Protocol of the Session on April 1, 2004

Ja, Herr Caffier, ich bedanke mich für Ihre Ausführungen, muss aber sagen, sie sind doch in gewisser Weise unvollkommen. Seit die rot-rote Regierung sich hier im Jahre 1998 etabliert hat, gibt es eine sehr zielstrebige Arbeit auf dem Gebiet der Migrationspolitik.

(Peter Ritter, PDS: Das stört sie doch! Genau das stört sie doch!)

Und es ist richtig, es gab den Antrag 3/47 und es wurde sehr konsequent und sehr folgerichtig schrittweise vorgegangen bei der Umsetzung migrationspolitischer Ansätze. Zunächst ging es allein um die berufliche Integration, das ist richtig. Ich habe es in dem Bericht zur Lage der Migrantinnen und Migranten auch ausgeführt. Sie können das alles nachlesen. Nach dem ersten Landtagsbeschluss gab es einen zweiten zur Errichtung des Migrationsfachdienstes. Es ging dann weiter mit dem Bericht über die Lage der Migrantinnen und Migranten im Lande bis hin zu den Leitlinien und jetzt zur Erarbeitung des Konzeptes. Es ist also eine Abrundung des Ganzen, eine Vervollkommnung des Ganzen. Es geht hierbei auch darum, die mit den einzelnen Landtagsbeschlüssen gesammelten Erfahrungen und Erkenntnisse umzusetzen für ein schlüssiges Gesamtkonzept. Insofern ist eigentlich für Sie jeder Grund vorhanden, diesem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Rudolf Borchert, SPD)

Danke schön, Frau Ministerin.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Voland. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss trotz dieser hitzigen Diskussion anders anfangen. Heinrich Heine ist Ihnen bekannt, „Deutschland. Ein Wintermärchen“ auch. Ich versuche, daraus ein kleines Stück zu zitieren:

„Es wächst hienieden Brot genug Für alle Menschenkinder, Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust, Und Zuckererbsen nicht minder.“

Das hat Heinrich Heine gesagt in seinem „Wintermärchen“. Heinrich Heine, das wissen Sie alle, war ein Jude, oft ausgewiesen, hat versucht, in Deutschland Fuß zu fassen. Er war ein Denker, den wir, wenn wir heute unsere Konzeption für die Leitlinien erarbeiten werden, nicht ausgewiesen hätten. Wir wissen, wie wir es vielleicht heute richtig machen.

Und, Herr Caffier, ich möchte Ihnen eines sagen: Die Leitlinien haben wir versucht, voriges Jahr im Juni hier einzubringen. Sie liegen in der Zwischenzeit vor und Sie haben selber gesagt, sie werden im Sozialausschuss unterfüttert werden,

(Lorenz Caffier, CDU: Korrekt.)

berichtigt werden und möglicherweise werden daraus die entsprechenden Anträge entstehen. Dort werden wir auch mit den Betroffenen reden, ob das, was dort vorliegt, auch ihren Intentionen entspricht.

(Zuruf von Lorenz Caffier, CDU)

Die Leitlinien sind das Ziel. Das Ziel ist vorgegeben. Aber das, was wir jetzt wollen, ist eigentlich die wichtigere Aufgabe. Und, Herr Dr. Jäger, wir sprachen im Juni darüber, wie teuer das alles so werden kann,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

und ich hoffe nach meinem Gedicht von Heinrich Heine, dass wir die Diskussion der Finanzen einmal außen vor lassen, denn ich würde Ihnen ganz gern beweisen wollen, dass frühzeitige Integration durchaus finanzrelevant und bedeutend billiger sein kann, als wir uns das vielleicht vorstellen.

