3. Alle, Originalton, „verfügbaren Mittel“ sollen eingesetzt werden, Zitat, „eine wirksame Kontrolle der Land-, See- und Luftaußengrenzen zu gewährleisten.“
4. Personen, die, Zitat, „berechtigt … den Zugang zu den Schutzsystemen“ suchen, darf er nicht verwehrt werden. Die Zusammenarbeit mit dem UNHCR soll verstärkt, ein einheitliches Asylverfahren eingeführt werden.
5. Abkommen mit den Herkunfts- und Transitländern sollen auf EU-Ebene oder bilateral abgeschlossen werden und, ich zitiere, „die Bestimmungen zu den an die Arbeitsmarktlage der Mitgliedsstaaten angepassten Möglichkeiten legaler Migration, zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung und zur Rücknahme sowie zur Entwicklung der Herkunfts- und Transitländer“, Zitatende, sollen beibehalten werden.
Das, meine Damen und Herren, ist ein wesentlich von ökonomischen Prinzipien bestimmter Umgang mit Einwanderung und Asyl. Immigration wird fast ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Nützlichkeit für die EU-Länder betrachtet. Damit anerkennt dieser „Pakt für Einwanderung und Asyl“ zum Beispiel weder die kulturellen Gewinne, die die europäische Gesellschaft durch Einwanderung erfahren hat, noch die Leistungen
anderer Gesellschaften, die über Jahrhunderte die Auswandernden und/oder Flüchtlinge offen aufgenommen haben. Diese hat, und das sage ich ganz deutlich, zum Ziel, vor allem die geschätzten acht Millionen Menschen, die ohne gültige Papiere in der Europäischen Union leben und arbeiten, rigoros abzuschieben, also eine weitere Auslösung des Asylrechtes.
Die Genfer Flüchtlingskonvention, wonach als aufzunehmender Flüchtling gilt, wer wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen einer bestimmten politischen Überzeugung verfolgt wird, würde noch ein weiteres Stück entsorgt. Ja, die EU fiele zurück bis ins Jahr 1938. Im Juli jenes Jahres trafen sich Vertreter von 32 Nationen, um das Problem der jüdischen Flüchtlinge aus Deutschland und Österreich zu beraten. Damals war keiner bereit, die Flüchtlinge aufzunehmen, was für die meisten ein Todesurteil war. Deshalb spricht man noch heute von Evian als historische Schande der zivilisierten Welt. Hat die west liche Wertegemeinschaft nichts gelernt? Noch immer werden Flüchtlinge als Gefahr und Bedrohung für das eigene Land gesehen. Auf das Elend der Menschen antwortet die Europäische Union mit militärischer Abwehr. Monat für Monat spielen sich an Europas Grenzen menschliche Tragödien ab. Nur eine kleine Auswahl von Medienmeldungen aus diesem Jahr:
Im Mai: Fünf Überlebende aus den westafrikanischen Staaten Nigeria und Mali berichteten, dass ein marokkanisches Patrouillenschiff ein Schlauchboot mit 70 Afrikanern und Afrikanerinnen an Bord platt gestochen und zum Kentern gebracht hat.
Juli: Weil ihr Boot kenterte, ertranken vor der südspanischen Küste 14 afrikanische Armutsflüchtlinge.
Juli: Bei Flüchtlingstragödien vor den Küsten Maltas und Spanien ertranken 18 Menschen. Vor den Kanarischen Inseln kamen 14 Menschen ums Leben.
Im August: Binnen 24 Stunden griff die spanische Küstenwache mehr als 200 afrikanische Bootsflüchtlinge vor der Südküste Andalusiens auf.
Richtig ist, im Jahr 2007 wurden in den Gewässern Europas mindestens 1.861 tote Flüchtlinge gezählt, im Jahr 2006 waren es 2.088. Das Mittelmeer und der Atlantik vor den Kanaren entwickeln sich zu einem Massengrab. Seit 1988 sind statistisch erfasst 15.000 Menschen an den EU-Außengrenzen ums Leben gekommen.
Immer perfekter werden die Strategien der europäischen Staaten, die Fluchtwege nach Europa zu versperren. Wärmebildkameras und meterhohe Stacheldrahtzäune säumen die Grenzen wie in Centa und Melilla. Patrouillenboote, Flugzeuge und Hubschrauber sind un unterbrochen unterwegs. Seit einigen Jahren findet eine zunehmende Brutalisierung an den europäischen Außengrenzen statt, für die nicht nur Staaten eine Verantwortung tragen, die über solche Außengrenzen verfügen.
Eine immer wichtigere Rolle spielt die Europäische Grenzagentur Frontex. Flüchtlingsboote werden im Zuge von Frontex-Einsätzen in internationalen Gewässern aufgebracht und zurückgedrängt. Mit allen Mitteln sollen Menschen an der Flucht nach Europa gehindert werden. Berühmt-berüchtigt ist ein Satz von Frontex-Chef Laitinen im Dezember 2006, Zitat: „Das sind keine Flüchtlinge, sondern illegale Migranten“. Zitatende. Frontex
versucht, Asylsuchende und Schutzbedürftige zu illegalen Migranten und Migrantinnen umzudeklarieren. Sie fühlt sich bei ihren Operationen nicht an völkerrechtliche Garantien der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention gebunden. Sie unterliegt auch keiner Kontrolle etwa durch das Europaparlament.
