Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem 1. Januar dieses Jahres hat die Bundesrepublik Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft inne. Die Bundeskanzlerin Frau Merkel versicherte, diese Zeit zu nutzen, die Energiesicherheit Europas, die Verminderung der Abhängigkeit Europas von Öl und Gas sowie den Klimaschutz zu thematisieren.
Fast zeitgleich stellte Kommissar Barroso seinen Aktionsplan vor, um die bisher national dominierte Energieversorgung zu europäisieren, um damit den freien Netzzugang für alle Anbieter zu gewährleisten und die energiepolitischen Ziele der EU hinsichtlich Energiesicherheit, Energieeffi zienz und Klimaschutz zu gewährleisten. Damit will Brüssel in den deutschen Energiemarkt eingreifen, um mehr Wettbewerb zu erzwingen. Der EUKommissar dachte in diesem Zusammenhang ebenfalls laut darüber nach, die Netze aus dem Eigentum der Konzerne zu lösen.
Und, meine Damen und Herren, es ist gerade eine Woche her, dass Frau Merkel als amtierende Vorsitzende des Weltwirtschaftsforums in Davos das hohe Lied von Energiesicherheit und Klimaschutz sang.
Doch wie sieht die Realität in Deutschland aus und das Handeln unseres Landes auf internationaler Bühne? Deutschland stellt sich mit geballter politischer Kraft gegen die Vorschläge der Europäischen Kommission. Bundeswirtschaftsminister Glos wettert und erwägt gar eine Klage gegen die Kommission im Kampf um mehr Luftverschmutzungsrechte. Gleichzeitig behauptet er wider besseres Wissen, eine Trennung von Energienetzen und -erzeugung ist nicht sinnvoll und rein rechtlich gar nicht möglich. Die vier großen Energiekonzerne hingegen agieren, als gehörte ihnen Deutschland und die ganze Welt dazu. Fast ungestört können sie tun und lassen, was sie wollen. Die Bundesregierung sieht tatenlos zu und die Kartellbehörden sind machtlos. Die Bundesnetzagentur, die aus Sicht der Linkspartei.PDS unverzichtbar ist, um die derzeitige Situation einigermaßen im Griff zu halten, erweist sich auch wegen zu geringer fi nanzieller Ausstattung und zu geringer Rechte oft genug als wirkungslos. RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall beherrschen den Markt. Die Strom- und Gasnetze sind fast vollständig in der Hand dieser vier großen Konzerne. Vor allem in den neuen Bundesländern liegt deren Monopolstellung bei nahezu 100 Prozent. 80 Prozent der Kraftwerkskapazität und 100 Prozent der Fernleitungsnetze nennen sie ihr Eigen.
Sicher, 1998 wurde der Energiemarkt in Deutschland liberalisiert. Auf dem Papier verschwanden die Monopole und Kunden konnten erstmals ihren Stromanbieter frei wählen. Das führte zu rapiden Preissenkungen – in der Wirtschaft um ein Viertel und private Endkunden bezahl
ten immerhin noch fast zehn Prozent weniger. Doch nach knapp zwei Jahren hatten sich die Energieriesen auf die neue Situation eingestellt, indem sie miteinander fusionierten. Die Folge: Die Preise für Energie stiegen wiederum enorm.
Versucht jemand, regulierend in dieses Kartell einzugreifen, drohen die Energiekonzerne gerne schon einmal mit Energieknappheit und Stromausfall. Oder wie soll man die Zurückhaltung bei der dringend notwendigen Erneuerung der Kraftwerkslandschaft interpretieren, falls die Bundesregierung über Regulierungen nachdenken würde, oder die Lobbyarbeit der Kraftwerksbetreiber, mit der der Ausstieg vom Atomausstieg durch die Bundesregierung vehement eingefordert wird? Derartige Drohungen durch Monopole und ihre Lobby gehören mittlerweile zum energiepolitischen Alltag, denn Deutschland bietet fast paradiesische Zustände für Energiemonopole. Im Jahr 2005 betrugen die Gewinne der Energiekonzerne 13,5 Milliarden Euro – ein Rekordergebnis. Trotzdem wird für das Jahr 2006 mit einer weiteren Steigerung der Ergebnisse gerechnet. Dafür klettern die Strom- und Gaspreise fast ungebremst in die Höhe. Das Bundeskartellamt registrierte im Dezember dabei regionale Preisunterschiede von bis zu 60 Prozent. Private und gewerbliche Endkunden zahlen für den hohen Profi t der Energieriesen.
