Protocol of the Session on May 17, 2001

Darauf komme ich in der Aussprache noch zu sprechen. Es geht um Bahnbetriebswerke überhaupt. Es geht um mehrere Bahnbetriebswerke in Ihrem Änderungsantrag. Ich habe das gelesen. Und ich kann es auch schon vorwegnehmen: Wir werden unter der Bedingung, dass der Sinn dieses Wortes „umgehend“ in Punkt 4 wirklich auch im Sinne aller seiner Schärfe gelesen wird, mit dieser Forderung verbunden werden wir …

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Umgehend heißt ohne schuldhaftes Säumen. – Heiterkeit bei Peter Ritter, PDS: Das ist schon so gemeint.)

Es geht jetzt in der Einbringung um den Antrag zum Erhalt des Bahnbetriebswerkes Stralsund. Deshalb möchte ich mich auch zunächst erst mal auf das Bahnbetriebswerk Stralsund beschränken. Wir sollten also die Landesregierung auffordern, sich in weiteren Verhandlungen mit der Bahn AG nachdrücklich für den Erhalt einzusetzen. Ich bitte Sie zunächst an dieser Stelle, erst mal dem Antrag so zuzustimmen. – Danke.

(Beifall Jürgen Seidel, CDU, und Reinhardt Thomas, CDU)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Zunächst hat das Wort der Wirtschaftsminister Herr Ebnet. Bitte sehr, Herr Minister,

(Heidemarie Beyer, SPD: Der schwätzt.)

wenn Sie ans Rednerpult gehen und reden, wäre es nett. Herr Minister Ebnet?

(Barbara Borchardt, PDS: So ist das mit dem Müdesein. – Heidemarie Beyer, SPD: So ist das, wenn man schwätzt. – Barbara Borchardt, PDS: Sechs Wochen im Amt und schon so müde. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Barbara Borchardt, PDS: Schlucken Sie das bitte runter!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Ich weiß nicht, was ich runterschlucken soll.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der PDS – Peter Ritter, PDS: Ist in Ordnung. – Barbara Borchardt, PDS: Glück gehabt!)

Zum Bahnbetriebswerk Stralsund: Ich glaube, ich kann hier für alle im Saal sprechen, wenn ich sage, wir wollen, dass das Bahnbetriebswerk in Stralsund erhalten bleibt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, PDS und Jörg Vierkant, CDU)

Und ich glaube, ich kann auch für alle hier sprechen, wenn ich sage, die Bahn macht uns nicht nur Sorgen, sie macht uns auch Ärger. Hoffentlich geht das schnell vorbei.

Die Frage ist aber jetzt nicht, wollen wir, dass das Bahnbetriebswerk in Stralsund erhalten bleibt – die lässt sich eindeutig mit Ja beantworten –, die Frage ist, können wir die Bahn dazu bringen, dass sie in unserem Sinne entscheidet.

Ich will hier noch einmal kurz die Situation schildern, mit der sich auch der Wirtschaftsausschuss des Landtages Ende April befasst hat: Die Bahn betreibt in MecklenburgVorpommern zurzeit die Werkstätten Neustrelitz, Rostock, Schwerin und Stralsund. In den vier Werken sind 442 Mitarbeiter beschäftigt. In Neustrelitz arbeiten 208 Menschen, in Rostock 140, in Schwerin 37 und in Stralsund 57. In den Werken Rostock, Schwerin und Stralsund – ohne Neustrelitz – werden die betriebsnahen Instandhaltungen für derzeit 336 Fahrzeuge durchgeführt. 336 Fahrzeuge! Die Züge werden dort beispielsweise gereinigt, Öl wird gewechselt, Scheiben werden ersetzt, Sitzpolster ausgewechselt und so weiter. Dort arbeiten zusammen an diesen 336 Fahrzeugen 234 Mitarbeiter.

Nun hat die DB Regio ihre Züge dem Bedarf angepasst und lässt kürzere Züge fahren. Weiterhin senkte sie den Reservebestand und erhöhte die Auslastung ihrer Fahrzeuge. Dazu kommt die Verringerung von Leistungen der Werkstätten für die DB Cargo. Die lässt nämlich zukünftig weniger Fahrzeuge in den Werken der DB Regio warten. Dadurch reduziert sich die Zahl der Fahrzeuge, die gewartet werden, von 336 auf 143. Von 336 auf 143 – das ist ein Minus von fast 60 Prozent! Um diesen geringeren Fahrzeugbestand instand zu halten, braucht die DB Regio nach eigenen Angaben nur noch ungefähr 130 Arbeitskräfte.

