Protocol of the Session on July 9, 2010

aus Sicht meiner Fraktion können wir Ihrem Änderungsantrag gerne zustimmen. Es ist ja nicht üblich, dass ein Oppositionspolitiker den Bildungsminister immer als Autoritätsbeweis anführt. Ich will den Bildungsminister noch einmal zitieren aus der Debatte von 2009. Er sagte: „Es ist – und da sind wir uns sicherlich alle einig – eine wesentliche Aufgabe von Politik, den Menschen im Land Antworten zu geben, ihnen Mut zu machen, ihnen damit auch Sicherheit zu geben. Die Dinge sind beeinflussbar, wir haben Gestaltungsmöglichkeiten und ich finde auch, wir nutzen sie.“ Ende des Zitats.

Nun, diese Einschätzung will ich für die Landesbildungspolitik, wenn auch mit so mancher Einschränkung, durchaus teilen. Für den Verlauf allerdings der Verhandlungen zum Bildungsgipfel und den fehlenden Ergebnissen kann ich in Anlehnung an dieses Zitat nur feststellen: Kein Mut, sondern Mutlosigkeit, keine Sicherheit, sondern Unsicherheit, keine Gestaltung, sondern Stillstand. Wer meint, dies sei übertrieben, dem empfehle ich die Lektüre der Expertise von Professor Klemm im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes mit dem Titel „Bildungsgipfelbilanz“, die vor einigen Wochen erschienen ist.

Einen breiten Raum nehmen in dieser Expertise die Fragen der Bildungsfinanzierung ein. Sie erinnern sich: Die öffentlichen und privaten Ausgaben für Bildung und Forschung sollen bis 2015 auf zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes gesteigert werden. Davon sollen dann sieben Prozent auf die Bildung und drei Prozent auf die Forschung entfallen. Absolute Summen allerdings, bezogen auf die Prozentzahlen, wurden erst im Dezember 2009 genannt.

Allerdings kann man die Kopplung der Bildungsausgaben an das Bruttoinlandsprodukt in prozentualer Höhe nur kritisieren, weil es nämlich konjunkturellen Schwankungen unterliegt. Das heißt, je schwächer die Konjunktur ist, umso schneller erreicht man rein rechnerisch die zehn Prozent. Das führt zum Beispiel dazu, dass das durch die Bankenkrise erheblich geschrumpfte Bruttoinlandsprodukt 2009 natürlich einen erheblichen Anstieg des prozentualen Anteils der Bildungsausgaben zur Folge hat, weil die Bildungsausgaben ja nicht gesunken sind. Das zeigt also die Problematik von Prozentzahlen. Im Zweifelsfall dokumentieren sie nur scheinbare Verbesserungen, aber keine wirklichen Veränderungen.

In der Expertise wird auch konstatiert, dass sich der Anteil der Bildungsausgaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt seit 1995 kontinuierlich verringert hat. So berechnete die Studie für das Jahr 1995 noch 8,8 Prozent, im Jahre 2007 waren sie dann auf 8,4 Prozent abgesunken. Ich betone, ohne Bankenkrise! Diese Zahlen sind nicht neu, sie werden uns jährlich von der OECD präsentiert. Es erfolgt darauf hin dann immer die inzwischen reflexartige politische Reaktion: Wir werden das ändern! Zum Beispiel soll mit der Qualifizierungsinitiative für Deutschland seit 2008 eine Trendwende eingeleitet werden.

Ich kann nur feststellen: Sie, also die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder, kommen aber dabei nicht so recht vorwärts. Sie drehen sich auf dem Gipfelplateau im Kreis. Und wie stellte der Ministerpräsident dieses Landes gestern in der Debatte zum Kindertagesstättenförderungsgesetz fest: Der Bildungsgipfel ist gescheitert.

