Protocol of the Session on February 1, 2007

Unterbrechung: 15.01 Uhr

Wiederbeginn: 15.12 Uhr

Meine Damen und Herren, die zehn Minuten sind sogar schon etwas überschritten.

(Andreas Bluhm, Die Linkspartei.PDS: Aber Herr Glawe ist noch nicht da. – Heiterkeit bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Wir setzen die Debatte fort und ich hoffe, dass der erste Redner, den ich jetzt aufrufen werde, … Da ist er ja. Der erste Redner ist der Abgeordnete Herr Glawe von der CDU. Herr Glawe, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nichtraucherschutz steht auf der Tagesordnung der politischen Agenda. Ich will noch darauf hinweisen, dass Nikotin die Einstiegsdroge Nummer eins ist. Insgesamt, denke ich, ist in der Gesellschaft das Handeln da. Wir wollen Gesundheitsland Nummer eins sein. Die Koalitionäre haben sich auf Eckpunkte zu einem neuen Gesetz geeinigt. Das hat der Herr Minister Sellering eindrucksvoll vorgetragen und auch mein Landesvorsitzender. Deswegen werden wir jetzt nach dieser Auszeit der Überweisung des Antrages der PDS zustimmen, obwohl ich hier auch eindeutig sage, eigentlich hätte es sich gehört,

(Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS: Dass Sie dem zustimmen.)

dass man einen Gesetzentwurf, den man vereinbart hat, dann auch bringt, und zwar als Koalitionäre, und nicht sozusagen der PDS hinterherläuft, die am 01.04. alles aufgeschrieben haben will.

Meine Damen und Herren, der Bund und die Länder haben sich verständigt, bis zum März eine gemeinsame Linie zu erarbeiten. Wir als CDU insgesamt haben seit Jahren den Nichtraucherschutz gefordert. Die PDS hat seit Jahren nur über die Freiwilligkeitsschiene diskutiert und auch die Frage „Rauchverbot an Schulen“ torpediert, meine Damen und Herren,

(Andreas Bluhm, Die Linkspartei.PDS: Na, na, na, na! Da kommen wir nachher noch drauf. – Zuruf von Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS)

und heute stellen Sie sich hier hin und erklären glatt das Gegenteil.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Andreas Bluhm, Die Linkspartei.PDS, und Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS: Stimmt nicht! – Zuruf von Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren, ich will auch Ihnen von der PDS natürlich unterstellen, dass Sie lernfähig sind, und das vielleicht jeden Tag. Und ich freue mich, dass Sie in dieser Frage nun endlich auch das Ziel erreicht haben, dem Nichtraucherschutz den Weg zu bahnen. Allerdings sage ich ganz klar: Wir lassen uns von Ihnen das Schrittmaß nicht vorschreiben. Wir werden in diesem Jahr die Rauchfreiheit in den Schulen einführen.

(Zuruf von Irene Müller, Die Linkspartei.PDS)

Wir werden das Rauchverbot in den Krankenhäusern und öffentlichen Einrichtungen des Landes durchsetzen und im nächsten Jahr auch die Frage der Gaststätten regeln. Dieses wird der Gesetzentwurf vorsehen, den der Sozialminister vorlegen wird. – Meine Damen und Herren, vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und Reinhard Dankert, SPD)

Danke schön, Herr Glawe.

Es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Bluhm von der Linkspartei.PDS.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erst einmal freue ich mich, dass wir zu den Punkten 1 bis 3 im Ausschuss weiter miteinander verhandeln und beraten können, aber ich will auch einer Legendenbildung etwas widersprechen. In der Tat, Herr Sellering, ist es richtig; die damalige Sozialministerin wie auch die Sprecher der Fraktion der Linkspartei.PDS haben sich damals gegen eine Insellösung an den Schulen ausgesprochen, und zwar unter sich heute völlig ganz anders darstellenden Rahmenbedingungen:

Erstens war damals schon die Diskussion im Gange, wie denn auf der Grundlage der entsprechenden bundespolitischen Gesetzgebungsbefugnis ein Nichtrauchergesetz für Gesamtdeutschland in Kraft gesetzt werden soll, und wir von daher gesagt haben, es bringt uns nichts, jetzt kurz vor Ultimo noch eine Nichtraucherregelung nur für Schulen einzuführen, die ohnehin schwierig zu kontrollieren ist, wie es zum Beispiel die Ergebnisse in anderen Bundesländern – siehe Berlin – zeigen.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Richtig.)