Die DB Regio will nun diese betriebsnahen Instandsetzungsarbeiten aus wirtschaftlichen Gründen auf einen Standort konzentrieren. Dies soll Rostock sein – dort, wo jetzt schon der überwiegende Teil der Mitarbeiter beschäftigt ist. Und, Herr Vierkant, ich glaube, es wäre nicht richtig, wenn wir jetzt in einen landesinternen Vertei

lungskampf eintreten sollten, ob Rostock oder Stralsund, das, glaube ich, bringt uns nicht weiter.

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Man muss zugestehen, dass die Argumentation der Bahn rein betriebswirtschaftlich – rein betriebswirtschaftlich – schwer zu widerlegen ist. Unser Vorwurf ist, dass dabei die regionalpolitische Sicht zu kurz kommt.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Na, kann man’s einem Kapitalisten verdenken?!)

Wir wollen mehr Sensibilität für die strukturpolitischen Belange des Landes. In Stralsund geht es immerhin um 5 7 Arbeitsplätze. Die Bahn hat uns mitgeteilt, dass betriebsbedingte Kündigungen nicht erfolgen werden. Das ist sozialpolitisch wichtig. Unser regionalpolitisches Problem löst es allerdings nicht.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Richtig.)

Die Bahn weist auch darauf hin, dass es in Mecklenburg-Vorpommern bei der Bahn immer noch Personalüberhänge aus Reichsbahnzeiten gibt. Dies macht die Situation nicht gerade leichter. Uns hilft das aber auch nicht weiter.

Meine Damen und Herren, die Fraktion der CDU vergleicht in ihrem Antrag die Situation in Stralsund mit der des Bahnbetriebswerks in Neustrelitz. Doch ich glaube, man muss hier auch die Unterschiede sehen. In Stralsund, Schwerin und Rostock führt die Bahn die betriebsnahen Instandsetzungsarbeiten durch. Diese sollen in Rostock konzentriert werden. Dagegen werden im Bahnbetriebswerk Neustrelitz überwiegend größere Arbeiten an Schienenfahrzeugen durchgeführt wie Reparaturen und Sicherheitsuntersuchungen. Das Betriebswerk Neustrelitz ist seit längerem in einer betriebswirtschaftlich schwierigen Situation. Zwar konnte erreicht werden, dass auch die Fahrzeuge der Ostmecklenburgischen Eisenbahn dort gewartet werden können, doch dadurch hat sich die Situation bisher nicht entscheidend verbessert. Mein Vorgänger im Amt hat in einem Gespräch mit dem Beauftragten des Vorstands für die Bahnbetriebswerke im gesamten Bundesgebiet, Herrn Dr. Keil, die Zusage erhalten: Bevor über eine Werkschließung in Neustrelitz nachgedacht wird, sucht die Bahn intensiv nach Interessenten für die Übernahme des Werks. Ein Ergebnis liegt noch nicht vor. Wir wissen aber, dass es Interessenten für Neustrelitz gibt.

