Protocol of the Session on October 18, 2000

(Heiterkeit bei Wolfgang Riemann, CDU)

Es ist allgemein festgestellt worden, dass wir natürlich eine Baisse in der Bauindustrie haben. Wir haben im letzten Jahr einen Nachfragerückgang im Wohnungsbau um 20 Prozent gehabt.

(Harry Glawe, CDU: Dafür haben wir ja „Jugend baut“.)

Und die Baisse der Bauindustrie, die hat doch 1996 eingesetzt, schon zu Ihren Amtszeiten. Da war doch schon

absehbar, was da passiert. Und der Ministerpräsident hat heute, glaube ich, sehr ausführlich dargestellt,

(Wolfgang Riemann, CDU: Herr Holter hat ja auch die Förderung des Eigenheimbaus gekürzt.)

wie die wirtschaftliche Situation des Landes aussieht.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Und nun suggerieren Sie, ja, suggerieren Sie, es würde durch einen staatlichen Eingriff dieser Strukturwandel von heute auf morgen zu beseitigen sein. Das ist doch unglaublich, was Sie suggerieren!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Das ist etwas, was mit wirtschaftlicher Entwicklung überhaupt nichts zu tun hat. Sie wissen, dass wir schwere Strukturwandel durchgemacht haben in den vergangenen zehn Jahren. Und nun suggerieren Sie, in zwei Jahren kann man einen Rückgang der Baubranche von dieser gravierenden Art –

(Zurufe von Wolfgang Riemann, CDU, und Jörg Vierkant, CDU)

der im Übrigen in Sachsen genauso auftritt wie in Mecklenburg-Vorpommern, in Brandenburg genauso auftritt wie in Sachsen-Anhalt, unabhängig von den politischen Führungen – mit einem Federstrich mit mehr Investitionen tatsächlich beseitigen. Nein, meine Damen und Herren, das stimmt einfach nicht. Wir müssen diesen Strukturwandel durch begleitende andere Maßnahmen –

(Zuruf von Georg Nolte, CDU)

und darüber reden und diskutieren wir ja – versuchen auf den richtigen Weg zu bringen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Angelika Gramkow, PDS)

Und nun nenne ich Ihnen noch einmal die neuesten Zahlen. Wir haben 28.207 Lehrstellenbewerber, das ist der Stand September 1999. Bezogen auf September 1999 – dort hatten wir 29.576 – ist das ein Rückgang der Lehrstellenbewerber um 1.369.

(Wolfgang Riemann, CDU: Hat er gesagt. Hat er gesagt.)

Und wir haben ein Lehrstellenangebot …

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Ja lassen Sie mich das doch nur mal ergänzend sagen!

… von 19.694. Das ist ein Rückgang um 1.065,

(Zuruf von Georg Nolte, CDU)

also weniger als die Bewerberzahlen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Hat er auch gesagt.)

Und davon sind jetzt unvermittelte Bewerber 1.247 und unbesetzte Stellen 211, Stand September dieses Jahres.

Und jetzt sage ich Ihnen Folgendes: Nun suggerieren Sie, dass aufgrund des Rückgangs der betrieblichen Ausbildungsförderung diese Plätze zurückgegangen sind, Herr Seidel. Und das ist Ihr Fehler.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Diese Plätze sind doch in erster Linie deshalb zurückgegangen, weil wir den Strukturwandel in der Bauindus

trie haben und weil an anderer Stelle diese Plätze nicht kompensiert werden. Und wir haben hier Folgendes gemacht: Wir haben das Multimediaprogramm

(Zuruf von Jürgen Seidel, CDU)

und wir haben die ÜLU erhöht, das heißt die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung für die Handwerker. Wir versuchen, das darüber, indem wir den Betrieben hier die Lasten abnehmen, zu kompensieren. Ob das aufgeht oder nicht, das werden wir Ende des Jahres sehen. Und dann, denke ich mal, können wir die Bilanz hier auch vorlegen. Ich gehe davon aus, dass wir das Problem auch in diesem Jahr wieder lösen. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Vielen Dank, Herr Wirtschaftsminister.

Das Wort hat jetzt noch einmal die Abgeordnete Frau Beyer von der SPD-Fraktion. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Frage nach Fördermöglichkeiten für Existenzgründungen von Jugendlichen – nicht nur von Hochschulabgängern, sondern auch von außerbetrieblich Ausgebildeten, aber auch von Arbeitslosen – wird immer öfter gestellt. Wie mir bei unserer 2. Landesmesse von Schülerfirmen berichtet wurde, werden außerbetrieblich Ausgebildete in den alten Bundesländern nicht nur mit Kusshand genommen, sondern es besteht auch bei einer Reihe von Jugendlichen der Wunsch, eine eigene Existenz hier bei uns im Land zu gründen. Bei der Realisierung dieses Wunsches schon während der Ausbildung werden wir natürlich gerne behilflich sein. Und hier ist jeder gefragt zu informieren, zu ermutigen und zu begleiten, auch Sie, meine Herren von der CDU.

