Protocol of the Session on July 13, 2000

Daran hat sich nichts geändert. Es gibt allerdings eine grundlegende Änderung:

(Georg Nolte, CDU: So, wie Sie jetzt ein- sehen, dass die Steuerreform ganz gut ist. – Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Sie sind jetzt in der Opposition und da kann immer einmal etwas gefordert werden, was früher, so Ihre Begründung, wegen des uneinsichtigen Partners nicht durchsetzbar war.

(Zuruf von Heidemarie Beyer, SPD)

Nun, der Bedarf an Schulsanierungsvorhaben ist unbestritten vorhanden.

(Harry Glawe, CDU: Aha! – Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Das hat aber durchaus auch seine historischen Ursachen,

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

auf die ich an dieser Stelle kurz eingehen möchte, weil Sie es nicht getan haben. Sie wirken heute in noch viel höherem Maße als zu ihrer Einführung. Dazu gehören vor allen Dingen folgende Dinge:

Erstens. Die Form eines Bildungssystems und seine Struktur bestimmen die Standorte. Das gegliederte Schulsystem wurde auf Standorte aufgepfropft, die dafür weder geschaffen noch vorgesehen waren.

(Beifall Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Jeder wird verstehen, dass ein System mit integrativem Ansatz und zwei Schulformen andere Standortbedingungen und Verteilungen aufweisen muss als ein System, das mindestens drei Schulformen auseinander differenziert. Anders gesagt: Die Standorte, die wir 1991 im Lande hatten, waren für das neue System nicht passfähig und sie konnten es objektiv auch nicht sein.

Zweitens. Der dramatische Rückgang der Schülerzahlen sowie die völlig andere zahlenmäßige Verteilung auf die einzelnen Bildungsgänge führten und führen einerseits zur Vernichtung von Schulstandorten, andererseits erforderten sie kurzfristig erhebliche Investitionen in einzelne Neubauten, vor allem von Gymnasien und Berufsschulen, weil der Zulauf durch die damals noch hohe Schülerpopulation die vorhandenen Kapazitäten bei weitem überstieg. In so manchem Landkreis wurden Bauentscheidungen wider aller Vernunft vorbei an sich real abzeichnenden demographischen Entwicklungen getroffen.

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD, und Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Nach wie vor sind Übergangsquoten an das Gymnasium ungesund hoch, zunehmend. Sie nähern sich in einigen Kommunen der 50-Prozent-Marke oder liegen sogar darüber. Gemildert allerdings wird dieses jetzt durch die geringer werdende Anzahl der absoluten Schülerzahlen, auch im weiterführenden Bereich. Und in der Konsequenz ist heute schon abzusehen, dass in einigen Regionen die Kapazitäten der modernen neuen Gymnasien ausreichen werden, um alle Schülerinnen und Schüler des Einzugsbereiches zu unterrichten. Wenn es so kommt, was sind das dann für Schulen? Sind es noch Gymnasien oder sind es dann Gesamtschulen?

(Harry Glawe, CDU: Das würden Sie gern so haben. – Zuruf von Steffie Schnoor, CDU)

Drittens. Die Auswirkungen der Kreisgebietsreform. Gewachsene territoriale Strukturen mit einer passenden Infrastruktur wurden unter einigen planerischen Gesichtspunkten zerschlagen, es wurden neue Einzugsbereiche für Schüler festgelegt, die Schülerbeförderung entwickelte sich stetig zum größten Beförderungsunternehmen des Landes und verursacht weiter steigende, zunehmend enorme Kosten für die Kommunen.

Viele Standorte wurden in diesem Zusammenhang überflüssig und es begann der Kampf um die Schüler, die für die Auslastung und damit für die Erhaltung der Schulstandorte entscheidend sind. Dass dabei die Kommunen natürlich in ihre Schule investiert haben auf Teufel komm

raus, um den Schulstandort zu erhalten, ist natürlich irgendwo naheliegend.

(Harry Glawe, CDU: Schulträger, nicht?)

Aber auf fragwürdige Mittel und Methoden oder auch provokativ als „kommunaler Schülerklau“ bezeichnete Tendenzen will ich hier nicht näher eingehen. Diese Prozesse verschärfen sich weiter.