Trotz aller Schwierigkeiten gibt es seit einiger Zeit neben RWE und Co. neue Energieanbieter auf dem Markt. Gut die Hälfte aller Kraftwerksneubauten sind von anderen Anbietern als den großen vier geplant. Doch trotz Liberalisierung des deutschen Strom- und Gasmarktes kann von echtem Wettbewerb nicht die Rede sein. Mal wird schlicht der Netzzugang verweigert, mal wird Bürokratie vorgeschoben oder es werden für alternative Anbieter derart hohe Hürden aufgebaut, dass sie unerfüllbar sind.
So soll zum Beispiel im Falle von Engpässen der Strom aus den Kraftwerken der großen vier Vorrang vor allen anderen Anbietern haben. Das heißt nichts anderes, als dass die Konkurrenz einfach ausgeschaltet wird.
Ein weiteres Beispiel: Ein kleiner Energieanbieter plant ein neues Kraftwerk. Da verlangte RWE, in dessen Versorgungsgebiet der Neubau liegen sollte, der Anbieter solle doch bitte für die notwendigen 150 Kilometer Netzneubau selber zahlen, um an das bisherige Netz von RWE angeschlossen zu werden. Die Kosten für den Konkurrenten: knappe 600 Millionen Euro. Das ist natürlich das faktische Aus für ein solches Projekt. So kann man das Angebot an freien Leitungen knapp und sich lästige Konkurrenz vom Hals halten. Von der damit verbundenen Manipulation der Preise an der Strombörse will ich erst gar nicht reden.
Das sind die wahren Ergebnisse der schönen neuen Liberalisierung in Deutschland. Ich, meine Damen und Herren, nenne so etwas Missbrauch, der von staatlicher Seite akzeptiert wird. Dagegen muss im Interesse des Gemeinwohls etwas unternommen werden. Die Netzeigner weigern sich beharrlich, die Netze auf die zunehmende Erzeugung von Energie aus nachwachsenden Rohstoffen oder erneuerbaren Energien auszurichten.
Mit dem sogenannten Lastenmanagement werden zum Beispiel Windkraftanlagen einfach abgeschaltet, wenn bei guten Windverhältnissen viel kohlendioxidfreier Strom erzeugt wird. Kein Wunder, denn den Konzernen gehören zum großen Teil die Rechte an der Ausbeutung fossiler Rohstoffe. Damit werden Eigeninteresse und Profi tstreben vor Zukunftsfähigkeit der Energieversorgung gestellt. Hier kommt wieder – unabhängig von der Eigentumsfrage – die Bundesnetzagentur ins Spiel. Sie soll die Sicherheit der Netze neutral und kompetent überwachen. Dagegen spricht aber die Marktmacht der großen vier. Der Erfolg der Agentur kann hier naturgemäß nur begrenzt bleiben, auch weil sie keine Entscheidung darüber treffen kann, wie die künftige Energieversorgung und damit die Netzstruktur aussehen soll. Hier sind Vorgaben aus der Politik notwendig, die leider bisher nur öffentliche und recht schwammige Bekundungen sind, die dazu noch in die teilweise falsche Richtung zielen – siehe den Streit um die längeren Laufzeiten für Atomkraftwerke.
Die Kontrolle der Bundesnetzagentur stößt auch schnell an Grenzen, wenn es um Betriebsgeheimnisse geht. Das Gutachten zum katastrophalen Stromausfall im Münsterland konnte nur teilweise veröffentlicht werden, weil – und hier zitiere ich – „es Bezug nimmt auf interne Unterlagen der RWE, die als Geschäftsgeheimnisse deklariert sind“. Am Ende ist immer der Stromkunde der Dumme.
(Beifall Gabriele Měšťan, Die Linkspartei.PDS, und Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS – Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Richtig.)
