Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist einfach in der Situation so, dass tatsächlich, ich denke einmal an Frankreich, Chirac als Präsident einen Denkzettel bekommen und sein ungeliebter Premier Raffarin diesbezüglich auch einmal die Quittung erhalten sollte. Und dann entstehen solche Referenden. wenn Sie im Umkehrschluss sehen und sagen, es hätte ja auch 51:49 für die EU-Verfassung ausgehen können,
was wäre denn dann gewesen? Sie hätten dann gesagt, eine repräsentative Mehrheit hat im Prinzip eine repräsentative 49-Prozent-Minderheit überstimmt.
Was ist denn da im EU-Verfassungsprozess, was Volkes Wille ist, wohl ausgewogen? Sie können mit Ja oder Nein stimmen und haben kein einheitliches Votum. Und deshalb haben wir auch die Hürden innerhalb unserer Demokratie, was völkerrechtliche Verträge betrifft, sehr, sehr hoch gesetzt.
Der Deutsche Bundestag braucht die Zweidrittelmehrheit, um diesen EU-Verfassungsvertrag, den Reformvertrag letztendlich zu ratifi zieren, der Bundesrat genauso. Ich erinnere nur daran, als das auf der Agenda war und DIE LINKE in Regierungsverantwortung war,
(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, ja, da haben Sie aber schon gezittert. – Beifall und Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der CDU und DIE LINKE)
wie damals zur EU-Verfassung als einziges Bundesland Mecklenburg-Vorpommern sich enthalten hat. Sogar Ihre roten Genossen in Berlin haben da zugestimmt. Das müssen Sie sich einmal auf der Zunge zerlassen lassen. Wir sind eines der größten Zielgebiete, das europäische Förderung bekommt, damit hier Wirtschaftsentwicklung entsteht.
Und deshalb nehme ich Ihnen das nicht ab, was Sie immer wieder sagen. Wir sind eigentlich die Hüter und die Wächter der Demokratie.
Ich bin 52 Jahre alt und habe 34 Jahre davon in der DDR gelebt. Ich weiß, was die Heil bringende Demokratie der Diktatur der Arbeiterklasse alles für tolle Dinge mit sich gebracht hat mit ihrer führenden Partei.
Ich sage Ihnen, wenn wir damals nur einen Bruchteil der Demokratie und der Mitbestimmung, die wir jetzt haben, gehabt hätten, dann hätten wir uns darüber gefreut.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Udo Pastörs, NPD: Bravo! Bravo! – Zuruf von Jörg Vierkant, CDU)
Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der NPD der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende Herr Pastörs.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dieser wundervollen Büttenrede von der CDU, wir konnten uns ja wirklich des Lachens nicht erwehren, dürfen Sie jetzt wieder schimpfen.
Ich stelle die Frage: Wollen die Völker Europas überhaupt die Europäische Union in der Form, wie man sie ihnen aufgezwungen hat? Diese Frage zu beantworten, wäre natürlich nur möglich, wenn man mittels einer Volksabstimmung den Völkern die Gelegenheit gäbe, hierüber selbst zu befi nden. Und genau dies geschieht nicht. Ja, man wagte es sogar nicht, nachdem die Volksabstimmungen über die sogenannte EU-Verfassung durch das französische und niederländische Staatsvolk abgelehnt wurden, weitere Abstimmungen in anderen europäischen Ländern durchzuführen. Was uns Deutsche angeht, stellt sich die Abstimmungsfrage erst gar nicht, da die Siegermächte peinlichst darauf geachtet haben, im Grundgesetz Volksabstimmungen nicht vorzusehen, um der Stimme des Volkes keinen Raum zu bieten.
Der jetzt vorgelegte EU-Reformvertrag vom 18. Oktober 2007 zwischen den Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten stellt einen neuen Versuch dar, die Völker Europas gänzlich ihrer nationalen Souveränität zu berauben.
