Meine Damen und Herren, jährlich passieren rund 65.000 Schiffe das Gebiet der Kadetrinne zwischen Dänemark und Deutschland, darunter rund 10.000 Öltanker. Die Zahl der Öltanker nimmt allein schon aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung in Russland immer stärker zu. Damit ist die Kadetrinne nicht nur eine der am stärksten befahrenen Seewege Europas, sie ist aufgrund ihrer spezifischen geografischen Situation auch eine der gefährlichsten. Lange Zeit hieß es aber immer wieder, die Forderung nach einer Lotsen- oder Lotspflicht – das wollen wir mal hier dahingestellt sein lassen – in der Kadetrinne ist ja sinnvoll, aber das scheitert ja doch an den Russen. Eine Einführung der Lotsenpflicht in den internationalen Gewässern der Kadetrinne findet nur dann statt, wenn alle Ostseeanrainer zustimmen, aber die Russen stimmten halt nicht zu.
Meine Damen und Herren, das war sicherlich mal richtig. Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich habe in diesem Punkt bewusst die Vergangenheitsform gewählt. Auf der letzten Ostseeparlamentarierkonferenz Ende August dieses Jahres haben sich erstmals auch unsere russischen Kolleginnen und Kollegen in der Abschlussresolution klar für eine Lotsenpflicht in den gefährlichen Schifffahrtsgewässern in der Ostsee ausgesprochen. Und welches Gewässer in der Ostsee ist tatsächlich gefährlicher für den Schiffsverkehr als die Kadetrinne? Damit sind endlich alle Beteiligten nicht nur in dem so oft zitierten einen Boot, sie rudern vielmehr jetzt auch alle, wenn vielleicht auch immer noch mit unterschiedlichem Engagement, in dieselbe Richtung.
Jetzt, meine Damen und Herren, haben wir eine ernsthafte Chance, die Gewässer vor unserer Küste sicherer zu machen. Jetzt, meine Damen und Herren, muss die Bundesregierung die bisher einmalige Gelegenheit nutzen, um endlich bei der IMO die Einführung einer verbindlichen Lotsenpflicht in der Kadetrinne zu erreichen. Es reicht halt nicht, das freiwillig zu machen, weil freiwillig machen es ohnehin nur diejenigen, die es eigentlich nicht unbedingt nötig hätten.
Meine Damen und Herren, Herr Bundesverkehrsminister Ramsauer sollte vielleicht die Gelegenheit nutzen, seinem ihm vom bayrischen Kollegen verliehenen Spitznamen „Ramses“ gerecht zu werden. Er sollte sich an die Spitze einer Bewegung stellen und erfolgreich für die Einführung der Lotsenpflicht in der Kadetrinne streiten. Er hätte sicherlich nicht nur die Unterstützung seiner eigenen Partei oder auch der Menschen in MecklenburgVorpommern hierbei, es wären die Menschen in Schleswig-Holstein, in Dänemark, die ihm auch im Falle eines Erfolges dankbar wären, dankbarer sicherlich, als dies zurzeit manch Stuttgarter gegenüber dem Bundesverkehrsminister und der Bundesregierung ist.
Meine Damen und Herren, ich glaube nicht, dass es in diesem Haus all zu viele Differenzen zu dem hier vorliegenden Antrag gibt. Trotzdem bitte ich hier noch einmal ausdrücklich um die Zustimmung zu dem vorliegenden Antrag.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir auch einen Satz zur Ihrem Änderungsantrag: Ich glaube nicht, dass die Ausführungen, die in Ihrem Änderungsantrag gemacht worden sind, wirklich grundsätzliche Unterschiede zu dem Ziel sind, das wir hier mit unserem Antrag von SPD und CDU verfolgen. Natürlich muss die Landesregierung in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung auf die IMO einwirken. Wer, wenn nicht die Bundesregierung, soll es sonst tun? Die IMO ist eine Agentur der UN und nur als solche kann die Bundesrepublik Deutschland dort tätig werden. Ich glaube nicht, dass es eine Frage ist, dass die Landesregierung hierbei die Bundesregierung unterstützen wird, genauso wie das übrigens auch die durch CDU und FDP gebildete Landesregierung in Schleswig-Holstein tun wird.
Deswegen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, auch wenn wir Ihren Änderungsantrag ablehnen, lehnen wir Ihren Änderungsantrag nicht deswegen ab, weil es wirklich inhaltliche Differenzen gibt. Wir gehen nur davon aus, dass Ihre Änderung auch nichts anderes zum Ausdruck bringt als das, was wir mit unserem Antrag ohnehin verfolgen.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielleicht brauchen wir ja doch nicht 60 Minuten. Ich glaube, diesen Antrag, unabhängig davon, ob man jetzt dem Änderungsantrag zustimmt, ihn ablehnt oder sonst etwas, kann eigentlich keiner ablehnen. Eigentlich kann den keiner ablehnen. Ich denke mal, Befindlichkeiten sollte man sich da sparen. Ich unterstütze diesen Antrag ausdrücklich, ich kann das hier so sagen. Wir reden hier über ein Thema theoretisch und ich wünsche mir, dass es uns niemals aufgezwungen wird, praktisch über dieses Thema diskutieren zu müssen mit all seinen Auswirkungen, die das auf die Ökologie, aber auch auf die Ökonomie in unserem Land und ringsherum haben wird.
