Protocol of the Session on November 16, 2000

(Minister Dr. Wolfgang Methling: Ach Gott! – Caterina Muth, PDS: Sie können doch einen Antrag nach dem anderen stellen.)

in den Ausschüssen, Herr Dr. Klostermann, gängige Praxis wäre. Das sagte ich ja, vorab.

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

Meine Damen und Herren Abgeordnete, nur keine Aufregung, das Thema Küstenschutz Hiddensee bewegt nicht nur die Einwohner, der in der Ostsee einmaligen Insel, sondern über Mecklenburg-Vorpommern hinaus und, ich behaupte, weltweit alle, die sich mit Hiddensee identifizieren. Hiddensee ist weder mit einer Brücke, noch mit einem Damm mit dem Festland oder der vorgelagerten Insel Rügen verbunden.

Meine Damen und Herren! Wie verlautbart, beabsichtigt die Landesregierung – und Herr Umweltminister Methling

hat sich da ja jetzt etwas revidiert –, den Dünenabschnitt südlich Neuendorf auf Hiddensee in der Zukunft nicht mehr aufzuspülen und aus dem Küstenschutzanlagenbestand des Landes herauszunehmen, zu streichen, wie auch immer. Dabei ist den Entscheidungsträgern, Landesbehörden, dem Umweltministerium und Ihnen, Herr Umweltminister, durchaus bewusst, dass infolge einer schweren Sturmflut, und Sie haben es ja ausdrücklich hier noch einmal dargestellt, es zur Abtrennung des südlichen Inselteils kommt. Das ist Realität. An der öffentlichen Meinung, Hiddensee als Ganzes zu erhalten, kommt eben auch keine Landesregierung vorbei.

Der Kreistag Rügen hat sich überfraktionell, und das ist für Rügens Kreistag nicht alltäglich, für den Erhalt und die Novellierung des Wassergesetzes einstimmig ausgesprochen. Frau Kreistagspräsidentin, die auf Hiddensee zugegen war, hat Ihnen den Beschluss noch einmal förmlich überreicht. Ich sage hier auch bewusst, der Passus Novellierung des Wassergesetzes ist eine ausdrückliche Forderung der PDS des Kreistages, Herr Minister. Ich meine, dazu gibt es keine Alternative.

Meine Damen und Herren! Es ist legitim und lobenswert, dass Herr Minister Methling sich durch eine Anhörung Rückendeckung verschafft. Der Vor-Ort-Termin, wie von Ihnen am 13.11. praktiziert, war der Sache dienlich und sehr hilfreich.

Zwischen Expertise, Ergebnissen der Anhörung, Expertenmeinungen und den Erfahrungen der auf Hiddensee lebenden Bürger gilt es jetzt und nicht irgendwann eine finanziell mögliche und für den Schutz der Küste Hiddensees erforderliche Lösungsvariante zu finden – da stehen wir gar nicht so weit voneinander –, eine Lösungsvariante für den Erhalt der Insel Hiddensee allerdings in jetziger geographischen Einheit. Übrigens sieht das der Wetterfrosch Kachelmann nicht viel anders.

(Dr. Henning Klostermann, SPD: Kronzeuge.)

Steht ein Gesetz dabei im Weg, gehört das Gesetz auf den Prüfstein. „Geht nicht“ liegt auf dem Inselfriedhof von Hiddensee und, Herr Minister, „Kann nicht“ liegt gleich daneben.

Meine Damen und Herren! Schon jetzt ist klar, dass bei einem Durchbruch von 500 Metern – ein halber Kilometer ist ja immerhin eine gewaltige Entfernung – im südlichen Inselbereich Nähe Gellen-Fahrwasser möglicherweise der gesamte südliche Inselteil in einer Länge von – und Zahlen können so und so interpretiert werden – sieben Kilometern und damit etwa 40 Prozent der gesamten Insel von der Insel abgetrennt und künftig von jeder Nutzungsmöglichkeit im Falle eines Sturmhochwassers – wir hoffen nicht, dass es kommt – abgeschnitten wäre. Mehrere Kilometer Badestrand sowie ausgedehnte Bereiche für Wanderungen, Radfahren, Reiten in einer so hervorragenden naturnahen Kulturlandschaft würden der Inselbevölkerung und, ich behaupte, in- und ausländischen Touristen nicht mehr zur Verfügung stehen.