Meine Damen und Herren, unklar ist auch, was unter öffentlichen und privaten Bildungsausgaben zu verstehen ist. Da das Bildungswesen öffentlich verantwortet ist, also staatlich, sind private Aufwendungen, egal von wem, eigentlich wesensfremd. Sie sollten deshalb eher als zusätzliche Ausgaben deklariert werden, die die staatliche Aufgabe unterstützen und nicht ersetzen. Unklar ist auch die viel wichtigere Frage, was eigentlich als Bildungsausgaben alles in die Berechnung eingeht. Erst dann wird nämlich klar, ob es sich wirklich um originäre Bildungsausgaben handelt. Ich hoffe, dass die bisherigen Indizien, zum Beispiel auch Pensionskosten für ausgeschiedene Lehrerinnen und Lehrer in die Berechnung mit einzubeziehen, so nicht zutreffen werden, weil sie nicht als Bildungsausgaben relevant sind.

Meine Damen und Herren, insoweit ist der Bezug in den vorliegenden Änderungsanträgen auf die Einbeziehung von Anteilen der Mehrwertsteuer aus unserer Sicht durchaus richtig. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber beileibe keine grundlegende Lösung. Eines der Grundübel der Bildungsfinanzierung liegt weiterhin bei der Zuordnung der Bildungsausgaben zu den konsumtiven Kosten, wir können in Deutschland eben immer noch viel besser in Beton investieren als in Köpfe.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein weiteres Hemmnis, zumindest für den Bildungsbereich, ist an so mancher Stelle der Föderalismus. Bei der Föderalismusreform ist das Kooperationsverbot des Bundes mit den Bundesländern noch erheblich verstärkt worden. Insbesondere die CDU-geführten südlichen Bundesländer haben sich damals dafür ein- und durchgesetzt. Nimmt man die viel zitierten Bedürfnisse der Menschen als Handlungsanspruch an Politik als Maßstab, so müssten umgehend Änderungen initiiert werden. In jüngsten Umfragen fordern über 60 Prozent der Befragten eine Abschaffung des Föderalismus in der Bildung. Und das sind inzwischen beileibe nicht nur die Ostdeutschen, die es auch noch anders kennen, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger in den alten Bundesländern. Die Befragten meinen damit aber nicht zuerst die Finanzierung, sondern vor allen Dingen gleiche Bedingungen und die Vergleichbarkeit im gesamten Schulsystem der Bundesrepublik. Dies gilt gleichermaßen für Hochschulen.

Die Diskussion zeigt, dass die Mehrheit der Bildungspolitiker in Deutschland von den Vorstellungen und Bedürfnissen der Bevölkerung in dieser Frage immer noch meilenweit entfernt ist. Anders gesagt, viele ignorieren das wissentlich. Zunehmend beklagen sich selbst die Bildungsminister über diese Situation. Seit Jahren sind die Kompromisse der Kultusministerkonferenz als der zentralen bildungspolitischen Koordinierungsstelle kaum noch praxistauglich. Wie sollten sie auch, wenn im Extrem fall 16 Positionen zu einer Entscheidung zusammengeführt werden sollen. Am Montag war im Pressespiegel ein siebenseitiger Artikel aus dem „Spiegel“ unter der Überschrift „Ein Abgrund von Föderalismus“ enthalten. Ich empfehle Ihnen sehr, diesen einmal aufmerksam zu lesen.

Ich möchte aus diesem Artikel ein paar Sätze aus dem Schluss zitieren. Dort heißt es: „Doch wem außer der teuren Kultusbürokratie und den Verlagen, die Sammlungen der Länder-Schulgesetze herausgeben, nutzt diese Vielfalt? Ein Schüler, der in seinem Bundesland bleibt, hat nichts davon, dass es in anderen Bundesländern anders ist. Und wer das Land wechseln will, leidet meist unter solchem Föderalismus. Vielfalt ist eine Chance für Politiker, die lernen wollen – von denen im Nachbarland.

Doch darauf hat sich kaum je ein Kultusminister eingelassen. Sie haben ja die KMK – ein Kartell der Dummheit.“ Ende des Zitats. Nun, zu dem Kartell kann man eine völlig andere Auffassung als der Journalist haben, aber das grundsätzliche Problem ist schon beschrieben.

