Protocol of the Session on March 31, 2004

Ich möchte als Innenminister dieses Bundeslandes, Herr Thomas, ausdrücklich betonen, dass wir den erweiterten Einsatz der Streitkräfte in vielen Bereichen, zum Beispiel im Luftsicherheitsgesetz, was derzeit im Bundestag beraten wird, befürworten, dass wir also heute ausschließlich über die sehr prinzipielle Frage diskutieren, ob wir dazu eine Grundgesetzänderung brauchen, nicht mehr und nicht weniger.

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

Ich möchte auch sagen, dass ich sehr positive Erfahrungen gemacht habe, als Soldaten der Bundeswehr im Jahre 2002 beim Elbehochwasser hier im Lande sehr praktisch, und zwar ohne eine juristische Diskussion über die Grundgesetzänderung, geholfen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Angelika Gramkow, PDS)

Von einem Tag zum anderen war das möglich, von einem Tag zum anderen.

(Unruhe bei Reinhardt Thomas, CDU)

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 12. März den Entwurf zur Änderung des Grundgesetzes an seine Ausschüsse überwiesen. Gegen eine Grundgesetzänderung haben sich bislang die FDP ausgesprochen, die Koalitionsfraktionen des Bundestages und eine Vielzahl von Ländern. Wie gesagt, die FDP, SPD, Grüne und weitere

(Angelika Gramkow, PDS: Wir auch.)

wie auch die PDS lehnen eine Grundgesetzänderung ab.

(Heiterkeit bei Andreas Bluhm, PDS: Und weitere gibt es gar nicht.)

Ich habe auch aus der Bevölkerung und von Juristen gehört, dass sie dieses ablehnen.

(Andreas Bluhm, PDS: Ja, ja.)

Es gibt auch außerhalb der Parteien kluge Bemerkungen zu dieser Frage.

(Heiterkeit bei Andreas Bluhm, PDS: Unbestritten, unbestritten.)

Meine Damen und Herren, ich möchte dennoch etwas zu den drei aufgeworfenen Problemfeldern sagen und damit zunächst zu der Frage des Objektschutzes kommen. Die Konferenz der Innenminister sieht nach ihrem Beschluss im Mai 2003 im Hinblick auf den Schutz militärischer Objekte keinen vordringlichen Handlungsbedarf. Sie hält es für erforderlich, aber auch für ausreichend, dass die Bundeswehr die bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten zum Schutz militärischer Objekte voll und ganz ausschöpft. Und das kann sie jeweils tun.

Damit komme ich zum zweiten Thema, wie schon erwähnt, zur Präzisierung des Einsatzes der Streitkräfte bei Naturkatastrophen und Unglücksfällen. Bei einem terroristischen Anschlag würden wir in der Sprache des Grundgesetzes, so haben es die Väter des Grundgesetzes gemeint, die kannten damals diese Art von Terrorismusanschlägen nicht, von einem Unglücksfall sprechen. Ein Unglücksfall ist ein Schadensereignis von großem Ausmaß,

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

das im Unterschied zur Naturkatastrophe absichtlich von Menschen herbeigeführt sein kann. Die Antrag stellenden Länder im Bundesrat halten eine Präzisierung dahin gehend für erforderlich, dass der Einsatz bereits bei einem drohenden Unglücksfall möglich sein soll.

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

Ich sage aber, bereits jetzt lässt sich aus der Formulierung des Artikels 35 Grundgesetz – Herr Thomas, lesen Sie es bitte nach – der Einsatz der Streitkräfte zur Verhinderung eines konkret bevorstehenden Unglücksfalls ableiten. Das Grundgesetz, meine Damen und Herren, verlangt gerade nicht, dass der Eintritt eines Unglücksfalls erst abgewartet werden muss, bevor die Bundeswehr eingreifen kann. Es wäre auch absurd, wenn man dieses dem Grundgesetz unterstellen würde! Insofern ist hier eine Änderung überflüssig.

Und damit komme ich zum dritten Teil des Antrages, zur Änderung des Grundgesetzes Artikel 87 a, und zwar

zum Einsatz der Streitkräfte zur Abwehr von Gefahren aus der Luft und zur See. Für die Abwehr von Gefahren – und damit sage ich mit Hinweis auf das SOG des Landes Mecklenburg-Vorpommerns nichts Neues – ist grundsätzlich und bei unaufschiebbaren Maßnahmen immer die Polizei zuständig. Für die Landesregierung ist es unstrittig, dass der Einsatz der Streitkräfte bei ganz besonderen Gefahrenlagen aus der Luft und zur See immer nach Artikel 35 Grundgesetz möglich ist, insbesondere bei einer terroristischen Bedrohung. Demzufolge wird derzeit auch ein Luftsicherheitsgesetz im Bundestag beraten, welches auf die Gefahr zurückgeht, die für Frankfurt am Main vor über einem Jahr bestand, als dort ein Leichtflugzeug über der Stadt kreiste.

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

Wenn die Antrag stellenden Länder Bayern, Hessen, Sachsen und Thüringen den Bedarf einer grundgesetzlichen Änderung sehen, dann verwundert mich allerdings die Begründung zum Einsatz der Streitkräfte auf See etwas. Das sind alles Länder, die keine Küste haben, weder an der Ostsee noch an der Nordsee.

