Protocol of the Session on September 11, 2003

Herr Kollege, etwas für rechtswidrig zu erachten und ein Prozesshansel zu sein, sind zwei verschiedene Paar Schuh. Ich glaube, dass der Innenminister …

(Zuruf von Heike Polzin, SPD)

Entschuldigung, ich bin keiner. Wirklich nicht.

Ich glaube, dass der Innenminister eine Verordnungsermächtigung, die er ja hier selber vorgetragen hat, fehlerhaft ausgelegt hat. Ich bin aber nicht sein Pate. Er hat ja mittlerweile einen Verfassungsrechtler, der ihn berät, und vielleicht fragt er den mal.

(Zurufe von Dr. Klaus-Michael Körner, SPD, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Gestatten Sie jetzt eine Anfrage des Abgeordneten Herrn Friedrich?

Ja. Bitte schön.

Bitte, Herr Friedrich.

Herr Dr. Jäger, gehen Sie davon aus, dass die Zahl der Asylbewerber nach Einführung der Geldleistung wieder steigen wird?

(Heiterkeit bei Gesine Skrzepski, CDU – Reinhardt Thomas, CDU: Gute Frage.)

Ich traue mir ja vieles zu und ich habe bestimmte Entwicklungen in diesem Bereich, wie Sie wissen, hautnah miterlebt in unterschiedlichsten Funktionen, unter anderem auch als Chef einer sehr großen Ausländerbehörde in Berlin. Aber trotzdem wage ich in diesem Falle kein Lesen aus dem Kaffeesatz. Ich kann Ihnen aus meiner Sicht nur eins sagen: Sie werden mehr Anreize für Schlepper finden, Menschen auszubeuten.

(Heiterkeit bei Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Das ist eine Erfahrung, die ist kriminologisch belegt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter?

Bitte.

Da Sie sich anscheinend sehr gut auskennen, meine zweite Frage: Ist es in anderen Bundesländern, in denen es auch so gehandhabt wird, auch so zu verzeichnen?

Ich kann Ihnen auch diese Frage nicht so verbindlich beantworten, wie ich das gerne möchte. Nur beobachten Sie bitte, und da wird der Innenminister Ihnen besser helfen können über die polizeiliche Kriminalstatistik des Bundes, wir haben im Bereich des Schlepperunwesens ganz erheblich schlimme Dinge zu verzeichnen. Ich denke nur an die vielen Frauen, die hierher geschleppt werden. Ich denke, wenn Sie sich Mühe geben, werden Sie vom Innenminister erfahren, dass das Weggeben des Sachleistungsprinzips eine hoch brandgefährliche Sache ist, wenn man an die Schlepperbanden denkt. Ich muss Ihnen auch sagen, es ist nicht alles vergleichbar in der Republik. Wir haben die längste Grenze zu Polen. Wir haben durch die polnische Grenze nach wie vor – das weiß der jetzige Innenminister viel besser als ich jetzt, weil ich die Zahlen nicht so taggenau habe –, wir haben da Riesenprobleme, was da so alles kommt.

Danke schön.

Danke schön, Herr Dr. Jäger.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Heydorn von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich hätte ja auch gerne Herrn Thomas meine Frage gestellt, weil auch da hätte ich mir gerne auf die Sprünge helfen lassen. Und zwar würde ich gern wissen, welche rechtlichen Sanktionen für Deutsche gelten, die für Asylsuchende keine Gültigkeit haben. Vielleicht kann mir hinterher mal irgendjemand weiterhelfen. Mir fällt da nichts ein, mir fällt dazu gar nichts ein. Das aber nur am Rande.

(Reinhardt Thomas, CDU: Fragen Sie mal bei den Behörden nach! Sprechen Sie doch mal mit den Mitarbeitern!)

Seitens der Redner der CDU ist ja heute hier wieder so getan worden, als wenn wir die Not der ganzen Welt nach Mecklenburg-Vorpommern reinholen wollen. Schleusen auf, kommet her zu uns, und zwar alle, die woanders nicht mehr bleiben wollen! Die Fakten sehen aber ganz anders aus. Mecklenburg-Vorpommern hat einen Ausländeranteil von rund 1,7 Prozent. 1,7 Prozent der Menschen in Mecklenburg-Vorpommern sind Ausländer, und zwar inklusive anerkannter Asylsuchender, inklusive Asylsuchender, inklusive bewilligte Asylbewerber. Da sind also alle schon mit drin. Noch mal für alle: 1,7 Prozent! Das, denke ich, muss man mal zur Kenntnis nehmen. Ich denke, wir sind uns alle einig darüber, wenn man sagt, es macht keinen Sinn, Menschen über Gebühr zu belasten, Menschen mehr zu belasten, als dies wirklich notwendig ist.