Meine Damen und Herren, ich rufe in Erinnerung, wer eigentlich alles auf dieser Ostsee fährt und wer diese Kadetrinne gezwungen ist zu benutzen. Wir reden hier über die größten Fähren der Welt, wir reden über große Kreuzfahrtschiffe, aber wir reden auch über Großtanker, Massengutschiffe, schnelle Ro-ro- und Containerschiffe, Sportboote und vieles andere mehr. Sie alle fahren auf der Ostsee durch die Kadetrinne.
Die enorme Verkehrsdichte dieser Kadetrinne fordert von jeder Besatzung größte Aufmerksamkeit. Das Befahren der Kadetrinne ist nautisch extrem anspruchsvoll. Und das will ich mal denen, die immer wieder darüber reden, aber gar nicht wirklich wissen, über was man da eigentlich redet, und zwar konkret redet, sagen: Der schmalste Bereich, die schmalste Stelle der Kadetrinne verengt sich je nach Tiefgang des Schiffes auf bis zu 500 Meter. Das
muss man sich mal vorstellen. In der Seeschifffahrt, bei den großen Einheiten, die dort fahren, verengt sie sich auf 500 Meter. Dies macht gleichzeitig auch einen Kurswechsel von ungefähr 90 Grad notwendig. Das ist fast schon ein nautisches Kunststück. Und ein Seelotse, der immer nur beratenden Charakter hat, der Seelotse übernimmt nie die konkrete Verantwortung, das ist immer der Kapitän des jeweiligen Schiffes, ist aber der wichtigste und richtigste Berater in einem solchen Fahrgebiet, denn er hilft, dann tatsächlich auch Havarien zu verhindern.
Kollege Schulte hat das Thema „Winona“ angesprochen, und zwar die Strandung dieses Frachters. Im Ergebnis dieser Strandung habe ich mich ja an den Bundesverkehrsminister gewandt und ihn gebeten, sich international im Interesse unseres Landes und darüber hinaus für die Lotspflicht in der Kadetrinne einzusetzen. Ich kann Ihnen sagen, ich bin mit Peter Ramsauer in einigen Punkten wirklich nicht einig. Das hat aber etwas mit den Bundes- und den Landesinteressen zu tun. Bei diesem Thema allerdings sind wir uns tatsächlich einig. Er teilt unsere Auffassung als Landesregierung, dass die Lotsbegleitung von Schiffen in bestimmten Fahrgebieten, hier insbesondere der Kadetrinne, als wichtiger Bestandteil zu einem umfassenden Sicherheitskonzept gehört.
Wie ist es Moment? Die IMO, das ist ja hier schon mehrfach angesprochen worden, empfiehlt für die Kadetrinne – denn eine solche Empfehlung gibt es, auch das wird häufig in der Diskussion gar nicht thematisiert – für Schiffe ab einem Tiefgang von elf Metern sowie für Schiffe mit bestimmten Gefahrgütern die Inanspruchnahme von Lotsendiensten. Und laut HELCOM nehmen hiervon fast 90 Prozent aller durchfahrenden Schiffe tatsächlich freiwillig einen Lotsen.
Meine Damen und Herren, es geht uns aber nicht um diese 90 Prozent. Es geht uns um die 10 Prozent, denn das sind diejenigen, die es eigentlich aufgrund der technischen Ausstattung ihrer Schiffe oder auch des qualitativen Niveaus der jeweiligen Besatzung und Schiffsführung nötig hätten. Die haben es nötig und die nehmen keine Lotsen. Unsere Auffassung ist die: Wir können das nur verhindern oder ändern, wenn wir eine Lotspflicht in der Kadetrinne bekommen.
Meine Damen und Herren, abschließend will ich Sie über die Regierungsarbeit informieren. Das ist guter Brauch, also werde ich mich auch weiterhin daran halten. Ich werde am 25.10. die erste „Hafenbörse Vorpommern“ in Stralsund durchführen. Dort sind eine Menge internationaler Gäste, unter anderem der russische Vizetransportminister Herr Olerski aus Moskau. Mit dem habe ich auf der Transrussia im März schon über das Thema gesprochen. Wir werden dort noch einmal ein Gespräch zur Lotspflicht führen, weil es auf der einen Seite sehr begrüßenswert ist, dass die russischen Parlamentarier in der Ostseeparlamentarierkonferenz einen solchen Beschluss mittragen, aber der zweite Schritt ist dann die praktische Umsetzung durch die russische Administration.