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

In der Begründung heißt es, ich lese Ihnen das gerne einmal vor: Es soll durch die Aufnahme von Gefahren von See her eine „Rechtsgrundlage für den Einsatz der Streitkräfte“ geschaffen werden, wenn ihr Einsatz zur wirksamen Bekämpfung solcher Gefahren erforderlich ist. Das kann insbesondere bei der Durchführung von Kontrollen auf See etwa bei unzulässigen Waffenlieferungen oder Umweltdelikten der Fall sein. Ich komme auf meine Bemerkung von vorhin zurück. Hier zeigt sich, dass die Antragsteller – wir redeten vorhin über Terrorismusbekämpfung – die Bundeswehr zur Hilfspolizei machen wollen und offensichtlich nichts davon wissen, dass auf See stets der BGS See, die Wasserschutzpolizei und die Zollfahndung präsent sind. Das ist eine dezidiert polizeiliche Aufgabe, die hier von der Bundeswehr wahrgenommen werden soll, dafür sind aber schon die Polizeien da.

Herr Thomas, ich empfehle Ihnen, dass wir den Politikern aus den Gebirgsländern einmal erläutern, wie die Sicherheit auf See hier an der Küste gewährleistet ist.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Meine Damen und Herren, ich habe an anderer Stelle deutlich gemacht, dass wir es für erforderlich halten, ein maritimes Führungs- und Lagezentrum der Polizeien für den Küstenschutz einzuführen, möglichst mit Standort in Rostock oder jedenfalls in Mecklenburg-Vorpommern. Das ist ein wesentlicher Beitrag zur Verbesserung der Seesicherheit. Die Bundeswehr wird uns da nicht weiterhelfen.

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

Nach der Ersten Lesung des entsprechenden Gesetzentwurfes im Bundestag ist die Ausschussberatung im Innenausschuss für den 26. April 2004 angesetzt. Ich bin sehr gespannt, wie die Beratung durchgeführt wird. Ich höre jetzt schon von einer Reihe von Experten, dass sie gerade nicht den Einsatz der Bundeswehr im Innern über eine Grundgesetzänderung für richtig und auch nicht für erforderlich halten. Demzufolge bleibt es dabei. Wir halten im Extremfall den Einsatz der Bundeswehr auch im Innern für notwendig und auch für erforderlich, aber nicht im Nor

malfall. Und aus diesem Grund ist eine Änderung des Grundgesetzes überhaupt nicht angezeigt. Der Antrag der Opposition kann getrost abgelehnt werden. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Ritter von der Fraktion der PDS.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist schon ein Bild des Jammers, das die Opposition uns hier bietet. Ich hätte zumindest erwartet, dass die vier Antragsteller oder die drei Antragsteller und die eine Antragstellerin hier wären, wenn wir uns schon mit einem solchen Thema beschäftigen müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Bevor ich zum eigentlichen Anliegen des Antrages komme, kann ich mir zwei kleinere formelle Anmerkungen nicht ersparen. Es wird im Antragstext von uns erwartet, dass wir in der Länderkammer einen Antrag unterstützen sollten. Wir haben uns die ganze Zeit gefragt, wo denn dieser Tatort eigentlich ist. Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, eine Länderkammer kommt im Grundgesetz einfach nicht vor. Eine solche Kammer gab es allerdings in der verflossenen DDR, zumindest eine zeitlang. Und das Interessante an dieser Kammer war, dass sie sich nicht aus Regierungsvertretern, sondern aus Abgeordneten der Landtage zusammensetzte. Aber das nur nebenbei.

(Harry Glawe, CDU: Aber kurze Zeit nur.)

Es geht also nicht um einen Antrag in der Länderkammer, sondern um einen Antrag im Bundesrat. Ich wundere mich doch schon sehr, dass einem so renommierten Juristen, wie es einer der Antragsteller, Herr Dr. Born, nun einmal ist, eine solche Formulierung durch die Feder gegangen ist. Offensichtlich schämt er sich so sehr, dass er jetzt nicht mehr dabei ist.

(Beifall und Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Und dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollen wir den Text des Antrages nach einem Antrag des Freistaates Bayern unterstützen. Und da sage ich, warum nicht einmal ein Antrag aus Bayern. Aber ein Antrag des Landes Bayern zur Änderung von Artikel 35 und 87 a des Grundgesetzes existiert nicht im Bundesrat. Wir vermuten aber trotzdem in der Sache wohl richtig, dass es sich um den Antrag der Länder Bayern, Hessen, Sachsen und Thüringen vom 5. März 2004 auf Drucksache 181/04 handelt, Herr Thomas. Wir möchten das der Freundlichkeit und der Richtigkeit halber hier im Landtag gesagt haben.

(Norbert Baunach, SPD: Man soll aber nicht übertreiben mit der Freundlichkeit.)

Denn Herr Caffier, der gerade wieder zu uns gekommen ist, der ja bei uns nach dem Weggang von Herrn D r. Schoenenburg die Rolle des Chefauslegers der Geschäftsordnung übernommen hat, belehrte uns in der letzten Landtagssitzung bekanntlich, dass ungenaue, leichtfertige und schusslige Formulierungen in den

Anträgen dazu führen würden, dass die Redner am Gegenstand einfach vorbeireden.

(Beifall Reinhard Dankert, SPD)

Wir wissen aber, worum es geht, und ersparen dem Landtag deshalb eine stundenlange Geschäftsordnungsdebatte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, warum der vorliegende Antrag nur von vier CDU-Musketieren gestellt wurde, erschließt sich mir immer noch nicht ganz, wird doch sonst alles Bayerische und Hessische, zumindest das, was von CSU und CDU kommt, von der hiesigen CDU euphorisch bejubelt. Aber auch das ist unwichtig. Selbst wenn der Antrag von der ganzen CDU-Fraktion gestellt worden wäre, würde meine Fraktion das Anliegen ablehnen,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

denn eine Änderung des Grundgesetzes ist an dieser Stelle nicht notwendig. Artikel 87 a Absatz 2 Grundgesetz lautet schlicht und einfach, ich zitiere: „Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt.“ Ausdrücklich zugelassen ist dieser Einsatz in drei Fällen: