Eine in diesem Zusammenhang aktuell diskutierte Variante der Beeinflussung ist das Aufspülen von Sand an der Südküste der Insel, dem Gellen. Das erfolgt in geringem Umfang oder erfolgte bereits 1970, in beträchtlicher Dimension 1993. Dass eine derartige Maßnahme aber nur der von mir schon erwähnte temporäre Versuch ist, die Dinge aufzuhalten, beweist der heutige Zustand dort vor Ort. Sie kennen ihn ja.
Angesichts des Zustands der Dünen müssen wir uns natürlich Gedanken machen über weiteres Vorgehen zur Problemlösung. Und dass sich das Umweltministerium mit diesem Problem beschäftigt, hat der Minister heute schon dargelegt, und es ist ja unter anderem auch …
Meine Damen und Herren! Die Schlussfolgerungen des Gutachtens sind natürlich nicht nur technisch oder wassertechnisch zu sehen, auch wenn mich das als Ingenieurin sehr verführen würde. Nein, Küstenschutz vollzieht sich ja nicht im luftleeren Raum, sondern basiert ganz konkret auf rechtlichen Rahmenbedingungen, auf die heute schon verwiesen wurde. Grundlage unserer Anstrengung ist das Landeswassergesetz, das hinsichtlich der Pflicht des Landes zu Küstenschutzmaßnahmen ja den Paragraphen 83 hat, der vorschreibt: „Die Pflicht zur Sicherung der Küsten erstreckt sich auf den Schutz von im Zusammenhang bebauten Gebieten.“
Also gebietet der Gesetzgeber – wir –, alle Maßnahmen der Regierung auch daran zu messen, zu messen, ob die vorgeschriebenen Bestimmungen eingehalten werden.
Wie verhält es sich auf der Insel Hiddensee mit den Küstenschutzpflichten? Die Situation auf der Insel hat sich Anfang 1999 insofern geändert, dass zu diesem Zeitpunkt die Ringeindeichung der Ortschaft Neuendorf fertiggestellt und übergeben wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Dünen eine andere Funktion als heute. Das wissen wir. Also war das Land bis Anfang 1999 in der Pflicht, diese Dünen zu erhalten im Zusammenhang mit bebauten Gebieten. Jetzt ist sie in dieser Pflicht in Bezug auf die Dünen, über die wir sprechen, nicht mehr. Das wissen wir ja auch alle. Eigentlich könnte man also formaljuristisch sagen, die Dinge sind klar.
Aber ganz so einfach macht es sich die Landesregierung natürlich nicht. Das zeigten ja die Darlegungen des Umweltministers. Und ich denke, das, was in diesem Land jetzt passiert mit der freiwilligen Anhörung, mit der Diskussion der Betroffenen vor Ort,
das spricht für ein lebendiges Demokratieverständnis der Landesregierung und vor allem natürlich des Umweltministers.
Meine Damen und Herren! Die Ergebnisse der Anhörung liegen noch nicht vor. Ich denke, wir müssen uns mit ihnen befassen. Das ist ja auch Sinn und Zweck des Antrages. Ich meine nur, wir müssen neben der Frage der Bezahlbarkeit von Varianten, der Frage der eventuellen Änderungen rechtlicher Grundlagen eins bedenken: Wir dürfen nicht immer nur die kurzfristigen Effekte im Kopf haben.
Herr Brauer, es tut mir sehr leid, dass Sie den Begriff „Wahlkampf“ vorhin in den Mund genommen haben. Genau das machen Sie, wenn Sie sagen, wir bauen mal schnell eine Mauer und dann wird das schon irgendwie funktionieren
(Gesine Skrzepski, CDU: Die hatten wir. – Lutz Brauer, CDU: Das habe ich nicht gesagt. Das habe ich nicht gesagt.)
und machen noch ein bisschen was anderes. Na ja, die Summe der Maßnahmen. Übrigens, Herr Brauer, Sie wissen ja, die Mauern halten das immer nicht so auf. Da haben wir Erfahrungen.
(Heiterkeit bei Annegrit Koburger, PDS – Lutz Brauer, CDU: Da haben Sie mehr Erfahrungen als ich. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Wieso? Sind Sie nicht ein bisschen älter als Frau Muth?)
Ich denke, es muss gerade uns hier in diesem Landtag darum gehen, neben fiskalischen und juristischen Fragen vor allen Dingen die Langzeiteffekte zu definieren und zu bereden und darüber zu reden, was Politiker nicht gerne tun, wenn sie im 4-Jahres-Rhythmus denken,
(Lutz Brauer, CDU: Lassen Sie uns das mal so sachlich fortführen wie begonnen, dann haben die Hiddenseer auch was davon.)
welche Chancen sich auch eventuell damit verbinden, dass man den Ereignissen der Natur nicht zuwider handelt. Auch darüber müssen wir hier, denke ich, gemeinsam reden, auch wenn das keine angenehmes Thema für die Leute vor Ort ist. In diesem Sinne plädiere ich für die Annahme des Antrages und hoffe darauf, dass wir alle gemeinsam zur sachlichen und nüchternen Lösung kommen.
Und eins sei noch gesagt, Herr Brauer, ganz ernst, wenn Sie hier für den Schutz der Natur sprechen durch Maßnahmen, ist das okay. Ich bin begeistert, dass Sie ein FFH-Gebiet schützen wollen. Das ist in Ordnung. Das ist das erste Mal, dass Sie das im Landtag tun.
Aber im gleichen Zusammenhang müssen Sie die Frage beantworten, die der Minister schon aufgeworfen hat. Wenn Sie das Geld auf Hiddensee einsetzen, dann werden Sie gleichzeitig sagen müssen, welche Maßnahmen in den nächsten Jahren nicht realisiert werden.
Denn Sie wissen genau, wir haben noch 20 Jahre zu tun, um alleine die Aufgabe zu realisieren, bewohnte Gebiete zu beschützen. Und das ist eine ganz ernsthafte Frage, vor der auch Sie sich nicht drücken können. – Danke.
Nachdem die Wasserflut beseitigt ist, erhält dann das Wort der Abgeordnete Herr Dr. Klostermann von der Fraktion der SPD.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte einiges doch noch ein bisschen ernüchternd darlegen, was ja vielleicht etwas leidenschaftlich hervorkam aus dem Beitrag von Herrn Brauer.
Alle Aussagen, meine Damen und Herren, die im Zusammenhang mit Nutzungs- und Schutzzielen im Küstenraum anstehen, sind objektiv der Akzeptanz der küsteneigenen und ostseegebundenen Prozesse unterworfen. Von Akzeptanz war heute auch schon einmal die Rede.
Fehlentscheidungen, Schäden und Überraschungen durch Küstenrückgang, Sturmereignisse, Überflutungen und anderes könnten volkswirtschaftlich gemindert werden. Auch davon war schon die Rede, wenn die gemachte Grundaussage nicht permanent durch Entscheidungsträger, Öffentlichkeit oder Medien ignoriert würde.
Aus meiner Sicht und den Erfahrungen der letzten Jahre erlebe ich es immer wieder, dass die ostseespezifischen Bedingungen leichtfertig mit denen der unter Gezeiteneinfluss stehenden Küste der Nordsee verglichen werden. Auch dies ist heute wieder erfolgt. Die Inseln Sylt und Hiddensee beispielsweise haben kaum Gemeinsamkeiten, Herr Brauer, das müssen Sie mal zur Kenntnis nehmen.
Die jeweils herrschenden Bedingungen sind gesondert zu betrachten. Bedingungslose Übertragbarkeit ist sehr problematisch. Zum anderen wird immer wieder negiert, dass insbesondere unsere Außenküste einen sehr dynamischen Charakter besitzt. Es wird negiert, auch heute wurde darauf verwiesen …
Zum anderen meine ich, dass – wie auch in der Vergangenheit – in der Zukunft statische Verhältnisse nicht ansetzbar sind und unsere Außenküste in Veränderung bleibt. Ob wir das irgendwo gegenteilig beschließen, hat überhaupt keinen Einfluss. Die noch heute häufig zitierte Formel, die Küste ist ein Mosaik in Raum und Zeit, die von meinem verehrten Hochschullehrer Professor Reinhard in den fünfziger Jahren geprägt wurde, bringt die Dynamik räumlich und zeitlich mit den Veränderungen der Küstenlinie auf den Punkt.
Und ob es uns nun passt oder nicht, wir müssen es weiter akzeptieren, dass 70 Prozent der Außenküste im Rückgang befindlich sind, Herr Brauer, das ist so. Das bedeutet einen durchschnittlichen Küstenrückgang von 34 Metern in 100 Jahren,
der vorrangig den extremen Sturmereignissen zuzuordnen ist. Und dieser Rückgang – vorwiegend an unseren Flachküsten – ist das Ergebnis eines negativen Sedimenthaushaltes. Auch das wurde schon hier erwähnt. Im Gegensatz dazu ist ein positiver Sedimenthaushalt und damit Zuwachs ausschließlich an unseren Flachküsten nur an sieben Prozent der Außenküste festzustellen. Das muss man sich immer wieder durch den Kopf gehen lassen.
Meine Damen und Herren, im Gesamturteil müssen wir mit einer Rückgangsküste leben. Diese Prozesse sind naturgegeben