Und zweitens ist es so, dass der Antrag, so, wie er hier heute vorliegt, deswegen auch mit dem Gaststättenrauchverbot sozusagen explizit für den Gesetzentwurf formuliert ist, weil zu dem Zeitpunkt, als die Fraktion über diesen Antrag befunden hat, die Koalition sich noch nicht einig war, ob man es denn in den Gaststätten in Angriff nehmen will.

(Zuruf von Angelika Gramkow, Die Linkspartei.PDS)

Also von daher kommt alles immer konkret in Raum und Zeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

Und ich denke, dass der Grundkonsens, für die Nichtraucherschutzproblematik mehr zu tun als bisher, sicherlich gut ist, aber wahr muss bleiben, was wahr ist.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Helmut Holter, Die Linkspartei.PDS: Sehr gut.)

Und was die Insellösung zum Tabakverbot oder Rauchverbot nur an Schulen betrifft, will ich an der Stelle sagen, dass ich da immer skeptisch war, weil ich auch um diese Teilerfolge weiß, die es hier gibt. Und was auch immer den Widerstand von Lehrerinnen und Lehrern beispielsweise hervorgerufen hat, die Frage war offen, wie es denn sein wird mit der Umsetzung eines solchen Verbotes ohne eine gesetzliche Regelung, ohne die entsprechende Handhabung von rechtlichen Mitteln an den Schulen selbst.

Vorredner/-innen haben in ihren Ausführungen auf Statistiken und Forschungsergebnisse, also Erkenntnisse, die nicht beiseite geschoben werden dürfen, hingewiesen. Ich will mich da einreihen und nur ein Beispiel nennen, nämlich aus der kürzlich veröffentlichten Studie der Deutschen Gesellschaft für Nikotinforschung. Hier wird darauf hingewiesen, dass in Deutschland täglich 383 Menschen an Tabakrauch sterben, im Vergleich etwa 15 im Durchschnitt durch Verkehrsunfälle. Die Schädigung von Keimzellen durch Tabakrauch ist wissenschaftlich belegt und jährlich würden etwa 750.000 Kilogramm krebserregende

Substanzen durch das Rauchen in die Luft geblasen, ein Mehrfaches als über den Feinstaub bei Dieselfahrzeugen, meine Damen und Herren. Ganz besonders häufi g rauchen junge Erwerbslose, was sich bei ihnen zusätzlich zu allen Sozialnachteilen auch noch negativ auf die Gesundheit auswirkt. Und unter den Berufstätigen gibt es auch sehr unterschiedliche Nikotingebräuche, bei Ärzt/-innen, Apotheker/-innen und Lehrer/-innen vergleichsweise selten – etwa 15 bis 20 Prozent –, dagegen raucht unter den Berufskraftfahrern sowie bei den Hotel- und Gaststättenbeschäftigten etwa jeder Zweite.

Rund elf Millionen Menschen in Deutschland sind mittlerweile ehemalige Raucher/-innen. Ich gehöre derzeit dazu und möchte es auch bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Helmut Holter, Die Linkspartei.PDS: Sehr gut.)

Und Herrn Nieszery rufe ich zu genauso wie dem Fraktionsvorsitzenden: Einfach anfangen! Nicht zu rauchen ist der richtige Weg,

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)

so schwierig, wie das auch sein mag.

