Protocol of the Session on September 20, 2007

Danke schön, Herr Minister.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Vizepräsident Herr Kreher. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist wieder so ein Thema, das mich immer wieder innerlich erregt. 1989/90 haben wir erreicht, dass wir zu einer weltoffenen Gesellschaft hier werden konnten,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

dass wir die Voraussetzungen dafür geschaffen haben. Ich war damals sehr intensiv im Neuen Forum dabei. Als Liberaler habe ich mich hier in den Kirchen, auf den Straßen bei Montagsdemos oder in Wismar bei den Donnerstagsdemos dafür eingesetzt, dass wir zu dieser weltoffenen Gesellschaft kommen konnten. Deshalb war ich dann, als Lichtenhagen geschah, besonders deprimiert, dass das passieren konnte. Wir wollten weltoffen sein

(Raimund Borrmann, NPD: Das seid ihr doch gar nicht.)

und das hat mich wirklich so geärgert.

Meine Damen und Herren, wir müssen natürlich darüber nachdenken, auch wenn da hinten jetzt wieder jemand schreit, wir müssen darüber nachdenken, dass wir natürlich in den Jahren vorher, und das sehe ich als einen Hauptgrund mit an, dass wir in den Jahren vorher es auch nicht gelernt hatten, so mit Ausländern umzugehen, wie das notwendig ist.

(Beifall Gino Leonhard, FDP, und Michael Roolf, FDP – Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig. Genau das.)

Deshalb war das damals auch für die damalige Regierung – ich weiß, wie das damals war – so schwer. Plötzlich diese vielen Asylanten, plötzlich die Ausländer – wir waren darauf weder in der damaligen neuen Regierung hier im Land noch in der Bevölkerung eingestellt.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Absolut richtig.)

Deshalb begrüße ich es jetzt umso mehr, dass in Rostock eine so starke Initiative entstanden ist, „Bunt statt braun“. Deshalb begrüße ich es auch, dass in Wismar, wenn ich den Spiegelberg entlanggehe, überall in den Fenstern hängt „Bildung für Nazis!“.

(Beifall Gino Leonhard, FDP, Michael Roolf, FDP, und Udo Pastörs, NPD)

Das kann ich nur begrüßen, meine Damen und Herren, dass die Bevölkerung jetzt wirklich merkt, wir haben hier im Land etwas erreicht, und das gilt es zu verteidigen, und dass man sich offen zeigt, dass wir diese weltoffene Gesellschaft, dieses demokratische System hier im Land haben wollen.

Deshalb, meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, wir haben hier den Auftrag, da gemeinsam zusammenzustehen. Deshalb schließe ich mich den Bitten des Sozialministers an. Wir wollen hier gemeinsam zeigen, wo wir stehen, für was wir stehen, für welche Werte wir stehen.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

In diesem Sinne werbe ich für einen gemeinsamen Antrag und der liegt uns ja auch vor. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, FDP und Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Danke, Herr Abgeordneter.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU der Fraktionsvorsitzende Herr Jäger. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Danke schön, Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte mich zunächst beim Sozialminister bedanken für das, was er gesagt hat. Das war diesem Hohen Haus auch würdig.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD, Wolf-Dieter Ringguth, CDU, Jörg Vierkant, CDU und Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Herr Methling, ich hatte Ihnen im Vorfeld gesagt, der Begriff „Pogrom“ ist für mich so geprägt. Und ich sage das noch mal: Die Geschichte verbietet es, dass wir für das Ereignis in Rostock den Begriff „Pogrom“ verwenden, so schlimm wie es war.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Richtig, sehr richtig.)

Denken Sie bitte daran, wie Sie denjenigen Menschen wehtun, die nicht nur über Jahre, über Jahrzehnte, ja, über Jahrhunderte unter Pogromen gelitten haben. Das ist im Wesentlichen die europäische jüdische Bevölkerung gewesen. Und Rostock-Lichtenhagen war in diesem Sinne kein Pogrom, es war etwas Schlimmes. Ich will gleich sagen, was ich vermute, weil ich Zeitzeuge allerdings von Berlin aus war und weil Ihr Versuch, die Geschichte ein Stück in die richtige Richtung aus Ihrer Sicht zu schieben, natürlich falsch geht. Die SPD hatte es damals überhaupt nicht nötig, von irgendjemand mit Lichtenhagen erpresst zu werden. Es war damals eine Situation in der Bundesrepublik Deutschland, die mit der heutigen überhaupt nicht zu vergleichen ist. Wir hatten damals Asylbewerberzahlen, mit denen selbst die alten Länder nicht mehr zurechtkamen – eine andere Situation, als wir sie heute haben. Gott sei Dank!

