Protocol of the Session on September 17, 2010

Die Rente mit 67 wurde 2007 von Union und SPD in der Großen Koalition beschlossen.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Vor dem Hintergrund der weiter steigenden Lebenserwartung – die ich im Übrigen sehr begrüße, wir haben 20 Jahre nach der Einheit in den neuen Bundesländern eine erhöhte Lebenserwartung zu verzeichnen, der Frauen um fünf Jahre und der Männer um sechs Jahre, das ist ein Erfolg, das freut sicherlich nicht nur mich –, aber vor diesem Hintergrund und dem Hintergrund der sinkenden Geburtenzahlen ist die stufenweise Anhebung der Altersgrenze für die Regelarbeitsrente von bisher 65 auf das 67. Lebensjahr eine wichtige rentenpolitische Maßnahme, um die gesetzlichen Beitrags- und Niveausicherungsziele einhalten zu können.

Die Maßnahme trägt dazu bei, in einem ausgewogenen Verhältnis zwischen den Generationen, ich nenne hier das Stichwort Generationengerechtigkeit, die finanzielle Grundlage und die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung nachhaltig zu sichern.

(Irene Müller, DIE LINKE: Dass das nicht funktioniert, haben wir Ihnen bereits bewiesen.)

Das gesetzliche Rentenalter, so die derzeitige Rechtslage – es ist Rechtslage! –, wird ab dem Jahr 2012 schrittweise angehoben, zunächst um einen Monat und erst ab dem Jahr 2024, also nach weiteren 12 Jahren beziehungsweise erst in 14 Jahren, um zwei Monate pro Jahr.

Das bedeutet, wer 1947 geboren ist, muss einen Monat länger arbeiten, um abschlagsfrei in Rente zu gehen. Mit jedem weiteren Jahr verschiebt sich das Rentenalter weiter nach hinten. Wer 1958 geboren ist, kann erst mit 66 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen. Erst für alle, die ab 1964 geboren sind, gilt dann die Rente mit 67.

(Irene Müller, DIE LINKE: Ach, mit 67 gehen alle.)

Dieses Jahr, 2010, geht der Geburtsjahrgang 1946 ebenfalls spätestens mit 65 in Rente. Erst im Jahr 2012, also im übernächsten Jahr, muss der Geburtsjahrgang 1947 einen Monat länger arbeiten. Er geht dann mit spätestens 65 Jahren und einem Monat in Rente. 2013 geht der Geburtsjahrgang 1948 spätestens mit 65 Jahren und zwei Monaten in Rente und so weiter.

Wir reden somit heute über eine Regelung, die bereits 2007 durch den Bundesgesetzgeber in das Sozialgesetzbuch Sechstes Buch kam, jedoch erst im übernächsten Jahr, also fünf Jahre später, erstmalig zur Anwendung gelangen wird.

Im SGB VI steht aber auch: Wer mindestens 45 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hat, kann auch künftig bei vollen Bezügen mit 65 Jahren aufhören zu arbeiten. Ausnahmen von der Anhebung des Renteneintrittsalters gelten außerdem unter anderem für Schwerbehinderte und bei verminderter Erwerbsfähigkeit. Sie müssen ebenfalls nicht bis 67 arbeiten. Es ist auch weiterhin möglich, mit frühestens 63 Jahren in Rente zu gehen. Diejenigen müssen dann aber einen lebenslangen Rentenabschlag von maximal 14,4 Prozent hinnehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses Thema Rente beschäftigt uns im Moment aktuell. Aber ich habe ein aktuelles Interview von Helmut Schmidt, Altkanzler, in der „WirtschaftsWoche“ gelesen, der bereits 1975 dieses Thema einmal angesprochen hat, den sogenannten Pillenknick. Ich darf sinngemäß zitieren: Gesamtökonomische Auswirkungen waren bereits damals erkennbar, sowohl der Rückgang des Bevölkerungszuwachses, der überproportionale Rückgang der Erwerbsbevölkerung und das Wachstum des Anteils der Rentner in der Bevölkerung. Aber seit dieser Zeit war die öffentliche Meinung absolut unwillig, dieses Thema aufzunehmen – bis auf zwei Ausnahmen, ich darf sie nennen: Meinhard Miegel und Kurt Biedenkopf hießen die Politiker. CDU und SPD sowie alle anderen Parteien haben sich des Themas nicht ernsthaft annehmen wollen. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen.

(Irene Müller, DIE LINKE: Nanu?!)

Und es geht nicht, dass wir heute wie der Vogel Strauß den Kopf in den Sand stecken, Frau Müller,

(Irene Müller, DIE LINKE: Nanu, was haben Sie denn alles nicht gelesen?)

es muss reagiert werden.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Die heutige Reaktion auf die Zukunft der Rentenversicherung

(Irene Müller, DIE LINKE: Tja, unsere Anträge sind seit 2007 hier.)

ist notwendig wegen unter anderem der Generationengerechtigkeit. Das Heft des Handelns, darauf hat Frau Ministerin hingewiesen, hat der Bundestag in der Hand.