Ich werde mich demnächst mit Dr. Rausch, dem für Technik zuständigen Vorstandsmitglied der DB Holding treffen, um über dieses Thema und die Situation der anderen Werkstätten im Land Mecklenburg-Vorpommern, insbesondere auch über das Werk in Stralsund, zu sprechen. Wir wollen zusammen mit der DB AG die Lage noch einmal analysieren und ausloten, ob nicht Alternativen denkbar sind, um das Bahnbetriebswerk in Stralsund zu erhalten. Was das Werk in Neustrelitz angeht, werden wir weiterhin darauf drängen, dass die DB Regio das Werk entweder selbst weiterbetreibt oder aber einem Verkauf zustimmt. Wir werden bei der Bahn auch in diesem Zusammenhang, unbeschadet der Notwendigkeit für ein Unternehmen, wirtschaftlich zu handeln, die regionalpolitische Verantwortung für Mecklenburg-Vorpommern anmahnen. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS, einzelnen Abgeordneten der SPD und Jörg Vierkant, CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Ritter von der PDS-Fraktion. Bitte sehr, Herr Ritter.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich feststellen, dass wir in der Tagesordnung etwas zeitiger sind und zum Glück die Beschäftigten aus Stralsund noch nicht anwesend sind. Wir müssten uns sonst schämen, wie ernst wir ihre Probleme durch unsere Beteiligung hier nehmen.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Zum Thema: Ich möchte zunächst einmal aus einer Broschüre zitieren, die von der Bahn herausgegeben worden ist. Wo stehen wir? Was tun wir? Wo wollen wir hin? Das erinnert mich alles an das Prinzip Hoffnung mit ähnlichen Fragestellungen. Dort heißt es unter anderem und das beschreibt auch das eigentliche Dilemma: „Seit 1945 wurden 350.000 Kilometer Straßen neu gebaut, darunter 11.000 Kilometer Autobahnen mit neuer Qualitätsdimension, aber nur 1.000 Kilometer Schienen.“ Weiter heißt es: „Die Bahn muss allerdings, um wirtschaftlich zu sein, ihr Netz und ihre Verkehre auch optimieren und wo nötig bereinigen dürfen. Wir sind dabei, unsere Hausaufgaben zu machen, auch wenn es dafür nicht nur Beifall gibt.“ Und schließlich heißt es: „Wenn es nicht gelingt, die Bahn auch bei den Personalkosten wettbewerbsfähig zu machen, zehrt sie von innen heraus ihre Substanz auf.“

So weit aus der Broschüre der Bahn, die die Strategie eindeutig beschreibt. Und so vergeht eigentlich kein Monat, in dem wir uns nicht im Wirtschaftsausschuss mit den Problemen der Bahn AG in Mecklenburg-Vorpommern beschäftigen mussten. Allerdings werden wir im Wirtschaftsausschuss immer nur vor vollendete Tatsachen seitens der Bahn AG gestellt, ohne dass wir darauf reagieren können.

Die Auswirkungen der Neustrukturierung der vom Bund privatisierten Bundesbahn beschäftigen uns also immer wieder. Das Land kommt nicht zur Ruhe und das wird wohl auch in Zukunft so sein. Leider sind diese Auswirkungen meistens negativ. Da wird die Strecke Rostock– Berlin heruntergestuft und dass Land muss künftig in diese Strecke finanzieren. Da steht das Bahnbetriebswerk Neustrelitz vielleicht vor dem Aus, weil es keine Beschäftigung mehr geben soll. Und heute beschäftigt uns die Schließung des Bahnbetriebswerkes in Stralsund, unterschwellig auch die Probleme in Schwerin.

Der Konzernbeauftragte der DB AG Herr Gibtner hat am 25. April im Wirtschaftsausschuss sehr ausführlich zu den Überlegungen der Bahn AG gesprochen. Herr Minister hat darauf hingewiesen. Es ist deutlich geworden, dass es eine Konzentration aller noch verbleibenden Arbeiten auf den Gebieten der Wartung, in den Instandhaltungen der DB Regio im Bereich Rostock geben soll. Die Bahn will also die gleichen Zugkilometer mit der Hälfte des Wagenparks fahren. Das bedeutet die Hälfte des Instandsetzungsbedarfes – Ende der Durchsage seitens der Bahn.

Diese Überlegungen sind aus der rein betriebswirtschaftlichen Sicht sogar nachvollziehbar. Diese Sicht ist aber für ein Unternehmen, das zu 100 Prozent dem Bund gehört, nicht ausreichend. Die Bahn muss Überlegungen anstellen, wie sie Kosten einsparen kann beziehungsweise wie sie Verluste minimiert. Wenn sie dieses Ziel jedoch nur dadurch erreichen will, dass Betriebsstätten ge

schlossen beziehungsweise Fahrleistungen gestrichen werden, so ist das für die Gesellschaft kontraproduktiv. Die Bahn könnte bei dieser Art von Rationalisierung Gewinne machen, aber verlieren wird der Bund, verlieren werden wir in Mecklenburg-Vorpommern auf jeden Fall, denn die Kosten für die entstehende Arbeitslosigkeit werden wieder der Gesellschaft aufgehalst und MecklenburgVorpommern bleibt im wahrsten Sinne auf der Strecke. Wieder sind es industrielle Arbeitsplätze, die abgebaut werden. Der Ausgleich wird, wenn überhaupt, nur im Verlaufe mehrerer Jahre zu schaffen sein. Wir fordern daher, dass die Bahn AG bei Entscheidungen dieser Art sich auch ihrer strukturpolitischen Verantwortung erinnert

