Protocol of the Session on March 31, 2004

Erstens. In Artikel 35 Absatz 2 Satz 1 wird durch Hinzufügung nach Nummer 1 geändert: „Zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung kann ein Land“ – und jetzt folgt Nummer 2 – „im Falle terroristischer Bedrohungen Streitkräfte zur Unterstützung seiner Polizei beim Schutze von zivilen Objekten anfordern, wenn die Unterstützung durch Kräfte und Einrichtungen des Bundesgrenzschutzes nach Nummer 1 nicht ausreicht.“ Damit ist der Einsatz der Streitkräfte nur gerechtfertigt, wenn die terroristische Bedrohung so groß ist, dass der Einsatz von Polizeikräften in Bund und Ländern nicht ausreicht, um mit dieser realen Bedrohung fertig zu werden.

Zweitens. Mit der Veränderung in Satz 2: „bei der Verhinderung einer unmittelbar drohenden Katastrophe oder eines unmittelbar drohenden besonders schweren Unglücksfalls oder bei der Bewältigung ihrer Folgen“ können nunmehr auch die Streitkräfte dafür in diesen Fällen angefordert werden. „In Absatz 3 Satz 1 wird das Wort ,Naturkatastrophe‘ durch das Wort ,Katastrophe‘ ersetzt.“

Drittens. Mit der ergänzenden Neufassung des Artik e l s 87 a Absatz 2: „Außer zur Verteidigung und zur Abwehr von Gefahren aus der Luft und von See her, zu deren wirksamer Bekämpfung der Einsatz der Streitkräfte erforderlich ist, dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt.“ wird nunmehr die Abwehr von Angriffen aus der Luft und von See her mit militärischen Mitteln ermöglicht.

Mit dieser Grundgesetzänderung schafft sich Deutschland wie andere parlamentarische Demokratien der EU die rechtliche Möglichkeit, seine Streitkräfte gegen terroristische Bedrohungen zu Lande, zu Wasser und in der Luft einzusetzen. Mit der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus sind die starren rechtlichen und praktischen Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit nicht mehr gegeben. Wir müssen in Deutschland alle Möglichkeiten der Terrorabwehr und der Bekämpfung zum Schutz der Bevölkerung nutzen. Dazu gehört auch der Einsatz der Bundeswehr im Inneren, der rechtlich klar nur durch diese von uns vorgeschlagene Änderung des Grundgesetzes ermöglicht werden kann. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Ihre Zustimmung.

(Beifall Lorenz Caffier, CDU, und Gesine Skrzepski, CDU)

Danke schön, Herr Thomas.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Dr. Nieszery von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Herr Thomas, zunächst möchte ich Ihnen danken für die doch sehr interessanten und bewegenden Einblicke in das Innenleben unserer CDU-Fraktion hier im Landtag.

(Heiterkeit bei Klaus Mohr, SPD, Torsten Koplin, PDS, und Alexa Wien, PDS)

Ich denke mal, das hat uns allen ganz gut getan.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Zum Zweiten stelle ich fest, dass der von Ihnen heute schon mehrfach zitierte Kriegsfall offensichtlich in den Reihen der CDU zu erheblichen Verlusten geführt hat.

(Beifall und Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Aber ich versuche zumindest, wirklich ein bisschen sachlich auf Ihren Vortrag zu reagieren.

Wir alle haben festgestellt, dass sich das Ausrichtungsprofil der Bundeswehr nachhaltig geändert hat und unsere Soldaten auch viel im Ausland tätig sind. Ich möchte eigentlich die Gelegenheit nutzen, diesen Soldatinnen und Soldaten unserer Bundeswehr einmal für ihr großes Engagement zu danken, für das hohe persönliche Risiko, das sie auf sich nehmen, und den Familien danken, die letztendlich auch unter den Entbehrungen leiden.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Angelika Gramkow, PDS)

Das Thema des Antrages ist allerdings ein anderes. Die CDU versucht auf Bundesebene – und da stimme ich Ihnen zu, Herr Thomas, da bewegen Sie sich leider auf der Ebene Ihrer Partei –, aus der Bundeswehr eine Art Hilfspolizei zu machen.

