Und dann versteigen Sie sich noch dazu, uns in der Anhörung vorzuwerfen, man würde Grundgesetze verlassen. Ach, wissen Sie, im Prinzip könnte ich ja so machen, das ging ja so was von daneben, normalerweise. Aber wenn mir eine Frage nicht mehr gestattet ist, was hinter der Aussage eines Professors der Uni Rostock steht, die im Übrigen 180 Grad unterschiedlich zu der war des Greifswalder Professors zum Thema Regionalschule,
wenn dieser Rostocker Professor uns auffordert, auf die Wissenschaft zu hören, und ich nachfrage, welche meinen Sie jetzt, weil sie eben 180 Grad unterschiedlich war, und mich einfach vergewissern will, wer steht jetzt dahinter – ich halte das für eine legitime Frage –, dann müssen Sie das mitnichten zu einem Staatsakt aufbauschen. Aber vielleicht haben Sie es ja nötig, an der Stelle ein bisschen auf den Putz zu hauen, weil woanders ja nichts ist.
Und jetzt kommt die Krönung – und ich habe noch nicht ein Wort von meiner eigenen Rede gesagt, das ist eigentlich ein bisschen schade, aber ich habe ja genügend
Redezeit –, jetzt behaupten Sie noch, in der Anhörung wäre niemals die Rede davon gewesen, Prüfung für alle. Ich werde Ihnen im Laufe meiner Rede aus Protokollnotizen nachweisen, dass dies eine falsche Behauptung ist. Aber wenn Sie daher meinen, wir sollten das Gesetz noch mal wieder ein bisschen auf Eis legen, dann guckt für mich nur ein Ohr aus der ganzen Geschichte – was Sie nämlich wirklich wollen: keine Planungssicherheit für die Schulen, kein rechtzeitiges Verabschieden des Gesetzes, um dann draußen rumzulaufen und zu sagen, die kommen wieder nicht aus dem Knick, die kriegen gar nichts fertig. Das ist Ihre wahre Absicht mit diesem Antrag.
So, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte um Entschuldigung, dass ich von meiner sonstigen Modalität abgewichen bin, aber ich meine, man kann manche Dinge auch einfach nicht mehr im Raum stehen lassen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Wir sollen ja auch alle frei reden.)
Es ist vollbracht! Mit der heutigen Zweiten Lesung des Gesetzentwurfes haben wir eins der kompaktesten Änderungsverfahren der Legislaturperiode abgeschlossen. Unter der Zielsetzung, den Schulen so früh wie möglich Planungssicherheit zu geben, war der Apriltermin ein sehr ehrgeizig gesetzter. Dass wir ihn erreicht haben, ist der engagierten Arbeit aller zu verdanken. Und hier sehen Sie schon mal wieder meine verbindliche Art. Das habe ich geschrieben, ohne Wissen, was heute von Ihrer Seite kommt.
Das umfassende Anhörungsverfahren und die Gesetzesberatung verlangten sowohl den Ausschussmitgliedern aller Fraktionen als auch den Fachexperten, den Vertretern des Ministeriums und in ganz besonderem Maße den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktionen ein enormes Arbeitspensum ab. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Mit den vorliegenden Gesetzesänderungen werden entscheidende Weichen gestellt zu einer effizienteren Nutzung der Lebenszeit junger Menschen. Durch die Wiederaufstockung der Stundentafel in den Jahrgängen 5 bis 11 erfolgt schrittweise der erforderliche Gegentrend zur Stundenreduzierung von 1992. Ich sage das gar nicht so laut. Es ist ja nur einfach mal so. Abitur wird nach zwölf Schuljahren wieder möglich sein. Damit setzen wir uns in Mecklenburg-Vorpommern mit an die Spitze der Bewegung zur bundesdeutschen Verkürzung.
Wir machen hier quasi also auch einen Alleingang, den aber eigentlich keiner in Frage stellt. Dieser Teil fand sowohl in der Anhörung als auch in der öffentlichen Wahrnehmung einhellige Zustimmung. Dennoch ist der einseitige Blick auf das 13. Schuljahr des Gymnasiums bei weitem nicht die komplette Problemsicht auf den späten Schulabschluss einer wachsenden Zahl von Jugendlichen. Späte Einschulungen, in der Regel auf Wunsch der Eltern, die ihr Nesthäkchen noch ein wenig von der rauen Schulwirklichkeit fernhalten möchten, …
Frau Schnoor, hat Ihre Redezeit noch nicht gereicht? Vielleicht haben Sie ja nachher noch ein bisschen.
