Protocol of the Session on July 4, 2008

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch in inhaltlicher Hinsicht überzeugt mich der Antrag nicht. Bekanntermaßen regelt das Bundesdatenschutzgesetz das sogenannte Zweckbindungsprinzip, will heißen, dass personenbezogene Daten nur zu dem Zweck weiterverarbeitet werden dürfen, zu dem sie erhoben worden sind. Flankiert werden diese gesetzlichen Vorschriften durch eine höchstrichterliche Rechtsprechung, die gerade in letzter Zeit die Belange des Schutzes des Bürgers vor einer unzulässigen Weiterverwendung seiner personenbezogenen Daten nachhaltig stärkt. Mit anderen Worten: Das Bundesdatenschutzgesetz enthält ausreichende Schutzvorkehrungen gegen unzulässigen Datenmissbrauch, sodass ein Änderungsbedarf vorerst nicht erkennbar ist.

Soweit in dem Antrag eine Stärkung des Bewusstseins für die Notwendigkeit eines effektiven Datenschutzes in der Bevölkerung gefordert wird, so ist aus Sicht der Landesregierung ganz klar zu sagen, das Bundesda

tenschutzgesetz enthält die Forderung, dass Betriebe der Privatwirtschaft einen betrieblichen Datenschutzbeauftragten vorzuhalten haben. Dieser ist nicht nur für die Einhaltung des Datenschutzes, sondern auch für die Transparenz in diesem Themenbereich, wozu auch kontinuierliche Fortbildungsmaßnahmen für die Mitarbeiter gehören, in seinem Betrieb verantwortlich. Augenscheinlich haben doch diese Stellen bei den Vorgängen, die Anlass Ihres Antrages waren, versagt. Ist es das, was Sie in Ihrem Antrag mit Selbstverpflichtung der Wirtschaft meinen?

Der Bundesgesetzgeber hat sich mit guten Gründen dafür entschieden, den privaten Sektor überwiegend frei von staatlichen Eingriffsbefugnissen zu gestalten. Welche Rechte möchten Sie dem Staat als repressive Maßnahme gegenüber der Wirtschaft oder Privaten einräumen und unternehmen?

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Also wissen Sie, wenn es im Gesetz steht, dann kann man doch kontrollieren, ob sie das machen.)

In Mecklenburg obliegt – und jetzt wird es für Sie ganz spannend, liebe Kollegen von der linken Seite –, in Mecklenburg obliegt die Datenschutzaufsicht über die Privatwirtschaft dem Landesbeauftragten für den Datenschutz, einer unabhängigen Stelle. Dieser Stelle obliegt es, Unternehmen des Landes auf Einhaltung des Datenschutzes zu kontrollieren und gegebenenfalls auch fortzubilden.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ich erinnere mich noch sehr gut, als vor einigen Jahren diese Aufsichtstätigkeit vom Innenministerium auf den Landesbeauftragten übertragen wurde, wurde gerade von Ihrer Fraktion explizit positiv gewürdigt, dass dadurch eine große Unabhängigkeit durch mehr Staatsferne gewährleistet sei. Dazu passt es jetzt nun überhaupt nicht, wenn Ihre Forderung nach schärferen staatlichen Repressionen hier mit dem Antrag aufgemacht wird.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Da mir, wie gesagt, nicht bekannt ist, dass auch in Mecklenburg-Vorpommern Verbindungsdaten ausgespäht worden sind,

(Udo Pastörs, NPD: Das macht der Verfassungsschutz jeden Tag. Da haben Sie gar keine Kontrolle.)

kann ich auch nichts über die Qualität der Aufsichtstätigkeit des Landesbeauftragten für den Datenschutz in diesem Punkt sagen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ich habe jedoch ausreichendes Vertrauen in diese Behörde, dass sie ihren Aufgaben im erforderlichen Umfang nachgekommen ist und weiter nachkommt.

(Udo Pastörs, NPD: Das glaube ich.)

Jedenfalls ist das den in zweijährigen Abständen erschienenen Datenschutzberichten zu entnehmen, dessen letzte Ausgabe vor wenigen Wochen vorgelegt worden ist. Der Datenschutzbeauftragte, der stets darauf bedacht ist, auf seine Unabhängigkeit hinzuweisen, darf aber, das ist Ihnen sicherlich bekannt, als eine Stelle, die lediglich der Rechtsaufsicht der Landesregierung unterliegt, aus rechtsstaatlichen Gründen keine weitergehenden Eingriffsbefugnisse gegen die Privatwirtschaft erhalten.

Meine Damen und Herren, zusammenfassend lassen Sie mich feststellen, ich teile das Unbehagen, welches Sie mit dem Antrag zum Ausdruck bringen, und bin der Meinung, dass die Sachverhalte umfassend aufgeklärt und die Verantwortlichen zur Verantwortung gezogen werden müssen. Indes sehe ich keinen Bedarf für eine überstürzte Gesetzesänderung. Zum einen ist Bundesrecht angesprochen worden und zum anderen sollte von dem Prinzip der überwiegenden Staatsfreiheit im Bereich der Privatwirtschaft nicht abgewichen werden. Gleiches gilt für die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten des Landes. Und deswegen kann ich Ihren Antrag in der Form nicht nachvollziehen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Leonhard von der FDP.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Telekom-Abhörskandal hat gerade uns als Liberale schockiert. Er beweist einmal mehr, dass der Datenschutz in unserem Lande immer mehr zu einem Bürgerrecht zweiter Klasse wird

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Richtig.)

und zweitens Missbräuche oft gar nicht mehr als Missbräuche definiert werden.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das haben wir ja gerade gehört.)

Diesen Abstumpfungstendenzen und der Herabsetzung von Hemmschwellen müssen wir entschieden entgegentreten. Wir brauchen aus diesem Grund dringend eine gesamtgesellschaftliche Diskussion über den Stellenwert des Datenschutzes. Der Telekom-Fall zeigt auch exemplarisch, dass große Datenmengen die Gefahr des Missbrauchs erhöhen. Dies war im Übrigen einer der Gründe, weswegen die FDP im Bundestag die von der Großen Koalition eingeführten Vorratsspeicherungen von Telekommunikationsdaten strikt abgelehnt hat.

Unter dem Eindruck des 11. September 2001 wurde an die Bürgerrechte in wachsender Geschwindigkeit und an die Intensität die Axt gelegt. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an das sogenannte Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit und das Finanzmarktförderungsgesetz, mit dem das Bankgeheimnis quasi abgeschafft worden ist. Auch die Erhebung und Speicherung biometrischer Daten wurde eingeführt. Mit diesem Verhalten haben die rot-grüne Bundesregierung und die Große Koalition letztlich den Boden zur Aufgabe des Datenschutzes bereitet. In der letzten Zeit aufgedeckte Fälle belegen, wie wichtig effektiver Datenschutz auch im privaten Bereich ist. Die Unternehmen müssen den Schutz der informellen Selbstbestimmung gegenüber ihren Mitarbeitern wahren.

Was Sie aber, liebe Kollegen der Linksfraktion, hier als Antrag vorgelegt haben, ist in seiner Form untauglich, diese Probleme zu lösen. Sie benennen diese zwar, machen aber keinen einzigen Lösungsvorschlag. Aus Sicht der FDP-Fraktion und aus Sicht der Liberalen wären erstens die Stärkung der betrieblichen Datenschutzbeauftragten, zweitens ein verbessertes Sanktionssystem im Bundesdatenschutzgesetz, drittens eine umfassende Verbraucherinformation und viertens ein

konsequenterer Arbeiternehmerdatenschutz echte Antworten auf die gestellten Fragen. Dafür bietet aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, eine Ausschussberatung des Antrages die Möglichkeit, der Antrag in seiner Form jedoch nicht. Ich beantrage deshalb die Überweisung des Antrages in den Innenausschuss. – Vielen Dank.