Ein ganz anderer Bereich ist der Bereich der Ausbildung. Um Jugendlichen das Rüstzeug mitzugeben, das sie für die Anforderungen eines Berufes brauchen, müssen Ausbildungsordnungen und Berufsbilder geändert werden. Das spart Geld und auch Zeit. Zum Beispiel ist durch die Initiative aus unserem Land ein Modellversuch zur Schaffung eines Ausbildungsberufes für Callcenter nach einem halben Jahr Vorbereitungszeit bereits gestartet worden. Es ist doch nicht einzusehen, dass junge Menschen einen kaufmännischen Beruf erlernen müssen, von dem sie in einem Callcenter 80 Prozent des erworbenen Wissens nicht mehr brauchen. Stattdessen müssen sie sich über Weiterbildungsmaßnahmen das notwendige Wissen zusätzlich aneignen. Wenn man hört, dass die Erprobung eines neuen Berufsbildes früher sieben Jahre gedauert hat, dann haben wir heute schon viel erreicht und Kosten gespart, die wir in Arbeit für junge Menschen investieren können. Ich bin mir sicher, dass wir da auch in anderen Bereichen mit Verbundlösungen noch ein ganzes Stück weiterkommen. Uns ist es wichtig, möglichst vielen jungen Menschen eine berufliche Perspektive in unserem Land zu geben und ihre Leistungsbereitschaft für die Entwicklung unseres Landes zu nutzen. Dazu reicht es nicht, Herr Rehberg, ihre Mobilität durch ein Eigenheim einzuschränken und durch die Belastung von Krediten ihre Handlungsfähigkeit zu blockieren.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

Wir brauchen eine mobile, aktive und kreative Jugend. Es gibt viele, die ihnen Wege ebnen, Türen öffnen und sie,

wenn es nötig ist, bei der Hand nehmen und ihre Eigeninitiative fördern. Ich bin mir sicher, dass wir so eine Brücke schlagen zwischen den heute noch hohen Schulabgängerzahlen und fehlenden Arbeitsplätzen hin zu den vielen zu besetzenden Stellen und wenigen Schulabgängern ab 2007, denn dann werden einem Schulabgänger zwei offene Stellen gegenüberstehen. – Ich danke.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Vielen Dank, Frau Beyer.

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Lorenz von der PDS-Fraktion. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Längst hat sich das Vertrauen auf die Kräfte des Marktes allein als untaugliches Konzept für die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit erwiesen. Wir wissen es doch.

(Jürgen Seidel, CDU: Wer hat denn darauf vertraut in den letzten Jahren?)

Es hat sich ebenfalls als untauglich erwiesen, die Gesetze des Marktes zu missachten. Wir haben also alle zu lernen und wir sind alle gefragt, Lösungen zu entwickeln. Und jede Idee ist es wert, aufgegriffen zu werden. Ich wundere mich, dass hier alles nur verworfen wird, aber keine neuen Ideen auf den Tisch kommen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Ich denke, dass kein Platz ist für Häme, und es ist auch kein Platz für Besserwisserei und es ist kein Platz für endlosen Streit der Parteien um den einzigen Lösungsweg. Sie bieten ja auch keinen eigentlich an heute.

Jugend kann nicht warten – Frau Beyer sagte es. Haben wir wirklich die im Blick, um die es zuerst geht, die jungen Menschen selbst? Der typische junge Arbeitslose in unserem Land ist gut ausgebildet. Dieses Land förderte die Ausbildung seiner jungen Menschen in den vergangenen Jahren mit Milliardenbeträgen. Der oder die junge Arbeitslose in unserem Land ist zumeist zwischen drei und sechs Monaten ohne Beschäftigung. Die Zahl der jungen Menschen, die bis zu einem Jahr und länger arbeitslos sind, scheint aber auch wieder zu wachsen. Der typische junge Arbeitslose ist nicht im herkömmlichen Sinne benachteiligt, er wird benachteiligt – dadurch, dass er abgeschnitten ist von der Chance, Berufserfahrungen zu sammeln, abgeschnitten von der Chance, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, abgeschnitten von der Chance, sich selbst aus eigener Kraft Wünsche zu erfüllen, auch den Wunsch nach Familie, und in gewisser Weise also abgeschnitten von einem Stückchen Erwachsenwerden.

Was ist Statistik im Vergleich zu dieser Lebenswirklichkeit des Einzelnen und der Einzelnen? Politik beginnt bei Tausend, sagt ein Kollege. Vielleicht. Aber wofür ist die Politik denn da? Für den Einzelnen doch letztlich. Und wer kann es dem oder der Einzelnen verübeln, dass sie da hingehen, wo sie ihre Chancen suchen. Dieser Exodus ist aber tödlich für unser Land und Jugendarbeitslosigkeit bedroht das soziale Gefüge im Land. Und deshalb lohnt sich jede Bemühung.

Ich hatte mir vorgenommen, darauf einzugehen, was die Betroffenen selbst denken. Aber wir können es alle gut