(Beifall Gesine Skrzepski, CDU)

Eines aber wird schon heute deutlich, und die öffentliche Anhörung am 13.11. auf Hiddensee bestätigt meine Meinung: Die vom Umweltministerium immer wieder ins Feld geführten Argumente, der Natur freien Lauf zu lassen würde Kosten sparen, lässt sich nicht aufrechterhalten, nicht an diesem konkreten Beispiel und Fall. Die Folge eines Inseldurchbruchs und die sich daraus ergebende

Veränderung der Strömungsverhältnisse wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – und Herr Meier vom Schifffahrtsamt hat das ja auf Hiddensee deutlich zum Ausdruck gebracht – zum Versanden der Schifffahrtswege und somit zu erhöhten Ausbaggerungskosten für den Bund führen, nicht für das Land. Diese Kosten werden die Erhaltung der Küstenschutzanlagen vermutlich beträchtlich überschreiten. Das Bundesschifffahrtsamt macht deutlich, dass beim Durchbruch der Insel Hiddensee durch Sedimentablagerung ein Verlanden der Zufahrt des Stralsunder Hafens eintritt. Meines Erachtens nach wäre es hier vernünftiger, schon frühzeitig die Bundesregierung mit ins Boot zu holen, um die notwendigen Küstenschutzmaßnahmen für Hiddensee zu realisieren.

Kein Politiker, meine sehr verehrten Damen und Herren, würde die Sylter – ich spreche von der Insel Sylt – vertrösten, für den Fall „Land unter“ liebe Sylter, haben wir einen Havarierplan.

(Reinhardt Thomas, CDU: Das ist stark, ja.)

Damit ließen sich Sylter nicht abspeisen. Ich denke, es ist bekannt, für Sylt stellt der Bund jährlich 10 Millionen DM für Küstenschutz bereit für Sand- und Dünenaufspülung. Und vielleicht sollte Herr Ministerpräsident Ringstorff mal seinen Chef, Herrn Schröder, nach Hiddensee führen. Der Kanzler der Deutschen Einheit war schon mehrmals auf Rügen.

(Zurufe von Dr. Henning Klostermann, SPD, und Peter Ritter, PDS)

Moment, nicht so voreilig. Die Sandaufspülung 1994 war Realität.

(Minister Dr. Wolfgang Methling: 1993.)

1993/94.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Minister Dr. Wolfgang Methling: Doch, er hat die Schaufel mitgehabt.)

Sie waren ja dabei. Sie haben es gehört.

Werte Abgeordnete, für Hiddensee fehlen mir insbesondere die Aktivitäten derer, die sich seinerzeit für Hochwasserschutz im Raum Kamp, Bugewitz stark gemacht haben. Meine Herren Abgeordnete, bringen Sie sich erneut mit ein! Ich glaube, wir ziehen da am richtigen Strang. Aber wie wir alle wissen, ist in der Politik nichts älter als der Schnee von gestern.

Verehrte Abgeordnete! Meine Damen und Herren! Im Interesse der Perspektive für Hiddensee und deren Bewohner fasse ich, und ich bin mir der Unterstützung meiner Fraktion dabei sicher, den Sachverhalt wie folgt zusammen:

Erstens. Die Insel Hiddensee ist in ihrer Gesamtheit als kulturhistorisches Kleinod – ich betone Kleinod – der deutschen Ostseeküste bekannt. Sie ist unter den besiedelten Inseln ausnahmslos die einzige echte, also weder mit Damm oder Brücke mit dem Festland verbundene Insel.

Zweitens. Ein in Aussicht stehender Durchbruch im südlichen Inselbereich hätte nicht, wie vom Umweltminister dargestellt, die Abtrennung lediglich des Nationalparks oder der Kernzone zur Folge,

(Minister Dr. Wolfgang Methling: Habe ich nicht gesagt.)

sondern möglicherweise des gesamten südlichen Inselteiles in einer Länge von sieben Kilometern und damit etwa 40 Prozent der insgesamt 18 Kilometer langen Insel.

Drittens. Damit würden mehrere Kilometer besten Badestrandes sowie ein ausgedehnter Bereich für Wanderungen, Radfahren und Reiten in einer selten so hervorragend naturnah erhaltenen Kulturlandschaft nicht mehr zur Verfügung stehen. Gerade diese Landschaft wird seit vielen Jahrzehnten als touristisch besonders wertvolles Gebiet geschätzt und genutzt.

Viertens. Die vom Umweltministerium in Aussicht gestellte Kosteneinsparung wird als nicht real angesehen. Mit Sicherheit tritt nach einem Inseldurchbruch als Folge eines extremen, das ist wahr, extremen Sturmhochwassers und der sich danach ergebenden Veränderungen in den Strömungsverläufen Folgendes auf: Versanden von Schifffahrtswegen, Entstehen von Untiefen, weitere weder abzusehende noch bisher untersuchte Folgeerscheinungen, Kosten zur Beseitigung eingetretener und Verhinderung weiterer Folgeschäden. Die geschätzten Kosten zur Erhaltung der Küstenschutzanlagen im Bereich Gellen werden im Verhältnis dazu garantiert nicht größer.

