Die Landesregierung war dagegen, die Koalition war dagegen und wir mussten sie uns erst erklagen. So ist das in diesem Land.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Rudolf Borchert, SPD: Da kommt ja der Kläger. – Zuruf von Bernd Schubert, CDU)
Und, meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch etwas ausführen, welchen Weg wir gehen sollten. Ich zitiere wieder aus dem Papier des Wirtschaftsausschusses vom 16. Juni 2005 von Professor Armin Rohde: „Jeder Euro, der in die Hochschulen fließt, finanziert sich je nach Studiengang mehr oder weniger von selbst, indem er Studierende mit Kaufkraft ins Land holt oder im Land hält. Das bedeutet nicht, dass die Universitäten und Hochschulen im Zuge der bestehenden Haushaltsprobleme nicht angetastet werden dürfen. Vielmehr sollte man gemeinsam nach Lösungen suchen,“
„wie die zentrale Rolle weicher Standortfaktoren verbessert oder gar optimiert werden kann. Allerdings muss man kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass das gerade diskutierte Hochschulkonzept der Landesregierung genau das Gegenteil dessen bewirkt, was Universitäten und Hochschulen gegen die Folgen des demographischen Wandels tun können.“
Das ist die Aussage der Universitäten zu Ihrer Hochschulpolitik, zu innovativer Politik, die zu weniger Arbeitslosigkeit führt.
Das ist Mecklenburg-Vorpommerns Innovationskennziffer, das ist bundesweit Deutschlanddurchschnitt Ost an letzter Stelle.
Und, meine Damen und Herren, das ist der Anteil von Forschungs- und Entwicklungskapazität an der Gesamtbeschäftigung.
Das ist die Zukunft Mecklenburg-Vorpommerns, das ist die Zahl, was diese Landesregierung verspielt. Und ich mache Ihnen noch einen abschließenden Vorschlag für „Prora 2006“:
Nehmen wir das Geld aus der Öffentlichkeitsarbeit dieser Landesregierung und nicht aus dem Zukunftsfonds! Wir wollen die Zukunft nicht verspielen.
Es hat jetzt das Wort der fraktionslose Abgeordnete Herr Dr. Bartels. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Meine Damen und Herren, eine umfassende Studie der Weltbank dokumentiert, wie Arme ihre eigene Situation einschätzen. Die Studie zeichnet ein deutliches Bild von dem, was sich für diese Menschen täglich unter dem Begriff „Armut“ verbirgt. Es sind 60.000 Betroffene befragt worden. Das Ergebnis lässt sich zusammenfassen unter den Stichworten „Unsicherheit“, „Aussichtslosigkeit“, „Machtlosigkeit“ und „Ausgrenzung“. Zu dem letzten Stichwort habe ich ein aus meiner Sicht sehr schlimmes Beispiel. Es gibt an Greifswalder Schulen ein neues Schimpfwort, welches „Hartz-IV-Kind“ heißt.
Die PDS-Fraktion in der Bürgerschaft Greifswald hat eine Kleine Anfrage an die Verwaltung gestellt und ich will am Rande bemerken, diese Anfrage enthielt knapp 100 Fragen, die in insgesamt 14 Tagen in guter Qualität – also aussagekräftig – beantwortet wurden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arge, die das geleistet haben, haben sich nicht belästigt gefühlt, sondern gesagt, die Beantwortung der Fragen hat für eine Zwischenauswertung ihrer Arbeit einen sehr guten Dienst geleistet. Lassen Sie mich einfach ein paar Zahlen aus diesen Daten sagen, damit wir wissen, worüber wir überhaupt reden. In Greifswald sind mehr als 9.000 Personen in Bedarfsgemeinschaften, das ist jeder sechste Greifswalder beziehungsweise jede sechste Greifswalderin. Die Händler sprechen schon heute davon, dass sie einen deutlichen Rückgang an Kaufkraft spüren, und sie prognostizieren, dass das weiterwirken wird.
(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Barbara Borchardt, PDS: So viel zur Wirtschaftskompetenz der CDU! – Zuruf von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU)
Übrigens auch in HGW, auch in Greifswald gibt es wesentlich mehr Bedarfsgemeinschaften und Betroffene, als vorher prognostiziert wurde.
(Reinhard Dankert, SPD: Aber die gab es vorher auch. Die Sozialämter haben es nicht gewusst oder nicht wissen wollen. – Zuruf von Torsten Koplin, PDS)
Eine weitere Zahl aus diesem Material: In diesen Bedarfsgemeinschaften leben 1.300 Kinder unter 15 Jahren. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an das eben zitierte neue Schimpfwort. Es gibt in den Bedarfsgemeinschaften 771 Alleinerziehende und natürlich, überhaupt nicht überraschend, davon 718 Frauen, die allein erziehend sind und mit den Bedingungen von ALG II zurechtkommen müssen.
Eine weitere Zahl aus dieser Analyse: 14 Prozent der ehemaligen Arbeitslosenhilfeempfänger bekommen gar nichts mehr. Das sind zwar deutlich weniger, als prognostiziert wurde, prognostiziert waren 30 bis 35 Prozent, aber das sind in Greifswald 560 Menschen, die erstens gar nichts mehr bekommen, die aber, und das ist am allerschlimmsten, von niemandem mehr betreut werden, für die niemand mehr zuständig ist,
die gar nicht die Chance haben, sich um eine ABM zu bemühen – ich bin gleich fertig, Herr Präsident –, die völlig an den Rand geschoben werden. 560 Menschen allein in Greifswald!
