Protocol of the Session on April 1, 2004

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Gäste! Ich hätte mich gefreut, wenn Herr Caffier noch im Saal geblieben wäre, denn für ihn wäre ein Erkenntniszugewinn aus dem Ganzen zu ziehen. Aber vielleicht kommt er ja noch.

Vor kurzem haben wir hier im Landtag MecklenburgVorpommern die Leitlinien zur Integration von Migrantinnen und Migranten in Mecklenburg-Vorpommern als Unterrichtung der Landesregierung behandelt. Die Fortschreibung nun, die Erarbeitung einer Landeskonzeption bis zum 1. November 2005 ist die logische Konsequenz, wenn wir das Thema inhaltlich fortführen wollen. Als Land stehen wir unmittelbar in der Pflicht, die Integration von Migranten zu steuern, den Rahmen für das Handeln abzustecken. Gleichwohl bleibt die eigentliche Aufgabe der Integration, wie bei so vielen anderen Politikbereichen auch, letztlich die Umsetzungsaufgabe vor Ort. Die Erarbeitung der Konzeption soll also der theoretische Vorlauf sein.

Damit wir sichergehen können, dass das Konzept dem täglichen Leben Rechnung trägt und nicht in irgendwelchen Regalen einstaubt, müssen bereits bei der Erarbeitung des Konzeptes die Akteure in den Kommunen, in den Vereinen, in den Kirchen mit einbezogen werden. Deshalb wollen wir in Mecklenburg-Vorpommern dafür Sorge tragen, dass unter anderem interkulturelle Erziehung gelebt wird, nicht um die eine Kultur einer anderen vorzuziehen, nein, viel eher vor dem Hintergrund, dass wir vom Kindesalter an uns mit der eigenen Identität, mit der eigenen Kultur beschäftigen. Nur wer die eigene Kultur versteht, die Werte anerkennt, trägt auch die Bereitschaft in sich, sich mit anderen Kulturen zu beschäftigen

(Beifall Rainer Prachtl, CDU)

und damit Vertrauen zu schaffen, Solidarität zu leben und auch letztlich Konfliktfähigkeit zu beherrschen. Aber nicht nur wir wollen uns mit anderen Kulturen beschäftigen, nein, auch die Migranten sollen, müssen sich mit anderen Kulturen, müssen sich mit unserer Kultur beschäftigen, sie als gesellschaftlichen Rahmen akzeptieren. Ein gleichberechtigtes Miteinander soll unser Ziel sein.

(Beifall Rainer Prachtl, CDU)

Gerade hier steckt meines Erachtens die große Unterlassungssünde der vergangenen Jahre auch im politischen Raum. Da wurden Migranten in Mecklenburg-Vorpommern ghettoisiert, da haben wir es nicht verstanden, nach der Wohnungszuweisung auch den dauerhaften Dialog mit ihnen aufzubauen. Da haben wir es nicht geschafft, die Migranten selbst zu sensibilisieren für unser Verständnis, haben es beispielsweise nicht flächendeckend verstanden, Sprachbarrieren abzubauen. Punktuell wird es sicher geklappt haben, aber das war dann eher den lokalen Akteuren vor Ort geschuldet, weil sie, aus welchem Antrieb heraus auch immer, Integration ernst genommen haben. Nur war dies dann eher ein Produkt des Zufalls und nicht die logische Konsequenz aus staatlich gewollter Integration, die gesellschaftlich verankert ist. Und da brauchen wir uns nichts vorzumachen, die gesellschaftlich gewollte und beförderte Integration von Migranten ist eine solch große Herausforderung wie kaum eine andere. Wir werden uns selbst hinterfragen müssen, vielleicht auch peinlich berührt sein, welche Denkmuster und Klischees auch in unseren Köpfen, und wenn es nur das Unterbewusstsein ist, existieren.