(Irene Müller, DIE LINKE: Bitte?!)

Und, das muss ich auch deutlich sagen, aus heutiger Sicht gesehen ist genau das passiert, was Herr Kreher beklagt hat. Ich gehöre zu denjenigen, die von der anderen Seite erst einmal darauf geguckt haben. Wir haben damals alle zusammen nicht erkannt, was wir den Menschen in den neuen Bundesländern antun, als wir es nicht verhindert haben, dass die Verteilung von Asylbewerbern derartig unvorbereitet auf die neuen Länder kam. Das bekenne ich aus heutiger Sicht, wir haben nicht erkannt, dass durch die Vorgeschichte, die Herr Kreher sehr viel besser hier schildern konnte als ich, weil ich da nicht Zeitzeuge war, die Menschen darauf nicht vorbereitet waren, mit Ausländern umzugehen, mit Nichtvorzeigeausländern. Herr Methling, dazu kann ich wirklich etwas sagen, denn ich habe die vietnamesische Bevölkerung in Berlin kennengelernt. Wir waren genötigt, sie zu schützen, wir mussten sie schützen und wir haben dies natürlich aus Überzeugung getan.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Die Gesellschaft der DDR …

Ja, ja, meine Herren da an der Ecke, das sage ich Ihnen, für mich sind Menschen gleich, wenn sie angegriffen werden, egal welche Hautfarbe sie haben.

(Udo Pastörs, NPD: Für mich auch. – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Den Beweis durfte ich persönlich erbringen und darauf bin ich auch sehr stolz. Sie sollten sich schämen!

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP)

Sie sollten sich schämen, dass Sie, was Menschenwürde angeht, differenzieren zwischen Hautfarbe, zwischen Geschlecht und zwischen Dingen, die Menschen trennen und unterscheiden. Die Menschenwürde, Gott sei Dank, in diesem Grundgesetz, in diesem Land,

(Michael Andrejewski, NPD: Das wird bei Ihnen zur Phrase.)

in dieser Verfassung ist unantastbar, unabhängig von Nationalität, von dem, was Menschen glauben, und wo sie herkommen.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Und dabei wollen wir auch bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE, FDP und NPD)

Meine Damen und Herren, ich bin sehr froh, dass in diesem Hause in so grundsätzlichen Fragen so viel Übereinstimmung herrscht, trotz der von mir gezeigten Verärgerung über die Verwendung des Begriffes „Pogrom“, trotz der Schuldzuweisung, die Sie sich nicht verkneifen konnten, Herr Methling. Es war nicht so, wie Sie sagen. Es war einfach wirklich eine Überforderung.

(Zuruf von Birgit Schwebs, DIE LINKE)

Die Untersuchungen, die damals angestellt wurden, haben das gezeigt. Dass das geschürt worden ist von Brandstiftern, das gestehe ich gerne zu. Das muss ich auch sagen, das war das Infame und das Schlimme, dass Leute dann hierher kamen und haben die Leute aufgehetzt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und FDP)

Und deswegen, Ihre Freude und Ihr Beifall haben Sie wieder entlarvt, meine Herren. Das schadet heute noch unserem Lande. Wir hatten einmal geglaubt,

(Zuruf aus der Fraktion der NPD)

dass wir sagen, Rostock …

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Wissen Sie, wenn man keinen Verstand hat, um so etwas zu begreifen, sollte man sich sogar dazu überwinden, nichts zu sagen.

Wir wünschen uns, wir Demokraten in diesem Lande wünschen uns, dass wir einmal sagen können, und daran arbeiten wir,

(Stefan Köster, NPD: Träumen Sie weiter!)

dass Rostock-Lichtenhagen Geschichte ist und dass Rostock-Lichtenhagen, das heißt die Vorfälle am Sonnenblumenhaus, nach unserer festen Überzeugung so nicht wieder vorkommen können. Daran arbeiten wir gemeinsam. Deswegen meine herzliche Bitte – das ist das friedfertige an diesem Abend –, lassen Sie uns den Änderungsantrag gemeinsam beschließen. Dann können wir noch einmal darüber reden, ob es eigentlich noch Sinn macht, denn der Sozialminister hat in so umfänglicher Weise vorgetragen, dass sich eigentlich Ihr Antrag damit erledigt hat. Aber ich bin bereit, auch um der Friedfertigkeit willen in einer Sache, die nur friedfertig gemacht werden kann, auch Ihrem Antrag mit der Änderung zuzustimmen.