Wenn die Netzagentur die Entgelte für die Netznutzung senkt, erhöhen die Stromkonzerne die Erzeugungskosten. Herauskommt trotzdem eine wenn auch geringer ausfallende Preiserhöhung. Fallende Strom- und Gaspreise, wie von der Politik versprochen, werden eine Illusion bleiben, wenn sich hier nichts ändert. Ebenso ist ein diskriminierungsfreier Zugang für alle Anbieter, hier vor allem auch im Gasmarkt, immer noch nicht in Sicht.
Die Netze für Strom und Gas, meine Damen und Herren, bilden das Rückgrat für die Energieversorgung und sind gleichzeitig deren Achillesferse. Damit der Staat die Aufgaben der Daseinsvorsorge bei der Energieversorgung erfüllen und dem Versorgungsanspruch gerecht werden kann, gehören Versorgungsnetze in die öffentliche Hand. Das ist eine Lösung, die selbst die Europäische Kommission, der man wahrlich keine Marktfeindlichkeit vorwerfen kann, für ganz Europa vorgeschlagen hat. Auch aus Sicht der Linkspartei.PDS kann nur so die Energieversorgung zukunftsgerecht ausgestaltet und weiterer Missbrauch der Marktmacht der Stromkartelle verhindert werden. Und ebenfalls nur so kann eine umfassende Mitgestaltung der Kommunen sichergestellt werden. Deshalb haben wir Ihnen heute diesen Antrag zur Entscheidung vorgelegt.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zweck des Energiewirtschaftsgesetzes – und da möchte ich gern zitieren – ist es, „eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effi ziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas“ zu sichern. Das ist der Paragraf 1. Dabei muss es doch unser Ziel sein, dass Energieversorgung auch in der Zukunft preisgünstig für Bürger und nicht zuletzt für Wirtschaft sein soll.
1. Hat der Staat für die Zielerfüllung der Energieversorgung im Rahmen der Daseinsvorsorge, also außerhalb des Wettbewerbs, Sorge zu tragen?
Spätestens mit den EU-Binnenmarktrichtlinien Strom und Gas von 1996 und 1998 hat sich Europa vom Dogma der Daseinsvorsorge in der Energiewirtschaft verabschiedet. Nunmehr wird dem Wettbewerb als Ordnungsprinzip eindeutig der Vorrang eingeräumt.
Auch ich – das will ich gleich an dieser Stelle sagen – sehe bei der vorhandenen Struktur Probleme. Integrierte Energiekonzerne, die sowohl Erzeugung wie Vertrieb und Netz in der Konzernhand halten, sind geneigt, das ist ganz klar, Wettbewerb zu verhindern.
Das Strom- und Gasnetz bleibt weitgehend ein gewissermaßen natürliches Monopol. Hier gibt es keinen weiteren Wettbewerb wie zum Beispiel im Telekommunikationsbereich. Dort hat man ja bekanntermaßen das Festnetz und das Mobilnetz, insofern alternative Anbietermöglichkeiten. Also müssen natürliche Monopole über Durchleitungs- und Entgeltregelungen sowie über Entfl echtungsvorschriften reguliert werden. Dafür haben wir uns immer eingesetzt und werden es auch weiterhin tun.
Mir kommt es aber im Gegensatz zum Antragsteller ganz offensichtlich nicht auf die Frage an, ob staatlicher oder privater Netzbetreiber, sondern auf die klare Trennung von Interessenlagen von Erzeuger und Netzbetrieb.
Meine Damen und Herren, wir haben ja bekanntlich in Deutschland ein Mischsystem aus öffentlichen und privaten Netzbetreibern, aber zum Beispiel – das will ich Ihnen gerne sagen – Vattenfall Europe Transmission, in der privatrechtlichen Form einer Aktiengesellschaft und wie wir wissen zu 100 Prozent im Besitz des schwedischen Staates, verhält sich als Netzbetreiber auch nicht anders als die privatwirtschaftlichen Unternehmen RWE, E.ON und EnBW.
Was heißt nun Überführung der Netze in die öffentliche Hand, wie das hier im Antrag formuliert ist? Also ich kann ja nur spekulieren: Erstens bedeutet es den Kauf der Netze, wahrscheinlich dann für mehrere Hundert Milliarden Euro, oder zweitens schlichtweg eine Enteignung der Netze. Wie ich die PDS kenne, neigt sie mehr zur zweiten Variante.