Und wenn das Thema Sachleistungsprinzip hier ins Spiel gebracht wird, und immer wieder bemüht wird, dann muss man eines sehen, unser Innenminister ist schon darauf eingegangen: Die Asylbewerberzugangszahlen in Mecklenburg-Vorpommern haben sich seit dem Jahr 1991 – da hatten wir 256.112 im Bund, in Mecklenburg-Vorpommern 7.158, im Jahr 1992 hatten wir 438.191 im Bund und 13.286 in Mecklenburg-Vorpommern – verringert. Es ging also langsam zurück. Im Jahr 2002 hatten wir im Bund noch Asylbewerberzugangszahlen in einer Größenordnung von 71.127

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

und in Mecklenburg-Vorpommern 2.114. Es gibt auch schon Zahlen für das Jahr 2003. Für das halbe Jahr hatten wir in Mecklenburg-Vorpommern Zugangszahlen von 896. Das heißt, es geht noch mal zurück. Wir werden, wenn es so weitergeht, im Jahr 2003 Zugangszahlen haben, die unter 2.000 Personen liegen. Und wenn man sich mal ansieht, dass wir im Jahr 1992 Zugangszahlen von fast 14.000 gehabt haben, dann kann man vielleicht verstehen, dass man zur damaligen Zeit mit anderen rechtlichen Instrumentarien hat arbeiten müssen als zu einer Zeit, wo nicht mal mehr 2.000 Menschen hier zu uns ins Land kommen. Ich finde, wenn man erkennt, dass die Regelungen, die man mal getroffen hat, nicht mehr zeitgemäß sind, dann muss man sie verändern,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ah ja!)

auch im Sinne der davon betroffenen Menschen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Dr. Jäger?

Ja, am liebsten beantworte ich Fragen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Heinz Müller, SPD: Kluge Fragen.)

Bitte, Herr Dr. Jäger.

Herr Kollege Heydorn, wenn Sie eben ausgeführt haben, dass wir eigentlich keinen Bedarf mehr haben für die Regelungen der beiden Bundesgesetze, welche Konsequenzen ziehen Sie daraus? Wollen Sie die geändert haben oder wie habe ich das jetzt verstanden?

Also mir geht es nicht um Gesetzesänderungen auf der Bundesebene. Mir geht es darum, dass wir in Mecklenburg-Vorpommern zu Regelungen kommen, die immer im Sinne der Menschen sind, die im Sinne von Verwaltungsvereinfachung sind und die zeitgemäß sind.

Darf ich nachfragen?

Ist das dann auch Ihr Mittel, dass Sie ein Bundesgesetz einfach nicht mehr anwenden, indem Sie eine Verordnung auf eine Verordnungsermächtigung stützen, die dafür nicht ausreicht?

Ich habe das nun juristisch nicht geprüft beziehungsweise prüfen lassen. Dass die ganze Angelegenheit so rechtswidrig sein soll, da sind Sie der Einzige, der das hier nachhaltig behauptet, das habe ich noch von keinem anderen gehört. Sie können es rechtlich gerne prüfen lassen.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Herr Kollege, letzte Frage.

Ja, gerne.

Moment bitte! Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Zusatzfrage?

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und PDS – Dr. Klaus-Michael Körner, SPD: Die bekommt er gratis.)

Frau Präsidentin, ich bitte um Entschuldigung. Er hatte mir schon freundlich zugenickt. Wir wohnen ja in einer Stadt.

Herr Kollege Heydorn, könnte es sein, dass die Tatsache, dass Sie so davon überrascht sind, dass die Ermächtigungsgrundlage, jedenfalls dem Wortlaut nach, für das, was hier gemacht wird, nicht ausreicht, daran liegt, dass sich keiner drum gekümmert hat?

Nein, es liegt einfach daran, dass ich in das rechtmäßige Handeln unseres Innenministers und seines Ministeriums großes Vertrauen habe.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)