Ich will aber noch einmal davon ausgehen, dass die Leitlinien das Ziel sind und die Landeskonzeption dahin der Weg. Diesen Weg wollen wir gehen. Und Sie sagen, der Weg dauert zu lange. Wir haben lange über den Zeitpunkt diskutiert und haben gesagt, dieser Weg muss mit allen gegangen werden. Dazu braucht man Zeit. Aber Sie werden am Datum gemerkt haben, dass noch ausreichend Zeit ist, dass die Konsequenzen, die sich daraus möglicherweise finanziell ergeben, durchaus in das Haushaltsjahr 2006/2007 eingeplant werden können.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Aha!)

Denn das ist das, was wir auch möchten.

Langfristigkeit heißt aber auch – und Sie haben es selber gesagt, warum machen wir erst die Leitlinien, dann bringen wir das alles durcheinander –, wir wollen die Leitlinien, und das haben Sie ja mitbekommen, im Sozialausschuss sehr kurzfristig beraten und daraus die Informationen aufnehmen, damit sie in diese Landeskonzeption einfließen können. Wir wollen also nicht gegeneinander arbeiten, wir wollen miteinander arbeiten, damit der Weg richtig unterfüttert wird. Und wir haben voriges Jahr im Juni hier, als wir diesen Antrag zu den Leitlinien diskutiert

haben, gesagt, es wäre gut, wenn das Einwanderungsgesetz fertig wäre, wollen wir nicht warten, denn möglicherweise bekommen wir das nicht deckungsgleich hin. Ich muss sagen, jetzt bin ich richtig froh, dass wir das voriges Jahr in Angriff genommen haben,

(Beifall Peter Ritter, PDS)

denn das Zuwanderungsgesetz ist ja immer noch nicht fertig. Wir sollten uns hier auf den richtigen Weg machen. Wir haben damals schon gesagt, Mecklenburg-Vorpommern schläft nicht immer, es ist manchmal auch Vorreiter in einigen Sachen.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Nicht immer. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und CDU)

Diese Vorreiterrolle sollten wir weiterhin in Angriff nehmen.

Ich habe eben gesagt, wir wollen diese Konzeption auf eine breite gesellschaftliche Basis stellen. Das heißt, wir müssen dieses Konzept auch als Querschnittsaufgabe begreifen. Und das ist das, was in den Köpfen unserer Leute noch nicht drin ist. Das sind immer Migranten, das sind die und das andere sind wir. Dieses müssen wir in irgendeiner Form zusammenbekommen. Die Ministerin hat es deutlich gemacht. Bei dem Prozentsatz, den wir hier als Migranten in Deutschland haben – es sind nicht einmal zwei Prozent –, müsste das so einfach sein, so deutlich sein, dass wir diese Vorreiterrolle auch wirklich spielen können.

(Beifall Peter Ritter, PDS)

Das setzt natürlich aber voraus, dass wir die Migranten als mündige Bürger anerkennen.

(Peter Ritter, PDS: So ist es.)

Das heißt, dass sie mitreden können, ihr Landeskonzept in die eigenen Hände nehmen können, die Verantwortung auch dafür übernehmen, denn es geht um sie und es geht um uns.

Aber die wichtigste Aufgabe wird in diesem Landeskonzept sein die tägliche intensive Integrationsarbeit, die von allen geleistet werden muss. Ich habe mir vorgestellt, wie so ein Konzept aussehen könnte. Das hätte so viele Schwerpunkte, dass mein Diskussionszeitraum, auch wenn er verlängert worden ist auf 21 Minuten, nicht ausreichen würde. Deswegen habe ich mir einfach ein paar Schwerpunkte herausgesucht, die für mich unbedingt darin enthalten sein müssten. Das ist der Diskussionsprozess auf allen Ebenen, das heißt, der Prozess auf Landesebene, und da führen wir ihn ja schon relativ deutlich. Ich denke, ab und zu bleibt auch etwas hängen. Das ist der Prozess aber auch auf der kommunalen Ebene. Ich weiß, dass wir als Rostocker sehr weit voraus sind. Ich denke, der Schritt, den unser Ausländerbeauftragter Dr. Richter damals gemacht hat, eine dezentrale Unterbringung von Migranten, war ein hervorragender Schritt und er hat sich offiziell richtig bewährt.