Viertens. Die Schulentwicklungsplanung ist nach geltender Rechtslage in diesem Land eine kommunale Aufgabe, sie ist schon innerhalb der Territorien ein Politikum. Dafür sorgen einerseits die unterschiedliche Festlegung von Schulträgerschaften und andererseits die Umbrüche in der territorialen Infrastruktur. Es ist deshalb bisher nicht in allen Kreisen und kreisfreien Städten gelungen, eine den demographischen und Territorialbedingungen entsprechende Standortverteilung von Schulen zu schaffen. Auch hier werden alle an dem Erbe noch heftig zu knabbern haben. Besonders deutlich wird diese Entwicklung in den Grenzbereichen zwischen den Landkreisen und den kreisfreien Städten. Ich betone das hier ausdrücklich, weil sich dieser Prozess mit sinkenden Schülerzahlen insbesondere auch im Sek-I-Bereich noch erheblich verschärfen wird, besonders für die Gebiete, in denen die Strukturanpassung wegen der erheblichen Widerstände von Lehrerinnen und Lehrern, Kommunalpolitikern und Bevölkerung ohne politische Schwerpunktsetzung nicht beendet werden wird.

(Beifall Rudolf Borchert, SPD)

Fünftens. Die bisherigen Schulbau- und Sanierungsmaßnahmen in einem Umfang – Herr Nolte hat die Zahl hier gesagt – von 1,175 Milliarden DM durch öffentliche Mittel ohne umfängliche konzeptionelle Anpassung an die Erfordernisse künftiger Standortkapazitäten und Schülerzahlen wirken sich negativ aus. So haben wir heute gymnasiale Neubauten im Lande mit hohen Kapazitäten, denen zunehmend die Schüler auszugehen drohen, und marode Schulen im Haupt- und Realschulbereich.

Und, Herr Nolte, da hilft auch der Verweis auf die Prognose des Investitionsbedarfs für allgemein bildende Schulen aus dem Jahre 1991 nicht, denn wir haben seitdem eine demographische Entwicklung, die uns in der Frage der Standortentscheidung und in der Frage, nach welchen Parametern denn die Schulentwicklungsplanung zu erfolgen hat, noch so manche harte Nuss zu knacken aufgibt.

Es gab und gibt oftmals keine Abstimmung zwischen den Schulträgern und die vom Landesrechnungshof zutreffend als „unsinnige Kreisgrenzerei“ kritisierte Festlegung von Schuleinzugsbereichen tut ihr Übriges.

Ich will an dieser Stelle noch darauf verweisen, dass das Schulgesetz die Festlegung von Einzugsbereichen nicht zwingend vorschreibt. Es gilt deshalb immer die Entscheidung zwischen Abgrenzung oder Zusammenarbeit. Welchen Weg die Kommunen gehen, liegt allerdings in ihrer Selbstverwaltungskompetenz.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Nachsicht, wenn dieser Rückblick und die Beschreibung von weiteren Zusammenhängen, die mit Schulbau und Investitionsbedarf etwas zu tun haben, etwas länger ausgefallen sind, doch die Materie weist eben eine hohe Komplexität auf und ist nicht einfach nur an Mark und Bausumme festzumachen.

(Zuruf von Georg Nolte, CDU)

Viele objektive und subjektive Rahmenbedingungen sowie unterschiedliche Entscheidungsebenen spielen eine Rolle. In diesem Komplex müssen der Schulbau und die Schulsanierung eingeordnet werden. Sie können nicht länger losgelöst von der Schulentwicklung im Lande beantwortet werden. Die Betrachtung der Schulentwicklungsplanung wird unter den bekannten demographischen Bedingungen mehr und mehr landesweite Bedeutung haben. Wir sollten uns sehr schnell von der enklaven Betrachtung einzelner Regionen lösen. Augenfällig wird dies zuerst für die Struktur der Gymnasialstandorte und der beruflichen Schulen. Ich weiß sehr genau, welcher politische Zündstoff sich dahinter verbirgt. Deshalb glaube ich, dass ein kommunales Schulsanierungsprogramm nur dann und erst dann den gewünschten Effekt bringt, wenn vorher mindestens folgende Dinge klar sind:

1. wenn langfristige Klarheit über die zu erhaltenden Standorte in allen – in allen – Schulformen besteht,

(Wolfgang Riemann, CDU: Die eine oder andere kann man schon mal vorher sanieren.)

2. wenn die Regionalschule als neue Struktureinheit inhaltlich und organisatorisch, Herr Riemann, so bestimmt ist, dass sie sich organisatorisch in die Planungen zur Schulentwicklungsplanung einordnet,

3. wenn die Bereitschaft der für die Schulentwicklungsplanung zuständigen Planungsträger zur kreisgrenzenüberschreitenden Kooperation überhaupt gefördert und ermöglicht wird.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Der Bedarf ist unstrittig. Deshalb hat es meine Fraktion ausdrücklich begrüßt, dass es der Finanzministerin gelungen ist, die Möglichkeiten der Anwendung des kommunalen Investitionsprogramms für Schulbau und Schulsanierung zu erweitern. Ich weiß auch, dass jetzt bei manchem so im Kopf der Vorwurf kommt, die Gesamtmittel wurden nicht erhöht. Das ist ohne Frage richtig. Es wird aber tunlichst verschwiegen, dass die kommunalen Gebietskörperschaften, genauso wie wir auch auf Landesebene, für die Schwerpunktsetzung bei der Verteilung der verfügbaren Mittel zuständig und damit verantwortlich sind.

(Ministerin Sigrid Keler: Herzlichen Dank.)

Die PDS hat immer gefordert, die kommunale Selbstverwaltung zu stärken und Eingriffe von oben auf das gesetzlich Zulässige zu beschränken. Wenn aber die Kommunen die Entscheidung zwischen Feuerwehrgerätehäusern oder Schulen haben,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Annegrit Koburger, PDS)

dann müssen sie sich entscheiden, wofür sie die Mittel verwenden, und es natürlich auch verantworten. Vergleicht man hier die Daten, so entsteht ein sehr differenziertes Bild. Im Landkreis Rügen wurden zum Beispiel 1999 für den Brandschutz circa 2,1 Millionen DM abgerufen, für allgemein bildende Schulen 54.000 DM,

(Gesine Skrzepski, CDU: Ja, das ist Sünde!)

dagegen im Landkreis Nordvorpommern für Brandschutz 1,6 Millionen DM, für Schulen 3,1 Millionen DM.

(Wolfgang Riemann, CDU: Siehste, schwarzer Kreis, schwarzer Kreis!)

Jawohl, Herr Riemann, das ist doch in Ordnung.

Also, dazwischen liegen Welten. Und nimmt man die Gesamtzahlen, so hat den größten Anteil der förderfähigen Bereiche der Brandschutz mit 29,5 Millionen DM, der Verkehr mit 29,2 Millionen DM und Schulen folgen auf Platz 5 mit ganzen 13,2 Millionen DM.

Es hieße, Eulen nach Athen zu tragen, an dieser Stelle nochmals auf die finanzielle Lage sowohl des Landes als auch der Kommunen zu verweisen. Eines ist sicher: Mittelfristig wird sich an dieser Situation nichts ändern. Bei der Verwendung der vorhandenen Mittel wird es deshalb auf innovative und vor allem perspektivisch tragfähige Lösungen ankommen, die gründlich vorzubereiten sind. Darum ist es wichtig, die Hausarbeiten vorher zu machen.

Ich komme damit zum Schluss.

Meine Damen und Herren! Sie von der CDU fordern, lediglich den aktuellen Investitionsbedarf zu ermitteln. Das, meine Damen und Herren, greift zu kurz. Aktuell ist praktisch schon Vergangenheit. „Die Mittelbereitstellung für das Programm“, so schreiben Sie in Ihrem Antrag, „darf nicht zu Lasten anderer kommunaler Investitionsprogramme gehen.“ Bitte schön, meine Damen und Herren der CDU, dann sagen Sie uns doch mal, wo Sie die Deckung für ein solches kommunales Schulbauprogramm hernehmen wollen!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Das werden wir Ihnen mit dem Haushalt sagen, Herr Bluhm.)

Vielen Dank, Herr Bluhm.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Polzin von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zweifellos besteht im Bereich Schulsanierung weiterhin akuter Handlungsbedarf. Qualität von Schule muss sich sehr wohl auch messen lassen an materiellen Voraussetzungen.