(Reinhardt Thomas, CDU: Nein.)

In der Zeitung stand neulich sogar das Wort von der „Nationalgarde“ aus berufenem Munde der CDU.

(Detlef Müller, SPD: Was?! Das darf doch wohl nicht wahr sein!)

Dazu, Herr Thomas, bemühen Sie die unsägliche Tragödie von Madrid in, wie ich finde, unredlicher Weise und versuchen daraus innenpolitisches Kapital zu schlagen, indem Sie eine Grundgesetzänderung herbeiführen wollen, die letztendlich dafür sorgt, dass die Bundeswehr permanent zur Sicherheit im Inneren eingesetzt werden kann. Das hat mit seriöser und souveräner Sicherheitspolitik nicht im Geringsten etwas zu tun.

(Beifall Jörg Heydorn, SPD, und Torsten Koplin, PDS)

Sie haben heute Morgen auf die Sicherheitslage Ende der siebziger Jahre in Deutschland hingewiesen. Ich war zu der Zeit Polizist, Herr Thomas, und ich kann Ihnen versichern, dass es einen solchen Eiertanz, wie Sie ihn heute und als Union aufführen, damals nicht gegeben hat, weil die Verantwortlichen sich ihrer Verantwortung bewusst waren und an einem Strang gezogen haben, um eben genau dieser Sicherheitslage Herr zu werden. Und sie war wesentlich bedrohlicher, auch für jeden spürbar, als die heutige Sicherheitslage, Herr Thomas.

(Gesine Skrzepski, CDU: Oh!)

Das ist so.

Was Sie hier vorführen, ist blanker Populismus. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Populismus hilft nicht gegen Terrorismus. Das sollten Sie sich vielleicht mal hinter die Ohren schreiben!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Wir können natürlich die Bundeswehr im Inneren einsetzen. Das gestattet das Grundgesetz sehr wohl, das haben Sie auch hinreichend ausgeführt. Ich denke, wir alle haben beispielsweise noch die Bilder der Oderflut im Kopf, wo die Bundeswehr sehr hilfreich gewesen ist und viele Menschen vor großem Schaden bewahrt hat. Was wir aber nicht machen dürfen, ist, die innere Sicherheit mit der äußeren Sicherheit zu vermischen. Das ist durch die Väter unserer Verfassung ganz klar und bewusst getrennt worden.

(Angelika Gramkow, PDS: Richtig.)

Ich denke, an diesem Prinzip sollten wir auch festhalten, denn es hat sich seit Bestehen des Grundgesetzes sehr wohl bewährt.

Mit uns Sozialdemokraten, das sage ich Ihnen auch ganz deutlich, wird es keine Soldaten und auch keine Panzer geben, die irgendwelche Bahnhöfe oder öffentlichen Plätze bewachen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Sie werden auch mit dem Einsatz der Bundeswehr zur inneren Sicherheit keine hundertprozentige Sicherheit gerade bei weichen Zielen erreichen können. Das werden Sie einfach nicht schaffen.

Die Grundgesetzänderung, Herr Thomas, ist eigentlich das Schwerwiegendste, was wir machen können als Politiker, und zwar unsere Verfassung so zu ändern, dass wir wirklich festgefahrene und lang bewährte Traditionen ändern. Ich denke, wir sollten zunächst erst einmal versuchen, die Sicherheitslage mit den dafür zuständigen Kräften in den Griff zu bekommen. Und das schaffen wir, davon bin ich fest überzeugt. Wir sind mit der Polizei, mit Bundesgrenzschutz und mit anderen Organisationen so gut ausgerüstet, dass wir dieser Situation Herr werden können.