Ich möchte es an einem ganz praktischen Beispiel deutlich machen. Man hat ja nun im Präsidium des Landtages hier als Schriftführer die ehrenvolle Aufgabe, besonders deutlich hinzuhören auf das, was gesprochen wird. Und in der Debatte gestern fiel so oft der Begriff vom „islamistischen Terrorismus“, dass einem wirklich – also mir zumindest – ein kalter Schauer den Rücken heruntergelaufen ist. Wissen Sie, es gibt in jedem Kulturkreis, in jeder Religion ein paar Leute, die nicht so richtig ticken, die zu Extremismus neigen oder aber – die allerwenigsten –, die ihn dann auch praktizieren. Aber wir können doch nicht eine ganze Religion in Sippenhaftung nehmen für ein paar Extremisten und hier von islamistischem Terror wie von einer religiösen Tätergemeinschaft propagieren.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Da muss auch bei uns noch viel an kultureller Akzeptanz reifen und das wird leider erst in den nächsten paar Jahren der Fall sein. Das wird eine Herausforderung für Generationen.

Sehr geehrte Damen und Herren, der alte Denker und Dichter Johann Wolfgang von Goethe sagte einmal: „Um Menschen kennenzulernen, muss man zu ihnen hingehen.“ Das Hingehen ist der erste Schritt. Es müssen viele weitere Schritte folgen, zuhören, sprechen, hinterfragen, sich selbst hinterfragen, verstehen, akzeptieren, tolerieren und viele, viele Schritte mehr. Am Ende steht integrieren. Lassen Sie uns gemeinsam die Schritte gehen und lassen Sie uns mit der Konzeption ein gewolltes und gesellschaftlich akzeptiertes Mittel einsetzen, was uns beim Gehen der einzelnen Schritte ein Wegweiser ist!

Und nun noch den Einschub für den Kollegen Herrn Caffier. Er hat vorhin in der Begründung seiner Ablehnung gesagt, dass es, so hatte er es formuliert, einen gleich lautenden Antrag der Koalitionäre aus dem Jahr 1999 gab. Ich habe ihn eben beim Hinausgehen noch einmal darauf hingewiesen, dass das nicht stimmt. Er hat aber nur noch abgewinkt.

(Peter Ritter, PDS: So ist er.)

Aber man sollte schon erwarten können, dass ein Parlamentarischer Geschäftsführer hier etwas in dieser Runde sagt, was auch einen gewissen Wahrheitsgehalt hat. Also: Es gab keinen gleich lautenden Antrag. Er hat es eben noch einmal versucht abzuschwächen. Er hat gesagt, es gab einen ähnlich lautenden Antrag. Auch das ist nicht der Fall. Es gab am 09.06.1999 einen Antrag. Er nannte sich „Berufliche und soziale Integration von Migrantinnen und Migranten in Mecklenburg-Vorpommern“ und hier ging es eindeutig um die berufliche Integration.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Wer also hier etwas anderes sagt und das als Begründung für eine Ablehnung nimmt, der muss sich dann gefallen lassen, dass er hier schlicht die Unwahrheit gesagt hat, und ich bitte deshalb die CDU-Fraktion, dass sie dem neuen und erstmalig im Landtag aufgerufenen Antrag zustimmen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS, Reinhard Dankert, SPD, und Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Vielen Dank, Herr Walther.

Ums Wort gebeten hat der Abgeordnete Herr Dr. Jäger von der CDU-Fraktion. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Keine Angst, ich werde jetzt keinen Dichterfürsten zitieren. Ich will einmal aus der Praxis etwas sagen, Herr Kollege Walther.

(Torsten Koplin, PDS: Herr Walther hat auch aus der Praxis gesprochen.)

Er ist...

Jaja, das weiß ich ja.

Der eine macht es beruflich, der andere macht es so. Wir wissen das ja. Aber, Herr Walther, gerade die berufliche Integration ist doch das Kernstück.

(Torsten Koplin, PDS: Das stellt Herr Walther doch nicht in Abrede!)