Was die durch EU-Pakt verfolgten bilateralen Verträge betrifft, so gibt es bereits welche mit nordafrikanischen Staaten, um die Flüchtlinge dort festzuhalten und wieder in den Süden zurückzuschieben. So schloss Italien solche Verträge ab. Die Patrouillen sollen auch vor Buchten und Häfen kreuzen, um Flüchtlingsboote am Ablegen zu hindern, und so weiter und so fort.
Der EU-Pakt sieht an vorderer Stelle vor, Arbeitskräfte entsprechend den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes auf Zeit anzuwerben. Vor einer solchen zirkulären Migration, einer Rückkehr zum Gastarbeiter- beziehungsweise Rotationsmodell, kann nur gewarnt werden. Eine selektive Anwerbepolitik nach Nützlichkeitspunkten, verbunden mit einem radikalen Rückkehrzwang, ist menschenrechtlich nicht zu verantworten. Solch ein Konzept dient vielmehr dazu, die südlichen Anrainerstaaten des Mittelmeers und westafrikanische Staaten als Türsteher Europas in den Dienst zu nehmen.
Meine Damen und Herren, hat nicht die EU auch ein bisschen Verantwortung für sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge? Das betrifft auch Umweltveränderungen oder Klimawandel in den Herkunftsländern der Flüchtlinge. Die Welt wird in Zukunft neue und komplexe Formen von Flucht, Vertreibung und Migration erleben. Dabei gibt es Umweltflüchtlinge schon jetzt: Trinkwasserbrunnen werden durch Versalzung unbrauchbar, Weideland sowie Anbauflächen für Reis und andere Agrarprodukte gehen verloren. Die Folgen sind bekannt. Klima- und Umweltflüchtlinge finden aber bisher im deutschen, euro päischen und internationalen Flüchtlingsrecht keine Anerkennung.
Ich möchte Sie deshalb darum bitten, dass wir gemeinsam dafür streiten, dass statt der rigorosen Abschottungspolitik der EU-Staaten eine wirkliche Asylpolitik durchgeführt wird.
Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Als Erster hat ums Wort gebeten der Innenminister des Landes Herr Caffier. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE, in Ihrem Antrag plädieren Sie für eine dem Menschen und dem Völkerrecht gerecht werdende Einwanderungs- und Asylpolitik in der Europäischen Union. Sie sagen Nein zu dem Anfang Juli dieses Jahres zwischen den europäischen Innen- und Justizministern vereinbarten Pakt zur künftigen europäischen Einwanderungs- und Asylpolitik. Sie unterstellen unterschwellig, dass die Europäische Union wie auch die Bundesrepublik Deutschland derzeit eine an den Interessen von Flüchtlingen und Einwanderern vorbeigehende Politik betreiben.
Tatsache ist, dass die Europäische Union bereits seit Jahrzehnten ein Einwanderungsgebiet ist. Anfang 2006 hatten 18,5 Millionen Drittstaatenangehörige ihren Wohnsitz in der Europäischen Union. Das ist ein Anteil von 3,8 Prozent der Gesamtbevölkerung.
Zuwanderung ist grundsätzlich bedeutend für das wirtschaftliche Wachstum und das kulturelle Zusammenleben der Europäischen Union. Europa wird daher auch in Zukunft gerne Einwanderer begrüßen und aufnehmen.
(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Die wir gebrauchen können. – Peter Ritter, DIE LINKE: Sofern Sie uns nützen.)
Allerdings, und das dürfte auch Ihnen, meine sehr geehrten Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE klar sein, verfügt die Europäische Union nicht über unbegrenzte Kapazitäten.
Die Gemeinschaft kann nicht alle Ausländer, die sich hier ein besseres Leben erhoffen, in Würde aufnehmen.
Aus dem Grunde ist es wichtig und auch richtig, dass die Zuwanderung – auch unter Berücksichtigung der Möglichkeiten und Bedarfe der einzelnen Mitgliedsstaaten – wirksam gesteuert wird.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig. – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)
Mit dem europäischen Einwanderungsasylpakt sollen die zukünftigen politischen Weichenstellungen für die legale Zuwanderung in die Europäische Union festgelegt werden.
Lassen Sie mich kurz etwas zum Inhalt des Paktes sagen: Vor allem das Thema Arbeitsmigration wird in Zukunft eine stärkere Rolle spielen. Die Einwanderung von Fachkräften, die in den Mitgliedsstaaten entsprechend der jeweiligen Arbeitsmarktbedarfe gebraucht werden, soll erleichtert werden. Hochqualifizierte sollen beispielsweise nach amerikanischem Vorbild eine sogenannte EU-Bluecard erhalten. Hierbei entsteht eine Zugewinnsituation sowohl für die Europäische Gemeinschaft als auch für die Herkunftsländer, da beide von dem jeweils
mitgebrachten Wissen profitieren können. Integrationsmaßnahmen für Einwanderer sollen verstärkt werden, insbesondere der jeweilige Spracherwerb.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich halte diese Initiative grundsätzlich für sinnvoll. Eines kommt doch ganz deutlich zum Ausdruck: Europa geht es nicht darum, Einwanderung zu verhindern. Für Ausländer, die zum Beispiel aufgrund von Verfolgung zur Flucht aus ihrem Herkunftsland gezwungen sind oder die sich als Fachkräfte hier niederlassen wollen und bereit sind, sich zu integrieren,
Selbstverständlich, und dies liegt im Interesse sowohl der einheimischen Bevölkerung als auch der bereits hier lebenden Einwanderer,