Ich will nicht verhehlen, dass Änderungen am jetzigen Zustand nicht einfach sind. Die bisherigen Bemühungen zur Harmonisierung, zum Beispiel bei Schulabschlüssen, bei Prüfungen oder Bildungsstandards sind ein Schritt in die richtige Richtung, aber noch nicht der große Durchbruch. Sie lassen auch keinen wirklich parteiübergreifenden Willen zu einer echten Kooperation und Zusammenarbeit erkennen. Parteiinteressen dominieren hier weiterhin das Geschehen. Wir haben den Punkt 4 des vorliegenden Antrags deshalb auch bewusst offen formuliert.

Dass eine Grundgesetzänderung nicht aussichtslos ist, haben wir bei den ARGEN gesehen, auch da ging es ausschließlich um Zuständigkeiten. Von daher, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist auch vor dem Hintergrund der Diskussion um die Bildungsfinanzierung die Beteiligung des Bundes an der Bildungsfinanzierung und die Frage der Beibehaltung des Kooperationsverbotes, nach der Regelung des Grundgesetzes und der Föderalismusreform – so, wie jetzt – nicht wirklich zweckführend und dienlich und gehört daher abgeschafft. Ich darf Sie namens meiner Fraktion daher um Zustimmung zu diesem Antrag bitten. Wir stimmen, wie gesagt, dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen gerne zu.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Marc Reinhardt, CDU: Sehr gut, Andreas. Sehr gut. – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Andreas, Herr Reinhardt hat dich gelobt.)

Danke schön, Herr Bluhm.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Brodkorb von der Fraktion der SPD.

(Marc Reinhardt, CDU: Der ist nicht da, Frau Präsidentin. – Regine Lück, DIE LINKE: Herr Brodkorb ist nicht da. – Peter Ritter, DIE LINKE: Der ist nicht da.)

Das Wort hat dann der Abgeordnete Herr Reinhardt von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kollegen! Meine sehr geehrten Kollegen von der Fraktion DIE LINKE!

Sehr geehrter Herr Vizepräsident Bluhm! Mit Ihrem Antrag zeigen Sie uns, dass Sie aus meiner Sicht die Bemühungen der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und der Ministerpräsidenten für die Qualifizierungsinitiative unterstützen. Ich will ausdrücklich sagen, dass ich das durchaus schätze und auch begrüße.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Nun ist aber genug mit dem Lob. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Und da Sie es ja schon gesagt haben, dass Sie unserem Änderungsantrag zustimmen,

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

werden wir heute natürlich diesem Antrag zustimmen. Frau Kollegin Borchardt ist zwar gerade nicht da, aber das möchte ich doch schon erwähnen, weil sie ja gestern mitgeteilt hat, dass wir Oppositionsanträge einfach nur in Grund und Boden stimmen, dass sie vielleicht heute einen roten Punkt im Kalender macht und sagt: Heute ist einer der Anträge, wo wir auch der Opposition zustimmen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Aber Sie haben auch schon oft gesagt, das wird nicht oft vorkommen.)

Das habe ich nicht gesagt. Das liegt ja an Ihren Anträgen, Herr Professor Methling,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja, ja, ja.)

die müssen natürlich auch eine gewisse Qualität haben.

(Zurufe von Regine Lück, DIE LINKE, und Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Herr Kollege Rudolf Borchert würde bestimmt sagen, dass ihm der Antrag nicht weit genug geht.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja.)

Deshalb haben wir ja heute den Änderungsantrag gestellt und bringen ihn somit in eine Fassung, der auch wir zustimmen können.

Mit der gestrigen Verabschiedung der KiföG-Novelle haben die Koalition und diese Landesregierung einmal mehr bewiesen, dass wir eben nicht Sonntagsreden zur Bildung halten. Wir tun etwas für die Bildung von Anfang an, und zwar mit der Bildungskonzeption für Null- bis Zehnjährige, für alle Kinder in unserem Land. Das ist auch Bestandteil der Qualifizierungsinitiative. Das neue KiföG ist sowohl sozial- als auch bildungspolitisch für die Kinder in unserem Land von besonderer Bedeutung. Denn wie auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN oder von der Opposition sicherlich auch Kenntnis genommen haben, nimmt die frühkindliche Bildung beim Programm „Aufstieg durch Bildung – Qualifizierungsinitiative für Deutschland“ eine besondere Stellung ein.

Bildung von Anfang an ist ein zentrales Ziel in allen Bundesländern. Der Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrag für Kindertageseinrichtungen und Tagespflegepersonen ist im KiföG formuliert und wird mit der Bildungskonzeption fundamentiert und umgesetzt. Die Potenziale unserer Kinder müssen von Anfang an an altersgerechten Formen entwickelt werden. Dafür steht das KiFöG und dafür steht auch unsere Bildungskonzeption. Und das endet nicht etwa alles nach dem Übergang zur Grundschule, dort greift dann die Förderstrategie, die die KMK im März 2010 für leistungsschwächere Schüler bei Stärkung der individuellen Förderung verabschiedet hat.

Mit der Förderstrategie verfolgt Mecklenburg-Vorpommern das Ziel, den Anteil derer, die am Ende ihres Bildungsganges ein Mindestniveau der Konzeptentwicklung nicht erreicht haben, wesentlich zu reduzieren. Das waren nur einige Beispiele des Programms „Aufstieg durch Bildung – Qualifizierungsinitiative für Deutschland“. Dieses Programm ist für mich zuallererst auch ein bildungspolitischer Auftrag mit einer Zielvereinbarung für die Zukunft unserer Gesellschaft.

Wir haben den Änderungsantrag vorgelegt. Er ist in zwei Punkte untergliedert: Erstens, dass er formuliert, was es für erste Ergebnisse gibt, und zum Zweiten, denke ich, auch das eint uns, dass wir für die Ausgaben in der Bildung mehr Umsatzsteuerpunkte für diesen Bereich fordern. Auch das, denke ich, eint uns. Sie haben angekündigt von der Fraktion DIE LINKE, dass Sie unserem Änderungsantrag zustimmen. Und deshalb werden die Koalitionsfraktionen dann auch Ihrem Antrag zustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Danke schön, Herr Reinhardt.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete und Vizepräsident Herr Kreher von der Fraktion der FDP.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann es kurz machen:

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Auch wir sind mit den Ergebnissen des Bildungsgipfels nicht zufrieden gewesen und auch wir sehen da noch großen Handlungsbedarf. Vor allen Dingen geht es ja um die Finanzierung. Deshalb hatten auch wir einen entsprechenden Änderungsantrag eingebracht, der aber in eine ähnliche Richtung geht wie der Änderungsantrag, der von der Koalition kommt. Es wäre nun nicht unbedingt sinnvoll, dass wir um jeden Preis auf unseren Änderungsantrag bestehen, weil es auch uns darum geht, die Mehrwertsteuerpunkte für die Bildung in Zukunft zu nutzen. Deshalb, meine Damen und Herren, damit nicht unnötig über unseren Antrag noch abgestimmt werden muss, werden wir unseren Antrag zurückziehen, werden dem Änderungsantrag der Koalition zustimmen und dann auch dem Ganzen zustimmen. Insofern ist …

(Michael Roolf, FDP: Obwohl wir ihn vorher beantragt haben.)

Obwohl wir es selber vorher beantragt haben.

Aber der Antrag ist ja in dem Sinne auch genau von unserer Vorstellung geprägt. Er ist später gekommen von der Koalition,

(Michael Roolf, FDP: Sehr richtig, sehr richtig.)

unserer war früher eingereicht. Aber er ist ja von uns, so sehen wir das jedenfalls, mit angeregt worden, das in diese Richtung zu ändern. Deshalb können wir auch hier zusammen abstimmen und dem Änderungsantrag der Koalition zustimmen und dann gemeinsam hier vorgehen. Ich glaube, das ist dann auch ein entsprechendes Zeichen, das wir hier gemeinsam geben, um für Bildung in unserem Land und in Deutschland mehr zu erreichen. Ich glaube, das ist gut, wenn wir hier zusammen ein Signal nach außen geben. – Danke schön, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Danke schön, Herr Kreher.