Protocol of the Session on September 20, 2007

(Beifall Udo Pastörs, NPD)

So sind nach Paragraf 46 Strafgesetzbuch schon jetzt die Beweggründe und Ziele des Täters wie auch die Gesinnung der Tat in die Strafzumessung einzubeziehen.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Nach Paragrafen 47 und 56 Strafgesetzbuch wird zudem geprüft, ob die Verteidigung der Rechtsordnung bei kurzen Freiheitsstrafen das Absehen von der Strafaussetzung zur Bewährung gebietet. Das ist nach der bisher bekannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes

der Fall, wenn eine Bewährung im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalls für das allgemeine Rechtsempfi nden schlechthin unverständlich erscheinen würde und das Vertrauen der Bevölkerung erschüttern könnte. Den zur Diskussion gestellten Änderungen käme daher nur deklaratorische Bedeutung zu.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Nein.)

Das greift in der Sache deutlich am Ziel vorbei.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Nein.)

Die beabsichtigten Regelungen lassen aber befürchten, dass Handlungen anderer Tätergruppen mit ähnlich verwerfl ichen Anschauungen unter Umständen verharmlost werden. Wir würden damit Opfer zweiter Klasse erzeugen. Ein Beispiel: Ich kann nicht nachvollziehen, warum beispielsweise der Ehemann, der seine Frau schlägt, weil sie ihm widerspricht oder einfach die Suppe versalzen hat, weniger bestraft werden soll. Das deutsche Rechtssystem legt bewusst weite Strafmaße aus. Das reicht aus Sicht der FDP aus. Anstatt Gesetze weiter zu verschärfen, die sich dann als Papiertiger erweisen, sollten wir bestehende Vollzugsdefi zite beseitigen.

(Beifall Ralf Grabow, FDP, und Michael Roolf, FDP)

Meine Fraktion hält es daher für sinnvoller, die Justiz und die Polizei materiell und personell ordentlich auszustatten. Wir reden noch immer über sehr lange Verfahrenszeiten. Ich bitte Sie, diese Missstände abzubauen. Deshalb können wir diesem Antrag im Moment leider nicht zustimmen.

(Beifall Ralf Grabow, FDP, Michael Roolf, FDP, Michael Andrejewski, NPD, und Raimund Borrmann, NPD)

Danke, Herr Schnur.

Es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Andrejewski von der NPD.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beabsichtigte Änderung des Strafgesetzbuches soll dazu führen, dass ausschließlich rechtsextreme Motive strafverschärfend gewertet werden sollen. Im Umkehrschluss heißt das: Täter mit anderes gearteter Motivation werden privilegiert, wie der Kollege von der FDP schon sagte. Ihre Verbrechen gelten dann als nicht so schlimm. Keine Strafverschärfung zu befürchten hat demnach jener in der Türkei geborene Mann, der seine Frau erstach, nachdem sie gewagt hatte, die Scheidung einzureichen. Das Landgericht Frankfurt formulierte im Jahre 2003 in seinem Urteil verständnisvoll, dass man hier nicht von niedrigen Beweggründen sprechen könne, die Scheidung hätte nach seinen anatolischen Wertvorstellungen seine Familien- und Mannesehre verletzt. Schließlich handelte er in einer auf seinen fremden soziokulturellen Wertvorstellungen beruhenden maßlosen Wut und Empörung gegen seine Ehefrau. Kein Mord, nur Totschlag. Er kam milde davon, schreibt der „Spiegel“ in seiner Ausgabe 13/2007, auf dessen Titelbild die schöne Losung „Mekka Deutschland“ zu lesen war.

Ebenfalls keine Strafverschärfung, sondern Bewährung bekam ein Libanese im Jahre 2005 vom Amtsgericht Leverkusen, der seine Tochter mehrfach schwer geprügelt hatte, weil sie sich einer Zwangsverheiratung widersetzte. Er schlug sie mit dem Stock auf den Kopf, bis der Stock zerbrach. Aber zu seinen Gunsten muss

man anfügen, er war kein Rechtsextremist. Keine Gewalt von Rechts, keine Beratung von Lobby e.V., Pech gehabt! Seine Taten, so das Gericht, beruhten auf seinen moslemischen Wertvorstellungen. Alles andere als ein rechter Schläger, dessen Untaten durch die Gesetzesänderung schärfer geahndet werden sollen, war auch jener Libanese, den 2002 das Landgericht Essen zu einer Bewährungsstrafe verurteilte, weil er, ausgestattet mit einem strafmildernden kulturellen Hintergrund, Frau und Kinder regelmäßig mit dem Gürtel schlug und auch vergewaltigte. Einen großen Unterschied machte es auch, dass der Gewalttäter, der kürzlich in Frankfurt einen Rabbi niederstach, ein, wie es hieß, Deutschafghane war. Wo blieb da die große Empörungswelle?

(Beifall Raimund Borrmann, NPD, und Udo Pastörs, NPD)

Der erste mörderische Angriff auf einen Rabbi in Deutschland seit 1945 und Schweigen im Walde, kein „ZDF-Spezial“, kein „ARD-Brennpunkt“, keine Landtagssondersitzung, keine Blumen und garantiert keine Strafverschärfung. Wenn das ein Täter deutscher Abstammung gewesen wäre oder wenn man ihn irgendwie der sogenannten rechten Szene hätte zuordnen können, die ganze Politiker- und Medienkaste hätte Kopf gestanden. Opfer werden in verschiedene Kategorien eingeteilt, je nach Motivation des Täters, von „sehr zu bedauern“ bis „besser gar nicht erwähnen“, und darunter kann sogar ein Rabbi fallen, was ich nun wirklich nicht für möglich gehalten hätte. Das ist pervers, genau wie diese Gesetzesänderung. Dadurch wird ein 3-Klassen-Strafrecht geschaffen: Strafmilderung beim passenden kulturellen Hintergrund, Standardbestrafung ohne passenden kulturellen Hintergrund und Strafverschärfung bei nationaler Gesinnung. Bei gleich gelagerten Taten kann der Bankräuber,

(Zuruf von Dr. Klaus-Michael Körner, SPD)

der den Kassierer niederschoss, der Türke war, glaubhaft versichern, er sei nur hinter dem Geld her gewesen, aber ansonsten multikulti gesinnt, keine Strafverschärfung.

Herr Andrejewski, ich habe bereits daran erinnert …

Gier ist besser als Hass. Das ist pervers, das lehnen wir ab.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und CDU auf Drucksache 5/823. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Die Gegenprobe. – Danke. Enthaltungen? – Damit ist dem Antrag bei Zustimmung von vielen Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE, Zustimmung der Fraktionen der SPD und CDU, Ablehnung der Fraktionen der FDP und NPD sowie einigen Gegenstimmen der Fraktion DIE LINKE zugestimmt worden.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Kinderarmut bekämpfen – Chancengleiche Entwicklung für alle Kinder, Drucksache 5/813. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 5/863 vor.

Antrag der Fraktion DIE LINKE: Kinderarmut bekämpfen – Chancengleiche Entwicklung für alle Kinder – Drucksache 5/813 –

Änderungsantrag der Fraktion der NPD – Drucksache 5/863 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE Frau Dr. Linke.

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Armut, Kinderarmut, Kinderarmut in Deutschland, Kinderarmut in Deutschland im Jahre 2007. Wer von uns, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, wer hätte 1990 geglaubt, dass er einmal Zeuge eines derartigen Phänomens wird, eines Phänomens, das an die gesellschaftlichen Verhältnisse geknüpft ist und der daraus resultierenden berufl ichen Situation der Eltern entspringt? „Blühende Landschaften“, so hieß es 1990, werden sich hier ausbreiten. Schauen wir uns die traurige Bilanz an, die Bundesminister Tiefensee gestern gezogen hat, so müssen wir feststellen, dass im Ergebnis einer verfehlten Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik aller Bundesregierungen seit 1990 in den neuen Bundesländern, insbesondere aber hier in Mecklenburg-Vorpommern, die Langzeitarbeitslosigkeit als eines der gravierendsten sozialen Probleme wiedererstanden ist.