Danke, Herr Leonhard.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dankert von der SPD.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Frau Borchardt, Sie haben vorhin etwas technisch angefangen mit dem Dringlichkeitsantrag und so weiter. Ich will vielleicht vorab auch etwas Technisches sagen. Bei Dimensionen oder bei Ausmaßen dieser Dimension,

(Udo Pastörs, NPD: Ausmaßen dieser Dimension!)

glaube ich, auch wenn es sich etwas flapsig anhört, kommt es auf einen Monat nicht an. Ich denke, wir sollten versuchen, das verfahrenstechnisch zu klären, denn wir haben von Zuständigkeiten und Empörungen gehört. Ich werde eines gleich vorwegsagen: Wir bitten, wenn Sie damit einverstanden sind, den Antrag ziffernweise abzustimmen. Es gibt nämlich zu beiden Ziffern auch eine differenzierte Haltung seitens der SPD-Fraktion. Übrigens, die FDP-Positionen auf Bundesebene sind gar nicht mal so schlecht, insbesondere was den Arbeitnehmerdatenschutz anbelangt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Michael Roolf, FDP: Eh!)

Ich hoffe, dass das zu gegebener Zeit dann auch im Bundestag wieder zu Früchten führt.

Es ist ganz klar, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass die jüngst bekannt gewordenen Überwachungs- und Ausspionierungsfälle der Telekom gegenüber ihren Angestellten sowie Dritten ein Skandal sind. Das darf nicht ohne Reaktionen bleiben, auch nicht ohne politische Reaktion. Insofern ist dieser Antrag in Ordnung. Als Landtag können wir uns politisch zu diesen Themen äußern, auch wenn hier und da die Zuständigkeit streng genommen nicht vorhanden ist. Wir kommen gleich zu Themen, wo wir möglicherweise selbst zuständig sind.

Bei der Telekom wurden systematisch Verbindungsdaten ausgespäht, um telefonische Kontakte zwischen Journalisten und Mitarbeitern des Unternehmens nachweisen zu können. Es wurden sogar interne und externe Mitarbeiter auf Betriebs- und Aufsichtsräte angesetzt. Die Telekom hat sich somit im Bereich Datenschutz quasi zur rechtsfreien Zone erklärt. Die bekannt gewordenen Fälle sind eklatante Verletzungen des Datenschutzes sowie des Fernmeldegeheimnisses. Zu den strafrechtlichen Dingen ist hier genug gesagt worden, darauf brauche ich nicht weiter einzugehen.

Es spricht sehr viel dafür, dass dieses leider kein Einzelfall ist. Wir kennen den Fall Lidl, da ist unser Datenschützer dran. Wir hören, dass die Bahn ebenfalls dieses ominöse Unternehmen in Ostberlin beauftragt hat. Da ist inzwischen einiges zusammengekommen. Zu befürchten ist, dass dort noch mehr im Köcher ist, wie man so schön sagt.

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Natürlich soll man sich wie immer vor der Verallgemeinerung hüten, aber es macht schon Sorge. Auch die Häufung dieser problematischen Fälle in prominenten deutschen Unternehmen zu bemerken, macht Sorge. Offenbar konnten da wohl einige den Begehrlichkeiten nicht widerstehen, die mit der Sammlung personenbezogener Daten verbunden sind. Früher wurden Postkutschen überfallen, heute sitzen die Datenräuber am PC, fast unauffällig und unbemerkt.

Damit ist es klar, meine Damen und Herren, wir leben in einer Informationsgesellschaft. Früher brauchte ein Kurier zwei Wochen, falls er ankam, um eine Nachricht zu überbringen, heute genügt ein Knopfdruck, um das Millionenfache von Informationen in kürzesten Zeiten über alle mögliche Datenleitungen und sogar durch die Luft zu jagen. Deswegen braucht es Vertrauen in diese Systeme. Aber nur ein wirksamer Datenschutz schafft Vertrauen. Ansonsten wird jeder beim einfachen Telefonieren Misstrauen haben. Das wollen wir nicht. Das kennen wir irgendwoher, aber das wollen wir nicht wiederhaben.