(Beifall Volker Schlotmann, SPD, und Peter Ritter, PDS)

Sie sind wirklich Bürger Rostocks geworden.

Das heißt aber auch, dass wir unseren Ausländerbeauftragten, wie die Ministerin sagte, diesen Freiraum geben müssen, für diese Leute da zu sein. Und es muss auch die

Möglichkeit geben, und wir haben es jetzt versucht auf der juristischen Basis, die Gerichtsurteile so schnell wie möglich zu bescheiden. Es kann nicht sein, das Asylbewerber zwölf Jahre lang auf einen Gerichtsprozess warten.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Ich weiß, in der Zwischenzeit sind Richter eingestellt worden, die Prozesse in den einzelnen Ländern kennt man etwas besser und es soll schneller gehen. Wir hoffen, dass wir es schaffen, innerhalb von drei Jahren Asylsuchende in einem entsprechenden ordentlichen Prozess zu begleiten und dann auch zu sagen, ob sie hier bleiben oder ob sie nicht hier bleiben.

Für mich ist ein ganz wichtiger Grund als Schwerpunkt aber auch die Überarbeitung von Gesetzen und Richtlinien, die wir hier im Land haben. Mit einem Gesetz haben wir angefangen und das ist unser Kita-Gesetz, das hat die Ministerin gesagt. Da haben wir diese Schwerpunkte eingearbeitet und wir haben uns auch vorgestellt, wie wir es machen können, wenn wir ausländische Mitbürger haben, die ebenfalls im Kita-Bereich arbeiten sollen. Aber das gilt noch lange nicht für alle Gesetze. Die müsste man alle durchforsten. Denn wenn ich mir vorstelle, dass die Rahmenrichtlinien in unseren Schulen es durchaus zulassen, über interkulturelle Arbeit zu reden, wird es relativ wenig getan. Wir haben uns schon voriges Jahr darüber unterhalten. Ich denke, dort wird es generell notwendig sein, diese Prozesse zu beschleunigen, zu überarbeiten und konkrete Handlungsangebote zu machen. Das heißt, wir müssen unseren sich in diesem Prozess befindlichen Pädagogen auch die Chance geben, an Qualifizierungen teilzunehmen, und sie müssen die entsprechenden Vorstellungen haben, wie man mit dieser Materie umgeht. Interkulturelles Lernen ist für viele noch so ein Überbegriff, mit dem sie nicht recht etwas anfangen können. Ich denke, das sollte schnell der Vergangenheit angehören. Wenn wir die Umstrukturierung des L.I.S.A. in Angriff nehmen, könnten auch „SCHILF-Tage“ dazu beitragen, diesen Prozess zu beschleunigen.

(Rainer Prachtl, CDU: Die eigene Kultur erst mal kennen lernen.)

Dazu gehört aber natürlich auch, dass der Dialog der Kulturen geführt wird. Jetzt können wir uns über Kultur unterhalten und über den Kulturprozess. Mir ist aber auch wichtig – und das ist mir gestern sehr deutlich geworden bei der Diskussion des Herrn Thomas –, dass der Begriff „Religion“ ein großes Problem ist. Wir müssen es schaffen, im Religionsunterricht nicht nur unsere Religion, sondern alle Religionen darzustellen und durchaus klar zu machen, dass auch im Koran der Selbstmord nicht vorhanden ist. Ich denke, es ist notwendig, dass unsere Kinder von Anfang an wissen, wie Religionen aussehen, wie man sie ausüben kann und was zu Extremismus beiträgt oder nicht. Es ist auch die Vielfalt der Kulturen, die durchaus – und das ist auch hier schon gesagt worden – ein Superbeitrag ist, wir denken nur nicht jeden Tag daran, wie es unsere eigene Kultur bereichern kann. Dieser Beitrag hilft uns natürlich auch. Und hier möchte ich klar machen, Deutschland oder Mecklenburg-Vorpommern als Tourismusland ist auch eine Wirtschaftsförderungsaktion.