Als Zweites sollte man sich als Politiker genau überlegen, ob man eine Grundgesetzänderung herbeiführt, die vielleicht auch als Reflex auf den Terror gedeutet werden kann. Ich würde zum Beispiel persönlich niemals meine Hand dafür heben, wenn ich absehen kann, dass eine Änderung eines so wichtigen Paragraphen oder eines Artikels unmittelbar im Zusammenhang mit den terroristischen Aktionen steht, die stattgefunden haben. Ich denke, dann haben letztendlich die Terroristen ihr Ziel erreicht. Und das ist das, was ich auf keinen Fall möchte.

Abschließend lassen Sie mich noch eine Feststellung machen. Den wichtigsten und effektivsten Beitrag zur inneren Sicherheit hat unser Bundeskanzler geleistet, indem er entgegen Ihrer Forderungen, Ihrer permanenten Forderungen eben keine Truppen in den Irak geschickt hat. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Vielen Dank, Herr Nieszery.

Das Wort hat jetzt der Innenminister Herr Dr. Timm.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den Anschlägen auf das World Trade Center und auf das Pentagon am

11.September 2001 sind in mehreren Bundesländern umfangreichste polizeiliche Maßnahmen zum Schutze der dort ansässigen militärischen und zivilen amerikanischen Einrichtungen erfolgt, die die Länderpolizeien bis an den Rand ihrer Möglichkeiten gebracht haben. Auch die Bereitschaftspolizei unseres Landes hat in dieser Zeit über mehrere Tage US-amerikanische Einrichtungen in der Bundeshauptstadt, und zwar auf Anforderung meines Kollegen Körting aus Berlin, geschützt.

Weitere Anschläge bis in unsere jüngste Zeit führen uns immer wieder die zunehmende Bedrohung, der wir ausgesetzt sind, vor Augen, zuletzt in Madrid. Und dies hat bundesweit zu erhöhten Sicherheitsmaßnahmen der Polizei geführt. Die Diskussion, wie einzelne Staaten sich vor Terrorangriffen schützen, ist in vollem Gange und ist natürlich auch verständlich und berechtigt. Alle sind sich einig: Auch der Gesetzgeber muss prüfen, ob durch sein eigenes Handeln die Sicherheit in einem Staat und in einer Gesellschaft verbessert werden kann und auch verbessert werden muss und auch ob in Deutschland das Grundgesetz geändert werden sollte.

Der heute debattierte Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes greift aber nicht nur die terroristische Bedrohung auf. Er betrifft auch Bereiche der Kriminalitätsbekämpfung, die deutlich über die Abwehr terroristischer Gefahren hinausgehen, wozu ich im Einzelnen noch sprechen werde. Mit der Änderung des Grundgesetzes soll auf drei verschiedenen Gebieten, nämlich einmal zum Schutz ziviler Objekte, dann zum Einsatz bei drohenden Katastrophen sowie drittens zur Abwehr von Gefahren aus der Luft und zur See, der Einsatz der Streitkräfte zur Unterstützung der Länderpolizeien grundgesetzlich abgesegnet werden. Die Landesregierung wie auch die Bundesregierung gehen davon aus, dass es für keine dieser möglichen Einsätze der Streitkräfte einer Änderung des Grundgesetzes bedarf. Die Landesregierung ist davon überzeugt, dass das Grundgesetz in seinen Artikeln 35 und 87 a bereits jetzt diese Einsatzmöglichkeiten voll und ganz zulässt.

(Reinhardt Thomas, CDU: Eben nicht!)

Das sind die Paragraphen über die Amtshilfe und über die Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr.

(Unruhe bei Reinhardt Thomas, CDU)

Lesen Sie es bitte nach! Lesen Sie es bitte nach!

(Reinhardt Thomas, CDU: Mein Gott noch mal!)

Ich möchte als Innenminister dieses Bundeslandes, Herr Thomas, ausdrücklich betonen, dass wir den erweiterten Einsatz der Streitkräfte in vielen Bereichen, zum Beispiel im Luftsicherheitsgesetz, was derzeit im Bundestag beraten wird, befürworten, dass wir also heute ausschließlich über die sehr prinzipielle Frage diskutieren, ob wir dazu eine Grundgesetzänderung brauchen, nicht mehr und nicht weniger.