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Ich hab heute früh schon angefangen. – Heiterkeit bei Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS)

Die meisten von diesen elf Millionen haben es, nach ihren eigenen Angaben jedenfalls, fast ganz allein geschafft ohne fachliche Hilfe, quasi von heute auf morgen. Der schließlich erfolgreiche Versuch war nur selten der erste, fast immer geht dies mit einer langen Zeit von Unzufriedenheit und Frustration einher, es doch wieder nicht geschafft zu haben.

Es gibt die verschiedensten Möglichkeiten, das anschaulich zu tun, ich will an der Stelle ein Beispiel schildern: Es ist die Hochzeit der einzigen Tochter der Familie. Alle Verwandten, Freunde und Bekannten befi nden sich in der Kirche bei der Trauung und der Raucher hat nichts weiter im Sinn, als sich zu fragen: Wann ist das endlich zu Ende? Ich muss jetzt eine rauchen. Und alle anderen, die die Feier einfach als schön empfi nden, sind doch dem Raucher weit überlegen in dieser Denkweise.

(Heiterkeit bei Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS, und Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS)

Wir haben aber auch die Situation, dass beispielsweise in einer Grundschule aus den Kellerräumen, wo die Grundschullehrer rauchen, der Qualm in das Obergeschoss zieht und die Schülerinnen und Schüler der ersten bis vierten Jahrgangsstufe sich fragen, was denn da im Keller passiert. Und so mancher von uns weiß aus seiner Schulzeit, welche Wolken immer so aus den Lehrerzimmern quöserten.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS – Barbara Borchardt, Die Linkspartei.PDS: Auch von den Jungstoiletten. – Zuruf aus dem Plenum: Nicht nur gute Wolken.)

Also von daher wissen es nicht nur Eltern beziehungsweise nicht nur Lehrerinnen und Lehrer oder Ärzte, wie auch kleine Kinder, wenn sie in den Kindergarten kommen, nach kaltem Rauch riechen. Die Sachen und auch der Körper riechen in den Familien, wo wirklich viel geraucht wird. Von daher, denke ich, müssen wir dafür sorgen, dass immer mehr Menschen es schaffen, mit

dem Rauchen aufzuhören. Ich meine, das, was durch Herrn Minister Seidel gesagt wurde in Bezug auf die Restaurants und Gaststätten, ist eine nachvollziehbare Argumentation.

Vielleicht noch zwei Begebenheiten aus der Geschichte. Der Bildungsausschuss war einmal in Italien. Es war eine Zeit, in der ich wieder versuchte, Nichtraucher zu werden,

(Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Du warst beim Papst. – Heiterkeit bei Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS, und Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS)

und den ganzen Ausschuss drangsalierte und während der Busfahrten zwischen den Veranstaltungen Auszüge aus einem Buch vorlas, bis die Raucher sagten: Bluhm, nun hör doch endlich auf damit! Aber vielleicht hat es zumindest teilweise geholfen.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Ich glaube, dass wir auch in Bezug auf die Frage der Umsetzung von Rauchverbot in Restaurants vom Positivum ausgehen müssen. Es gibt viele Menschen, die sagen: Ich gehe deswegen nicht mehr ein Bier trinken, weil es unerträglich ist, dass die Klamotten am nächsten Morgen so nach Qualm stinken. Ich mag einfach nicht mehr in ein Restaurant oder eine Gaststätte gehen. Ich denke, das, was andere Länder können, wie zum Beispiel Italien – und das im Übrigen, obwohl die Italiener sozusagen schon fast kulthafte Raucher zum Espresso sind –, sollte auch bei uns funktionieren. Dort gehen nämlich ohne Diskussion alle, die eine rauchen wollen, vor die Tür, rauchen ihre Zigarette, kommen wieder herein und fi nden es wirklich alle zusammen toll.

(Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Jörg Vierkant, CDU)

Und von daher wünsche ich den Beratungen und dem Auf-den-Weg-Bringen des Gesetzentwurfes viel Erfolg und alles Gute.

(Beifall bei Abgeordneten der Linkspartei.PDS)