Die Ministerin ist auf die Sprachkompetenz eingegangen. Das müsste ein sehr großer Schwerpunkt in der Konzeption sein. Sie wissen alle, wie problematisch es ist, seine Wünsche zu äußern, wenn Sie sich im Ausland

befinden und mit einer Sprache nicht umgehen können. Wir haben hier von dem Integrationsfachdienst als sehr positiv gesagt, sie gehen den richtigen Weg. Ich möchte aber auch einmal darauf aufmerksam machen, wie viel Kampf es gekostet hat, für das Jahr 2005 die finanziellen Mittel für eine Sache zum Weitermachen in Rostock darzustellen. Hier ist angeklungen, wir müssen das möglicherweise auf unsere vier Landesstrukturen ausdehnen können. Ich hatte mir dieses Jahr schon im Haushalt gewünscht, dass es möglich gewesen wäre, dass der Integrationsfachdienst gerade das Problem aufnimmt.

(Präsidentin Sylvia Bretschneider übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben im Sozialausschuss gerade die Diskussion über fehlende Ärzte gehabt, dass diejenigen mit einem Sprachmodul als gut ausgebildete Ärzte oder anderer Teile einer ärztlichen Ausbildung unseren Arztbereich durchaus bereichern können. Das ist genauso bei Sozialpädagogen und Krankenschwestern. Ich sehe da eine große Möglichkeit, auch unsere Minimierung von unseren Leuten, die relativ alt sind, zu ersetzen. Ich denke ganz einfach, wir sollten nicht nur sagen, wir wollen das, und müssen dann in einer Finanzdiskussion ertragen, dass es ganz schwer ist, dieses auch wirklich aufrechtzuerhalten.

Hier ist deutlich geworden, dass all die Dinge, die im täglichen Leben in der Integration passieren, eigentlich das Miteinander vor Ort, das Schwerste und das Richtigste sind, und dazu müssen Netzwerke aufgebaut werden, Netzwerke, die schon vorhanden sind, zum Beispiel über den Ausländerbeirat, aber auch neue Netzwerke, die gebildet werden müssen, um dann diese Konzeption umzusetzen. Deswegen auch die Langfristigkeit dieses Antrages, um mit den Leuten vernünftig diese Umsetzung zu beantragen.

Wir haben schon gehört von der Ministerin und von Herrn Ritter, dass ein Problem der Aussiedler vor allem das Sprachproblem ist. Auch wenn sie vom juristischen Standpunkt her Deutsche sind, kommen sie aus einer anderen Kultur und haben genau die gleichen Probleme, die auch Migranten haben.

Um eins möchte ich mich noch kümmern und das sind unsere Migranten, die nur relativ kurzfristig im Land sind. Auch denen sollten wir wenigstens das zukommen lassen, was wir als Menschenrecht betrachten, also eine sprachliche Ausbildung, eine gesundheitliche Ausbildung. Und wenn wir den Überbegriff, wie es unsere vietnamesischen Freunde in Rostock machen, das Wort „Dien Hong“ verwenden, was nichts anderes heißt als „unter einem Dach“, dann ist das sehr gut sprachlich orientiert in der Hinsicht, dass es heißt, wir sollten versuchen, unter diesem Dach gemeinsam zu leben. Und wenn wir uns offiziell als Einwanderungsgesellschaft definieren – ich hoffe, wir haben es dann alle begriffen – und Fremde als Mitbürger aufnehmen, müssen wir uns gemeinsam eine neue Normalität schaffen. Das heißt nicht nur, unsere Migranten sind gefragt, sondern auch wir sind gefragt. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Vielen Dank, Frau Voland.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Walther von der PDS-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Gäste! Ich hätte mich gefreut, wenn Herr Caffier noch im Saal geblieben wäre, denn für ihn wäre ein Erkenntniszugewinn aus dem Ganzen zu ziehen. Aber vielleicht kommt er ja noch.