Mir liegt es am Herzen, Altersarmut zu vermeiden. Ich kenne Altersarmut, ich komme aus der DDR. Wie viele Frauen haben dort schamhaft in Altersarmut gelebt? Meine eigene Großmutter bekam über viele, viele Jahrzehnte das sogenannte Armengeld von 65 Mark der DDR, das später in eine Mindestrente von 300 Mark umgewandelt wurde. Es ging ganz vielen Frauen so, die nie darüber geredet haben. Die hätten sich kaum einen Wintermantel kaufen können beziehungsweise Kaffee,

wenn sie nicht auf Westpakete gehofft haben beziehungsweise sie bekamen.

(Zurufe von Irene Müller, DIE LINKE, und Udo Pastörs, NPD)

Also mit dieser Lebenserfahrung sind wir groß geworden, ich zumindest. Ich mache mir Sorgen um die Zukunft der Rente. Ihres Antrags bedarf es darum nicht. Wir werden ihn ablehnen. – Ich danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Danke, Herr Rühs.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Grabow von der Fraktion der FDP.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Wir haben ja schon viele Fakten gehört und im Endeffekt gibt es Zahlen, an denen wir nicht vorbeikommen. Es ist schön, dass wir älter werden, es ist schön, dass wir mehr Bevölkerung haben, die über 65 ist, und sicherlich müssen wir auch hier, aber eigentlich im Deutschen Bundestag, um die besten Ideen streiten.

Es stimmt, wir haben in den letzten Jahren häufiger dieses Thema totgeschwiegen, weil es natürlich eine große Personengruppe ist, wo nicht jeder so gerne rein will. Uns Liberalen wirft man ja häufiger vor, dass wir keine Inhalte haben, aber da kann ich Sie beruhigen, wir haben schon 2007 ein Rentenkonzept beschlossen auf dem Bundesparteitag.

Wir haben klare Position bezogen, dass wir gesagt haben, wir wollen ein variables Eintrittsalter der Rente ab 60 haben. Wir sagen, dass man, wenn man die Möglichkeit hat, Zuverdienst sich erarbeiten kann, ohne in der Zeit Abgaben leisten zu müssen. Man kann dann zusätzlich was in die Rentenkasse einzahlen. Es muss eine andere Denke her, es kann nicht ein Automatismus kommen, ich gehe mit 60 in Rente, sondern jeder muss selbst entscheiden, wann er in Rente gehen möchte ab 60. Das kann auch sein, dass jemand bis 75 arbeitet und sagt, ich fühle mich so fit, ich will das.

Wir haben im Augenblick die Situation, wir wissen, dass wir mehr werden, und wir wissen auch, dass wir nicht unendlich viel Geld haben.

(Udo Pastörs, NPD: Wir wissen, dass wir mehr werden. Das ist der Mehrwert!)

Und im Endeffekt muss ich hier auch ganz klar sagen, dass jedem heute, meiner Generation, eigentlich klar sein muss, dass er vorsorgen muss, weil er weiß oder er weiß es nicht, ich weiß es nicht, was ich am Ende meines Lebens an Rente beziehe.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Dazu muss man auch ein Gehalt haben, dass man vorsorgen kann.)

Das ist richtig, da komme ich jetzt zu.

(Stefan Köster, NPD: Jetzt spricht die Steuerpartei.)

Da wir ja bei der Mindestlohndebatte aufgehört haben, sage ich auch ganz klar, natürlich muss es ein auskömmliches Einkommen geben, aber ob das mit dem Mindestlohn hinzukriegen ist, und da haben wir in diesem Hause auch schon sehr oft sachlich drüber diskutiert …

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ich will nicht wieder das Beispiel der Frisöse anführen, ich will nicht das Beispiel,

(Zurufe von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE, und Udo Pastörs, NPD)

es gibt einige Berufs-, einige Dienstleistungsbereiche, wo ich nicht weiß, ob die dann wegfallen, denn die Menschen entscheiden mit ihren Füßen und nicht mit dem Gehirn,

(Udo Pastörs, NPD: Sie haben das Gehirn in den Füßen.)

sondern sie sagen ganz klar, sie gehen dahin, wo der preiswerte Friseurschnitt ist, und der ist in dem Augenblick schwarz mit 10 Euro oder 15 Euro garantiert in irgendeinem Wohnzimmer. Da können wir drüber streiten, ob das so ist. Aber es gibt auch Beispiele aus England, wo man das schon sehr gut nachweisen kann.

Damit will ich auf keinen Fall sagen, dass es nicht ein gewisses Mindesteinkommen für jeden geben muss, aber ob das mit dem Mindestlohn dann geheilt wird, davon vermögen Sie mich nicht zu überzeugen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Na, wie dann?)

Insofern, liebe LINKE, ich weiß, dass wir mindestens noch im nächsten Jahr diesen Antrag fünfmal haben. Vielleicht sollten wir uns mal außerparlamentarisch, außerhalb dieses Raumes treffen mit den verschiedenen Leuten und können ja da noch mal über unsere Konzepte diskutieren.

(Irene Müller, DIE LINKE: Wie verbindlich ist es dann?)

Und vielleicht kriegt man dann da die eine oder andere Gemeinsamkeit,

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

aber die Sache wird im Deutschen Bundestag entschieden und nicht hier in Mecklenburg-Vorpommern. – Ich bedanke mich.