Protocol of the Session on October 17, 2007

Von der Fraktion DIE LINKE liegt Ihnen auf Drucksache 5/934 ein Antrag zum Thema „Energiepreiserhöhungen nicht akzeptieren“ vor. Auf Wunsch der Antragsteller soll die Tagesordnung um diesen Antrag erweitert werden. Gemäß Paragraf 74 Ziffer 1 unserer Geschäftsordnung kann diese Vorlage beraten werden, wenn zwei Drittel der Mitglieder des Landtages die Dringlichkeit bejahen. Zugleich muss die Einreihung in die Tagesordnung beschlossen werden.

Wird das Wort zur Begründung der Dringlichkeit gewünscht? – Das ist der Fall.

Herr Abgeordneter Holter, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Anfang der Woche erreichte uns und die Menschen im Land die Nachricht, dass die Gas- und Strompreise erneut erhöht werden sollen. Deswegen sind wir als LINKE der Auffassung, dass sich der Landtag in dieser Sitzung mit diesem Thema beschäftigen sollte, weil die Bürgerinnen und Bürger, die Einwohnerinnen und Einwohner des Landes ein klares politisches Signal von uns erwarten können. Wir sollten ihnen dieses Signal geben, und zwar in der Form, dass wir a) die Erhöhung dieser Gas- und Strompreise nicht nachvollziehen können, b) sie auch für nicht akzeptabel halten und c) der Auffassung sind, dass die Koppelung an die Rohölpreise in Zukunft nicht mehr stattfi nden soll.

Die unmittelbare Reaktion des Landtages ist auch darin begründet, dass die außerordentlich hohe Preiserhöhung, die jetzt vorgenommen werden soll, sich natürlich auf die Taschen der Bürgerinnen und Bürger niederschlagen wird, aber auch Geschäftskunden davon betroffen sind, und letztendlich diese Preiserhöhungen auf die Endverbraucher, die Menschen im Land, weitergereicht werden.

Es besteht außerdem aktueller Handlungsbedarf. Wir wollen, dass die Regierung gegenüber der Bundesregierung beziehungsweise dem Bundeskartellamt aktiv wird, auf der einen Seite die kartellrechtliche Prüfung dieser Preiserhöhung einleitet und darüber hinaus Beschwerde beim Bundeskartellamt einlegt, um zukünftige Preiserhöhungen dieser Art zu verhindern. – Ich bitte um die Aufsetzung auf die Tagesordnung. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Holter.

Das Wort zur Gegenrede wird offensichtlich gewünscht. – Herr Glawe, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Dringlichkeit sehen wir als nicht gegeben an,

(Heiterkeit bei Gabriele Měšťan, DIE LINKE, und Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

diese Regierung hat schon seit Anfang dieser Woche gehandelt.

(Zurufe von Andreas Bluhm, DIE LINKE, und Peter Ritter, DIE LINKE)

Alle Dinge, die DIE LINKE aufgeschrieben hat, sind schon durch die Regierung umgesetzt

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das möchte ich sehen, Herr Glawe.)

oder auf Bundesebene angefragt worden. Daher ist die Dringlichkeit nicht gegeben. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Angelika Gramkow, DIE LINKE: Da war Ihr Wirtschaftsminister aber wenigstens schneller und klüger gestern. – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Der Wirtschaftsminister hat es erfasst gehabt. – Zuruf von Gabriele Měšťan, DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Glawe.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir kommen jetzt zur Abstimmung darüber, ob die Tagesordnung um diese Vorlage erweitert werden soll. Ich frage zunächst: Wer stimmt der Erweiterung der Tagesordnung um diese Vorlage zu? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? –

(Gabriele Měšťan, DIE LINKE, Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE, und Peter Ritter, DIE LINKE: Auszählen!)

Wir wiederholen noch einmal die Abstimmung und lassen wie beantragt zählen. Wer stimmt der Aufsetzung dieser Vorlage auf die Tagesordnung zu? – Damit haben 22 Abgeordnete für die Aufsetzung auf die Tagesordnung gestimmt. Wer stimmt dagegen? – 29 Abgeordnete haben die Erweiterung der Tagesordnung um diese Vorlage abgelehnt. Damit ist die Erweiterung der Tagesordnung abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 3: Zweite Lesung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Fraktion der Linkspartei.PDS – Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung von Initiativen aus dem Volk, Volksbegehren und Volksentscheid in Mecklenburg-Vorpommern (Volksabstim- mungsgesetz – VaG M-V), auf Drucksache 5/595.

Gesetzentwurf der Fraktion der Linkspartei.PDS: Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung von Initiativen aus dem Volk, Volksbegehren und Volksentscheid in Mecklenburg-Vorpommern

(Volksabstimmungsgesetz – VaG M-V) (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 5/595 –

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 5/932 –

In der 19. Sitzung des Landtages am 13.06.2007 ist die Überweisung dieses Gesetzentwurfes in die Ausschüsse abgelehnt worden. Gemäß Paragraf 48 Absatz 3 der Geschäftsordnung des Landtages wird der Gesetzentwurf spätestens nach drei Monaten zur Zweiten Lesung auf die Tagesordnung gesetzt.