… führten mit dazu, dass eine Realschulkarriere mit 18 Jahren zunehmend Normalität wurde. Mit der neuen Regelung wird die Entscheidung zu einer Verschiebung der Schulpflicht nicht nur ausschließlich den Eltern überlassen. Entwicklungsgutachten sind eine Grundlage für eine qualifizierte Entscheidung, die nur im Einvernehmen mit der Grundschule getroffen werden kann.
Die bisherige Gesetzesregelung, nach der nur vier Jahre der Grundschulzeit auf die Schulzeitpflicht angerechnet werden durften, wirkte sich ebenfalls kontraproduktiv aus. Im Zusammenhang mit den nahezu unbegrenzten Möglichkeiten, nach Erfüllung der Vollzeitschulpflicht ohne Abschluss auf der Schule bleiben zu können, zeigte sich in der Praxis die Auswirkung in Form einer steigender Zahl von 18-jährigen, also volljährigen Schülern, die in Klassenstufe 8 oder 9 ihre Arbeiten selbst unterschreiben dürfen, andererseits aber am Bildungsprozess eher kaum teilhaben, jedoch aufgrund ihres Verhaltens diesen oft behindern. Die Gesetzesnovelle zieht an verschiedenen Stellen Verbindlichkeiten ein, die auf eine zielorientierte Schulzeitnutzung abstellen und dafür sorgen werden, dass Jugendliche früher in ein selbstverantwortetes Leben treten können und müssen.
Das Fünfte Änderungsgesetz stellt ebenso die Weichen zum Erhalt einer wohnortnahen Beschulung in unserem Flächenland angesichts der demographischen Entwicklung. Wer die Realitäten im Land ignoriert und glaubt, das dreigliedrige Schulsystem scheiterte nur an den ideologischen Barrieren von Rot-Rot, muss sich wirklich fragen lassen, weshalb keins der anderen neuen Bundesländer dieses übernommen hat. Könnte es vielleicht sein, dass man dort, unabhängig von jeweiligen Regierungsmehrheiten, gut überlegt hat, wie vorhandene Gegebenheiten und zukünftige Erfordernisse kompatibel gestaltet werden können? Könnte es sein, dass die Mittelschule in Thüringen, die nun beileibe nicht von Sozialdemokraten installiert wurde, der vernünftige Weg war? Warum ging Mecklenburg-Vorpommern damals den Einzelweg, der ein Holzweg jedenfalls für unser Land war?
Mit der Regionalen Schule reagieren wir einerseits auf die demographische Entwicklung. Viel entscheidender jedoch ist, dass wir agieren. Strukturell wird sich mittelfristig ein zweigliedriges Schulsystem entwickeln, was auch nach bisherigem Gesetz passiert wäre, eine flächendeckende Entwicklung zur verbundenen Haupt- und Realschule mit einer wachsenden Zahl von Mischklassen.
Gestaltet hat die Koalition diesen unausweichlichen Prozess mit einer Palette von inhaltlichen Verbesserungen, die der Qualitätssicherung dienen. Von der Erhöhung der Erziehungskompetenz und der konsequenten Leistungsorientierung als Zielstellung zeugen sowohl die Orientierung der erhöhten Stundentafeln auf Kernkompetenzen, definierte Standards in einem verpflichtenden Schulprogramm, das die Profilierung und größere Eigenverantwortung der Einzelschule zum Ziel hat, zeugen sowohl die Einführung der Klassenleiterstunde sowie die Möglichkeiten kooperativer Bildungsangebote für verhaltensauffällige Kinder.
Leistungsförderung in äußerer Fachdifferenzierung erfolgt nicht mehr wie bisher nach dem Motto „Einmal Hauptschule, immer Hauptschule“, sondern orientiert sich am Einzelschüler mit seinen persönlichen Stärken und
Schwächen. Wer in Mathematik große Schwierigkeiten hat, kann doch im sprachlichen Bereich durchaus Stärken entwickeln. Nach den Möglichkeiten der Regionalen Schule kann er also unterschiedliche Leistungsniveaus besetzen. Darüber entscheidet jetzt jedoch nicht mehr der pauschale Stempel „Haupt- oder Realschüler“, sondern die jeweilige fachliche Leistung. Ich finde diese Regelung pädagogisch sehr sinnvoll.