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

und diese in ihre Überlegungen zur Umstrukturierung ihres Unternehmens mit einbezieht. Wir erwarten, dass bei diesen Überlegungen die Landesregierungen mit einbezogen werden.

In diesem Sinne fordern wir auch die Landesregierung auf, nochmals auf die Bahn AG zuzugehen, um mit dieser über die Konsequenzen der Entscheidungen und über Ansätze der Bahn AG zur Minimierung der negativen Faktoren für Mecklenburg-Vorpommern zu beraten. Dabei ist auch nach Wegen zu suchen, die Standorte der Betriebswerke in Mecklenburg-Vorpommern zu erhalten. Und da es eben nicht nur ein Problem von Stralsund, Schwerin oder von Neustrelitz ist, sondern ein Problem des ganzen Landes, haben wir unseren Änderungsantrag vorgelegt, um dessen Zustimmung ich Sie bitte.

Darüber hinaus möchte ich nochmals auf einen Vorschlag der PDS-Fraktion der letzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses verweisen. Wir, ich meine hier die neuen Bundesländer insgesamt, brauchen eine abgestimmte Strategie gegenüber Bund und Bahn und deshalb haben wir eine gemeinsame Beratung der Wirtschaftsausschüsse der Landtage der neuen Bundesländer zu dieser Problematik vorgeschlagen. Vielleicht können Sie, sehr verehrter Herr Seidel, das noch als Ausschussvorsitzender in Angriff nehmen, bevor Sie Ihre Arbeit als Landrat beginnen, wofür ich Ihnen viel Erfolg wünsche. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und Volker Schlotmann, SPD)

Danke schön, Herr Ritter.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Vierkant von der Fraktion der CDU.

Herr Minister Ebnet, es war überhaupt nicht meine Absicht, dort jetzt Verzerrungskämpfe beziehungsweise Tauziehen zwischen Rostock, Stralsund oder zwischen anderen Standorten hier zu inszenieren. Es war nur meine Absicht, noch mal Überlegungen in Gang zu setzen, wie man eventuell auf eine andere Weise Arbeit verteilen kann, und da jetzt der Standort Rostock schon als gesichert von der DB Regio avisiert wurde, habe ich mir dieses Beispiel Stralsund–Rostock herbeigezogen. Ich bedanke mich sehr bei Ihnen für Ihre Absicht, sich nachdrücklich für die regionalen Belange Vorpommerns einzusetzen, und wünsche Ihnen in Ihren Bemühungen viel Erfolg.

Ich denke, das, was in der Sache gesagt werden musste, ist gesagt. Ich erwähne vielleicht nur noch an dieser

Stelle, dass die Betriebswerke aus Stralsund am 5. Mai 2001 anlässlich des Besuches von Bundeskanzler Schröder auf dem SPD-Parteitag demonstriert haben, und in dem Zusammenhang hat der Kanzler dem Betriebswerk die Unterstützung des Bundes zugesichert, so dass also der Antrag und auch der Änderungsantrag letztendlich fast zum Selbstläufer hier geworden sind. Er macht nur in einer Sache noch Sinn und das ist seine Signalwirkung für die Öffentlichkeit, dass sich der Landtag einhellig für den Erhalt mehrerer Bahnbetriebswerke in Mecklenburg-Vorpommern einsetzt. Wenn Sie, meine Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, in Ihrem Änderungsantrag die Anstrengungen eben auch auf den Erhalt anderer Betriebswerke ausdehnen wollen, ist das gut und richtig. Meine Fraktion wird dem Änderungsantrag zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS, Volker Schlotmann, SPD, und Reinhardt Thomas, CDU)

Danke schön, Herr Vierkant.