Wie schon bei der EU-Verfassung sollen grundsätzliche Bereiche und Gestaltungskompetenzen wie Währungsfragen, Landwirtschaft, Außenhandel, Umwelt, Verkehr sowie Verbraucherschutz auf Brüssel verlagert werden. Damit bekäme die EU nicht nur de facto, sondern auch de jure den Statuts eines Monsterbundesstaates, meine Damen und Herren. Der so aufgewerteten Eurokratenzentrale würde das ausschließliche oder konkurrierende Gesetzgebungsrecht für die genannten Rechtsgebiete übertragen werden. Diese Kompetenzaufteilung zwischen Union und Mitgliedsstaaten unterscheidet sich nicht wesentlich von den Kompetenzaufteilungen zwischen den Organen innerhalb eines Nationalstaates. Dies aber ist mit dem völkerrechtlichen Verständnis einer zwischenstaatlichen Vereinbarung nicht vereinbar, womit wir es mit einer nicht legitimierten Verfassung für den Pseudobundesstaat EU zu tun hätten.
Der renommierte Verfassungsrechtler Professor Dr. Karl Albrecht Schachtschneider hat bereits in seiner Verfassungsbeschwerde gegen den EU-Verfassungsvertrag dargelegt, dass viele Bestimmungen Kompetenzkompetenzen gleichkommen, sprich der Ermächtigung der EU, neue Kompetenzen einzuführen. Nicht anders ist es beim nun vorgelegten Reformvertrag. Dem ist zu wehren, da ansonsten auch noch der Rest nationalstaatlicher Entscheidungskompetenz auf dem Altar eines EU-Konstruktes geopfert würde, bei dem nicht die Interessen der Völker im Vordergrund stehen, sondern die Interessen der auf globalisiertes Ausplündern programmierten Großkonzerne. Die NPD lehnt, wie Sie sich sicher denken können, nicht nur den Reformvertrag von Lissabon grundsätzlich ab, sondern fordert die Rückgewinnung nationaler Eigenständigkeiten, notfalls auch durch einen Austritt aus dieser EU.
Im Übrigen fordern wir nicht nur in Bezug auf den Lissabonvertrag, sondern generell in allen grundsätzlichen Dingen, Volksbefragungen und natürlich auch Abstim
mungen durchzuführen. Es mutet sich wie ein Treppenwitz der Geschichte an, meine Herrschaften, dass im kläglich gescheiterten NPD-Verbotsverfahren unter anderem dieser Punkt als Verbotsgrund mit aufgeführt wurde. Dem Antrag der Postkommunisten, dass hierüber weiter debattiert werden sollte, stimmen wir allerdings zu.
Es hat jetzt das Wort für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Borchardt. Bitte, Frau Abgeordnete.
Zunächst gestatten Sie mir ein Wort an Herrn Kuhn. Herr Kuhn, wir haben uns absichtlich heute nicht dazu verständigen wollen, ob wir für oder gegen den Vertrag sind.
Aber ich bin sehr dankbar dafür, dass Sie zum Beispiel herausgearbeitet haben, dass es zukünftig, wenn dieser Vertrag angenommen wird, in Europa möglich ist, ein Volksbegehren durchzuführen. Und nun frage ich Sie: Wie werden dann die Argumente für Sie sein, wenn die Bürgerinnen und Bürger dieses Recht wahrnehmen? Wie wird es dann sein mit dem Grundgesetz, mit dem Anliegen der Bürgerinnen und Bürger? Also es ist doch auf der einen Seite auch irgendwie hanebüchen. Sie befürworten den Vertrag, wo ein Bürgerbegehren festgeschrieben wird und sagen Nein zur Veränderung des Grundgesetzes,
wo wir vom Prinzip her die Voraussetzungen für ein Bürgerbegehren in unserem eigenen Land schaffen sollen. Also das ist doch widersprüchlich ohne Ende.
Wir haben uns alle recht amüsiert über die Art und Weise des Vortrages. Für mich ist es nur langsam ein wenig traurig, dass wir über die Frage Europa nicht ernsthaft nachdenken, und zwar in dem Zusammenhang, wie wir den Menschen Europa näherbringen können. Dass da eine große Kluft besteht, darüber sind wir uns doch einig. Es wäre natürlich die Möglichkeit gewesen und würde sein, wenn wir eine Befragung durchführen, dass wir alle, und zwar alle demokratischen Parteien im Land Mecklenburg-Vorpommern und darüber hinaus für oder gegen die Argumente für diesen Vertrag streiten und somit ins Gespräch kommen, welchen Mehrwert dieser Vertrag hat, welchen Mehrwert Europa für die Bürgerinnen und Bürger hat oder was geändert werden muss. Aber das alles wollen Sie nicht. Sie wollen vom Prinzip her nicht, dass man in Mecklenburg-Vorpommern Europa besser erleben lernt und einfach auch versucht, nachzuvollziehen, welche Rechte, welche Pfl ichten die Bürgerinnen und Bürger, die einzelnen Strukturen im Land, in Europa haben.