(Beifall und Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Jörg Vierkant, CDU: Wir auch. – Heiterkeit und Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS – Zurufe von Harry Glawe, CDU, und Dr. Armin Jäger, CDU)
Der zweite Punkt ist allerdings, das muss man sich immer wieder sagen lassen, zumindest verfassungsrechtlich, wenn man anderes sonst schon nicht anerkennt, bedenklich und es ist garantiert, auch das muss man sehen, mit vielen Hindernissen, verfassungsrechtlichen Klagen verbunden.
Das würde sich mit Sicherheit über Jahre hinziehen. Das hat auch der Präsident des Bundeskartellamtes Herr Böge festgestellt. Die Energiekonzerne werden nicht freiwillig verkaufen, und wenn, dann werden sie zum Marktwert verkaufen. Und, meine Damen und Herren, auch das muss man sich dann sagen lassen, das führt zu Abschreibungsbedarf und das führt auch zu entsprechend höheren Netzentgelten.
Hier würde dann auch die Preisgünstigkeit wieder konterkariert. Lieber also die Enteignung, ich sagte ja, wahrscheinlich die Vorzugsvariante.
Es ist also so, im Ergebnis kommt eine Lösung durch so einen Antrag auf absehbare Zeit überhaupt nicht infrage. Insofern stellt sich natürlich die Frage: Was soll jetzt dieser Antrag?
Meine Damen und Herren, ich will deutlich sagen, dass in Bezug auf das energiepolitische Ziel der Versorgungssicherheit ein staatlicher Netzbetrieb allein zunächst keine Vorteile bringt. Die Netzsicherheit ist in Deutschland mit dem derzeitigen Mischsystem aus privaten und öffentlichen Netzbetreibern gegeben. Das belegt – dafür gibt es entsprechende Statistiken – die europäische Statistik der Stromunterbrechung. Ich kannte die vorher auch noch nicht, muss ich gestehen, aber ich habe jetzt gelernt, die Stromkunden in Deutschland müssen im Durchschnitt mit nur 23 Minuten Stromausfall im Jahr rechnen, in Frank reich mit einer Stunde, Italien anderthalb Stunden, beim Spitzenreiter Norwegen sogar mit vier Stunden. Das mag ja auch von der geografi schen Situation her etwas unterschiedlich sein. Also Deutschlands Netze sind somit europaweit die zuverlässigsten, auch wenn man den Absturz registriert, den wir im letzten Jahr erlebt haben, der wahrscheinlich auf die Schiffsüberführung im Emsland zurückzuführen war.
Mit dem energiepolitischen Ziel der Umweltverträglichkeit hat die Frage privater oder staatlicher Netzbetreiber ebenfalls nichts zu tun. Umweltverträglichkeit wird über Netze geregelt. Hierbei gibt es die Umweltgesetzgebung, die Energiesparverordnung und das Erneuerbare-Energien-Gesetz, um nur einiges zu nennen, was hier eine Rolle spielt. Auch den Emissionshandel müsste man hier erwähnen. Ich würde schon Zweifel anmelden, ob der direkte Zugriff eines Bürgermeisters oder Wirtschaftsministers auf die Entscheidung des Netzbetriebes effi zientere Ergebnisse als die heutige Situation bringen wird.
Die Ergebnisse einer verstaatlichten Energiewirtschaft, meine Damen und Herren, denken wir mal ein paar Jahre zurück, die kennen wir auch. Ich habe da persönlich einige Erlebnisse. Wir haben mehrere Tage ohne Strom gesessen. Also das war auch nicht so glänzend.
(Unruhe bei Abgeordneten der SPD und Linkspartei.PDS – Dr. Wolfgang Methling, Die Linkspartei.PDS: Das gibt’s aber heute noch, Herr Seidel. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)
Die Stromnetzbetreiber geben heute jährlich rund 2 Milliarden Euro aus, um das Netz zu erhalten und auszubauen. Bis 2020 sind allein 40 Milliarden Euro für den Ausbau und Erhalt der Netze angekündigt.
Meine Damen und Herren, es ist also so, wenn man das Ganze noch mal resümiert, dass Verstaatlichung nicht nur faktisch, eigentlich muss man sagen, unmöglich ist, sondern sie ist am Ende auch gar nicht wünschenswert. Europa geht einen anderen Weg, Frau