Zu diesem Gesetzentwurf liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/932 vor.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst die Abgeordnete Frau Borchardt von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir kommen heute zur Zweiten Lesung des Gesetzentwurfes zur Änderung des Volksabstimmungsgesetzes. Leider haben Sie, meine Damen und Herren, es nicht für nötig gehalten, diesen Entwurf – im Übrigen guten Entwurf – zur Ausschussberatung zu überweisen. Dass wir das für einen miserablen parlamentarischen Stil halten, brauche ich wohl nicht weiter zu erläutern.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Die Koalition muss wissen, dass eine derartige Praxis die parlamentarische Kultur beschädigt.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Und in der Tat gibt es weder Grund noch Anlass dafür, denn wir haben einen sachlich wohlbegründeten Gesetzestext vorgelegt. Das mag der Koalition nicht schmecken. Natürlich wissen wir, meine Damen und Herren von der Koalition, dass Sie das Thema Plebiszite nicht mögen und daher auch nicht darüber reden wollen. Dass die CDU mit direkter Demokratie bekannterweise rein gar nichts am Hut hat, dazu muss man nicht Eulen nach Athen tragen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Die müssen von Bayern lernen!)

Es genügt, darauf zu verweisen, dass der Kollege Dr. Storch in der Ersten Lesung im Prinzip auf die im Übrigen sehr dürftigen Bemerkungen des Innenministers verwies. Und er plauderte dann lediglich nach, was seit ewigen Zeiten aus der konservativen Ecke kommt. Ich zitiere: „Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte, vor allem in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts, sollte Wert darauf gelegt werden, dass die politische Stabilität des parlamentarischen Regierungssystems stets abgesichert ist.“

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ihnen passt, kurz gesagt, die ganze Richtung nicht. Nur hätten Sie das geradeaus sagen sollen. Ihre Märchen über die Gefährlichkeit von Plebisziten sind längst überholt und sie stellen schon gar nicht das parlamenta

rische System infrage. Dann wären derartige Verfahren nämlich verboten. Im Gegenteil, es ist mittlerweile eine Binsenweisheit, dass Volksabstimmungsverfahren das repräsentative System berechtigterweise ergänzen, und es ist allgemeiner Standard in den politischen und rechtlichen Auffassungen. Das wissen Sie auch ganz genau, meine Damen und Herren von der Koalition. Und genau in diesem Sinne sind ja auch die Verfassungsregelungen fl ächendeckend in den Bundesländern ausgestaltet und vielfach beachtlich ausgebaut worden.

Ich habe noch nirgendwo gehört oder gelesen, dass beispielsweise das repräsentative System in Bayern beschädigt worden ist. Denn Bayern hat wohl die wirksamste und weitreichendste, ich sage sogar, die fortschrittlichste Verfassungs- und Gesetzesregelung des Volksabstimmungsverfahrens. Und dort, wie auch woanders, leistet man sich ganz selbstverständlich und ungeniert die Verfassungsbestimmung, dass der Landtag durch Volksentscheid und Volksabstimmung aufgelöst werden kann, und zwar bei vergleichsweise niedrigen Hürden.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das ist Bayern.)

Es klingt zwar zunächst anders, wenn man sieht, dass eine Million Stimmen gesammelt werden müssen, um das Volksabstimmungsverfahren in Gang zu setzen, nur sind das lediglich zehn Prozent der Wahlbeteiligten. Ein Volksbegehren zu anderen Fragen kann man dort mit 25.000 Unterschriften erreichen. Das sind sage und schreibe nicht einmal 0,3 Prozent der Wahlberechtigten. Hinzu kommt, dass in Bayern, wie übrigens auch in Hessen, alle verfassungsändernden Gesetze obligatorisch und automatisch einer Volksabstimmung unterliegen. Ja, meine Damen und Herren, insbesondere von der CDU, hier könnte man so schön sagen: Von Bayern und der CSU lernen, heißt siegen lernen. Jedenfalls in diesem Punkt.

(Heiterkeit bei Hans Kreher, FDP, und Toralf Schnur, FDP)

Aber die Krönung ist die Auffassung des Innenministers, der uns nun wirklich allen Ernstes weismachen wollte, dass so etwas verfassungswidrig sei.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das ist ja wie auf dem Oktoberfest heute.)

Und ich will auch gleich ein paar Beispiele sagen, wie segens- und folgenreich diese Verfahren sein könnten, wenn die Rechtsgrundlagen vernünftig sind:

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Wir führen dafür Oktoberfeste durch.)

In Bayern ist 1968 durch Volksabstimmung die Bekenntnisschule abgeschafft worden, 1973 ist dort das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem festgeschrieben worden, 1984 wurde der Umweltschutz in die Verfassung verankert, 1991 hat eine Volksabstimmung eine deutliche Verbesserung des bayerischen Müllkonzeptes bewirkt und 1995 ist der kommunale Bürgerentscheid in die Verfassung aufgenommen worden.

(Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Hört, hört!)

Und da frage ich: Was ist daran gefährlich für das repräsentative System, meine Damen und Herren?