Herr Müller, an Sie möchte ich nur eins richten: Es ist richtig, wir haben uns in der letzten Wahlperiode zum Volksbegehren, zum Vertrag oder zu der Verfassung nicht geeinigt, nicht verständigt oder geäußert. Damals war aber klar, dass wir in der Koalition, im Bundesrat Nein sagen. Und wozu sollen wir ein Volksbegehren erwarten oder
durchführen lassen wollen, wo wir vom Prinzip her von vornherein Nein zu diesem Vertrag, Nein zu dieser Verfassung gesagt haben? Das wäre auch widersprüchlich. Ich denke aber, dass wir gerade in der letzten Wahlperiode gemeinsam mit der Fraktion der CDU viele Anträge gestellt haben, die im Zusammenhang mit der Europapolitik gestanden haben. Und das wäre doch eigentlich ganz gut, wenn wir zu dieser Arbeitsweise wieder zurückfi nden könnten.
Aber wenn man sich das ganz genau anguckt – und wir werden uns ja nachher auch zu den Fragen des interkulturellen Jahres der EU noch mal verständigen –, als im vergangenen Jahr die Kanzlerin die EU-Präsidentschaft hatte, stand jeden Tag etwas von Europa drin. Da haben wir hier im Land vieles unternommen. In diesem Jahr habe ich noch wenig Aktivitäten gesehen beziehungsweise kennengelernt, sowohl vonseiten des Parlamentes, aber auch von vonseiten der Regierung beziehungsweise dem, was in der Öffentlichkeit da ist.
Wenn es um direkte Demokratie geht, das habe ich nun wieder verstehen müssen, lernen Sie einfach nicht dazu. Sie stecken immer noch in der Pubertät. Sie verschonen uns nach wie vor nicht damit, dass Sie, meine Damen und Herren von der CDU, von der SPD, im Grunde genommen die Elemente der direkten Demokratie einfach nicht aufwerten wollen und überhaupt in Anspruch nehmen lassen wollen. Sie wissen auch ganz genau, dass es dafür keinen Beleg gibt, dass die demokratischen Rechte, die direkten Rechte, die Stärkung der direkten Demokratie in irgendeiner Weise gegen die Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland wirken könnten. Und ich frage mich: Misstrauen SPD und CDU der rechtsstaatlichen Reife der Bürgerinnen und Bürger auch nach über 60 Jahren Demokratie in Deutschland so sehr, dass man sie weiterhin nur wählen und nicht über Grundsatzentscheidungen abstimmen lässt?
Meine Damen und Herren, sollte kein Referendum über den EU-Reformvertrag durchgeführt werden, dann wird dies ein weiterer Beleg dafür sein, dass sich die Bundesrepublik Deutschland immer mehr zu einer Zuschauerdemokratie entwickelt. Wichtige politische Prozesse werden nicht offen unter Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger diskutiert. Der Vertrag wurde hinter verschlossenen Türen ausgehandelt. Es wurde um Macht und Einfl uss geschachert. Das haben wir doch live miterleben können, auch bis zum Vortag des Abschlusses, den die Bundeskanzlerin eingeläutet hat. Heraus kam dann ein Vertrag, der schlichtweg unleserlich war, und ich füge hinzu, auch diejenigen, die später darüber zu befi nden haben, haben nicht gewusst, was drinsteht.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang an ein Zitat von Jean-Claude Juncker, der anlässlich des letzten europäischen Konvents sagte: „Ich bin jetzt 20 Jahre in europäischer Politik engagiert. Ich habe noch nie eine derartige Untransparenz, eine völlig undurchsichtige, sich dem demokratischen Wettbewerb der Ideen im Vorfeld der Formulierung entziehende Veranstaltung erlebt. Der Konvent ist angekündigt worden als die große Demokratie-Show. Ich habe noch keine dunklere Dunkelkammer gesehen als den Konvent.“
Meine Damen und Herren, diese Aussagen treffen natürlich auch für die Verhandlungen des EU-Reformvertrages zu, denn was wir erlebt haben, waren einzelne Verhandlungen mit einzelnen Ländern, so nach dem Motto: „Wir müssen euch irgendwie kriegen. Was willst du? Dafür bekommst du dies oder das.“, sodass dieser Reformver