erwarten sind, ist vollkommen unklar.

Drittens. Die Regelungen des Staatshaftungsgesetzes sind es wert, erhalten zu werden. Die Bürgerinnen und Bürger – ich komme sofort zum Schluss – würden ansonsten schlechtergestellt werden, da die verschuldensunabhängige Staatshaftung entfallen würde.

Und viertens. Das unterstützenswerte Ziel einer bundesweiten Einführung würde konterkariert, würde man die letzten landesrechtlichen Regelungen aufheben. Dies wären dann ein Schritt oder zwei Schritte zurück, auf die vielleicht irgendwann einmal ein Schritt vorwärts folgen würde.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Frau Schwebs.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. von Storch von der Fraktion der CDU.

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Dieser Gesetzentwurf ist von verschiedenen Seiten bereits beleuchtet worden. Frau Ministerin Kuder hat darauf hingewiesen, dass es um die Einsparung nach Landesleistungsgesetzen geht, die zu durchleuchten sind. Das Ziel muss sein, und das ist eigentlich in allen Beiträgen herausgekommen,

(Raimund Borrmann, NPD: Das Geld zum Fenster rauswerfen, ja, ja.)

dass wir zu einer bundeseinheitlichen Regelung im Staatshaftungsrecht als Staatsziel kommen sollten. Das ist auch eigentlich das, was wir anstreben wollen.

(Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)

Ich halte es für richtig, dass wir auch hier prüfen, ob es bei diesem bisherigen Staatshaftungsrecht bleiben soll. Das sollte in den Ausschüssen diskutiert werden, und vielleicht kann auch in den Ausschüssen dabei herauskommen, dass wir uns dafür starkmachen, dass es zu einem bundeseinheitlichen Staatshaftungsrecht kommt,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das wäre gut.)

einem Staatshaftungsrecht, das – daran möchte ich anknüpfen – eigentlich auch das Ziel der Waffengleichheit zwischen Bürger und Staat haben muss. Ich habe in vielen Prozessen den Eindruck gewonnen, dass es dieses in der Verfassungswirklichkeit so leider nicht mehr gibt. Und deshalb ist es an der Zeit, auch darüber nachzudenken, dass ein neues Staatshaftungsrecht bundeseinheitlich auch mehr den Interessen des Bürgers gegenüber dem Staat gerecht wird.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig. – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Richtig. – Raimund Borrmann, NPD: Das Verfahren macht die Musik.)

Meine Damen und Herren, deshalb stimmen wir der Überweisung in den Rechts- und Europaausschuss zu.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Herr von Storch.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Leonhard von der Fraktion der FDP.