Mit der Qualitätssicherung verbunden sind in jedem Fall vergleichbare Leistungsstandards. Mit anderen Worten: Die Wege zum Ziel werden an den einzelnen Schulen, ja, für den einzelnen Schüler individueller werden. Am Ende der Wege jedoch müssen definierte Standards stehen, die für den jeweiligen Bildungsabschluss allgemein gültig sind.
Bisher gab es diese Standards nur als Endkontrolle in Form der zentralen Real- und Abiturprüfung. Weitere Vergleichsarbeiten zielten vor allem auf Qualitätskontrolle im Bereich Deutsch und Mathematik der Haupt- und Realschule ab. Grundschulen, Gymnasien und Gesamtschulen blieben im Prinzip außen vor. Das muss sich grundlegend ändern. Von einer Endkontrolle, deren Ergebnisse nicht mehr zu korrigieren sind, müssen wir zu einer Prozesskontrolle kommen.
Die allgemeine Erwartungshaltung, dass ein Kind am Ende der 4. Klasse sinnerfassend lesen kann und zumindest die Grundrechenarten beherrscht, muss nicht nur angesichts der PISA-Ergebnisse in konkrete Zielstellungen gegossen und natürlich auch kontrolliert werden. Der Erwerb des Abiturs mit dem Anspruch der Hochschulreife muss viel stärker geknüpft werden an eben diesen Anspruch.
Selbstverständlich brauchen wir möglichst viele junge Menschen mit dem Abiturabschluss. Aber dies ist keine ausschließliche Frage von Quantitäten. Nicht irgendwelche Abiturabschlüsse können das Ziel sein, sondern qualitativ hochwertige, die sich unter anderem auch in einer hohen Studierquote widerspiegeln. Ist es nicht auch Vergeudung jugendlicher Lebenszeit, wenn die Schulbank drei Jahre länger gedrückt wird, obwohl man weiß, dass für den Berufswunsch durchaus ein Abschluss der mittleren Reife genügt? Dieser Trend wurde durch die bisherige Vergabe des Realschulabschlusses ehrenhalber für Gymnasialschüler durch Versetzung in Klasse 11 noch verstärkt. Ohne Prüfung bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben als ein Realschüler, ist ein nachzuvollziehendes Motiv, das Gymnasium zu wählen, ohne der eigentlichen Aufgabe des Gymnasiums, auf ein Studium vorzubereiten, entsprechen zu wollen. Die Entscheidung, die mittlere Reife nur noch nach einer bestandenen Prüfung zuzuerkennen, war also sowohl ein leistungsforderndes Moment als auch ein Akt der Wahrung von Chancengerechtigkeit.
Der Ansatz im Regierungsentwurf wurde von fast allen Verbänden getragen. Jedoch entspannen sich in der Anhörung die Nachfolgediskussionen darum, wie ein Schüler am Gymnasium zu einem Schulabschluss käme, wenn er das Abitur nicht schafft. So schlug zum Beispiel die GEW vor, dass alle Schüller, die nach der 10. Klasse abgehen wollen, sich einer Prüfung an ihrem Gymnasium beziehungsweise ihrer IGS stellen sollen. Die Vereinigung der Gymnasialschulleiter Mecklenburg-Vorpommern votierte unter Punkt 5: „Da mit der Aufhebung des § 19 (3)
Satz 2 keine Gleichwertigkeit mehr besteht, muss geregelt werden, wo und wie die Mittlere Reife für die Gymnasiasten abgelegt werden kann. Ist die Prüfung für alle gedacht? Am Gymnasium kann sie wohl nicht stattfinden!“ Der VBE stellte ähnliche Fragen und konstatierte: „Unstrittig ist, dass der Abschluss nach Klasse 10 … und 12 … nach entsprechenden Prüfungen erfolgt. Es wäre hier aber sinnvoll, auch im Gesetz zu verankern, dass zentrale Prüfungen im schriftlichen Bereich abgelegt werden.“
Die konkretisierte Forderung der IHK, vertreten durch Dr. Ulrich Hoffmeister, liest sich im Anhörungsprotokoll auf Seite 15/16 folgendermaßen: „…, dass alle Gymnasiastinnen und Gymnasiasten nach Abschluss der Klassenstufe zehn eine Prüfung ablegen sollten, unabhängig davon, ob sie diese Schule nach der Klassenstufe zehn verlassen möchten oder nicht.“ Diese Zitate belegen zunächst, dass Klärungsbedarf zur Prüfung signalisiert wurde.