Seit dem 1. Januar 2005 sind Hartz IV, das SGB II, und das SGB XII in Kraft – Hartz IV ein Gesetz, das die „Frankfurter Allgemeine“ bei dessen Verabschiedung im Bundestag als den größten Sozialabbau in Deutschland seit 1949 charakterisiert hat, Hartz IV, ein Gesetz, gegen das eben aus diesem Grund Hunderttausende im Land demonstriert haben und dem die rot-rote Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern im Bundesrat 2004 wegen der verheerenden sozialpolitischen Auswirkungen nicht zugestimmt hat.

Dieser 1. Januar 2005 markiert eine tiefe sozialpolitische Zäsur in Deutschland. Auf einen Schlag verdoppelte sich die Zahl der in Armut lebenden Kinder. Monatlich erhöhen sich diese Zahlen. Circa 35 Prozent aller Kinder und Jugendlichen unseres Landes sind heute durch Arbeitslosigkeit und Hartz-IV-Bezug ihrer Eltern von Armut betroffen. Wesentlich höher liegt ihr Anteil in den Großstädten unseres Landes. Hinzu kommen die statistisch nicht erfassten Kinder und Jugendlichen aus Familien mit geringem Einkommen. Neu ist also nicht nur die Größenordnung des Problems, nein, neu ist auch, dass diese Rekordarmut quasi über Nacht mit den Hartz-IV-Gesetzen entstanden ist.

Sie kennen die Auffassung meiner Partei zu Hartz IV. Hartz IV ist Armut per Gesetz und gehört abgeschafft.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Sozialversicherungspfl ichtige Arbeitsplätze im öffentlich geförderten oder privaten Bereich mit gesetzlichen Mindestlöhnen, das ist die beste Antwort gegen Langzeitarbeitslosigkeit und Kinderarmut. Aber, meine verehrten Damen und Herren, bis zu dieser Einsicht parteiübergreifend braucht es wohl noch Zeit.

Verehrte Abgeordnete, lassen Sie mich zur Begründung, zum Verständnis unseres Antrages in Erinnerung rufen: Mit dem Wegfall der Arbeitslosenhilfe 2005 hat sich für viele Menschen die Einnahmesituation drastisch verschlechtert, denn das Arbeitslosenhilfeniveau lag in

Abhängigkeit vom ursprünglichen Arbeitseinkommen deutlich höher als das einheitlich bemessene ALG II. Auch wurde die tarifgebundene Dynamisierung der Leistung Arbeitslosenhilfe mit Hartz IV abgeschafft. Aber auch für Sozialhilfeempfänger änderte sich 2005 die Einnahmesituation drastisch. Nach dem BSHG hatten sie Anspruch auf tarifl ich entlohnte, arbeitsvertraglich abgesicherte Eingliederungsangebote. Neben den Regelsätzen wurden überdies besondere Bedarfe anerkannt und fi nanziert. Das gibt es nach neuer Rechtslage nicht mehr, stattdessen Ein-Euro-Jobs.

Heute läuft die Finanzierung quasi allein über den Eckregelsatz der Erwachsenen, der gegenwärtig nach der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 mit 347 Euro bemessen wird. Sonderbedarfe werden gemäß Paragraf 16 Absatz 2 SGB II in nur sehr geringem Maße anerkannt. Der zugestandene Bedarf der unter 15-jährigen Kinder liegt bei 60 Prozent und der über 15-jährigen Jugendlichen bei 80 Prozent des Regelsatzes der Erwachsenen. Eine eigene Bedarfserfassung für Kinder unterschiedlicher Altersgruppen gibt es nicht.

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Wir erinnern uns: Bei Hartz-IV-Leistungsempfängern wird das Kindergeld, das ein jedes Kind von mehr oder weniger gut verdienenden Eltern selbstverständlich erhält, gegengerechnet – also nicht Aufstockung der Einkünfte, sondern Abzug. Einem Kind in einer Bedarfsgemeinschaft stehen aus diesem Regelsatz für das Frühstück, Mittagessen und Abendbrot täglich 2,55 Euro zu. Wundert uns da, dass viele Kinder nicht an der Gemeinschaftsverpfl egung im Kindergarten oder Hort oder an der Ganztagsschule teilnehmen? Wundert es da, dass die Tafeln überall wie Pilze aus dem Boden schießen und begehrte Anlaufpunkte sind?

Mecklenburg-Vorpommern, wir wissen es alle, hat ein hervorragendes Netz der Kindertagesbetreuung. 97 Prozent der drei- bis sechsjährigen Kinder besuchen eine dieser Kitas, aber umgerechnet nur 51,9 Prozent von ihnen einen Ganztagsplatz. Regional werden bis zu 50 Prozent der Elternbeiträge vom öffentlichen Träger der örtlichen Jugendhilfe übernommen, weil die Eltern selbst nicht dazu in der Lage sind, die Elternbeiträge zu zahlen. Viele Eltern scheuen die Verpfl egungskosten, obgleich sie als Leistungsempfänger nach dem Kindertagesförderungsgesetz Anspruch auf einen Zuschuss vom örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, wir haben in den vergangenen Jahren alle gemeinsam große inhaltliche und fi nanzielle Anstrengungen unternommen, um die Kindertagesstätten zu Bildungsstätten im Land zu entwickeln. Aber Eltern müssen auch in der Lage sein, ihren Kindern diese strukturierten Angebote zu ermöglichen. Gute Bildung und gute Ernährung gehören zusammen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Für den Kinobesuch oder Sportverein stehen dem Kind monatlich 1,38 Euro, für die Anschaffung von Haus-, Sportschuhen monatlich 3,65 Euro aus dem Regelsatz zur Verfügung. Schul- und Unterrichtsmaterialien dürfen aus dem virtuellen Fonds für Tabak und Alkohol fi nanziert werden. Wir haben uns in der letzten Landtagssitzung damit befasst. Ähnlich problematisch ist die Situation der Kinder von Eltern mit geringem Einkommen.

Armut, meine sehr verehrten Damen und Herren, Armut, das heißt in der Regel schlechte Verpfl egung, unzureichende Kleidung, unzureichende Teilhabe am sportlichen, geistig-kulturellen Leben. Armut heißt, mangelnde Entfaltungsmöglichkeiten, denn Kinder, die nicht richtig ernährt sind, können sich nur sehr schlecht konzentrieren, lernen schlecht, bleiben zurück. Kinder, die nicht regelmäßig Sport treiben, leiden unter Bewegungsmangel und gepaart mit Fehlernährung haben sie zeitig Gewichtsprobleme. Ihre geistige und körperliche Entwicklung, ihre soziale Kompetenz sind gefährdet. Kinder, die nicht von klein auf Theater, Bibliotheken, Musikschulen, Sportvereine besuchen können, weil das Geld fehlt, bleiben vom Reichtum dieser Gesellschaft ausgeschlossen. Wollen wir das? Ich sage ganz klar im Namen meiner Fraktion Nein

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

und appelliere an Sie: Es liegt in der Hand von Regierungen und Parlamenten, es liegt an uns, darüber zu entscheiden, ob Kinder in Armut aufwachsen. Schauen wir nach Schweden, Dänemark, Finnland, Länder, deren Armutsrate bei Kindern unter 3,5 Prozent liegt! Dort ist das Problem Kinderarmut marginal.

Meine Fraktion hat bereits mehrfach vorgeschlagen, Mittel des Landeshaushaltes für die Bildung sowie die Ganztagsbetreuung aller Kinder zu erhöhen und für die Kinderverpfl egung zur Verfügung zu stellen.

(Egbert Liskow, CDU: Acht Jahre hattet ihr Zeit!)

Wir geben diese Vorschläge in den kommenden Wochen im Rahmen der Haushaltsberatungen erneut ein und können sie dort erörtern.