Gerade deswegen sind Wirtschaftsunternehmen in der Pflicht, Persönlichkeitsrechte sowie das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zu respektieren und in ihrer Unternehmenspolitik anzuwenden. Das gebieten Rechtsstaat und Moral. Eigentlich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass Daten nicht zu gesetzwidrigen Zwecken missbraucht werden. Die Wirtschaft darf den Datenschutz als lästige Pflichtübung verstehen. Die jüngsten Ereignisse, nicht nur bei der Telekom, zeigen, dass das Datenschutzbewusstsein und die Datenschutzkultur in der Wirtschaft dringend verbessert werden müssen. Unternehmensspionage darf nicht mit Mitarbeiterspionage bekämpft werden.

Meine Damen und Herren, in diesem Antrag wird behauptet, dass bestehende datenschutzrechtliche Gesetzeslücken geschlossen werden müssen, jedoch ohne diese im konkreten Fall aufzuzeigen. Das ist uns zu pauschal. Aber bei den Vorgängen der Telekom handelt es sich ganz offensichtlich um einen Rechtsbruch. Das ist ein Verstoß gegen bestehende Gesetze. Es geht also primär nicht um schärfere Gesetze, sondern um die konsequente Einhaltung dieser. Ich denke, hier sind die Behörden dran und wir werden sehen, was sie dann zutage schaffen.

Es geht um die richtigen Schlussfolgerungen. Insbesondere sind folgende Fragen zu prüfen: Funktionieren im Rahmen der bestehenden Gesetze die institutionellen Vorkehrungen in den Unternehmen tatsächlich hinreichend gut? Reichen die institutionellen Vorkehrungen? Da ist sicherlich die Wirtschaft gefordert. Aber vieles spricht schon jetzt dafür, dass es nicht genügt, auf die Selbstheilungskräfte und die freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft zu setzen. Sollte es sich zeigen, dass zusätzliche Vorkehrungen benötigt werden, müssen diese geschaffen werden. Die Bürger, also wir alle, müssen sicher sein, dass die Gesetze eingehalten werden. Das muss der Staat garantieren.

(Udo Pastörs, NPD: Kann er nicht.)

Der Staat muss in der Lage sein, das Recht auch durchzusetzen. Die Kontrolldichte muss erhöht und ein Missbrauch frühzeitig aufgedeckt werden. Wir brauchen ein effizientes System, das bei Rechtsverstößen abschreckende Wirkung entfaltet. Denkbar wäre es, den Bußgeldrahmen für die Ahndung von Datenschutzverstö

ßen zu erhöhen. Ferner muss diskutiert werden, was der betriebliche Datenschutz kann und darf. Offensichtlich ist das eine bisher relativ schwach ausgebildete Institution – wir haben es an anderer Stelle auch schon gehört – und insoweit eine durchaus inhaltliche Übereinstimmung mit der Ziffer 2 Ihres Antrages. Was mich und uns allerdings stört, ist diese pauschale Behauptung, dass Sicherheitsgesetze den Missbrauch fördern beziehungsweise gerade dazu einladen sollen. Diese Behauptung ist unserer Meinung nach haltlos. Es ist auch nicht nachvollziehbar, was das mit den Folgen bei der Deutschen Telekom AG zu tun haben soll.

Gesetzliche Befugnisse für die Sicherheitsbehörden sind an enge Tatbestandsvoraussetzungen geknüpft und unterliegen dem Richtervorbehalt. Bei Sicherheitsgesetzen geht es darum, dass man solche Daten nur dann in Anspruch nehmen kann, wenn ein Verdacht auf eine strafbare Handlung oder auf eine terroristische Aktivität vorhanden ist. Verkehrs- und Geschäftsdaten, die die Telekom zum Beispiel für ihre Geschäfte benötigt, sind nicht gleichzusetzen mit den Daten, die wir für die Kriminalitätsbekämpfung und die Verhinderung von Terrorismus brauchen.

Das Fazit meiner kurzen Ausführung ist allerdings: Die Schwachstelle beim Datenschutz ist ganz offensichtlich die Wirtschaft und nicht der Staat.

Die ziffernweise Abstimmung über diesen Antrag hatte ich bereits beantragt.