Vorschläge unterschiedlichster Art wurden erarbeitet. Gerade aber mit der konkreten Forderung der IHK ist die Fama widerlegt, dass eine Prüfung für alle nicht Gegenstand der Anhörung war. Mit dem Beschluss der Koalitionsfraktionen im Bildungsausschuss wurde die geforderte Klarstellung in den Gesetzestext aufgenommen. Damit haben wir die Anzuhörenden sehr ernst genommen, wenn auch nicht im Sinne einer gewissen Gruppe. Das ist nun einmal klar, hundert Prozent Einigkeit gibt es in keinem Punkt.
Sie bedeutet, dass es für alle Schülerinnen und Schüler am Gymnasium am Ende der 10. Klasse eine Prüfung geben wird. Diese führt im Zusammenwirken mit der Jahresleistung zu einer Versetzungsentscheidung in die 11. Jahrgangsstufe. Somit hat sie die Funktion einer Zwischenprüfung, die am Ende der Sekundarstufe I vergleichbare Leistungsstandards setzt und speziell auf den gymnasialen Bildungsgang ausgerichtet wird. Schüler am Gymnasium erleben also Jahre vor dem Abitur eine Prüfungssituation, die es ihnen ermöglicht, ihren individuellen Entwicklungsstand zu erfahren, und die Chance gibt, in den Jahren bis zum Abitur zielorientierter an ihren Stärken und Schwächen zu arbeiten.
Neben der Qualitätskontrolle hat der Schüler mit der Versetzung in die 11. Klasse den anerkannten Abschluss der mittleren Reife.
Selbstverständlich sind weiterführende Fragen nicht nur im Zusammenhang mit Prüfungen untergesetzlich detailliert zu klären. Gesetze haben es nun mal so an sich, nur die erforderlichen Eckdaten zu sichern. Die Ausgestaltung und Umsetzung in Verordnungen und vor allem vor Ort in der Einzelschule erfordern motivierte Kleinarbeit. Ein wirklicher Qualitätsschub ist nur zu erreichen durch die engagierte Mitarbeit der am Bildungsprozess Beteiligten, durch Kontinuität, Verbesserung der materiellen Rahmenbedingungen der Einzelschule.
Qualitätsentwicklung ist ein Prozess. Eine Schülergeneration durchlief seit 1990 die Bedingungen des Bil
dungssystems der Bundesrepublik. Die Teilnehmer der PISA-Studie dokumentieren also Erfolg oder Misserfolg eines Systems. Ein Umsteuern wird wiederum Jahre in Anspruch nehmen, Jahre des Vergleichens mit erfolgreichen Ländern, des kritischen Hinterfragens eigener Positionen, Jahre der permanenten Personalenwicklung im Bildungsbereich. Nicht nur unsere Lehrkräfte brauchen zur Unterstützung in ihrer verantwortungsvollen Arbeit hochqualifizierte Fort- und Weiterbildung. Defizite im wissenschaftlichen Vorlauf, insbesondere im methodischdidaktischen Bereich müssen an den Universitäten aufgearbeitet werden. Die Ausbildung junger Nachwuchskräfte kann sich nicht an den Erfahrungen gestriger Konzepte orientieren, sondern an europäischer Entwicklung.
In dieser Konsequenz ist wohl nicht damit zu rechnen, dass die Fünfte Änderung des Schulgesetzes für die nächsten 20 Jahre die letzte gewesen ist. Mein Mathematiklehrer pflegte moralinsauer in die Klasse zu fragen, wenn eine Leistung unsererseits ihn nicht zufrieden stellte: Wie kam Karl hinter die Hammel? Mittlerweile gewitzt antworteten wir im Chor: Er ist stehen geblieben. Hinter die Hammel zu kommen kann unser Anliegen nicht sein. Entwickeln wir sie also weiter, bleiben wir nicht stehen, entwickeln wir sie weiter, die Bildungschancen für unsere Jugend! – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Ja, Frau Schnoor, ich weiß jetzt nicht, ob ich mich geehrt fühlen soll bei so häufiger Erwähnung in Ihrer Rede. Vielleicht hätten Sie aber in den drei Minuten, die es eventuell gedauert hat, meinen Namen immerzu zu erwähnen, auch mal die Konzepte erläutert, die die CDU-Fraktion für die Lösung der Bildungsprobleme in diesem Lande hat.