Diese Analyse sagt doch eins aus über das Bildungsniveau der ALG-II-Empfänger über 25 Jahre: 4 Prozent haben Hochschulabschluss und 71 Prozent haben eine betriebliche Ausbildung. Das heißt, für 75 Prozent der Betroffenen gilt nicht, dass sie keine Arbeit haben, weil sie nicht oder schlecht ausgebildet sind. Sie sind sehr gut ausgebildet und haben trotzdem keine Arbeit.
Und eine letzte Zahl, die ich noch kurz nennen will, ich bin sofort fertig, Herr Präsident. 2.350 ALG-II-Empfänger zwischen 16 und 25 Jahren gibt es in Greifswald. Davon sind bislang 492 Eingliederungsvereinbarungen abgeschlossen. Ich sage das ausdrücklich, das ist kein Vorwurf an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arge. Diese sagen uns nämlich, in vielen dieser Fälle ist zuerst einmal eine Schulden- oder Suchtberatung oder auch beides notwendig. Und wer betreut eigentlich psychologisch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die täglich mit diesem Problem umgehen müssen? Das ist überhaupt nicht vorgesehen, aber mehr als nötig.
Und, Herr Mohr, es geht nicht um eine Schlussbewertung. Es geht aber um eine Zwischenbewertung, die uns erschreckend genug erscheint. – Danke.
Es hat jetzt das Wort der Arbeitsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Holter. Bitte schön, Herr Minister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Eine Fraktion des Hohen Hauses hat sich in den letzten Wochen entschieden, flächendeckend in Mecklenburg-Vorpommern sich über die Wirkungen des Sozialgesetzbuches II zu informieren, mit Betroffenen zu sprechen, mit Akteuren aus den Arbeitsgemeinschaften, aus dem Sozialbetrieb in Ostvorpommern, aus den Agenturen für Arbeit in den Landkreisen zu sprechen, um sich so ein umfassendes Bild über diese Wirkungen zu machen. Das verdient Dank und Anerkennung. Das will ich hier aussprechen.
Ich bedauere eins, meine Damen und Herren: Niemand von Ihnen hat denen gedankt, die in den letzten 173 Tagen in den Arbeitsgemeinschaften, im Sozialbetrieb in Ostvorpommern an der Umsetzung von Hartz IV gearbeitet haben.
Ich habe auch im Zusammenhang mit dieser HartzTour in der PDS-Fraktion engagierte Menschen, die bis an ihre Leistungsgrenze gehen, erlebt, die dafür gesorgt haben, dass die Arbeitslosengeld-II-Empfänger die ihnen zustehende Leistung erhalten können. Wie dieses Gesetz auf den Weg gebracht wurde, mit welchem Tempo, das ist uns allen wohl in Erinnerung. Deswegen mein Dank und meine Anerkennung an diejenigen, die in diesen Einrichtungen arbeiten, um denen, die es bitter nötig haben, das Notwendigste für das Leben zu ermöglichen.
Zur Bilanz in Mecklenburg-Vorpommern gehört Folgendes: 98 Prozent aller ehemaligen Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger beziehen heute Arbeitslosengeld II. Jugendliche, die einstmals die Berufsausbildung abgebrochen haben, haben heute eine Chance, die Berufsausbildung wieder aufzunehmen, ohne dass sie sie selbst finanzieren müssen. Der Betreuungsschlüssel für die Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern liegt bei 1:69, und, das ist hier schon von den Vorrednerinnen und Vorrednern gesagt worden, dass der Wunsch bei den Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen und -Empfängern nach Zusatzjobs, nach Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigungen ausgeprägt ist. Wir haben in Mecklenburg-Vorpommern eine günstige Situation, denn immerhin kommen bei den unter 25-Jährigen auf einen solchen 1-Euro-Job, auf eine solche Arbeitsgelegenheit drei Jugendliche und bei den älter als 25-Jährigen sind es zwölf, die auf eine solche Arbeitsgelegenheit kommen. Das ist keine Beruhigungspille, führt aber dazu, dass die Herausforderung, Herr Mohr hat darüber gesprochen, tatsächlich auch genutzt werden sollte.
Gut, dann müssen Sie sich mit der Agentur für Arbeit und den Arbeitsgemeinschaften auseinander setzen. Ich berufe mich hier auf offizielle Aussagen, die mir übermittelt wurden.
Herr Mohr hat die Initiative des Bundes angesprochen, 50.000 zusätzliche Arbeitsgelegenheiten für die Arbeitslosengeld-II-Empfänger über 58 Jahre zu schaffen. Da hat sich die Situation, das soll jetzt keine Belehrung sein, etwas geändert. Der Bund startet jetzt mit 30.000 Stellen adäquat für Mecklenburg-Vorpommern die Anzahl, die er erst einmal vollständig finanziert. Weitere 20.000 sollen dann in Kombination, wie Sie erwähnt haben, aus Bundund Länderfinanzierung erfolgen. Diese Klärung ist aber noch nicht abgeschlossen.