treffe ich den russischen Transportminister genau zu diesem Thema. Ich werde mit ihm das durchdeklinieren in
der Hoffnung, dass die russische Regierung ihren bisherigen und aus ihrer Sicht vielleicht sogar nachvollziehbaren Widerstand aufgibt und gemeinsam mit den Skandinaviern und mit uns diese Lotspflicht einführt. Die IMO muss es machen, weil sie als internationale Organisation nur in der Lage ist, völkerrechtlich verbindliche Anordnungen zu treffen. In diesem Sinne werbe ich noch mal für Unterstützung zu dem vorliegenden Antrag.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema Schiffssicherheit, davon gehe ich mal aus, liegt allen demokratischen Fraktionen dieses Hauses mit Sicherheit am Herzen. Auch in der internationalen Arbeit der Abgeordneten hat dieses Thema seit Jahren Priorität. So fatalistisch, Herr Schulte, wie Sie die Auffassung unter den Parlamentariern hier dargestellt haben, habe ich Sie eigentlich nie erlebt in den zehn Jahren, in denen ich an der Ostseeparlamentarierkonferenz teilnehme.
(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Das liegt an der Erkältung. Das liegt an der Erkältung. – Michael Roolf, FDP: Das lag an der Erkältung.)
So wurde jahrelang auf der Ostseeparlamentarierkonferenz dazu der Konsens gesucht und weitestgehend auch gefunden. Außer den russischen Parlamentariern waren nämlich alle immer damit einverstanden, dass wir eine Lotsenpflicht brauchen. Im April 2001, das können Sie nicht wissen, da waren Sie noch nicht im Landtag, gab es hier eine große internationale Anhörung zu diesem Thema. Auch dort bestand Konsens zu dieser Auffassung.
Die aktuellen Zahlen zu den Schiffsbewegungen in der westlichen Ostsee wurden bereits genannt. Es ist eigentlich nur sicher, dass sie auch steigen werden. Gerade im Hinblick auf die Entwicklung des geplanten Gasterminals in Swinemünde wird sich das Thema noch weiter verschärfen.
Natürlich stimmen die LINKEN mit den Koalitionsfraktionen über die Bedeutung der Einführung einer Lotsenpflicht für die Kadetrinne überein. Auch das Havariekommando meint, dass eine Lotsenpflicht im Vergleich zur jetzigen Praxis mehr Sicherheit für die Kadetrinne böte. Allerdings, einen Lotsen an Bord zu nehmen, kostet Geld, und nicht wenig Geld. Das wird wohl der Hauptgrund dafür sein, dass man bisher nur freiwillig auf die Lotsen zurückgegriffen hat.
Aber, meine Damen und Herren, wie bereits angedeutet, hat sich dieser Landtag schon in den vergangenen Jahren und Legislaturperioden aus allen Fraktionen heraus dieses Themas angenommen. Dazu nur ein ganz kurzes Zitat: „Die Vorbeugung und Bekämpfung von Schiffsunfällen, die Schiffssicherheit, die Sicherheit der Seeschifffahrt sowie die internationale Zusammenarbeit in diesem Bereich – insbesondere in der Ostsee – haben vor dem Hintergrund der katastrophalen, unabsehbaren wirtschaftlichen und ökologischen Folgen eines großen Tankerunfalls für Mecklenburg-Vorpommern weiterhin höchste Priorität.“ So heißt es in der Landtagsdrucksa
Und im Punkt 2.2 dieses Antrages heißt es weiter: „Der Landtag sieht es als notwendig an, dass sich die Bundesregierung auf internationaler Ebene für die Einführung einer Lotsenannahmepflicht in der westlichen Ostsee einsetzt. Die Landesregierung wird aufgefordert, sich in den Gremien, in denen sie vertreten ist, für die Einführung einer Lotsenpflicht auf internationaler Ebene einzusetzen.“ Zitatende.
Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen, außer, dass die damalige Formulierung wohl um einiges konkreter ist als der heute vorgelegte Antrag und wohl auch umfassender als der Änderungsantrag der FDP-Fraktion.
Umso mehr erstaunt es mich dann, dass es den Koalitionsfraktionen notwendig erscheint, eine erneute Willensbekundung unseres Parlamentes herbeizuführen. Das erinnert mich sehr an Aktionismus und an Koalitionsarithmetik.
Oder hatten Sie, meine Damen und Herren von SPD und CDU, kein anderes Thema gefunden, auf das Sie sich einigen konnten? Frei nach dem Motto: „Schiffssicherheit kommt immer gut und ist konsensfähig.“
Um es noch einmal ganz klar und deutlich zu sagen: Ich finde es schade, dass die Koalitionsfraktionen im Vorfeld der Antragstellung nicht den Willen hatten, gerade weil sich dieses Parlament bereits intensiv und über die Jahre hinweg mit der Materie befasst und bereits einen Konsens gefunden hatte,
dass die Koalitionsfraktionen, Herr Renz, nicht den Willen gezeigt haben, einen gemeinsamen interfraktionellen Antrag zu diesem Thema zu erarbeiten.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Torsten Renz, CDU: Dann sollen sie doch sagen, dass sie ablehnen.)
Dennoch, meine Damen und Herren von CDU und SPD, und insbesondere Sie, Herr Renz, das wird uns nicht daran hindern, Ihrem Antrag heute zuzustimmen und das interfraktionelle Bündnis zu erneuern. – Herzlichen Dank.