Wenn Sie in einer Stadt wie Schwerin leben würden, wenn Sie sich da einmal ein bisschen darum kümmern würden, was draußen im Lande wirklich das Problem zum Beispiel der Aussiedler ist, was das Problem zum Beispiel der Jüdischen Gemeinde zu Schwerin ist, dann ist es genau das, dass die berufliche Integration deswegen nicht klappt, weil ganz bestimmte Hemmnisse bestehen. Die Ministerin hat auf eins hingewiesen, nämlich die Anerkennung von Diplomen, aber auch andere Hemmnisse bestehen, insbesondere die Sprachbarriere.

(Peter Ritter, PDS: Wer hat denn die Hemmnisse alle eingeführt?)

Und, meine Damen und Herren, das Thema, das Problem brennt uns in den Kommunen viel zu sehr auf den Nägeln, als dass wir einem solchen, jetzt sage ich, wirklich nicht sehr zielführenden Antrag zustimmen können. Sie verschieben ein Problem.

(Peter Ritter, PDS: Wir fangen an, die Probleme zu lösen, die Sie geschaffen haben. – Zuruf von Torsten Koplin, PDS)

Sie stellen Anträge, damit nichts getan wird. Meine Damen und Herren, die Wahrheit ist doch eine ganz andere. Wir haben in den Zentren...

(Peter Ritter, PDS: Das haben Sie doch geschaffen!)

Ich weiß nicht, woher Sie Erfahrungen mit ausländischen Mitbürgern haben, Herr Ritter?

(Peter Ritter, PDS: Ich weiß das aus dem Landkreis.)

Ich kann Ihnen nur sagen, im Umgang mit denselben wird man als Deutscher ganz hübsch bescheiden, wie wenig wir tun können mit denjenigen, die hier ein dauerndes Bleiberecht haben, mit denjenigen, die qua Grundgesetz deutsche Bürger sind, da wird man ganz bescheiden, wie wenig wir tun.

(Peter Ritter, PDS: Eben. Da ist das Problem.)

Und ich würde mich gerne auf die Gruppe beschränken, die die Integration auch wirklich erfahren kann.

(Torsten Koplin, PDS: Ganz toll!)

Es ist mit Recht gesagt worden, leider ist das in dieser Bundesrepublik nach wie vor so, dass Asylbewerber sehr, sehr lange auf die Entscheidung warten müssen. Herr Ritter, das ist das Problem in unserer Gesellschaft.

(Peter Ritter, PDS: Ja, genau das ist das Problem.)

Sie sollten einmal auf den Boden der Tatsachen kommen! Wir gehen täglich damit um.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Und nun möchte ich Ihnen noch etwas sagen, Frau Ministerin: Ich würde mir sehr wünschen, wenn Sie einmal zu den Gruppierungen in diesem Lande gehen würden, die sich wirklich mit der Integration von Migrantinnen und Migranten, ich sage jetzt den weiten Begriff,...

(Peter Ritter, PDS: Wissen Sie überhaupt, wer die Leitlinien mit erarbeitet hat? Genau die Leute aus den Ministerien, die Sie jetzt angreifen.)

Ach, lieber Herr Ritter, reden Sie einmal...

(Peter Ritter, PDS: Ach, Sie haben eben keine Ahnung!)

Ich rede nicht nur mit Funktionären, ich rede mit sehr viel ehrenamtlichen Funktionären, wie hier zum Beispiel in der Landeshauptstadt Schwerin mit der evangelischen Kirche, die sich sehr, sehr stark kümmert. Wissen Sie, was uns fehlt?

(Torsten Koplin, PDS: Sie doch nicht alleine.)

Nein, natürlich nicht. Aber ich habe sie gerade vor Augen, weil ich gerade dort war. Ich kann Ihnen aber auch andere nennen. Ich kann Ihnen die Jüdische Gemeinde nennen,

(Torsten Koplin, PDS: Ja.)

die sehr integrativ arbeitet

(Beifall Rainer Prachtl, CDU, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)