(Zuruf von Caterina Muth, PDS)

Fünftens. Bisher in größeren Zeitabständen sehr aufwendig durchgeführte Aufspülungen – Aufwand 1993 rund 3,5 Millionen DM, wir hörten es bereits – werden als nicht zweckmäßig angesehen, da stimmen wir sicher überein, da sie nur über einen begrenzten Zeitraum vorhalten und die abgetragenen Sandmassen zu einem wesentlichen Teil den Gellen-Strom – also die Fahrrinne nach Stralsund – als Schifffahrtslinie versanden. Es wird deshalb dringend empfohlen, den sensiblen Bereich südlich der Ortslage Neuendorf im Dünenfuß seeseitig durch ein System von Küstenschutzmaßnahmen – Baggergut mit Verbau – zu sichern.

Meine Fraktion, meine sehr verehrten Damen und Herren, stimmt dem Antrag der Koalition zu. Erledigt ist das Problem für die CDU allerdings erst, wenn eine akzeptable Lösung für Hiddensee plus deren Realisierung sich zeigt,

(Dr. Henning Klostermann, SPD: Anfrage.)

denn Wahlkampfversprechen helfen Hiddenseer Bürgern nicht. – Danke schön.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Caterina Muth, PDS: Na, das tun doch Sie gerade.)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Klostermann?

Ja, bitte.

Herr Abgeordneter Brauer, Sie sprachen die Novellierung des Landeswassergesetzes an, aber Sie haben uns leider nicht erzählt, wie Sie sich konkret die Novellierung dieses Landeswassergesetzes vorstellen. Könnten Sie das hier noch tun?

Warum, Herr Abgeordneter, sollte ich der Landesregierung vorgreifen?

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD, PDS und Minister Dr. Wolfgang Methling)

Ich danke.

Aber ich war so gespannt.

Danke, Herr Brauer.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Muth von der Fraktion der PDS.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Alles ist in Bewegung“ wäre wohl die richtige Überschrift für unseren Antrag zum Thema „Hiddensee“. Dass wir uns mit diesem Thema beschäftigen, hat sowohl einen historischen als auch einen aktuellen Bezug. Küstenschutz vor Hiddensee ist keine Erfindung der Neuzeit, sondern Hunderte von Jahren alt. Es wurde ja von allen Rednern schon darauf hingewiesen. Erstaunlich dabei ist, dass sich die verschiedenen Methoden zum Schutz, die zur Anwendung kommen im Laufe der Zeit, nur relativ wenig verändert haben. Was allen Methoden jedoch gemeinsam ist, ist ihr Vermögen, die dynamischen Prozesse an der Küste der Insel nur temporär zu beeinflussen, wenn man die geologischen Dimensionen dieser Prozesse betrachtet.

Auf Hiddensee, wie an einer großen Vielzahl anderer Küstenabschnitte unseres Landes, haben wir es mit sandigen Rückgangsküsten zu tun, die einen defizitären Sandhaushalt aufweisen, das heißt, es wird an der Küste von Hiddensee definitiv mehr Sand abgetragen als aufgespült. Das hat zwangsläufig zur Folge, dass Strandabschnitte der Insel und dazugehörige Dünen im Verlaufe vieler Jahre aufgezehrt werden. Das ist ein Prozess, der immer wieder stattfindet. Schlimmste Folge einer solchen Entwicklung wäre, dass die Düne der Insel bei einem Hochwasser der Gewalt des Wassers nicht mehr standhält oder die Dünen nicht standhalten können und ein Durchbruch der Insel entsteht, wie bereits historisch schon einmal geschehen – der Minister hat darauf hingewiesen. Es steht also die Frage, wie man dieser Gefahr begegnet. Was kann man machen, um die Dynamik der Küstenprozesse zu beeinflussen, sie zeitweilig aufzuhalten? Zeitweilig. Und nicht zuletzt steht für mich auch die Frage, vielleicht im Gegensatz zu Ihnen, Herr Brauer, ob man überhaupt diese Dynamik aufhalten will.

(Lutz Brauer, CDU: Ich dachte, wir wären da schon einen Schritt weiter.)

Eine in diesem Zusammenhang aktuell diskutierte Variante der Beeinflussung ist das Aufspülen von Sand an der Südküste der Insel, dem Gellen. Das erfolgt in geringem Umfang oder erfolgte bereits 1970, in beträchtlicher Dimension 1993. Dass eine derartige Maßnahme aber nur der von mir schon erwähnte temporäre Versuch ist, die Dinge aufzuhalten, beweist der heutige Zustand dort vor Ort. Sie kennen ihn ja.